87. Ausgabe, Sommer-LUST 06
 
Hier findet Ihr zusätzlich folgende Beiträge:
Erklärung der Projektgruppe zum Festival-Thema
Erklärung der Gruppe ROSA LÜSTE zur Erklärung der Projektgruppe
 
Wir und das Festival
Am Freitag vor Pfingsten packen wir das große Zelt ist Auto, Stühle und Tische, nehmen die Unterlagen und fahren über die Brücke nach Mainz und dort zur Zitadelle. Im Gelände angekommen muss man zuerst den Standpaltz herausfinden, sehen, wer in diesem Jahr die NachbarInnen sind, suchen, wo der Stromverteiler ist, das Zelt aufbauen, die Elektoanlage installieren, die Tische und Stühle aufbauen, das Zelt rundum zumachen und mit dem Auto wieder nach Hause fahren.

Und wie jedes Jahr werden dann die Kisten mit dem Flublättern- LUST-Ausgaben, sonstiges Infomaterial ins Auto gerladen, das genderspiel eingepackt, die Kiste mit Tassen, Lebensmittel usw, Renate ist dann von der Arbeit auch da, und wir fahren zu Dritt wieder los, ein neuer Vorstoß zum großen Festival.

2 Karten bekommen die StandbetreiberInnen und eine müssen wir dazukaufen. Dann legen wir das Material auf die Tische und da wir zu Dritt sind, knn immer mal jemand weggehen, können auch mal 2 weggehen, eine(r) muss mindestens am Stand sein, oder wir machen ihn ganz zu, das machen wir, wenn wir zu einem Forum wollen, das uns alle interessiert. reitag und Montag sind wir drei: Renate, Thomas und ich (Joachim), da Thomas zu Pfingsten immer familiäre Verpflichtungen (Herkunfstfamilie) hat, kam für Samstag und Sonntag André zum Helfen.

Na und dann besuchen wir uns gegenseitig an den Infoständen, die eigentlich schon immer hier waren, man kennt sich gegenseitig: Rechts neben uns war die Antifagruppe Nierstein, die haben viel Infomaterial und oft auch Unterschriftenlisten. Links neben uns „Rapunzel“ zum ersten Mal. Was die hier anboten? Weiß ich immer noch nicht. Neben denen ein Veramnstalter verschiedener Events.
Neben diesen wie jedes jahr der Motorradclub Kuhle Wampe aus Mainz. Der Name hat ein lange Tradition, schon in der Weimarer Republik gab es ihn als linken Motorradclub. Dann ist da ein rostiges Denkmal und daneben waren Radio Quer und die DFG-VK, die hatten einen doppelt großen Gemeinschaftsstand. Mit denen fühlen wir uns sehr verbunden.

Die SPD-Juged und die grüne Jugend, ATTAC, der Stadtjugendring immer relativ gemeinsam mit den Jungdemokraten, eine parteiunabhängige linke Organisation, die Mainzer Aids-Hilfe, ein Bauwagen der Mainzer Bauwagensiedlung.

Wir waren also umgeben vom FreundInnen, wenn man mal von den beiden Parteiständen absieht, denn die Organisationsform „Partei“ ist aus unserer Sicht zumeist nicht mehr eine politische Einheit, sondern eine Verwaltungs- und wirtschaftliche Einheit, weil Parteien ArbeitgeberInnen von sehr gut finanzierten Arbeitsplätzen sind, z.B. Abgeordnete, Minister, Kanzler usw.
   
   
   
   
   
   

Und das ist jedes Jahr unser Standgefühl, wir sind hier umgeben von FreundInnen.
Es gibt hier außer den infoständen auch zahlreiche Verkaufsstände und in einer Ecke, näher der kleinen Katakombe, die Fress- und Saufstände. Auf einem Festival sind die wohl für Viele die wichtigsten Stände.

Es gibt hier außer der Haupbühne noch auf der Mauer und am Drususstein eine Bühne, das Große und das kleine Zelt für Veranstaltungen und Foren sowie die kleine katakombe für Lesungen und die große Katakombe für Filmvorführungen. Theater gibts im großen Zelt und auf der großen Wiese, wie auch Workshops hier in einem Rundzelt.

Wir wollten viele interessante Foren besuchen, in denen das Thema „Privarheit“ von unterschiedlichen Seiten aus untersucht und diskutiert wurden. Aber unser Gender-Spiel zog gaze Ciquen junger Leute an, die es alle gerne spielen wollten, un daher ginf das natürlich vor, denn ein lesbsich-schwuler Infostand lockt nicht pe se interessierte junge Leute an, die in Cliquen auch eine gegenseitige soziale Kontrolle ausüber. Das genderspiel hat den Zweck, den Spielenden Einblicke in die Identität von Menschen mit einer anderen Geschlechts-rollenidentität und einer anderen sexuellen Identität zu verschaffen. Die Spielenden würfeln also aus, ob sie männlich oder weiblich sind, ob sie heterosexuell oder homosexuell empfinden. Und mit dieser Spielidentität kommen sie dann auf verschiedene Ereignisfelder, und die Aufgaben dort, wirken sich je nach Spielidentität anders aus. Es ist klar, dass die Spielwilligen vor gingen, und wir nicht wegrennen konnten, wenn sie kamen, zumal das Bühnenprogramm auf der Hauptwiese vor uns wegen der Lautstärke das Spielen unmöglich machten. Also besuchten wir nur 2 Foren, die nun hier dargestellt werden. (rs/js/ts)
 
Sonntag, 12 Uhr, Drususstein:
Der gläserne Bürger
Sind die Verluste der informationellen Selbstbestimmung und die allgegenwärtige Überwachung der Preis für mehr Sicherheit? Darf der Kampf gegen den Terror zum Freibrief für massive Eingriffe in der Privatsphäre der BürgerInnen werden? Oder hat Benjamin Franklin recht, wenn er behauptet, dass die Aufgabe der Freiheit um der Sicherheit willen letztendlich beides zerstöre? Solche Fragen sind seit dem 11. September 2001 und den vielen folgenden Terroranschlägen (in England, Spanien ...) in aller Munde. Das Thema der Terrorbekämpfung und der Wunsch nach innerer Sicherheit führten auch in Deutschland zu zahlreichen neuen Gesetzen. Während auf der einen Seite mehr Sicherheit gefordert wird, werden auf der anderen Seite Stimmen laut, die das Recht auf informelle Selbstbestimmung durch staatliche Zugriffe unterspült sehen.
 
Von links nach rechts:
1. Helmut Rüster (Weißer Ring e.V.), 2. Dr. Thilo Weichert (Datenschutzbeauftragter von Schleswig-Holstein), 3. Moderator Kalle Schlieker (Wiesbadener Kurier), 4. Martin Böhler (ChaosComputerClub Mainz), 5. Kristina Köhler (CDU-MdB), 6. Friedel Grützmacher (Bü. 90/Grüne, Sprecherin für Inneres und Sicherheit)
   
   
Dr. Thilo Weichert, Datenschutzbeauftragter: nach dem Grundgesetz ist der Schutz der Privatsphäre gewährleistet, doch ist dies in Gefahr. Schon bei der Volkszählung waren Anzeichen zu erkennen, und ganz besonders seit dem 11. September erleben wir zunehmende Privatheits-Einschränkungen. Wir reden da vom Otto-Katalog, der neue Befugnisse für die Geheimdienste brachte, Bespitzelung von ausländischen Bürgern, Rasterfahndung. Die Rasterfahndung bringt keine wesentlichen Sicherheitsnutzen, sondern neue Sicherheitsgefahren, da sie alle moslemische Menschen unter Generalverdacht stellt, was ihnen sagt, wir misstrauen Euch allen und dadurch Menschen in die Arme von Fundamentalisten treibt.
Helmut Rüster, Weißer Ring: Der Weiße Ring ist Sprachrohr der Opfer, was den Datenschutz tangiert. Der Angeklagte darf vor Gericht Vieles, das Opfer der Verbrechen ist weit weniger geschützt. Es soll seine Identität preisgeben, das ermöglicht Einfluss der Täterfraktion. Das Opfer ist lediglich ein Beweismittel
Martin Böhler, ChaosComputerClub: Ist Datenschutz überhaupt möglich? Es fragt sich wirklich, dass die dem Bürger abverlangten Opfer an Freiheit, hinsichtlich des Sicherheitsgewinns überhaupt einen Sinn machen. Die Vorratsdatenspeicherungen sind hier ganz besonders fragwürdig. Das ist alles bisher nicht genügend diskutiert.
Kristina Köhler, CDU-MdB: Die von Ihnen vorgebrachte Wertekollision, Freiheit und Sicherheit kann ich so nicht sehen. Ohne Sicherheit gibt es auch keine Freiheit. Hier muss ein Mittelweg ohne Hysterie gefunden werden. Aber die Anschläge vom 11. September wurde in Deutschland geplant, wir haben 30.000 Islamisten in Deutschland, das muss uns doch Sorgen machen. Und was soll denn an der Vorratsspeicherung schlimm sein? Wegen der Handy-Rechnung und dem Einzelnachweis der Telefonverbindungen geschieht das auch, und da regt sich niemand drüber auf, weil es nicht der Staat ist.
Friedel Grützmacher, Bü.90/Grüne, Sprecherin für Inneres und Sicherheit: Viele Sicherheitsmaßnahmen sind sehr fragwürdig und von ihrem Nutzen gegenüber realen Gefahren nicht verbürgt. Also ich möchte nicht, dass andere Menschen erfahren, mit wem ich lebe und mit wem ich telefoniert habe. Solch ein Eingriff in min privates Leben ist etwas ganz Entscheidendes.
Kristina Köhler, CDU-MdB: Zu behaupten, dass unsere Sicherheit nicht in Gefahr sei, der ist blind für die Realität. Erst dann hat der Staat Zugriff, wenn verdacht auf eine schwere Straftat besteht.
Dr. Thilo Weichert, Datenschutzbeauftragter: Sicherheit ist durch Überwachung in Gefahr. Der Staat hat unsere Sicherheit zu garantieren. Sicherheit ist der Schutz, dass wir unsere Freiheiten wahrnehmen können. Der Bürger kann sich nicht frei fühlen, wenn er ständig beobachtet wird. Und dann die Standortspeicherung: es kann festgestellt werden, wann, wo und mit wem. Alles, was mit Kommunikation zu tun hat, wird jetzt für die Polizei und die Geheimdienste zugänglich gemacht.
Aus dem Publikum: Wenn man sich etwas außerhalb der gespeicherten Normen bewegt, ist man schon ein Objekt der Rasterfahndung.
Helmut Rüster, Weißer Ring: Überwachungen finden nur statt, wenn Erfahrungswerte darauf hindeuten, das Straftaten begangen werden. Ich wehre mich dagegen, dass man dem demokratischen Rechtsstaat unterstellt, die Sicherheit zu gefährden. Ich fühle mich vom Rechtsstaat in keinster Weise bedroht, wir leben doch in einer Demokratie.
Moderator Kalle Schlieker, Wiesbadener Kurier: Ist das Auswerten dieser großen Menge von Informationen überhaupt realistisch?
Martin Böhler, ChaosComputerClub: Die BND-Affäre zeigt doch, dass man dem Rechtsstaat nicht zu sehr vertrauen kann. Der kleine Bürger wird hier überwacht, denn wer wirklich Straftaten vor hat, kann die Sicherheitseinstellungen umgehen. Aber, Frau Köhler, es gibt einen deutlichen Unterschied zwischen dem Einzelverbindungsnachweis der Telecom für die Abrechnungen und den Vorratsdatenspeicherungen, denn ein Einzelverbindungsnachweis ist nicht mehr gegeben, wenn ich z.B. die Telefon-Flatrate benutze.
Kristina Köhler, CDU-MdB: Wer eine Flatrate hat, kann nicht überprüft werden, deshalb brauchen wir ja die Vorratsspeicherungen.
Aus dem Publikum: Frau Köhler, wo bleibt denn die Unschuldsvermutung?
Aus dem Publikum: Für gut ausgerüstete Straftäter ist es sehr einfach, sich der Überwachung zu entziehen. Deshalb werden auch nicht die Straftäter, sondern die Bevölkerung überwacht, ob jemand individuell aus der Rolle fällt.
Aus dem Publikum: Frau Köhler, wie lange garantieren Sie mir den Rechtsstaat? Ich erinnere an die BND-Affäre und gerade Ihre Partei hat mit der Spendenaffäre und den Vertuschungsversuchen deutliche Signale für einen Zweifel am Rechtsstaat gesetzt, ganz zu schweigen vom immer wieder formulierten Verlangen durch Mitglieder Ihrer Partei, die Bundeswehr auch im Inneren einzusetzen.
Moderator Kalle Schlieker, Wiesbadener Kurier: Machen wir eine Beantwortungsrunde. Dr. Thilo Weichert, Ist bei immer raffinierten technischen Überwachungssystemen Datenschutz überhaupt möglich?
Dr. Thilo Weichert, Datenschutzbeauftragter: Datenschutz ist immer schwieriger möglich, wenn man Kommunikationsmittel, ist es sehr schwierig, nicht erkannt zu werden. Im Internet anonym zu bleiben ist für den einfachen Nutzer sehr schwierig, aber es geht. Natürlich haben wir demokratische Entscheidungen, doch wir sind immer in der Gefahr, dass sie unterlaufen werden.
Moderator Kalle Schlieker, Wiesbadener Kurier: Wenn sich wirkliche Straftäter der Überwachung entziehen können, Herr Rüster, und nur solche Mitbürger auffällig werden, die aus der Reihe tanzen, was soll es dann?
Helmut Rüster, Weißer Ring: Einen hundertprozentigen Schutz kann es nicht gebe. Aber man möchte zur Prävention vor Verbrechen Signale setzen. Und ein Bürger, der sich normal verhält, hat nichts zu befürchten.
Moderator Kalle Schlieker, Wiesbadener Kurier: Wie stehen Sie zur Vorratsdatenspeicherung?
Friedel Grützmacher, Bü.90/Grüne, Sprecherin für Inneres und Sicherheit: CDU-Politiker sind auch dagegen, wenn sie erfahren, dass sie selber davon betroffen sind.
Moderator Kalle Schlieker, Wiesbadener Kurier: Frau Köhler, wie ist das mit der Unschuldsvermutung?
Kristina Köhler, CDU-MdB: Die ist nicht angegriffen, denn nur bei der Vermutung schwerer Straftaten wird ja ermittelt.
 
Wir haben uns dann entschieden, zu unserem Infostand zu gehen und ihn zu öffnen, weil keine neuen Argumente zu erwarten waren. Aber als wir den Drususstein verließen, war auch diese Forum zu Ende. Am Stand unterhielten wir uns mit vorbeikommenden Bekannten über diese Veranstaltung. Besonders über Frau Köhlers Redebeiträge gab es Unmutsäußerungen, einige meinten, was kann man von der CDU anderes erwarten, andere äußerten Zweifel, ob diese zur Schau getragene Naivität, gepaart mit Dreistigkeit, wirklich echt sei. Man meinte dann, diese junge Frau käme sicher aus wohlhabenden konservativen Hause, der dann der Weg zur Wiesbadener Direktkandidatin der CDU geebnet worden sei. Ihr zur Schau getragenes schlichtes Weltbild entspräche dem, was sie tatsächliche über die Zusammenhänge des Themas denke.
Wir Lesben und Schwulen der ROSA LÜSTE meinten, dass der “Rechtsstaat Bundsrepublik Deutschland” ja schließlich unter der Führung der CDU/CSU mit der Beibehaltung des in der Nazizeit verschärften § 175 StGB schwere Menschenrechtsverletzungen an homosexuellen Männern begangen hat, und dass Frau Köhler dies nicht weiß, ist eigentlich nicht so recht denkbar.
   
   
   
   

Montag, 12 Uhr, Drususstein
Alles muss raus
Von der Inflation privater Inhalte in den Medien.

Im Zeitalter moderner Massenmedien ist die Verbreitung von privaten Inhalten ein allgegenwärtiges Phänomen – ob in Klatschblättern, Talkshows oder auch feuilletonistischen Beiträgen über das Privatleben von Personen des öffentlichen Lebens. Was man früher nur von Prominenten kannte, scheint nun für jedeN möglich: Homestories, Erfahrungs- und Leidensberichte von Privatpersonen in Zeitschriften TV, Radio und Internet haben Hochkonjunktur. Doch immer wieder schwingt die Frage mit: Wann gehören private Themen zum Zwecke der Aufklärung und Enttabuisierung, aber auch Unterhaltung in den Blickpunkt der Öffentlichkeit und wo wird die Grenze zur (Selbst-)Bloßstellung überschritten? Woher kommt überhaupt das Interesse an den Privatangelegenheiten Anderer und was bewegt Menschen dazu, Privates öffentlich preiszugeben?
 
Von links nach rechts:
1. Manfred Ruch (Mz. Allgemeine Zeitung), 2. Lisa Fitz (Kabarettistin), 3. Moderatorin Luciana Caglioti (WDR-Journalistin), 4. Professor Dr. Friedrich Krotz (Kommunikationswissenschaftler, Uni Erfurt), 5. Dr. Frank Roeser (Rechtsanwalt: Persönlichkeitsrechte).
   
   
Moderatorin Luciana Caglioti, WDR-Journalistin: das Privatleben in die Öffentlichkeit tragen, Frau Fitz, warum haben Sie an der Jungle-Show teilgenommen?
Lisa Fitz, Kabarettistin: Es war schon immer mein Jugendtraum, einmal mit Nichts in den Wald zu gehen. Ich möchte mir auch meine Wünsche erfüllen und nicht nach dem Motto leben: “Mein Leben hat allen gefallen, nur mir selbst nicht”. Das ist nicht mein Stil. Und die Zuschauer fragen sich: Würde ich mir so etwas antun?
Moderatorin Luciana Caglioti, WDR-Journalistin: Herr Professor Krotz, warum wollen die Leute zunehmend das Private anderer Leute erfahren und sehen?
Professor Dr. Friedrich Krotz, Kommunikationswissenschaftler: Das ist kein neuer Trend, die Neugier an anderen Menschen gab es schon immer, besonders auch an prominenten Menschen, die im Übrigen auch darauf angewiesen sind und sich deshalb der Medien bedienen. Die Zusammenhänge sind vielschichtig. 1. Die Medien als Organisatoren, die Werbung und dazu ein Programm, das Einschaltquoten bringen soll, zu organisieren haben. 2. Die Menschen, die sich darauf einlassen, z.B. zum Zweck der Selbstinszenierung, weil sie Hilfe erwarten, oder z.B. bei den Promis als Gaudi. 3. Die Zuschauer, die viele Motive haben, sich die anzuschauen, zum Beispiel Anhaltspunkte zur Selbstbeurteilung. Wir brauchen mehr Informationen über Mitmenschen, weil die Kommunikation zwischen den Menschen zunehmend schwieriger ist.
Moderatorin Luciana Caglioti, WDR-Journalistin: Aber da war doch die Sache mit einer Frau, die mit der Schultüte ihres Kinds auf der Zeil gefilmt wurde, und Stefan Raab machte mit diesen Bildern den Witz: die Dealer tarnen sich immer besser. Sie waren der Anwalt dieser Frau, Herr Roener?
Dr. Frank Roeser, Rechtsanwalt für Persönlichkeitsrechte: Ja, der Name der Frau und ihre Geschichte ging ja durch die Medien. Dort hin, wo sie mit einem befristeten Vertrag gearbeitet hatte, kamen Kunden, die nur sie sehen wollten aber nichts kauften, und so wurde ihr Vertrag nicht verlängert. Ihre Tochter wurde wegen Drogen angesprochen, die arme Frau braucht nun einen Psychotherapeuten. Das menschliche Schicksal interessiert in Wirklichkeit nicht, wenn nur die Einschaltquoten und daraus die wirtschaftlichen Gewinne stimmen. Warum sehen sich die Leute zunehmend so etwas an? Um sich aufzugeilen? Aus Schadenfreude: gut, dass es mir so nicht geht?
Lisa Fitz, Kabarettistin: Gute Sendungen wie zum Beispiel Kabarett werden um 0,30 Uhr gebracht. In den Medien erleben wir eine Inflation von Scheißsendungen. Um als sogenannter Promis im Gespräch zu bleiben und nicht ins Abseits gedrängt zu werden, kann man das nicht ignorieren. Otthilf Fischer sagt: “Man muss manchmal unter Niveau gehen, um Spaß zu haben”. Wir sind Klatsch-Junkies geworden. Man wird ständig nach unten trainiert.
Moderatorin Luciana Caglioti, WDR-Journalistin: Also haben wir eine Diktatur der Sensations-Medien, Herr Ruch?
Manfred Ruch, Mz. Allgemeine Zeitung: Die Frage ist an den falschen Mann gerichtet, denn die seriösen Zeitungen haben den Schutz des Privaten recht ausgeprägt. Nur wenn man sagen muss: dieses Private ist von öffentlichem Interesse, wird Privates veröffentlicht. Doch in den privaten Fernsehsendern ist in Nachmittagsprogrammen nichts Privates, was jemanden weiterbringt. Aber wir werden dadurch mit unseren Medien natürlich auch beeinflusst und wir machen uns durchaus Gedanken, wie man in Tageszeitungen Klatsch und Unterhaltung einfügen kann.
Professor Dr. Friedrich Krotz, Kommunikationswissenschaftler: man sollte es sind mir den vordergründigen Verurteilungen der Sensationspresse nicht zu einfach machen, denn das Interesse der Öffentlichkeit an Privatheit hat eine historische Entwicklung. Zu einfach ist es, die Trennung von Öffentlichkeit und Privatheit zu verlangen. Die Lebensverhältnisse der Menschen ändern sich. Es findet eine Differenzierung nach Geschmack statt, man grenzt sich dadurch von anderen ab. Andererseits, es gibt Dinge, die sind schädigend. Da ist dann die Justiz zuständig.
Moderatorin Luciana Caglioti, WDR-Journalistin: Also will die Öffentlichkeit im Gegensatz zu früher zunehmend nur noch Buntes sehen?
Lisa Fitz, Kabarettistin: Früher? Die Hinrichtungen waren der Hit. Die Darstellung des Niederen scheint Grundbedürfnisse zu erfüllen.
Man wird als Promi ganz und gar ausgezogen, wie die Bildzeitung, die aus mir macht, was ich nie war und bin. Die stellen absichtlich die Sätze verfälscht dar.
Dr. Frank Roeser, Rechtsanwalt für Persönlichkeitsrechte: Man kann sich fragen, warum sich manche Prominente von selbst mit Privaten in die Öffentlichkeit begeben. Warum hat Wowereit in der Öffentlichkeit gesagt: “Ich bin schwul, und das ist gut so”? Und warum der Westerwelle? Warum gehen sie das Risiko ein, sich der Lächerlichkeit preis zu geben? Weil sie Angst haben, dass Journalisten dahinter kommen. Oder der Sharping mit seiner Gräfin? Das ist damals schief gegangen.
Lisa Fitz, Kabarettistin: Der Wald stirbt nur, solange er Auflage bringt. Es geht nur um das Geschäft, sonst nichts. “Das Private ist politisch”, das waren aber auch andere Zeiten damals. Aber sich als Promi ganz zurückzuziehen, das ist auch gefährlich. Man beleidigt sozusagen die Journalisten, auf die man auch angewiesen ist.
Manfred Ruch, Mz. Allgemeine Zeitung: Aus Angst vor den Medien ging Scharping in die Öffentlichkeit. Er konnte nicht kontrollieren, was die Medien mit ihm machen. Die Schäden sind völlig egal. Dabei gibt es doch die Instrumente, dieser Sache habhaft zu werden: Presserat, Pressekodex. Doch wo fängt die Zensur an? Prominente können sich juristisch wehren.
Moderatorin Luciana Caglioti, WDR-Journalistin: Ist es denn für Privatpersonen schwieriger, sich zu wehren?
Dr. Frank Roeser, Rechtsanwalt für Persönlichkeitsrechte: ja, die Justiz versagt hier. Bei der Caroline hat der BGH sinnvoll geurteilt. Anders bei Lisa Loch, die Raab zu Petra Pussi gemacht hat. Die arme Frau ist auch ein Fall für die Psychiatrie geworden.
Lisa Fitz, Kabarettistin: Raab greift keiner an. Der ist eine heilige Kuh, die geschlachtet gehört. (Großer Applaus aus dem Publikum)
Dr. Frank Roeser, Rechtsanwalt für Persönlichkeitsrechte: Das Amtsgericht Essen verurteilte wegen Lisa Loch nur zu einer ganz geringen Geldstrafe. Hat man das Geld, sich zu wehren? Es sei die satirische Freiheit. Raab macht keine Satire, denn das ist die intellektuelle Auseinandersetzung mit einem Missstand. Die Medien haben ihre Rechtsabteilung. Für uns Normalos ist das sehr schwierig.
Lisa Fitz, Kabarettistin: Ich würde als Promi auch nicht mit der Bildzeitung prozessieren.
Professor Dr. Friedrich Krotz, Kommunikationswissenschaftler: Die Grenze der Satire ist nicht festzulegen. Auswüchse bekämpfen? Was ist denn ein Auswuchs? In einem Mediensystem wie heute kommen Sie in Situationen, wo sie das nicht mehr kontrollieren können, das haben Sie ja erlebt, Frau Fritz. Andererseits müssen wir drauf achten, dass das, was für die Menschen relevant ist, nicht wegen Einzelfälle eingeschränkt wird.
Lisa Fitz, Kabarettistin: Man kann nicht von einer seriösen Zeitung verlangen, dass sie reißerisch wird, das ist ein Widerspruch an sich.
Professor Dr. Friedrich Krotz, Kommunikationswissenschaftler: Warum gucken denn gerade Jugendliche ihre Talkshows? Das sind völlig unterschiedliche Motivationen. Aber dass jugendliche dadurch geschädigt würden, das kann ich nicht nachvollziehen. Nicht alles ist Mist. Es gibt da Diskussionsforen, Gespräche, die Jugendlichen helfen, ihre Rolle zu finden. Ich kämpfe dagegen, dass das Mediensystem in gut und schlecht beurteilt werden.
Manfred Ruch, Mz. Allgemeine Zeitung: ich sehe stattdessen, wie Leute zunehmend alles vermissen lassen, was Kommunikationshilfen sein können. Und die Auswüchse, die hat niemand unter Kontrolle.
Dr. Frank Roeser, Rechtsanwalt für Persönlichkeitsrechte: Die Würde des Menschen ist unantastbar, das muss der Maßstab bleiben. Immer, wenn jemand gegen seinen Willen zum Objekt gemacht wird, ist die Würde beeinträchtigt.
Professor Dr. Friedrich Krotz, Kommunikationswissenschaftler: Wenn die Medien etwas Wichtiges offen legen, dann muss das auch gegen den Willen des Betroffenen möglich sein.
Aus dem Publikum: Werte sind nötig, und da sind die privaten Medien kein Vorbild. Aber sie sind nötig: was mache ich und was mache ich nicht, damit z.B. mit Handy-Videos nicht aufgenommen wird, wie sich jemand den Arsch abputzt oder kotzen muss und sich dann plötzlich im Internet wiederfindet.
Aus dem Publikum: Jeder, die in irgend einer Form Medien macht, hat Verantwortung, denn die Medien machen was mit uns.
Lisa Fitz, Kabarettistin: Aber Werte entstehen durch Bewusstseinsbildung. Das ist nicht nur eine Geschmacksfrage. Die Förderung von intelligenteren Sendungen wäre zum Beispiel ein Thema.
Professor Dr. Friedrich Krotz, Kommunikationswissenschaftler: Wir müssen lernen, mit den Medien zu leben. Das ist nicht rückgängig zu machen. Die Kinder von heute empfinden es als völlig normal, dass sie Handy-Videos zu ihrer Belustigung machen und ins Internet stellen. Medien vermitteln in dieser Frage keine Werte.
Aus dem Publikum: Es wird nach Intervention gerufen, die “Würde des Menschen” ist ein schwammiges Konzept und ohne Belang in der Rechtsprechung. Gibt es andere Möglichkeiten als Zensur? Jeder ist für sich alleine, der Egoismus ist die Folge der wirtschaftlichen Ordnung, daher ist der Zustand der Medien ein Spiegelbild der Realität, in der wir leben.
Aus dem Publikum: Es geht nur ums Geld, das ist der Schlüssel.
Dr. Frank Roeser, Rechtsanwalt für Persönlichkeitsrechte: Teile der Gesellschaft sind tatsächlich schon völlig verblödet. In Schulen muss Medienkompetenz erlernt werden. Denn so, wie die Medien im Moment vorgehen, kann es nicht bleiben. Bei dem steten Anstieg der Jugendkriminalität gibt es einen direkten Zusammenhang mit dem Auftauchen der Privatmedien.
Aus dem Publikum: Das schlimmste Medienbeispiel ist Berlusconi. Wäre so etwas auch in Deutschland möglich?
Moderatorin Luciana Caglioti, WDR-Journalistin: Ja, wenn zum Beispiel Herr Schröder versucht hätte oder Frau Merkel versuchen würde, die Medien so zu kontrollieren, wie es in Italien war. Wäre das in Deutschland möglich?
Dr. Frank Roeser, Rechtsanwalt für Persönlichkeitsrechte: Die Medienkonzentration ist in Deutschland gesetzlich beschränkt, wie wir das beim Versuch von Springer sehen können, als er sich Pro 7 und Sat 1 aneignen wollte.

Damit endete die Diskussion, die hier auszugsweise wiedergegeben ist. Was die Frage eines Berlusconi in Deutschland betrifft, in Italien hat kein Präsident die Medien unter Kontrolle gebracht, sondern umgekehrt, der private Besitzer der meisten Medien hat das Amt des Ministerpräsidenten unter seine Kontrolle gebracht und Gesetze, die Korruption verbieten, abgeschafft. Er hat so viele Gesetze verändert, bis er keine mehr übertreten hat. Und das halte ich in Deutschland auch für möglich. Aber das ist nicht nötig, denn die Medien sind Wirtschaftsunternehmen, die wirtschaftliche Ziele haben und somit im Sinne der Wirtschaft agieren, und die jeweilige Regierung darf sich auch nicht mit den Medien anlegen, zum beispiel mit der Bildzeitung, sonst ist sie schnell weg vom Fenster. (rs/js)
   
   

Das Programm
Vielleicht macht Ihr Euch ja durch unseren alljährlichen nbeiträge ganz falsche Vorstellungen üder das Programm der Open-Ohr-Festivals in Mainz. Die kleinste Bühne heißt „Auf der Mauer“ und steht auf der Mauer. Auch hier gibt es Musikveranstaltungen, was Ihr hier aber seht ist wieder ein Forum, eine Diskusion also, „Die Langzeitwirkung des Aushorchens“ wurde am Beispiel der Stasi untersucht. Wir aber hatten einen Termin am Infostand, sodass wir dieses Forum nicht für die LUST aufarbeiten konnten.

Auf dem Weg zur Bühne auf der Mauer schaut man von ober auf das kleine Zelt (ein weiterer Veranstaltungsort und zahlreiche Verkaufsstände. Wenn man jeduch zwischen den Verkaufsständen schlendern möchte, dann ieht das eher so aus wie au dem Bild hier unten. Sehr beeindruckend ist die Bühne am Drususstein, wo viele Musikver-anstaltungen stattfinden, aber auch wichtige Foren. Hier oben seht Ihr diee Bühne von Rundweg „Auf der Mauer“ aus fotografiert. Die beiden beschriebenen Forumsveranstaltungen fanden auf Bühne am Drususstein statt.
 
Das Aktionstheater
TIME OUT hieß das Theaterstück, das wir auf der großen Wiese vor der Hauptbühne sehen konnten:
„Die turbulenten Anfänge dieses Jahrtausends haben uns mit unvorhergesehener Wucht getroffen. Nie waren die Grenzen der Menschheit, der Zivilisation, des Planeten so klar wie jetzt, scheint es uns. Für alle spürbar, im Alltag und den Erlebnissen für uns als Theatergruppe in den vergangenen Jahren trifft die Realität... hier beginnt unsere neue Produktion „Time Out“ Time Out oder eine Auszeit nehmen....
 
 Ein lieber Freund, der die Regie in diesem Tanztheater führt, machte uns auf eine massiv schwulenfeindliche Anzeige in der faz aufmerksam. Da er diese Machenschaften aus den USA schon kennt, und sich wundert, dass sich hier so wenig regt, nahm er mit uns Kontakt auf.


Die Zeitmaschine stoppen, für einen Moment innehalten und sich besinnen.
Wo komme ich her? Wo stehe ich? Wo gehe ich hin?
Sehnsucht nach einer vielleicht längst vergangenen Zeit - oder liegt sie vor uns?
Traum oder Realität? Es geht um Gefühle, denen wir in Zukunft wieder begegnen wollen. Die Spielhandlung dieser neuen antagon Aktionstheater-Performance lässt die Realität und die Illusion miteinander verschmelzen und führt den Zuschauer in einen phantastischen Raum....
Ein Theater das Bilder entnimmt aus vergangener und gegenwärtiger Zeit und in seinem Spiel zukünftige Visionen entwirft.
„Auf dem kreisrunden Platz der antagon-Arena inszeniert das antagon-Theater ein Science-Fiction-artiges Spektakel um den Kampf gegen Unterdrückung und Gewalt. Da werden arme Kreaturen auf Stelzen in Ketten von einem Peitschenmann in ihre Verliese getrieben. Soldaten marschieren auf. Menschen entschlüpfen ihrer äußeren Hülle und finden sich dennoch gefangen und das gesamte Ambiente wird geprägt durch musikalische Rhythmik, Tanz und ein imposantes Bühnenbild. (...) Das Bildertheater des antagon-Theaters lebt von den Stimmungswechseln und der Umkehrung der Verhältnisse...“
(Zitat: Trottoir Heft 40 Sept.-Nov. 2003 Szene Rhein/Main)

In welcher Zeit leben wir überhaupt?
Was bestimmt den Rhythmus unseres Lebens?

Time Out wird inszeniert in der Zweiheit von Zwang und Befreiung oder Pathos und Zauber, den Gegensatz zwischen büro/-technokratischer Uniformität und dem Rückgriff auf Elementares und Primitives.
Die Vision in einer entrückten Welt, die Suche nach der verlorengegangenen Spiritualität und die Jagd nach dem Glück all das umschreibt „Time Out“ in Form eines expressiven Körpertheaters mit eigens komponierter Live Musik, Projektionen, Stelzen, Elementen des Butho-Tanzes und spektakulären pyrotechnischen Effekten und einem finalen Feuergemälde.
70 Minuten bewegendes Theater in gewohnter antagon-Qualität.
„Und wie gewohnt beschwören die Kniffe aus der Trickkiste des antagon Theaters die elementaren, groben Kräfte des Seins: Das Blech knirscht, das Pflaster brennt und die Akteure wirbeln auf meterhohen Stelzen über den Platz, auf das der Zuschauer gebannt da sitzen möge.“
(Zitat Frankfurter Rundschau 4.08.2003 Kultur Frankfurt)“
Also, naja, es war ein beeindruckendes Theater.
 
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