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Liebe LeserInnen der 84 LUST und des LUSTBLATT 5,
 
die Bundestagswahl ist vorbei, die, das will ich gerne zugeben, eine etwas lähmende Wirkung auf meine Schaffenskraft hatte. Das kann doch nicht wahr sein, dachte ich nämlich vor der Wahl, dass eine große Mehrheit unserer Bevölkerung bereit ist, den Sozialabbau zu forcieren, sich den Abbau des Arbeislohnes und der Arbeitnehmerrechte klaglos gefallen lässt.

Seit vielen Jahren wird in unserem Land eine Propaganda gemacht, dass alles besser werden könnte, wenn unser Sozialsystem geschliffen und in die Hände der gierigen Versicherungskonzerne gegeben wird, wenn wir täglich und monatlich länger arbeiten, wenn wir unsere Lebnsarbeitszeit verlängern, wenn unser Löhne gekürzt werden, wenn wir trotzdem mehr konsumieren, und dann gibts wieder mehr Arbeitsplätze.

Und seit vielen Jahren nehen die gerelten Arbeitsplätze ab, und die Arbeitslosenstatisik zeigt das ganze Ausmaß der Arbeitslosigkeit immer noch nicht, weil die notgedrungen eingegangen Billig-Jobs und 1-Euro-Jobs als Berufstätigkeit gewertet werden, weil die zweifelhaften Ich-AGs als Unternehmen gerechnet werden usw.

Es kann doch nicht wahr sein, sagte ich mir vor der Wahl, dass dies nun auch noch den Unionsparteien und der FDP als Ernte in den Schoß fällt, und die Bevölkerung eine Verschärfung dieser Politik durch ihr Wahlverhalten freiwillig ermöglichen wird.

In den Letzten Zügen des Wahlkampfes bekam die Argumentation von RotGrün beinahe noch klassenkämpferische Dimensionen. Und seltsamerweise wurde ihnen auch noch geglaubt. Es scheint, alles war vergessen, was besonders die SPD den ArbeitnehmerInnen alles zugemutet hat. „Was muss denn in Deutschland eine Regierung noch anstellen, damit sie abgewählt wird?“, dachte ich mir da. Ein bisschen Demagogie, und alles Vorherige ist vergessen?

Durch das Auftreten der Partei DIE LINKE, entstanden aus der PDS und der SPD-Abspaltung WASG, die sich offen gegen die Agenda 2010 und die Kriegspolitik der Regierung (Jugoslawien und Afghanistan) stellte, wurde das Parteienspektrum aufgemischt und es entstand eine Mehrheit vom WählerInnen, gegen den drohenden Bürgerblock CSU/CDU/FDP.

Glaubt man der Wahlpropaganda von RotGrün sieht es nun so aus, als wäre dies der deutliche Stopp der Sozialabbaupolitik. Berücksichtigt man aber die Realpolitik von RotGrün wird die supergroße Koalition von Grüne/SPD/CSU/CDU/FDP in Form eine großen Koalition mit zwei flankierenden Parteien (Grüne/FDP) weiter gehen, nur wenig gestört durch eine Meckerfraktion, DIE LINKE.

Wenn wir ArbeitnehmerInnen oder Arbeitslose sind, werden wir erleben, dass Lohn- und Sozialabbau weiter gehen, dass die Widerwärtigkeiten im Umgang mit uns in den Betrieben auch weiter zunehmen, dass das Geld in den Taschen der großen Mehrheit der Bevölkerung immer knapper wird und dass die kleinen mittelständigen Betriebe, die in der Regel über den Lohn der ArbeitnehmerInnen ihre Aufträge bekommen, auch weniger erhalten bzw. in große Schwierigkeiten geraten.

Und zu diesen Betrieben gehören nun eben auch die Betriebe unserer Szene. Habt Ihr auch mitbekommen, dass mal dort und mal da eine Kneipe schließt, mal hier und mal da eine Sauna zumacht, eine Disco verkauft oder zugemacht wird? Habt Ihr auch bemerkt, dass in den Kneipen, den Saunen, den Discotheken die bekannten Gäste nicht mehr an jedem Abend bzw. an jedem Wochennde auftauchen? Hättet Ihr mal wieder etwas mehr Geld in der Tasche, und wolltet Ihr dann in Eure Stammkneipe gehen, würdet Ihr Eure vertrauen Stammgäste und GesprächspartnerInnen gar nicht mehr antreffen, vielleicht sogar die ganze Kneipe gar nicht mehr.

Man kann schon ein bisschen voraussagen, dass es in unserer Feierszene dünner werden wird. Und man kann voraussehen, welche Auswirkungen das auf unsere Szene überhaupt und das Leben der Lesben und Schwulen im Besonderen haben wird.

Und nun haben wir zwar einerseits eine gewählte Mehrheit gegen den Sozialabbau usw., aber von der Realpolik her eben doch nicht. Die Realpolitik wird wie bekannt weiter gehen: sie arbeitet den großen Nutznießern der Verhältnisse in die Hände, dafür werden sie von uns bezahlt, unsere gewählten Volksvertreter.

Die neuzugründende aber schon mal gewählte Linkspartei ist aber nun die politische Kraft, die so gut es geht in den Köpfen der arbeitenden Bevölkerung (egal ob als Kleinunternehmer oder Arbeitnehmer) eine Ahnung entstehen lässt, dass das mit dem Sozialabbau nicht so weiter gehen muss, nicht so weiter gehen darf, und auch wirklich nicht gehen müsste. Und sie müsste uns erkären, wie das geändert werden kann. Aber ob sie das wirklich kann?

Es grüßt Euch, auch im Namen der anderen Lüstlinge, Euer Joachim von der Lust
(joachim-schoenert@lust-zeitschrift.de)