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Liebe LeserInnen der 98. Print-LUST, Frühling 09

Unter uns gesagt ...
Die CSD-Ankündigungen landen auf unserem Rechner, kaum dass sich der Frühling abzeichnet. Allerdings ist ja auch klar, dass Großereignisse ihre Vorbereitungen brauchen. Und wer in der Vorbereitung steckt, für den ist ja auch schon beinahe CSD-Time.

Wir aber, kaum aus dem Winterschlaf aufgeschreckt, bekommen deutlich mit, dass eben die Zeit schneller weitergeht, als wir es so recht wahrnehmen.

Diese Ausgabe hat eine gewisse Weltwirtshaftskrisendominanz bzw. eine Politikdominanz, und das ist den aktuellen Ereignissen geschuldet, die so geartet sind, dass sie unser Leben entscheidend verändern werden.

Vieles im sozialen und gesellschaftlichen Bereich wird am Ende dieses Jahres anders sein als zu seinem Beginn.

Die Besonderheit der „Hessischen Verhältnisse“ bedingen, dass wir uns diese ein wenig unter die Lupe genommen haben. Sie sind immerhin der Auftakt des „Superwahljahres 09“.
Das ist natürlich alles Themenstiftend für diese Frühlingsausgabe gewesen.

Frühling? Lustvoller Aufbruch voller Optimismus in das Kommende? Das ist uns in diesem Jahr gründlich geklaut worden.

Die Hoffnung, dass sogenannte „linke Mehrheiten“ an den Zuständen etwas ändern könnten, diese Hoffnung ist gerade in Hessen beerdigt worden.

Der rechte Flügel in dieser Partei hat seinen Durchmarsch geschafft, hat sie totgesiegt, hat somit die SPD aus dem „linken Lager“ vor aller Öffentlichkeit herausgeholt und die Prozentzahlen belegen, dass dies in Wirklichkeit ein politische Katastrophe ist.

Um es noch genauer zu sagen: Die politischen Kräfte in Deutschland, die immer wieder die Privatisierung von allem gefordert haben, die FDP und Teile der CDU/CSU, genau die werden nun von den WählerInnen belohnt und gehören zu den zukünftigen politischen Siegern dieses Superwahljahres.
Was anderes werden sie uns bringen als noch weitere Kürzungen im Sozialen und weitere Verschlechterungen des gesamtgesesellschaftlichen Klimas? Und unter deren Schatten drängen religiöse Fundamentalisten und NeoNazis nach.

Und um beim Thema zu bleiben: Der Buchladen ”Oscar Wilde Bookshop“ schließt demnächst nach 41 Jahren für immer seine Pforten, meldet ‘The Advocat’. Eben nur das Ende eines weiteren Buchladens? Oder Zeichen des schleichenden Sterbens schwul-lesbischer Strukturen?

Der ”Oscar Wilde Bookshop“, eine ‘Institution’ nicht nur im Greenwich Village, schließt in wenigen Wochen endgültig.

Ein Buchladen, ein schwuler Buchladen, in New York. Ein Buchladen, der sich selbst (wohl nicht ganz unbegründet) als ”“the world’s oldest gay and lesbian bookshop“ bezeichnete. An der legendären Christopher Street gelegen, war dieser bereits 1967 gegründete schwule Buchladen lange Zeit der einzige, später (in Zeiten wachsender schwuler Strukturen) oftmals der ambitionierteste Buchladen mit einem Sortiment, das auch über Hochglanzprodukte und ‘easy reading’ hinaus ging. Die erste schwul-lesbische Parade New Yorks entstand aus diesem Buchladen heraus Nach 41 Jahren ist nun am 29. März 2009 Schluss.

Die Luft scheint enger zu werden für ambitionierte Projekte schwuler und lesbischer Emanzipation. In Deutschland haben bereits viele der ursprünglich im Umfeld von Schwulenbewegungen entstandenen schwulen Buchläden schließen müssen. Mit Rosa Winkel ist vor wenigen Jahren ein Verlag geschlossen worden, der einst im Zentrum der Schwulenbewegung stand, ohne dessen engagiertes Verlagsprogramm viele Diskussionen anders, ärmer verlaufen wären.

Die schleichende Welle an Schließungen von Projekten, die versuchen mehr als ‘nur’ Kommerz zu bieten - ist sie ‘normales’ Zeichen der Zeit?

Oder sind es -aus Sicht der Communities- kurzsichtige Schritte, die wir später möglicherweise bedauern, bereuen?

Es ist zu hoffen, dass das Sterben von Projekten (von Buchläden bis Schwulen- und Lesbenzentren), die mehr sein wollen als ‘nur’ gewinnorientierte kommerzielle Unternehmen, dass das zunehmende Ausdünnen von schwulen und lesbischen Infrastrukturen uns nicht irgend-wann ‘auf die Füße fällt’, und wir eines Abends denken ”hätten wir doch“ …

Aber die Geschichte ist ja ganz anders. Die Nachwachsenden wissen gar nicht, (und es interessiert sie auch nicht) was alles zugrunde geht.

Sollte nach Jahren dann eine neue Bewegung in einem neuen Klima des Aufbruchs existieren, dann werden sie vielleicht staunend entdecken, was es schon einmal alles gab, sofern irgendwo davon noch Kunde ist.

Ich weiß, das ist ein depressives Editorial dieses Mal. Tut mir leid, aber so ist halt meine Befindlichkeit. Euer Joachim von der LUST

(joachim-schoenert@lust-zeitschrift.de)