105. Print-Ausgabe, Winter-LUST 2010/2011
 
Bücher zur Emanzipation und Sozialwissenschaft
Bücher, die wir auf der Buchmesse entdeckt haben und die nicht direkt etwas mit „unserem“ Thema zu tun haben, die uns aber dennoch interessieren, weil „unser Thema“ nicht getrennt von der allgemeinen Emanzipation und den sozial- und Gesellschaftswissenschaften gesehen werden kann.

Planerin
Kalender/Planerin, Geschenkartikel, Frauenrechte allgemein. Dauerabo der Planerin zu 9 Euro - Der Buchkalender zu 13 Euro
Jedes Jahr präsentieren wir Ihnen zwölf Porträts von engagierten Frauen. Im DIN A5 – Format mit stabiler Ethabind-Ringbindung bietet die Planerin viel Platz und Übersichtlichkeit für unterwegs und für den Schreibtisch.
Einschubtaschen im Umschlag, herausnehmbares Adressbuch, Menstruationskalender, Mondphasen, Adressliste wichtiger Frauenorganisationen und vieles mehr. Jede Woche auf einer Doppelseite und eine zusätzliche Jahres- und Monatsübersicht garantieren Frau den Überblick.
Im Abo erhalten Sie die Planerin für 9,00 EUR zzgl. Versandkosten automatisch jedes Jahr in der bestellten Stückzahl. Wenn Sie die Planerin abonnieren möchten, kaufen Sie einfach dieses Abo per Klick auf "in den Warenkorb".
Unser Kommentar: Das ist ein ungemein praktischer Kalender für den Schreibtisch. Frau kann hier alles übersichtlich eintragen, und wenn mal was Wichtiges nachzuschlagen ist, dann ist es sinnvoll, erst einmal hier in der Planerin nachzusehen. Bestellt diesen Kalender am besten im Internet, Adresse: http://frauenrechte.de und dort im Shop. Da gibts auch noch ne ganze Reihe anderer interessanter Bücher zu kaufen. (rs)

Ronald M. Schernikau
Irene Binz. Befragung
Erstmals aus dem Nachlass!
224 Seiten zu 16,95 Euro, gebunden, Leinen,mit zahlreichen Fotos, ISBN 978-3-86789-095-3
Das intensive Gespräch zwischen Mutter und Sohn fördert Bewegendes zutage: das Aufwachsen in der DDR, die Umstände der Flucht nach Westdeutschland aus Liebe zum Vater des gemeinsamen Kindes, die Demütigung, als sie erfährt, dass dieser dort heimlich eine andere geheiratet hat, das Misstrauen ihr, der Genossin, gegenüber - Irene Binz, literarisches Alter Ego von Ellen Schernikau, geht weiter ihren Weg und fühlt doch schmerzhaft die Leerstelle der fehlenden Heimat. Dieses Buch ist das berührende Porträt einer ungewöhnlichen, starken Frau, die ihren Überzeugungen treu geblieben ist. Frappierend in seiner Einzigartigkeit, ist es doch auf seine Art exemplarisch für den verkrampften Umgang der beiden deutschen Staaten miteinander - und dessen Konsequenzen bis heute. Mit einem Vorwort von Dietmar Dath.
Unser Kommentar: Der Ende 1991 verstorbene Ronald M. Schernikau meldet sich in Texten, die er 1981 in Gesprächen mit seiner Mutter geschrieben hat.
Wer sich einen Eindruck vom Leben eines Menschen in der DDR machen möchte, der eben keine Systemkritik hat, und der dann in der BRD den kalten Krieg als gegen sich gerichtet zu spüren bekam, solltes dieses Buch unbedingt lesen. „Irene Binz“ ist ein wichtiges Zeitdokument und es ist gut, dass Ronald M. Scher-nikau dies für uns geschrieben hat. (js)
 
Das Jahrbuch der Erotik XXV
Mein heimliches Auge
Exklusive Bild- und Textbeiträge auf 320 farbigen Seiten, 15,50 Euro, ISBN 978-3-99769-525-5,Die runde Nummer 25!
Namhafte & debütante AutorInnen & KünstlerInnen über Sex, Liebe und Erotik heute: scharfe Bilder, erregende, nachdenkliche, heitere, brü-llendkomische, poetische und direkte Texte. Themen u.a.: Was sind die beliebtesten erotischen Fantasien, was dagegen die real beliebtesten Sextechniken? BDSM. Was ist Glück in einer Beziehung, was für typische Probleme gibt es? &endash; Anfänge. Lust auf das Unbekannte. Worauf schaut ein Mann, wenn er eine Frau/einen Mann das erste Mal mit Begehren ansieht, worauf eine Frau, wenn sie einen Mann/eine Frau das erste Mal ins „Auge" fasst? U v a m
Unser Kommentar: Das gute alte „Heimliche Auge“, das die sexuellen Kategorien auflöst und die eine menschliche Sexualität in Bildern und Texten darstellt, dieses Auge erlaubt es, sich in andere sexuelle Praktiken hineinzudenken, was somit Türen öffnet. Das 25. Jahrbuch nun widmet sich dem „Liebes-leben“.Und es ist hier auch die Rede davon, dass so manchen AutorInnen erotischer Beschreibungen zunehmend wieder anonym bleiben wollen. Kann es serin, dass offenherzige Bekenntnisse Nachteile nach sich ziehen? Wenn dies so wäre, wäre das allerdings ein spürbarere Rückschritt. Ich empfehle Euch dieses Buch, das den Zeitgeist spiegelt. (js)

Bücher zur sexuellen, gesellschaftlichen und politischen Moral
Die Tabuisierung von Themen hat Konjungtur. Banale Eigeninteressen von Personen, religiösen, wirtschaftlichen Gruppierungen, politischen Parteien und Staaten werden mit traditionellen Tabus verknüpft, damit niemand widersprechen kann. Oder sie werden mit dem Widerstand gegen ins Gerede gekommenen Tabus verknüpft. Somit wäre Aufklärung und die Entlarvung solcher machen-schaften noch immer angesagt.
 
Bernd Kramer, Christoph Virchow (Hg.)
EIN FALL VON VERDECKTER EROTIK IN DER NEUGRIECHISCHEN MALEREI
Überlegungen zum Problem von Übermalungen in der Kunst. Erschienen im Karin Kramer Verlag.
Mit Beiträgen von Helmut Bucher, Peter Funken, Helmut Höge, Thomas Kapielski, Bernd Kramer, Heinz Werner Lawo, Christoph Virchow. 23 Abb. schw./w., 26 Abb. farbig, 136 Seiten zu 14,80 Euro,3-87956-315-2
Das Übermalen von Bildern hat eine lange Tradition. Entweder nahm der Künstler, von einer Schaffenskrise heimgesucht, die "Korrektur" vor oder er befand, dass der erste Entwurf nicht mehr seinen eigenen Vorstellungen oder denen des Auftraggebers entsprach. - Ein Beispiel hierfür finden wir bei Courbet. Im Auftrage des Frühsozialisten Pierre-Joseph Proudhon hatte Courbet die Familie gemalt. Plötzlich bestand der Auftraggeber darauf, die Gattin aus der Idylle zu verbannen. Der Maler tat es. Die Frau verschwand hinter einem Strauchwerk.
Ist der schöpferische Eingriff vom Meister ins Werk legitim, so ist das Übermalen von fremder Hand frevelhaft und respektlos. Diesen Respekt z.B. verweigerte der Schmierer Alexander Brener: er besprühte Malewitschs "Schwarzes Quadrat" mit einem goldenen Dollarzeichen.
Im Falle der verdeckten Erotik haben wir ein zeitgenössisches Beispiel von unglaublich blasphemischer Unverfrorenheit. Das Werk des Malers Helmut Bucher wurde von einen Anstreicher "korrigiert" - die Auftraggeberin bestand darauf.
Unser Kommentar: Ein Buch über ein ernstes Thema ist dies, das ich nicht ohne einem Anflug von Ge-kicher lesen konnte, aber haben „Künstlerübermalungen“ nicht auch was von Bücherverbrennungen? Das Buch ist vollkommen aus dem Leben gegriffen, also echt und lesenswert. (js)
 
Paul Lafargue
Das Recht auf Faulheit
Herausgegeben von Michael Wilk, erschienen im Trotzdem Verlag, Widerlegung des „Rechts auf Arbeit“ von 1848
Um ein Vorwort von Michael Wilk ergänzte Neuauflage. 97 Seiten, Abbildungen, kartoniert, 10 Euro ISBN 978-3-86569-907-7
Trotzdem bei Alibri,das Buch ist zu bestellen bestellen bei Alibri.
In seiner erstmals 1883 erschienenen Polemik kritisiert Paul Lafargue die Vorstellung von Arbeit als Selbstzweck. Angesichts der zunehmenden Zwangsverpflichtung von Arbeitslosen zu vorgeblich »gemeinnütziger Arbeit«, sinkender Reallöhne und immer schlechter werdenden Arbeitsbedingungen kommt seiner Vision von »Muße und Freiheit« große Aktualität zu. Wer nicht länger einsieht, für die Profite der Konzerne den Buckel krumm zu machen, findet im »Recht auf Faulheit« Ansätze, den tradierten Denkmuster zu entkommen. Obschon bereits im 19. Jahrhundert geschrieben, hat der Text auch in der aktuellen Diskussion um die Arbeit und ihre Bedingungen noch immer eine grundlegende Bedeutung.
Aus dem Inhalt Lafargues "Recht auf Faulheit" * Das Recht auf Faulheit – 100 Jahre später * Ein verderbliches Dogma * Der Segen der Arbeit * Was aus der Überproduktion folgt * Ein neues Lied, ein besseres Lied * Wie man arbeiten muss * Grabrede von Lenin zum Tode von Paul und Laura Lafargue
Unser Kommentar: „In der kapitalistischen Realität wirkt ich jedoch „Entlastung“ der Menschen von schwerer stupider Arbeit anders aus. Nicht mehr freie Zeit und Muße für Viele, sondern Entlassung für dieeinen und verdichtete Arbeit bei den verbliebenen Malochern sind die Folge. Lafargue ist notwendiger denn je,“ schreibt Michael Wilk am Ende seiner Einleitung. Doch wovon sollen die Arbeitsverweigerer leben? „Der Kapitalismus“ kann das auch so machen, dass die, die nicht gebraucht werden oder zu brauchen sind einfach umkommen.
Lafargue meint in seinem Text. dass die Arbeiter so erzogen seien, dass sie süchtig nach arbeit wären, selbst wenn sie nur geringen Lohn erhalten. Sie wollen nur nicht faulenzen. Welch ein Irrtum.
Hier wird nicht unterschieden zwischen einer zufriedenstellenden Arbeit und der entfremdende Erwerbsarbeit. Lest es und diskutiert mit. (js)
 
Alexander Braidt
Bewusstsein - Der Abgrund zwischen Mensch und Tier. Zur unverstandenen Sonderstellung des menschlichen Gehirns
Eine Streitschrift zum Menschenbild der jüngeren Hirnforschung bei Roth, Singer und Co. Erschienen bei Pahl-Rugenstein, 355 S., 2 Abbildungen zu 26,00 Euro, ISBN 978-3-89144-430-6
Zur unverstandenen Sonderstellung des menschlichen Gehirns "Der Mensch sei dem Tier sehr nahe, seine kulturelle Überlegenheit Einbildung." Gegenüber dieser Kernthese der evolutionären Anthropologie und speziell der Hirnforschung muß dieses Buch wie ein Affront wirken. In ihm wird die herausragende Stellung des Menschen in der Evolution präzis begründet.
Bis heute blieb das Bewußtsein des Menschen für die Hirnforschung nach eigenem Eingeständnis ein Rätsel. Ein Grund war, daß stets der vielschichtigen Fülle von Wahrnehmung, Aufmerksamkeit, Ich-Identität usw. schlankweg das Etikett "Bewußtsein" angeheftet wurde.
So versäumte man, den puren Status "bewußt zu sein", zu analysieren – worauf es exakt angekommen wäre. Der etablierten Hirnforschung entging daher die fundamentale Tatsache, daß bereits der ganz passive Mensch „bewußt" ist. Bewußtheit – nicht etwa Wachheit – entpuppt sich als bloßer Offenheits- oder Autonomie-Modus. Dieses bislang völlig unbeachtete Phänomen wirft ein grelles Licht auf die Entwicklung einer intelligenten Kultur des Menschen.
Denn seiner selbst "bewußt zu sein" – gegen alle Hemmnisse und ohne Ende abstrakt und phantasievoll denken zu können –, das ist die mentale Basis jeder Kulturentwicklung. Erst dieser Grund-Modus "bewußt" gewährleistet die dazu unerläßliche, geistige Autonomie. – Doch wie kommt diese Autonomie neuronal zustande?
Alexander Braidt (geb. 1947) ist von Profession Geisteswissenschaftler (Philosophie, Politische Wissenschaft und Germanistik), studierte bei Prof. Ernesto Grassi am Humanistischen Institut München. Bemüht um den vielbeschworenen, selten gelungenen Brückenschlag zwischen Natur- und Geisteswissenschaft, beschäftigt er sich seit gut 20 Jahren mit der Gehirnfor-schung.
Neben rein inneruniversitären Arbeiten ist dies seine erste, größere Veröffentlichung auf diesem Gebiet. Er arbeitet heute freiberuflich als Privatgelehrter in München.
Unser Kommentar: Der Mensch unterscheidet sich vom Tier dadurch, dass er im Gegensatz zu Tier über Bewusstsein verfügt. Und dies ist angeboren, aufgrund des besonderen menschlichen Gehirns. Dem Autor geht es darum, alle die zu widerlegen, die es für möglich halten, dass auch Tiere über Bewusstsein verfügen, indem er ihnen nachweist, dass sie den Begriff „Bewusstsein“ ungenau benutzen und grenz diesen Begriff genauer von andren Gehirnleistungen ab. „Der Mensch ist sich seines Bewusstseins bewusst“, definiert wohl am besten, was er meint, auch wenn es den Punkt nur anreißt.
Es ist dies ein wichtiges und gutes Buch, das in der Lage ist, uns die Komolexheit menschlichen Denkens vor Augen zu führen. Unbedingt Lesen! (js)
 
Helmut Fink (Hrsg.)
Der neue Humanismus
Wissenschaftliches Menschenbild und säkulare Ethik
Helmut Fink (Hrsg.) Schriftenreihe der Humanistischen Akademie Bayern, Bd. 4,Erschienen bei Alibri, 218 Seiten zu 18 Euro, ISBN 978-3-86569-059-3
Naturwissenschaftliche Erkenntnisse über den Menschen haben Folgen: Sie beeinflussen Grundlagen des Menschenbildes und berühren Grundfragen der Ethik. Das Verhältnis von Humanismus und Naturalismus ist jedoch nicht frei von – tatsächlichen oder empfundenen – Gegensätzen. Dieser Band ist dem Bestreben gewidmet, einen stärker naturalistisch geprägten Humanismus zu etablieren.
Zu den behandelten Fragen gehören: Wie sind Entstehung und Funktion des Religiösen von einem säkularen Standpunkt aus zu erklären? Welche Rolle spielt die kulturelle Ebene im Vergleich zur natürlichen Ausstattung des Menschen? Wie weit reicht die Wissenschaft und wo beginnt die Weltanschauung?
Unser Kommentar: Die Humanistische Akademie Bayern gibt eine ganze Reihe interessante Aufsätze in dieser Bücherreihe heraus. In diesem band geht es um das Bemühen, für die über 30% unserer Bevölkerung, die weder den beiden großen Kirchen noch einer anderen Religion angehören, den Weg in eine säkulare (nichtreligiöse) Ethik zu eröffnen. Diese Aufätze diskutieren u.a., wie Schmidt-Salomon formuliert, einen neuen Humanismus für den neuen Atheismus.
Das Buch ist nicht nur für Atheisten lesenswert, für diese aber ganz besonders. (js)

Rainer Willmann
Darwin, Huxley und die Frauen,
Verlag Barbara Budrich, 235 Seiten zu 16,90 Euro, 978-3-86649-232-5
Charles Darwin ist vielen als Begründer der Evolutionstheorie bekannt. Aus dieser Theorie leitet sich auch der „Sozialdarwinismus“ ab. Ist das berechtigt? Darwins Engagement für die Gleichheit der Menschen – Männer und Frauen aller Ethnien – ist wenig bekannt. Lassen Sie sich von dieser Seite des berühmten Biologen überraschen!
Darwins aus der Evolutionstheorie abgeleitetes Engagement für eine Gleichberechtigung der Frau stellt eine für die Mitte des 19. Jahrhunderts nahezu revolutionäre und über-aus fortschrittliche Haltung dar. Die für Charles Darwin selbstverständliche Gleichheit von Mann und Frau – als gleichwertige Menschen – illustriert Rainer Willmann in diesem spannenden Buch. Das Engagement Darwins und seiner Kollegen und Zeitgenossen Thomas Henry Huxley und Alfred Wallace für eine Gleichheit in Bildung und Beruf für Frauen beeindruckt auch 200 Jahre nach Darwins Geburt.
Unser Kommentar: War Darwin der erste Sozialdarwinist? Nein! Die Entwicklung der Arten, auch des menschen, lässt so manche dogmatische Position kleinlich und dümmlich erscheinen. Deshalb wird er ja auch noch immer bekämpft, wodurch sich seine Gegner als unwissenschaftlich und dogmatisch entlarven. Spannend und analytisch, ein gutes und aufschlussreiches Buch. (js)

Violettbuch Kirchenfinanzen
Wie der Staat die Kirchen finanziert. Eine Dokumentation von Carsten Frerk, erschienen im Alibri Verlag, 270 Seiten zu 16 Euro, ISBN 978-3-86569-039-5
Obwohl die beiden großen christlichen Kirchen heute weniger als zwei Drittel der Bevölkerung organisieren, werden viele ihrer Belange durch die öffentliche Hand finanziert. Und das betrifft keineswegs nur Krankenhäuser oder Sozialstationen, die von der Allgemeinheit in Anspruch genommen werden können.
Ob Bischofsgehälter, die Ausbildung kirchlichen Personals oder Missionswerke – konfessionslose und andersgläubige Bürgerinnen und Bürger zahlen alle kräftig mit.
Carsten Frerk gibt einen systematischen Überblick, zu welchen Gelegenheiten der Staat von den Kirchen zur Kasse gebeten wird. Er problematisiert versteckte Begünstigungen wie die steuerliche Absetzbarkeit der Kirchensteuer, erläutert die rechtliche und historische Fragwürdigkeit der so genannten Staatsleistungen und stellt die Frage, warum die Allgemeinheit soziale Einrichtungen in kirchlicher Trägerschaft bezuschusst, obwohl dort die Arbeitnehmerrechte weitgehend außer Kraft gesetzt sind.
Dabei geht es nicht um Kleinigkeiten: Die Zuwendungen der öffentlichen Hand an die Kirchen übersteigen deren Einnahmen aus der Kirchensteuer beiweitem. Und da die Kirchen steuerbefreit sind, tragen sie nichts zur Finanzierung der gesellschaftlichen Infrastruktur bei, von der sie profitieren.
Unser Kommentar: Es geht um Zahlen und mittelalterliche Gesetze, die auch noch heute die Grundlagen für Zahlungsverpflichtungen mit Ewig-keitsanspruch der Gemeinden, der Länder und des Bundes darstellen. Es geht um ständige findige Bemühungen kirchlicher Juristen, kirchlichen Einfluss zu vergrößern oder zu verteidigen und Geldquellen in einem undurchschaubaren Netzwerk unterzubringen. Das Buch macht zornig und das ist auch gut so. (js)
 
Peter Rohregger
Dumme Herde - böse Hirten
Religion - das Verbrechen an der Vernunft. Erschienen im Selbstverlag, 332 Seiten zu 24,90 Euro, ISBN 978-3-200-01805-1.
Glaube ist der älteste Feind der Vernunft. Als schädlicher Parasit nistete sich die Religionsfantasie schon sehr früh in den Köpfen der Menschen ein. Den Verstand als ideale Nahrung nützend, überdauerte der Parasit die Jahrtausende. Aktuell arbeitet er auch in Europa wieder mit Eifer daran, dass die Religion neuerlich zur Bedrohung für die geistige Freiheit wird.
Zu welchen Tollheiten der Kniefall vor Gott die Menschen befähigt, wird in diesem Buch an zahlreichen interessanten Beispielen aus der Geschichte und Gegenwart unterhaltsam verdeutlicht. Von religiösen Kulten mit erotischen Exzessen bis zu den Blutorgien der Frommen, von den hysterischen Massen in Mekka bis zu Hitlers "göttlicher" Sendung, von den Tücken des Korans bis zur „Teufelssekte" der Freimaurer - und noch weit über diese Themen hinaus reichen die vom Historiker Peter Rohregger ohne Scheu beschriebenen Merkwürdigkeiten des Glaubens. Von informativer Polemik begleitet, führt dieser aufregende blasphemische Streifzug durch die nahen und fernen Irrgärten der Religionen.
Unser Kommentar: Es ist dies eine polemische Streitschrift gegen so ziemlich alle Religionen, indem ihre absurden und bisweilen bizarren Thesen aneinandergereiht werden, ohne freilich das Wesentliche der Religionen zu benennen, nämlich die ideologische Absicherung der vorherrschenden wirtschaftlichen und politischen Herrschaft. Ohne politische Funktionalisierung der Religionen könnten diese wohl kaum noch dereart komfortabel exististieren. Offensichtlich haben Religionen die Aufgabe, unerträgliche Zustände zu rechtfertigen bzw. erdulden zu lassen. (js)

Moshe Zuckermann
„Antisemit“
Ein Vorwurf als Herrschaftsinstrument.
Erschienen bei Promedia in Wien, 208 Seiten zu 15,90 Euro, ISBN 978-3-85371-318-1
Antisemitismus ist eine der verruchtesten Formen moderner Ideologien. Diese Behauptung bedarf heutzutage keines Nachweises mehr, zu katastrophal waren seine Auswirkungen, als dass sie in Abrede gestellt werden könnte. Die Ächtung von Antisemitismus ist ohne jeden Zweifel eine gesellschaftliche Notwendigkeit. Problematisch und kontraproduktiv wird es dort, wo ein vermeintlich kritischer Diskurs in herrschaftliches Bekenntnis umschlägt, wo Anti-Antisemitismus politisch missbraucht wird, wo sich eine vermeintlich kritisch auftretende Rezeption als ideologisch entpuppt.
Wenn beispielsweise Gegner der israelischen Vertreibungs- und Kriegs-politik wie Ilan Pappe oder Kritiker einer von ihnen identifizierten „Holocaust-Industrie“ wie Norman Finkelstein unter dem Deckmantel des Kampfes gegen den Antisemitismus Auftritts- und Diskussionsverbote erhalten, ist das eine demo-kratiepolitisch gefährliche Entwicklung. Mehr noch: Der Vorwurf des Antisemitismus dient israelischen Lobbies als Instrument, ihre Gegner mundtot zu machen, notwendige Debatten im Keim zu ersticken.
Moshe Zuckermann wagt eine Analyse dieser Entwicklung. Für ihn steht fest, dass die Verwendung des Antisemitismus-Vorwurfs als Parole im vermeintlichen Kampf gegen Antisemitismus „in eine fürchterliche Epidemie umgeschlagen ist.“ Längst schon sei sie zum Totschlag-Ideologem eines durch und durch fremdbestimmten Anspruchs auf politisch-moralische Gutmenschlichkeit geronnen. Ob man diese Epidemie heilen kann, wird sich erst erweisen müssen. Dass man sie erklären muss, scheint dringlicher denn je.
Die Vorstellung, geduldig warten zu können, bis sich diese Ideologie von selbst aufgelöst hat, ist irrig. Zu viel steht auf dem Spiel. Zu desaströs sind die Auswirkungen dieser Epidemie auf vernunftgesteuerte, eman-zipative Bestrebungen der Gegenwart. Zu offensichtlich kommen gerade jene zu Schaden, die die historisch Verfolgten und ihre Nachkommen „beschützen“ wollen – freilich nicht zuletzt durch das Selbstver-schulden derer, die sich im Wohlgefühl einer Solidarität suhlen, die keine ist und ihrem Wesen nach auch keine sein kann.
Unser Kommentar: Man kann alles funktionalisieren, auch den Antise-mitismusmus. Dewr israelische Professor für Geschichte und Philosophie belegt hier die Gefahr des Missbrauches des Antisemitismus. (js)

Christoph Bördlein
Das sockenfressende Monster in der Waschmaschine
Eine Einführung ins skeptische Denken. Erschienen bei Alibri. 199 Seiten, zu 14 Euro, ISBN 3-932710-34-7
Christoph Bördlein führt uns anhand vieler Beispiele aus Wissenschaft und Alltag ins skeptische, wissenschaftliche Denken ein. Allgemeinverständlich und unterhaltsam erklärt er, wie Wissenschaft als Methode, Behauptungen zu überprüfen, funktioniert. Ausführlich werden Möglichkeiten, sich zu täuschen, vorgestellt und Strategien, nicht in solche Fallen zu tappen, aufgezeigt. Auch die (relativistische) Kritik an Wissenschaft wird erörtert; letztlich plädiert der Autor jedoch für skeptisches Denken als brauchbare Grundlage, um richtige Entscheidungen zu treffen.
Aus dem Inhalt: Jeder kann sich mal irren * Wie prüft man Vermutungen? * Wissenschaft als Methode zur Prüfung von Behauptungen * Kritik an der Wissenschaft * Außergewöhnliche Behauptungen * Möglichkeiten sich zu täuschen * Fehler der Validierung * Unwahrscheinliche Dinge sind unwahrscheinlich wahrscheinlich * Wahrnehmungstäuschungen * Erinnerungsfehler * Klingt gut, ist trotzdem höchstwahr-scheinlich nicht so.
Unser Kommentar: Dies ist ein wunderbares Buch, weil es den LeserInnen dabei hilft, die Gedanken klarer zu machen. Skepsis ist ein Tugend, kann ich da nur sagen. kauft das Buch und verschenkt es, es ist gut und nützlich. (js)
 
Simon Schneeberger
Fundamentalismus für Einsteiger
erschienen bei Alibri, 197 Seiten zu 14 Euro, ISBN 978-3-86569-061-6
Werden Sie Fundamentalist, genießen Sie den Segen der Intoleranz! Denn dem Fundamentalismus gehört die Zukunft. Er ist der neue Megatrend schlechthin. Was er anzubieten hat, ist spektakulär. Eine Heilige Schrift genügt als Erklärung sämtlicher irdischer und außerirdischer Phänomene und zur Gestaltung unseres Lebens. Wozu Naturwissenschaften studieren, wenn das, was man wissen muss, auf wenigen Seiten in der Bibel geboten wird? Warum sich um Wirtschaft und Umwelt sorgen, wo doch für alles geoffenbarte Antworten existieren? Damit erfüllt der Fundamentalismus eines der höchsten Gütekriterien unserer Zeit, das der Effizienz.
Wer Fundamentalismus für Einsteiger für polemisch, satirisch und provokativ hält, könnte Recht haben – hat die Chance, Fundamentalist zu werden, aber verpasst.
Aus dem Inhalt
Grünes Licht für Fundamentalisten * Der Islamismus als Wegbereiter für den christlichen Fundamentalismus * Religiöse Gefühle: Die besten Waffen im „postsäkularen Zeitalter“ * Die Zukunft ist fundamentalistisch * Der Segen der Intoleranz * Der Gotteszorn als Garant des Erfolgs * Religion ist Krieg * Biblisches Kindertraining * Die Rute ist stets griffbereit * Reinheitsbälle und Abstinenzversprechen * Ist Barack Obama der Antichrist? * Der Gottesstaat * Willkommen zur Steinigung!
Unser Kommentar: Schon wieder ein Buch, das absolut lesenswert ist. Glaubt man ihm, und viel spricht dafür, werden wir schrittweise in eine immer reliogiös-fundamentalistischere Welt hineingeraten. Und da ist es dann schon gut, sich auch zu wappnen. (js)
 
Verteidigung der traditionellen Geschlechtsrollen und Emanzipation
Was ein „Richtiger Mann“ ist und eine „richtige Frau“, erlernen wir in den Leitbildern der Medien, im sozialen Umfelt und im zwischenmenschlichen Umgang. Draus entstehen dann verwurzelte Identitäten, die zuz konflikten mit siech und der Gesellschaften führen, wenn die Leitbilder infrage gestellt werden.

Carsten Wippermann, Marc Calm-bach, Katla Wippermann
Männer: Rolle vorwärts, Rolle rückwärts?
Identitäten und Verhalten von traditionellen, modernen und postmodernen Männern. Verlag Barbara Budrich. 223 Seiten zu 29,90 Euro, ISBN 978-3-86649-289-9
Seit einigen Jahren ist vom "neuen Mann" die Rede. Ist er Realität, Vision oder Fiktion? Und wenn es ihn gibt: Wo gibt es ihn; wie viele Männer verstehen sich als "neuer Mann", was sind im Alltag die Hürden zu einer gleichgestellten Partnerschaft und welches Potenzial hat der "neue Mann"? Aber auch: Gibt es Gegenentwürfe; führt die Wirtschaftskrise dazu, dass der Aufbruch zum "neuen Mann" im Keim erstickt wird? Oder wirkt die Krise als Katalysator und gibt der Gleichstellung von Frauen und Männern einen Schub und neue Chancen. Die Studie macht auf repräsentativer empirischer Basis das Spannungsfeld an milieuspezifischen Rollenbildern und Einstellungen zu Gleichstellung aus der Perspektive der Männer sichtbar.
Im Rahmen eines umfangreichen Forschungsprogramms zum Thema "Gleichstellung von Männern und Frauen" untersucht das Sinus-Institut im Auftrag des Bundesministeriums für Familie, Senioren, Frauen und Jugend (BMFSFJ) in mehreren Teilstudien auf jeweils repräsentativer Basis 1.) Selbstverständnisse von Männern und die dominanten Geschlechtsidentitäten in unserer Gesellschaft; 2.) das tatsächliche Verhalten von Männern in der Partnerschaft, im Haushalt, bei der Erziehung der Kinder sowie beim beruflichen Wiedereinstieg ihrer Partnerin nach einer familienbedingten Erwerbsunterbrechung; 3.) Barrieren und Brücken für Männer zu einer gleichgestellten Partnerschaft; 4.) Herausforderungen und neue Perspektiven für die Gleichstellungspolitik.
Deutlich wird vor allem eines: Es gibt ihn nicht, den Mann: Die Studie veranschaulicht ein weites Feld an bisweilen antagonistischen Rollenbildern. Es reicht von Verhaftung in traditionellen Männlichkeitsent-würfen über "Emanzipation in kleinen Dosen" bis hin zur Selbstverständlichkeit flexibler Geschlechterrollen.
Unser Kommentar: Eine interessante Sinus-Untersuchung nach der gar kein eindeutiges Männerbild festzumachen ist, wenn sich auch die traditionsverwurzelte Männerrolle durch ihre ständige Bestätigung in Beruf, Gesellschaft, Partnerschaft und Familie im erstaunlichen Maße behaupten kann. Den „Neuen Mann“ gibt es als solchen wohl nicht, jedoch finden wir unterschiedlich dosierte kleine eanzipatorische Schritte vor. (js)
 
Hans Prömper, Mechtild M. Jansen, Andreas Ruffing, Helga Nagel (Hrsg.)
Was macht Migration mit Männlichkeit?
Kontexte und Erfahrungen zur Bildung und zur Sozialen Arbeit mit Migranten.Verlag Barbara Budrich. 224 Seiten zu 12,90 Euro, 978-3-86649-343-8
Beeinflusst Migration Selbstbild und Identität von Männern? Und wenn ja, wie und in welchem Ausmaß? Diese und verwandte Themen werden in diesem Buch aufgegriffen und erläutert. Im Austausch zwischen Männer-, Migrations- und Gewaltforschung werden Ressourcen, Erfahrungen und Handlungsansätze in der Arbeit mit Migranten auf verschiedenen Ebenen vom Kindergarten über die Jugendarbeit bis zu Gewaltprävention und Erwachsenenbildung diskutiert.
Was haben Männlichkeit, Migration und Gewalt miteinander zu tun? Gibt es überhaupt eine Verbindung zwischen diesen Themen? Die Beiträge dieses Buches belegen diese Verbindung sehr klar. Im Mittelpunkt steht das Interesse, das stereotype Bild gegenüber "fremden" und "gefährlichen" Männern mit Migrationshintergrund aufzubrechen und die ab- bzw. ausgrenzende Wahrnehmung zu überwinden. Dabei ist es wichtig, die Vielfalt von Männ-lichkeiten, männlichen Lebenslagen und Lebensentwürfen zu berücksichtigen und effizient zu erschließen.
Differenzierungen zwischen und Zusammenhänge von Migration, sozialer Lage, Geschlechterbeziehungen, Generationenfolgen oder sozialem Milieu werden ebenso beleuchtet wie die vielfältigen Chancen einer Ressourcenorientierung in der Sozialen- und Bildungsarbeit mit Jungen und Männern. Die so entstandene Dokumentation zielt auf eine Lücke in der Erforschung und Reflexion sozialer Praxis mit Männern ab. Die Autoren aus den verschiedensten Wissenschaftsbereichen -- von Sozialwissenschaftlern über Pädagogen bis hin zu Theologen und Medizinern -- vertreten unterschiedliche Theorieansätze zwischen sozialem Konstruktivismus, Genderanalysen und Männer-forschung. So ist ein anregendes Buch über ein noch nicht weit erforschtes, aktuelles soziales Handlungsfeld entstanden.
Unser Kommentar: Es geht anscheinend in keinem gesellschaftlichen Bereich mehr ohne Sinus-Untersuchungen. Aber beim genaueren Hinsehen sind die Erfahrungsberichte von Beratungsstellen in ihrer Bedeutung höher einzustufen. Eindeutige Befunde scheinen sich in der Studie nicht zu erhärten, auch hier ist wieder von einer Vielfalt der Erschceiniungsformen die Rede, was nicht überrascht. (js)
 
Biografien und Geschichten
In guten und treffenden Biografiene kann man die gersellschaftliche Konstruktion der betreffenden Personen erkennen und so auch die gesellschaftliche Konstruktion der Ge-schlechterrollen von Frauen und Männern bestimmter gesellschaftlicher Epochen und Schichten nachvollztiehen. (js)
 
Signe von Scarzoni
Als ich noch lebte
Ein Bericht über Erika Mann, erschienen im Wallstein Verlag, Leinen, gebunden, 248 Seiten mit 15 Abbildungen zu 22 Euro, ISBN: 978-3-8353-0765-0
Ein bewegendes Dokument über Erika Mann und gleichzeitig ein ganz eigener Blick auf die Mann-Familie: hier erstmals publiziert
Die Schauspielerin, Sängerin und Theaterkritikerin Signe von Scan-zoni war die letzte Lebensgefährtin von Erika Mann. Nach deren Tod im September 1969 schrieb sie den fast 200 Manuskriptseiten umfassenden »Bericht über Erika Mann«. Dieser bisher unveröffentlichte Text liest sich als Totenklage, Lebensbeichte und letztes großes Briefgespräch. Er erzählt von einer leidenschaftlichen Bindung, die vom Zwang zur Verschwiegenheit und zum Verstecken ebenso bestimmt war wie von heftigen Kontroversen über Politik und Zeitgeschichte.
Die Selbstverpflichtung Erika Manns als »Nachlasseule«, als Wächterin über das Werk Thomas Manns und Editorin der Werke von Klaus Mann erscheint durch die einfühlsam-kritischen Kommentare in neuem Licht.
In seiner vorsichtig-beharrlichen, liebend-distanzierten Analyse eines »nicht gelebten Lebens« ist der Bericht ein ungewöhnliches literarisches Dokument: Die Bilanz eines Lebens im Gefängnis der berühmten Mann-Familie und ein Bericht vom Sterben eines geliebten Menschen - ebenso einfühlsam wie distanziert erzählt.
"Unser Irrtum bestand darin, daß wir glaubten, daß man zu später Lebensstunde durch Veränderungen äußerer Umstände Fehlhaltungen noch korrigieren kann." Signe von Scanzoni
Unser Kommentar: Der beeindruckende Text, in dem Signe von Scanzoni die letzten Tage und Stunden ihrer Freundin Erika Mann beschreibt, wird vom Verlag „Ein Bericht“ genannt, ist keine Biographie, auch keine reine Totenklage, da er biographische Elemente enthält, er ist aber derart beeindruckend, dass er von der Leserin oder dem Leser nicht vergessen werden kann. (js)
 
Susanne Beyer
Palucca
Die Biografie, erschienen im AVIVA Verlag, 24.80 EUR, 432 Seiten zu 24,80 Euro, ISBN 978-3-932338-35-9
Palucca wird 1902 in München geboren, beginnt 1920 ihre Tanzausbildung bei Mary Wigman und feiert schon bald Erfolge als Solotänzerin. Ihr Markenzeichen sind ihre unvergleichlichen Sprünge und ihre Improvisationen. Im Alter von 91 Jahren stirbt Palucca 1993 in Dresden und wird auf Hiddensee beigesetzt. Palucca ist eine der führenden Künstlerpersönlichkeiten der 1920er Jahre. Das Haus in Dresden, in dem sie gemeinsam mit ihrem Ehemann, dem einflussreichen Kunstmäzen Friedrich Bienert, lebt, ist ein Treffpunkt der künstlerischen Moderne.
In der DDR genießt sie zahlreiche Privilegien und wandelt zwischen den Welten in Ost und West. An der 1925 eröffneten Palucca Schule Dresden lehrt sie fast sieben Jahrzehnte lang, durch alle privaten und politischen Turbulenzen hindurch, ihre neuartige Form des Ausdruckstanzes. Es offenbart sich ein hochspannendes, verblüffend effizientes Lebensprinzip: das Prinzip Palucca, eine Erfolgsformel für die wechselhafte deutsche Geschichte.
Unser Kommentar: Ein Leben wird beschrieben, angenehm zu lesen, das Leben einer großen Frau, die nicht nur die Begründerin des modernen Tanzes war, sondern auch Tanzlehrerin in der Kaiserzeit, der Weimarer Republik, der Hitlerzeit und dann der DDR. Schließlich noch kurze Zeit ind der Bundesrepublik in der nach ihre genannten Schule in Dresden. Sie war eine große bedeutende Frau und über ihr Leben zu lesen, bringt sie uns sehr nahe. (js)
 
Joey Horley, Luise F. Pusch (Hrsg.)
Frauengeschichten
Berühmte Frauen und ihre Freundinnen. Erschienen im Wallstein Verlag, Leinen und gebunden, 320 Seiten mit 13 Abbildungen zu 24.90 Euro, ISBN: 978-3-8353-0634-9
Sie lebten zum Teil im Aus: Catharina Linck zog als Mann durch die deutschen Lande, heiratete ihre Liebste und führte mit ihr über mehrere Jahre eine Ehe, bis sie aufflog und 1721 enthauptet wurde. Mathilde Franziska Anneke, Teilnehmerin an der Revolution von 1848, emigrierte mit ihrem Mann nach Amerika, bevor sie mit einer Freundin das wahre Liebesglück entdeckte. Die Dichterinnen Natalie Barney und Renée Vivien nahmen um 1900 Paris als Wahlheimat, wo sie ihre eigene lesbische community etablierten. Dorthin emigrierte 1925 auch die russische Dichterin Marina Zwetajewa, die sich aber von ihrer ehemaligen (Hass-)Liebe Sophia Parnok längst getrennt hatte. Erika Mann entkam den Nationalsozialisten mit ihrer Freundin Therese Giehse, die Beziehung überstand die Emigration in die USA nicht. Die Journalistin Dorothy Thompson und die Tierbildhauerin und Schriftstellerin Christa Winsloe lebten auch ab den 1920-er bzw. 1930-er Jahren lange im Ausland; und die englische Komponistin Ethel Smyth suchte zeitlebens, in vielen Ländern Europas und sogar bis nach Ägypten, nach Antworten auf »die große Frage der Sexualität«. Antworten haben die Anthropologinnen Margaret Mead und Ruth Benedict geliefert, durch ihre Untersuchungen entlegener Kulturen, aber auch durch ihre eigene Liebesbeziehung. Das Buch präsentiert Frauengeschichte, gesehen aus der Perspektive der Frauenliebe, wie sie in vielen Schattierungen und Varianten über drei Jahrhunderte gelebt und verstanden wurde.
Inhalt:
Angela Steidele über Catharina Margaretha Linck und Catharina Margaretha Mühlhahn
Joey Horsley über Mathilde Franziska Anneke
Birgit Kiupel über Ethel Smyth
Andrea Schweers über Renée Vivien und Natalie Clifford Barney
Diana Lewis Burgin über Marina Zwetajeva und Sophia Parnok
Swantje Koch-Kanz und Luise F. Pusch über Margaret Mead und Ruth Benedict
Doris Hermanns über Christa Winsloe und Dorothy Thompson
Christine Schmidt über Erika Mann
Unser Kommentar: Berühmte Frauen und ihre Freundinnen werden in diesem Buch beschreiben.
So zum Beispiel Cathalina Marga-retha Linck (1687 - 1721) und Catharina Margarethe Mühlhahn (1697 - 1776), die „Als Mann und Frau etliche jahr mit einander gelebt“ hatten. Sie flogen auf und wurden drastisch bestraft: die „Ehefrau“ musste für drei Jahre ins Zuchthaus, der „Ehemann“ wurde 1721 auf dem Fischmarkt in Halberstadt enthauptet.
Wir erfahren in biographischen Texten auch etwas über die Geschichte in denen diese Paare lebten. Ein hervorragendes Buch. (js)
 
Internationale Sozialpolitik
Das Weltbild, das manchen Menschen haben, hängt mit ihren eigenen wirtschaftlen und anderen Interessen zusammen. Dazu gehört, dass es ewin gesellschaftspolitisches Millieu gibt, das bestrebt ist, große Teile der Bevölkerung des eignen Landes möglichst zu verdummen, während die eigene Sippschaft, möglichst noch auf Kosten aller, die beste Bildung und Ausbildung erhalten soll. Man trachtet auch da-nach, ganze Länder möglichst ungebildet zu halten. Dabei helfen die Religionen nach Kräften. Doch lassen sich die Menschen nicht nicht immer systematisch verblöden.

Helge Buttkereit
Utopische Realpolitik
Die neue Linke in Lateinamerika, erschienen bei Pahl-Rugenstein, 162 Seiten zu 16,90 Euro, ISBN 978-3-89144-424-5
Die Neue Linke in Lateinamerika gibt der Welt neue Hoffnung. Die Entwicklungen in Venezuela, Bolivien, Ecuador oder Chiapas können die erlahmte Bewegung für eine bessere Welt auch hierzulande neu in Gang bringen. Sie regen, richtig verstanden und analysiert, zu praktischer Kritik an den überholten Prinzipien der erstarrten alten Linken an und zeigen neue Wege auf. Denn es gelingt der Neuen Linken ganz im Sinne Che Guevaras, realistisch zu bleiben und das Unmögliche zu versuchen. Hugo Chávez, Evo Morales und Rafael Correa, aber auch Subco-mandante Marcos sind, so die These dieses Buches, utopische Realpolitiker. Sie haben sich gemeinsam mit ihrer jeweiligen Basis auf den Weg gemacht, eine wirklich andere Welt möglich zu machen, in der nicht das Kapital, sondern der Mensch und seine allseitige Entwicklung im Mittelpunkt stehen wird – wenn die Bewegungen Erfolg haben. Helge Buttkereit fasst in diesem Buch erstmals die unterschiedlichen aktuellen Bewegungen in einer Studie zusammen, arbeitet die Prinzipien von Selbstorganisation, solidarischer Ökonomie und neuem Internationalismus heraus und widmet sich auf Grundlage neuer und alter Überlegungen dem »Sozialismus im 21. Jahrhundert«.
Der Autor Helge Buttkereit, Jahrgang 1976, wuchs 30 Kilometer nördlich von Hamburg auf und studierte Geschichte, Politikwissen-schaft und Journalistik in Leipzig. Nach dem Volontariat bei einer Lokalzeitung in Niedersachsen arbeitet er heute als freier Journalist und Publizist an der schleswig-holsteinischen Ostseeküste.
Unser Kommentar: Die neue Linke in Lateinanmerika, das hat mich doch schon mal interesiert. Und ich muss sagen, ich habe das Buch aufgeschlagen, ein bisschen gelesen, weiter gelesen und dann wars ausgelesen, denn es war Interessant, fachkundig, gut verständlich geschrieben und setzte eigentlich dort an, wo ich als Westlinker und 68er Fossil, der versucht, nichts gesellshaftspolitisches zu verpassen, selber so steht.
Mit Zitaten von Dutschke, Marx, Bloch flankiert und Zitaten von Guevara, Chávez, Castro und Cusicanqui gewürzt, nähert er sich dem „Sozialismus des 21. Jahrhunderts, der gerade unter der Bedingung des praktizierten Neoliberalismus zur Volkserhebung „Ya basta!“ (jetzt reichts!) und die Bewegungen in Bolivien, Venezuele und Chiapas, die in eine utopische Realpolitik münden, eine Art permanente Revolution von un-ten und gegen die traditionelle Lesart vieler Linken gerichtet, die von dem Verständnis ausgehen: erst Staatsmacht, dann Sozialismus.
„Nach dem weltweiten Gemetzel in den 40er Jahren versprach man uns eine Welt voll Frieden, eine geringe Diskrepanz zwischen Armen und Reichen und dass die entwickelten Länder den wenig entwickelten Ländern helfen würden. Alles hat sich als enorme Falschheit erwiesen. Sie haben uns eine Weltordnung aufgedrängt, die sich weder halten kann noch zu ertragen ist. Die Welt wird in eine Sackgasse geführt.“ (Castro 2008). Lest das Buch und seid ermutigt, denn die Geschichte geht weiter, auch wenn dies bei uns gegenwärtig nicht spürbar ist. Noch nicht überzeugt?
Na dann:„Jemand sagte: Gegen den Neoliberalisdmus zu sein, ist wie gegen die Schwerkraft zu sein. Nun denn! Nieder mit den Gesetzen der Schwerkraft.“ (Subkommandante Marcos der Zapatisten). Und nun? (js)
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