82. LUST, FRühling 05

Bücher für uns
Es ist einfach zu kalt für die Jahreszeit, also ist es Zeit, sich ein paar schöne Bücher in die Hamd zu nehmen, die uns an Wärmeres erinnern können.

Mein lesbisches Auge 4
- das Jahrbuch der Erotik XIXa, herausgegeben von Regina Nössler & Laura Méritt, erschienen im Konkursbuch Verlag, 296 Seiten, ISBN 3-88769-191-1 und kostet 15,50 Euro.
Das Buch hat zwei Vorworte, eins von Regina Nössler und Claudia Gehrke und eins von Laura Méritt. Regina Nössler und Claudia Gehrke stellen fest, dass das “Lesbische Auge 4” nun erwachsen geworden ist. Es findet keine Aufkärung mehr statt, wohl aber Erzählungen über Coming-out und Jugend. Dies ist das Erste von 18 Kapiteln. Davor stehen zwei Erzählungen, die nicht so recht in die anderen Kapitel passen. Es ist “Spiel mit Süßem” von Sandra Wöhe, in der es um Schokolade als Arzei geht. Die zweite Erzählung “Gleichstand” von Jesta Phoenix handelt von Orgasmen und der Verewigung per Lippenstift im Badezimmer.
Besonders gut hat mir das zweite Kapitel “Sex und Politik” gefallen. In diesem Kapitel geht es auch darum, wann frau sich als Lesbe definieren kann. So in der ersten Erzählung dieses Kapitels “Was bewegt die lesbischen Herzen” von Nadja Boris Schefzig. Der nächste Beitrag von Stephanie Kuhnen befasst sich mit der Sichtbarkeit von Lesben und lesbischem Sex in den Medien und in der Öffentlichkeit. “Das Gespräch” wird mit Silke Dunkhorst geführt. Sie erzählt darin, wie sie den ersten “lesbischen Porno” oder wie sie selbst lieber sagen möchte, ihre Darstellung von Sexuellem “Airport” heute einschätzt. Der Beitrag von Babette Herchenroeder “Queer for Peace and Revolt” befasst sich mit einer Gruppe von israelischen, palästinensischen und internationalen Lesben und Schwulen, die sich für Palästinenser einsetzen, aber auch gegen die Unterdrückung von Lesben und Schulen in Israel kämpft.
Im 3. Kapitel “Sex und Kunst” - Gespräch mit Maria Beaty spricht die Interviewerin davon, dass “Sexualität hat auch dann, wenn Menschen nicht mit SM spielen, mit Macht und verschiedenen Rollen zu tun ...”
Im 4. Kapitel “Harter” hat mit unterschiedlichen Formen von Unterwerfung zu tun. Im Beitrag von Katrin Kremler “Gurleque” geht es um die Performance auf der Bühne, in der es hart zur Sache geht, zur Belustigung der Zuschauerinnen.
Im 7. Kapitel “Der Kuss” hat Regina Nössler in dem Beitrag “Der Kuss” eine sprachgeschichtliche Betrachtung vorgenommen, ihre eigenen Erfahrungen und Vorlieben bezogen auf den Kuss beschrieben und Überlegungen angestellt, wie die Intensität des Kusses Gradmesser für die Leidenschaft in der Beziehung ist.
Im Kapitel 9: “Beziehungen” geht es in beiden Beiträgen um die Einsamkeit und um die Eintönigkeit in Beziehungen. Der Versuch daraus zu entfliehen, in dem weitere Freundschaften gepflegt werden, kann zum Ende der Beziehung führen, so im 2. Beitrag “Nähe” von Britta Gläser.
Im Kapitel 11 “Aus der Geschichte” wird mit dem Hannoveraner Juristen Karl Heinrich Ulrichs die Homosexualität beginnend als “selbständige, ursprüngliche Geschlechternatur” bezeichnet, dies in der Zeit von 1860 – 1890. 1905 veröffentlichte der Berliner Arzt Dr. Wilhelm Hammer in der Reihe “Großstadtdokumente” die Lebensgeschichten von Frauen, die ausschließlich Frauen liebten aber auch häufig “auf den Strich” gingen (Sexualkontakt mit Männern) und so mit Dr. Hammer als behandelndem Arzt in Kontakt kamen. Dieses Kapitel beschreibt die Geschichte von Lesben bis in die 70er Jahre des 20. Jahrhunderts.
Im Kapitel 13: “Sex” geht es um unterschiedliche sexuelle Praktiken, aber auch Erlebnisse. Im Beitrag von Atraxa “Gespielin der Nacht” wird von einem Erlebnis auf einer Privatparty in einem Lesbenclub in den USA berichtet. Das Ereignis fand in einer Kammer im Dunkelraum statt, das Licht reicht gerade um die Mitbringsel zu beleuchten. Die Kleidung war Lack und Leder. In dem Beitrag von Jaim Mitzenheim “Suche Dildo nur für das Eine” geht eine Frau mit Vollbart, die sich selbst nie als Lesbe bezeichnet, auf die Suche nach einem geeigneten Dildo. Es wurde die Größe, Farbe und Form erwogen. Der Dildo sollte für viele Praktiken verwendbar sein und der Harness sollte nicht fehlen.
In einem weiteren Beitrag “Gespräch – Reden über Sex” werden vier Frauen interviewt, wie sie es mit Reden über Sex halten, und zwar in der Partnerschaft und auch bei der einmaligen Begegnung.
In dem 14. Kapitel “Einsamkeiten” werden unterschiedliche Gründe für Einsamkeiten beschrieben. Im Beitrag von Pia Léssot “Irrtum ausgeschlossen – Eine Lovestory” geht es um Einsamkeit nach einer zu früh beendeten Beziehung. Die Erzählerin lebt die positiven Erfahrungen noch einmal, weiß aber, dass es die Partnerin nicht wieder zurückbbringt. In dem Beitrag von Nadine Schillig “Statistisch bewiesen”, geht eine Lesbe, die alleine lebt, und die sich mal wieder verlieben möchte, auf den Jahrmarkt. Dort sieht sie eine atemberaubende Frau am Schießstand stehen. Sie folgt dieser Frau über den Jahrmarkt bis in den Stadtpark. Dort bekommt sie die geschossenen Rosen und eine sexuelle Begegnung dazu. Die atemberaubende Frau verlässt sie sofort. Sie hat weder die Telefonnummer noch Name oder Adresse, sie ist wieder allein, mit einer sexuellen Erfahrung reicher.
Das Kapitel 16 “Frauen und Männer” beginnt mit dem Beitrag von Stephanie Sellier “Sterne”, in dem in einer kalten Berghütte zwei Frauen, eine Lesbe und eine Hetera, übernachten. Die beiden Frauen kuscheln sich aneinander und die Hetera steckt der Lesbe den Finger in die Möse mit den Worten: “Das macht ihr doch so”. Dies hat eine “Galerei” zur Folge, in der beide angewärmt und zufrieden einschlafen. In den beiden weiteren Beiträgen geht es darum, wie Lesben sich zu Drag Kings wandeln. Ihre Erfahrungen und Empfindungen dabei, aber auch ihre gegenseitige Unterstützung und Hilfsbereitschaft bei einem regelmäßigen Stammtisch. Im 17. Kapitel “Die Liebe” werden unterschiedliche Aspekte der Liebe in mehreren Artikeln dargestellt. Im Beitrag “Gleitzeit” von Susanne A Benner reicht dies bis zur Solidarität. Dieser Beitrag kommt ohne Sex aus. Es gibt also Beiträge, die Facetten der Liebe mit und ohne Sex beschreiben.
Das letzte Kapitel”Alter” beginnt mit einem Beitrag von Laura Méritt “Dirty Old Women? Lesbische Sexualität im Alter”. Ein Workshop auf der Tagung “Anders sein und älter werden – Lesben und Schwule im Alter”. Die Erkenntnisse und die Ergebnisse dieses Arbeitskreises werden in diesem Beitrag dargestellt. Im 2. Beitrag: “Sex des Alters” von Steffi Scherwath geht es um die sinnliche erotische Zubereitung einer Gans mit entsprechenden Beilagen, also Klößen und Rotkohl, sowie der Freude dies mit geladenen Gästen teilen zu können. Im 3. Beitrag “Rabenkrähen” von Cornelia Gürtler beschreibt eine Lesbe ihre Beziehung zu einer älteren Frau, deren Geliebte sie ist, die sie regelmäßig an den Wochenenden besucht und wie sie miteinander umgehen.
Ich habe längst nicht alle Kapitel beschieben und innerhalb der Kapitel nicht alle Beiträge, so z.B. das Kapitel “Jugend und Coming-out”. Hier hat mir “Das grüne Kind” von Steffi Cassandra besonders gefallen, eine sehr erotische Geschichte. Eine andere, auf andere Art erotische Geschichte ist “Die Gräfin” im Kapitel 5 “Putzen”. Die beim Putzen nackte Gräfin ist im wahrsten Sinne des Wortes putzgierig.
Drei Kapitel bestehen jeweils aus einem Beitrag. Kapitel 8 “Symbiose”, Kapitel 10 “Gewalt” und Kapitel 12 “Körperinneres”. Auf das Thema “Gewalt” von Uli Meyer, ein Online-Gespräch mit Constance Ohms über das Thema “Frauen, die sexuelle Gewalt gegen Frauen ausüben”, will ich hier weiter eingehen. Als Tabu im Tabu wird hier die sexuelle Gewalt bezeichnet, die Frauen gegen Frauen ausüben. Sexualisierte Gewalt geschieht in lesbischen Beziehungen, durch Vergewaltigungen, durch sexuelle Übergriffe und durch die Verunglimpfung der Sexualität der Partnerin. Offensichtlich ist die Häufigkeit dieser Beziehungsgewalt gleich, egal, ob es sich um lesbische, schwule oder Hetero-Beziehungen handelt. Gewalt in lesbischen Beziehungen ist zumeist psychisch-verbale Gewalt, physische Gewalt, besonders Schläge mit der flachen Hand und sexualisierte Gewalt duch die Partnerin bis hin zur Vergewaltigung. Constance Ohms beschreibt, wie diese Tatsachen dem feministischen Weltbild widersprechen, in dem immer Männer die Täter und Frauen die Opfer sind Täter-Frauen werden dadurch entschuldigt, dass behauptet wird, sie seien als Kind Opfer von Männern gewesen. Ohms hält dagegen, dass Frauen wie Männer für ihre Taten verantwortlich zu machen sind.
Das Buch wird aufgelockert durch sexuelle und erotische Bilder, Fotos und Zeichnungen, sowie durch einen Comic zum Kapitel “Sex” auf Seite 206 und durch das Kapitel 15 “Lyrik”, wo auf drei Seiten kleine Geschichten und Gedichte zu finden sind.
Frau kann sich ihr eigenens Lesebuch zusammenstellen, in dem sie sich einzelne Kapitel herausgreift. Aber es lohnt sich dieses Buch von Anfang bis zum Ende zu lesen, da es sowohl schöne erotische Geschichten als auch geschichtliche und gesellschaftspolitische Beiträge enthält. Ich kann dieses Buch nur empfehlen. (rs)


Mein schwules Auge
Nummer 2 heißt der Band aus dem Konkursbuch-Verlag Claudia Gehrke, ISBN 3-88769-391-4, 296 Seiten zu XX Euro.
Nach dem heimlichen Auge und dem speziellen lesbischen Auge erscheint das schwule Auge nun auch schon zum zweiten Mal. Auch hier treffen sich sexuelle Erzählungen, erotische Gedichte, Zeichnungen, Fotoarbeiten in Farbe und schwarzweiß, nun über schwule sexuelle Variationen.
Aber auch Analytisches finden wir hier: Dirk Ludwigs schreibt hier zum Beispiel unter dem Titel “Die jungen Prüden, warum die schwule Revolution von ihren Kindern gefressen wird.” über das Unbehagen der ehemaligen Sexrevolutionäre. Mit einem Zitat von Martin Dannecker beginnt Dirk seinen Beitrag: “Die Befreiung des Schwulen ist die Befreiung des Spießers in ihm.” Es sei dies nicht der Seufzer eines alten Revolutionärs im Zeitalter von Homo-Ehe und Adoptionsstreit, denn auch schon in Praunheims Film “Nicht der Homosexuelle ...” sei die Situation der Schwulen so zusammengefasst worden: “Schwule wollen nicht schwul sein. Sondern sie wollen so spießig sein und kitschig sein wie der Durchschnittsbürger. Sie sehnen sich nach einem trauten Heim, in dem sie mit einem ehrlichen und treuen Freund unauffällig ein eheliches Verhältnis eingehen können. Der ideale Partner muss sauber, ehrlich und natürlich sein, ein unverbrauchter und frischer Junge, so lieb und verspielt wie ein Schäferhund. Da die Schwulen vom Spießer als krank und minderwertig verachtet werden, versuchen sie noch spießiger zu werden, um ihr Schuldgefühl abzutragen mit einem Übermaß an bürgerlichen Tugenden. Sie sind politisch passiv und verhalten sich konservativ als dank dafür, dass sie nicht totgeschlagen werden.”
Den Kampf um die Gleichberechtigung hätten die Spießer gewonnen, der von den Revolutionären geführt worden sei. Statt die gesellschaftlichen Verhältnisse zu ändern hätten die Homos die Kleinfamilie ins 21. Jahrhundert gerettet. Zum Einverständnis in diese Zustände gehöre es, dass die Schwulen an der These, dass Kinder keine eigene Sexualität hätten, nicht mehr rühren würden. Je mehr Sex zum Marken oder Billigartikel werde, umso mehr beginne er zu langweilen. “Verständlich, dass immer mehr junge Schwule angesichts von Übersexualisierung und dem partnerschaftlichen Verssagen der älteren Generation beginnen, sich nach den Regeln einer Vergangenheit zurückzusehnen, die sie sich als gute alte Zeit zurecht schönen. Die neue Sehnsucht nach Monogamie und Beziehungsidylle ist in vielen Studien nachgewiesen. Angewidert von den Bildern sex-enthemmter Großstadthomos, sehnen sich schwule Teens und junge Twens nicht selten zurück in eine Wertewelt, die der der Fünfziger Jahre entspricht, die sie freilich nie am eigenen Leib erleben mussten. Treue steht hoch im Kurs, Liebesheirat inklusive. Schade nur, dass die junge Prüden eine Scheinwelt gegen eine andere austauschen. Die Wiederauferstehung von Treue findet nämlich nur in ihren Köpfen statt. Wächst die Lust auf einen neuen Partner, wird sich flugs getrennt, selten anständig, meistens brutal. Serielle Monogamie, Treue ohne Dauer, das ist unter der moralischen Homojugend die banale Wirklichkeit.” (S. 122)
Lieber Dirk, die jungen Schwulen verhalten sich gar nicht anders als die jungen Heten in der Gesellschaft. Dass Sexualität, die nicht tabuisiert wird, zur Ablehnung von Sexualität führen würde, ist ein altes konservatives Märchen, was sich die Sex-Revoluzzer der 68er oft anhören mussten. Und dann, die Sexualität ist gar nicht enttabuisiert, sondern lediglich kommerziell funktionalisiert worden. Und die Monogamie auf Zeit entspricht vollkommen der kommerzialisierten Sexualität, die ein Produkt, eine Ware geworden ist, die man durch eine neue Ware austauscht, wenn man eine neuere schönere Ware sieht, wie ein neues Modell eines Autos. Und was Du mit: “dem partnerschaftlichen Verssagen der älteren Generation” meinst, ist mir nicht so klar. Meinst Du selber, dass sie die traditionelle Ehe hinterfragt hat? Ist das das Versagen? Oder unterstellst Du, dass das die nachwachsenden Jungen so sehen? Richtig scheinen die Beobachtungen zu sein, die hier in diesem Beitrag wiedergegeben wurden.
Elmar Kraushaar beschreibt unter dem Titel “Zum Wohle der Kinder”, wie Homosexuelle im Kampf gegen den sexuellen Missbauch gleich mit unter die Räder geraten. Wie begründet er das? Es gibt in den Medien keine Abgrenzungen des Alters des Kindes nach oben, eben gerade, wenn es sich um eine mannmännliche sexuelle Begegnung handelt, und bei stattgefundenem schwulen Sex zwischen einem Jugendlichen und einem Erwachsenen wird auch nicht unterschieden, ob er einvernehmlich oder gegen den Willen eines der Beteiligten stattfand. Dass er stattfand, ist ausreichend und der Erwachsene ist Täter, der Jugendliche Opfer. Das ist sehr weit von der Lebenspraxis entfernt. Die Journalisten sprechen schuldig, bevor sich ein Gericht mit dieser Sache befasst, und oft ist das sensationell aufbereitete Geschehen weder ein Verstoß gegen den Willen eines der Beteiligten noch gegen ein Gesetz. Vielfach gibt es auch gar kein Geschehen. Dabei wird billigend in Kauf genommen, das Menschen aus ihrer bürgerlichen Existenz gerissen werden und manche Verzweifelten sich das Leben nahmen. Die Figur des “Kinderschänders wird omnipotent und lauert überall.” Schreibt Kraushaar (S. 128) Warum dies alles so ist, dazu lässt er den Soziologen Chris Jenks sprechen: “ Das Vertrauen, das früher in Ehe, Partnerschaft, Freundschaft und Klassensolidarität gesetzt wurde, wird heute generell eher in das Kind investiert.” (S. 129) Ähnlich äußert sich, lt. Kraushaar, der Soziologe Ulrich Beck “Das Kind wird zur letzten verbliebenen, unaufkündbaren, unaustauschbaren Primärbeziehung. Partner kommen und gehen. Das Kind bleibet. Auf es richtet sich all das, was in die Partnerschaft hineingesehnt, aber in ihr unauslebbar wird. Das Kind gewinnt mit dem Brüchigwerden der Beziehungen zwischen den Geschlechtern Monopolcharakter auf lebbare Zweisamkeit, auf ein Ausleben der Gefühle im kreatürlichen Hin und Her, das sonst immer seltener und fragwürdiger wird”. Zurück zu Jenks: “Durch unseren nostalgischen Blick auf die Kindheit wird jeder Missbrauch eines Kindes zum Missbrauch der letzten und kraftvollsten Form liebevoller, zuverlässiger, integrierender sozialer Bindungen. Missbrauch bedeutet einen Angriff auf die Verkörperung der Überreste dieser Bindungen. So spähen wir Missbrauch unnachsichtig aus, spüren ihn auf und reagieren heftig und massiv mit Missbilligung und Verfolgung. Der Aufschrei über den Missbrauch ist ein Aufschrei unseres eigenen kollektiven Leidens, angesichts des Verlusts unserer sozialen Identität, Ausdruck unserer Malaise.” (S. 129 f) Kraushaar rollt den Fall der ehemaligen Schwuso-Vorsitzenden auf, dem der Vorwurf der Verbreitung pornographischer Schriften gemacht wurde. Was Prnographie ist, bestimmen dabei unsere Gegner. Aus angeblicher Pornographie wurde in den Medien schnell Kinderpornographie. Aus dem Schwulenzentrum, in dem er verkehrte, wurde ein Pädozentrum. Er verlor alle Parteiposten, seine Arbeit und seine ehrenamtlichen Tätigkeiten. Und ein DVU-Abgeordneter setzte noch eines drauf und verlangte die Todesstrafe. Er beschreibt auch das Verhalten von Schwuleneinrichtungen, wenn jemanden durch die Medien in diesem Zusammenhang etwas nachgesagt wird. Er meint dazu: “Dass die ganzen Abgrenzungbemühungen nichts nutzen, die homophoben Gegner stattdessen jede Gelegenheit nutzen, mit den radikalen Ressantiments gegen Pädophile auch den gewöhnlichen Homosexuellen wieder ins Visier zu nehmen, wird allzu leicht vergessen.” (S. 132) Schnell kommt da eins zum anderen, wie beim Professor für Geschlechter- und Generaitonenforschung Gerhard Amendt, der in seinem in der FAZ vorgestellten Buch “Die Selbstzerstörung der Gesellschaft” Pädophile, Lesben und Schwule (Perverse genannt) in einen Topf wirft, weil die eben nicht so reagieren: “Junge findet eine Parnerin und Mädchen einen Partner”. Sie seien daher nicht bereit für die Welt der Erwachsenen. Schließlich schreibt er zum Abschluss seines Artikels: “Kaum gehör finden dagegen überlegte Töne, wie die des Hamburger Sexualwissenschaftlers Gunter Schmidt. ... “Pädophile sind Männer, deren sexuellen Wünsche und deren Wünsche nach Beziehung und Liebe vorrangig oder ausschließlich auf vorpubertäre Kinder gerichtet sind”. Keine Mogelein in der Altersfrage und kein versuch, die Gesamtheit der Homosexuellen mit zu erledigen. Selbstverständlich konzediert Schmidt, dass die Pädophilie eine nicht lebbare Sexualform sei. (...) “Für diese Bürde, die Zumutung, ihre Liebe und Sexualität nicht leben zu können, verdienen sie Respekt, nicht Verachtung, Solidarität, nicht Diskriminierung.” (S. 132)
Die beiden herausgegriffenen Aufsätze haben mich am dringendsten interessiert. Nur sie zu beachten, würde bedeuten, die Vielfalt der Themen in diesem Buch zu ignorieren. Die meisten Beiträge beschäftigen sich mit dem “normalen” schwulen Leben, mit Lebens- Liebensalltag, mit Cruising und viele Formen der gelebten Homosexualität. Es ist dies ein gutes, lesenswertes, ein erotisches, sexuelle Buch, es ist in seiner Gesamtheit ein äußerst empfehlenswertes Buch. (js)

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