66.LUST, Juni/Juli 01

Gemeinsame Presseerklärung der Christopher-Street-Day-Veranstalter: CSD Hamburg, CSD Berlin, CSD Wien, CSD Köln, CSD München, CSD Frankfurt, CSD Stuttgart
Zum ersten Mal in der Geschichte der bundesdeutschen CSDs gab es während der CSD-Parade am 29. Juli 2000 in Stuttgart zeitgleich eine Gegendemonstration der nationademokratischen Partei Deutschlands (NPD). Während die Paradeteilnehmer/innen friedlich und fröhlich für Gleichberechtigung und Akzeptanz demonstrierten, lieferten sich Rechtsextreme und autonome Linke heftige Auseinandersetzungen mit mehreren Hundertschaften der Stuttgarter Polizei. Leider blieben alle Versuche im Vorfeld, diese Konfrontation zu verhindern, erfolglos. Ein vorheriges engagiertes Verhalten seitens der politisch Verantwortlichen hätte hier sicherlich sehr zu einer Deeskalation beigetragen.
Auch in diesem Jahr erwarten die Veranstalter des CSD Stuttgart Gegendemonstrationen der NPD. Es ist nicht auszuschließen, dass auch in anderen Städten ähnliche Aktionen geplant werden.
Die CSD-Paraden sind friedliche Demonstrationen, bei denen es auch darum geht, gegen den in der Gesellschaft vorhandenen offenen und vor allem auch versteckten Rassismus Flagge zu zeigen. Sie sind gleichzeitig eine Aufforderung an alle Demokratinnen und Demokraten, sich diesen Tendenzen courgagiert engegenzustellen, und zwar jedem Tag und an jedem Ort.
Gegendemonstrationen der NPD werden uns nicht vom Gebrauch der Meinungs- und Versammlungsfreiheit abhalten. Sie werden uns vielmehr darin bestärken, alles zu unternehmen, damit ihre menschenverachtenden Ansichten und Stammtischparolen in der Gesellschaft nicht verfangen.
Wir fordern die gesellschaftlich relevanten Gruppen und politisch Verantwortlichen auf, uns in diesem Anliegen zu unterstützen. Hierzu gehört auch, sich ohne Wenn und Aber für eine Politik der Gleichberechtigung von Lesben und Schwulen einzusetzen und nicht durch minderheitenfeindliche Sprüche den Nährboden für die NPD zu bereiten.
i.A. der CSD-Veranstalter: CSD Stuttgart e.V., Leiblweg 16, 70192 Stuttgart

Unser Kommentar zu diesem Aufruf
Bei allem Verständnis für die Lage von kommerziellen Großveranstaltern, die um die Sicherheit der anwesenden Menschen, der dort aufgebauten Geräte, ihren Einnahmen usw. besorgt sein müssen, finden wir, dass dieser Aufruf politisch hilflos, wenn nicht gar skandalös ist.
„Während die Paradeteilnehmer/innen friedlich und fröhlich für Gleichberechtigung und Akzeptanz demonstrierten, lieferten sich Rechtsextreme und autonome Linke heftige Auseinandersetzungen mit mehreren Hundertschaften der Stuttgarter Polizei.“
In dieser Passage werden die auch für uns gefährlichen antischwulen Nazi-Demonstranten mit Nazi-GegnerInnen gleichgestellt, weil es dort zu Handgemengen mit der Polizie gekommen ist. Auf der einen Seite die Nazis, die ermutigt von CDU-Sprüchen gegen die HOMO-Ehe, glaubten, sie könnten auf Resonanz in der Bevölkerung stoßen, wenn sie mit einer solchen Demonstration die Ehe gegen die Schwulen verteidigen wollen. Auf der anderen Seite DemonstrantInnen, darunter auch viele Lesben und Schwule, die sich das Recht nerhmen, gegen Nazi-Aufmärsche zu demonstrieren, selbst wenn die Polizei die Aufgabe hat, diese zu schützen. Na und an anderer Stelle die unpolitische Parade, deren TeilnehmerInnen von dem allen nichts mitbekommen, die es auch nicht interessiert.
Das erinnert an die Totalitarismustheorie der CDU: Rechts gleich Links, und in der „Mitte“ dann die CDU.
Und was ist von folgendem Zitat zu halten?
„Die CSD-Paraden sind friedliche Demonstrationen, bei denen es auch darum geht, gegen den in der Gesellschaft vorhandenen offenen und vor allem auch versteckten Rassismus Flagge zu zeigen. Sie sind gleichzeitig eine Aufforderung an alle Demokratinnen und Demokraten, sich diesen Tendenzen courgagiert engegenzustellen, und zwar jeden Tag und an jedem Ort.“
Wann und wo gab es bei einem CSD solche Parolen, Sprechchöre, Transparente? Solche Dinge einfach zu behaupten, und nichts ist dahinter, das ist schon ein starkes Stück. Sowas muss man sich erst verdienen, durch zähe politisch Arbeit und oft auch gegen den Widerstand in den eigenen Reihen, damit auch jemand dahinter steht. Das kann nicht einfach so herbeigeredet werden.
Im Gegenteil wurden „zu politische“ TeilnehmerInnen teilweise unter polizeilicher Hilfe von der unpolitischen Feiern entfernt, wie z.B. in Bremen.
Ist das der Widerstand der Lesben und Schwulen gegen Nazis? Eine bunt schillernde Seifeblase? Peinlich, einfach peinlich das Ganze. (Rosa Lüste)

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