- 67. LUST, August/September
01
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- Gewalt gegen Lesben
und Schwule
Bericht über einen Präventionseinsatz zum Christopher-Street-Day
Polizeikommissar P. Jüngling, Polizeidirektion Hanau
- Vorbemerkung
Anlässlich der seit
einigen Jahren jährlich wiederkehrenden Veranstaltung des
Christopher-Street-Day (CSD) auf dem Plateau und
rund um die Konstablerwache in Frankfurt/M wurden polizeiliche
Einsatzkräfte und Mitglieder des Arbeitskreises Homosexueller
Polizisten und Polizistinnen in Hessen e.V. (AHPol Hessen e.V.)
innerhalb und außerhalb ihrer regulären Dienstzeit
eingesetzt. In dieser Offenheit unerwartet, wurde der Info-Stand
von Besuchern und Bevölkerung rundum positiv aufgenommen
und war seit den Aufbauarbeiten nahezu ständig dicht umlagert;
in diesen drei Tagen wurden von uns mehrere tausend Einzelgespräche
geführt.
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- Anlass der Veranstaltung
Der CSD erinnert an den Aufstand homosexueller Menschen
(Schwule, Lesben und Transsexuelle) gegen polizeiliche Willkürmaßnahmen
in der New Yorker Christopher Street 35 im Stadtteil Greenwich
Village am 27. und 28. Juni 1969. Ein zunächst nur unbedeutend
erscheinender Zwischenfall während einer polizeilichen Razzia
in der einschlägig bekannten Bar Stonewall Inn,
die im Jahr 2000 von der US-Regierung zum nationalen Kulturdenkmal
ernannt wurde, endete in einer der größten Straßenschlachten
zwischen Homosexuellen und der Polizei des Staates New York.
Im Anschluss bildeten sich zunächst in den USA und nur kurze
Zeit später in Europa zahlreiche, zum Teil an den politisch
links ausgerichteten Befreiungsbewegungen der späten 60er
Jahre angelehnte Gruppen mit dem gemeinsamen Interesse zur Bekämpfung
und Abschaffung der Kriminalisierung und Diskriminierung gleichgeschlechtlich
liebender Menschen.
Prinzipiell prägen den heutigen CSD noch immer zwei Grundgedanken.
Die Verbindung homosexueller Lebensfreunde mit teilweise hochaktueller
und politischer Demonstration. Aus diesem Grund gliedert sich
die Veranstaltung des CSD (nicht nur in Frankfurt) regelmäßig
in zwei Bestandteile: ein Straßenfest und eine Parade mit
einem manchmal auch brisanten politischen Demonstrationsmotto.
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- Besucherzahl, künftige
Entwicklung
1979 wurde in Franfurt zur Erinnerung an die zehn Jahre zuvor
stattgefundenen Ereignisse in New York bereits einmal ein kleines
Straßenfest der Gay-Community gefeiert (das Homolulu),
das zunächst jedoch ein einmaliges Ereignis blieb. Der CSD
wurde in Frankfurt zu Beginn der neunziger Jahre wiederbelebt
und anfangs noch in der Klingerstraße gefeiert. Er entwickelte
sich in den vergangenen acht Jahren von einem reinen Straßenfest
mit ca. 400 Besuchern zu der jetzt immer größere Ausmaße
annehmenden Veranstaltung, die 1999 nach Veranstalterangaben
mehr als 50.000 Besucher zusammenführte. Damit ist die Veranstaltung
in Frankfurt zwar heute schon eine der größten in
der Mainmetropole, von der Besucherzahl aber immer noch weit
von der Dimension vergleichbarer Veranstaltungen in Berlin (im
Jahr 2000 etwa 500.000 Besucher) oder Köln entfernt.
Aus räumlichen Gründen wurde die Veranstaltung vor
sechs Jahren auf die Konstablerwache verlegt, die sich inzwischen
aber für den großen Besucherzustrom auch schon wieder
als zu beschränkt herausstellte.
Anlässlich des CSD befanden sich zur Veranstaltungszeit
auf und neben der Platz der Konstablerwache ca. 40 Stände
und eine große Bühne. In den hauptsächlichen
Zeiten der Veranstaltung wurde diese zeitgleich von schätzungsweise
etwa 25.000 Menschen besucht.
Für Samstag war durch den Veranstalter zudem ein Aufzug
durch verschiedene Straßen in der Innenstadt angemeldet
worden.
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- Auftrag und Ziel
Durch das Polizeipräsidium Frankfurt (Abteilung Einsatz)
war mit eigenen Kräften ein störungsfreier Verlauf
der Veranstaltung auf der Konstablerwache und des Aufzuges durch
die Innenstadt zu gewährleisten. Außerdem war mit
Unterstützung des AHPol Hessen e.V. polizeiliche Öffentlichkeitsarbeit
Vorbeugung und Beratung zum Thema Gewalt
gegen Homosexuelle zu betreiben. Das Landeskriminalamt
Nordrhein-Westfalen stellte der hessischen Polizei hierzu auf
Antrag ein Info-Mobil zur Verfügung, das dort 1996 mit finanziellen
Mitteln einer NRW Basiskampagne zur Bekämpfung antischwuler
Gewalt beschafft wurde. Es handelt sich dabei um einen zweckmäßig
ausgerüsteten und farbig beschrifteten bzw. gekennzeichneten
VW-Bus (VW4) mit Hochdach.
Primärziel der polizeilichen Öffentlichkeitsarbeit
am CSD bildet die Herstellung eines durch die geschichtlichen
Ereignisse in der Vergangenheit weitgehend gestörten Vertrauensverhältnisses
zwischen gleichgeschlechtlich empfindenden Menschen und der Polizei
als sichtbarer Vertretung staatlichen Gewaltmonopols. Durch diese
Maßnahme soll erreicht werden, dass sich potentielle Opfer
von Straftaten mit einer Anzeige an die Polizei wenden oder zumindest
anonym die Angebote der in den meisten größeren Städten
(auch in Frankfurt/M.) eingerichteten schwulen Überfalltelefone
nutzen.
- Außenwirkung gegenüber
Zeugen und potentiellen Tätern
Nach dem Selbstverständnis, das die Polizei 1998 in den
Leitlinien polizeiliche Kriminalprävention bundesweit
verbindlich definiert und publiziert hat, soll sie die Kriminalitätslage
analysieren, auf Gefahren aufmerksam machen, Veränderungsnotwendigkeiten
aufzeigen und an ihnen mitwirken. Sie trägt somit, obwohl
sie insgesamt nur einen kleinen Bestandteil des gesellschaftlichen
Gefüges darstellt, zu einem wesentlichen teil der Kriminalprävention
bei. Deshalb sind die polizeilichen Aktivitäten nicht isoliert
zu betrachten. Sie stehen im Kontexte eines gesamtgesellschaftlichen
Phänomens und in Bezug auf eine sich grundsätzlich
wandelnde Einstellung zur gleichgeschlechtlichen Lebensweise
insgesamt. Homosexualität, noch vor wenigen Jahren ein Tabuthema,
bedeutet heute nicht mehr wie früher automatisch den Ausschluss
aus dem gesellschaftlichen Leben, Beendigung beruflicher Karrieren
oder die Abkehr des sozialen Umfeldes. Homosexualität ist
heute gesellsch. etablierter als je zuvor.
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- Einsatzablauf
Von einzelnen wenigen Äußerungen meist zufällig
anwesender Passanten und einigen PKW-Aufbrüchen sowie Taschen-
und auch Geldbörsendiebstählen im Umfeld der Veranstaltung
abgesehen, nahm die Veranstaltung einen weitgehend störungsfreien
- Verlauf.
Dies ist insofern erfreulich, als noch in den vergangenen Jahren
verschiedentlich antischwule Angriffe auf VeranstaltungsteilnehmerInnen
erfolgten. Hilfreich dürfte in diesem Zusammenhang ganz
sicher die deutlich sichtbare Präsenz von uniformierten
Kräften an einer brisanten Nahtstelle (Ecke Zeil/Konstablerwache)
gewesen sein. Andererseits stellt sich als durchaus günstiger
Nebeneffekt heraus, dass diese mobile Polizeistation
von weiteren Einsatzkräften als Basis und Kommunikationsort
genutzt wurde, was im Gegensatz zu vergangenen Jahren zu einer
deutlich erhöhten allgemeinen polizeilichen Präsenz
auf dem gesamten Festgelände und in seiner unmittelbaren
Umgebung führte (setzte hier vielleicht ein Abbau von Berührungsängsten
durch die eigenen Kollegen ein?).
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- Polizeiliche Öffentlichkeitsarbeit
und Prävention
Der AHPol Hessen e.V. unterbreitete dem Polizeipräsidium
Frankfurt erstmals im Frühjahr 2000 den Vorschlag, ähnlich
wie in den meisten anderen Bundesländern durch polizeiliche
Präsenz und Informationsstände auf die gemeinsamen
Ziele und Aufgaben aufmerksam zu machen.
Die Tätigkeit der eingesetzten Polizeibeamten/Innen und
anwesenden Mitglieder des AHPol Hessen e.V. beschränkte
sich nicht nur auf eine optische Präsenz, durch den Aufbau
eines Standes und die beiden deutlich sichtbar positionierten
Einsatzfahrzeuge der Polizeipräsidien Frankfurt und Darmstadt,
sondern vor allem auch das entsprechend ausgestaltete Info-Mobil
des LKA NRW. An dem Stand wurden die mangels eigener Materialien
zumeist vom Land NRW oder dem LSVD unentgeltlich zur Verfügung
gestellten Werbemittel wie Schlüsselanhänger
sowie Kugelschreiber mit Aufdruck und ein Faltblatt zu den Aufgaben
und Zielen des AHPol Hessen e.V. verteilt.
Es mag zunächst befremdlich wirken, dass die Polizei Werbemittel
verteilt. In einer Zeit, wo man jedoch anders kaum mit der Bevölkerung
ins Gespräch kommt, sind diese Pfennigartikel
jedoch mehr als hilfreich und bringen dem damit Beschenkten
durch die aufgedruckte Notrufnummer immer wieder Erinnerung,
dass man sich bei Straftaten unverzüglich an die Polizei
wenden sollte.
Aus Mitteln des Polizeipräsidiums Frankfurt stammte ein
Faltblatt Gewalt gegen Schwule mit Anlaufadressen
für Ratsuchende in Frankfurt am Main.
Ferner wurden Fragebögen verteilt, die Erfahrungen im Zusammenhang
mit lesbisch-/oder schwulenfeindlichen Überfällen und
dem teilweise als problematisch bewerteten Verhalten anzeigenaufnehmender
Beamter erheben sollten.
In einer weiteren Umfrage baten wir um die Meinung der Veranstaltungsbesucher
über den Stand des Polizeipräsidiums und des AHPol
auf dem CSD.
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- Öffentliches Interesse,
Resonanz in den Medien
Eine Veranstaltung wie der CSD zieht natürlich auch ein
entsprechendes Interesse der Fernseh-, Rundfunk- und Printmedien
mit sich. Schon im Vorfeld der Veranstaltung haben die Medien
auf den Stand der Frankfurter Polizei aufmerksam
gemacht. So wurde nicht nur in der Tagespresse, sondern auch
in szenetypischen oder anderen monatlich erscheinenden Veranstaltungszeitschriften
auf die für Frankfurt neuartige Präsenz der hessischen
Polizei hingewiesen.
Die lokalen und auch überregionalen Tagezeitungen und vor
allem Funk- und Fernsehmedien haben vielfältiger und durchweg
positiv über die polizeiliche Präsenz auf dem CSD berichtet.
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- Schlussbetrachtung
Zum Abschluss soll hier dankbar auf die vielfältige Hilfe
und Unterstützung hingewiesen werden, welche zum Gelingen
der Veranstaltung beitrug. Die Frankfurter Polizeiführung
ordnete den polizeilichen Einsatz an und genehmigte die Präsenz
der Mitglieder des AHPol e.V. Das LKA Düsseldorf stellte
großzügig und unentgeltlich sein Info-Mobil zur Verfügung
und die Mitglieder des AHPol Hessen e.V. leisteten teilweise
in ihrer Freizeit den abwechslungsreichen, zeitweise aber
auch anstrengenden Dienst am Info-Stand.
Die Tätigkeit von Mitarbeitern der AHPol beim anlassbezogenen
Einsatz der Polizei und des Info-Mobils zeigte sich als besonders
hilfreich. Sie finden bei potentiellen Opfern als eine Art Bindeglied
zwischen Polizei und Szene erfahrungsgemäß eine höhere
Akzeptanz als heterosexuelle Kollegen. Dies trifft nicht nur
für ältere homosexuelle Männer zu, die noch aus
eigener persönlicher Erfahrung den Einstellungen und Handlungsstrategien
der Polizei zum Thema Homosexualität grundsätzlich
misstrauen. Speziell diese Zielgruppe konnte durch die Anwesenheit
von Vertretern der AHPol zu Gesprächen gewonnen werden,
welche zum Abbau bestehender Schranken beitragen können.
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- Bereitstellung eines geeigneten
Infostandes und Fahrzeuges
Prinzipiell sollte überlegt werden, ob nicht von offizieller
Seite (Landeskriminalamt, Polizeipräsidium Frankfurt) eine
entsprechende Ausstattung wie in NRW angeschafft werden kann.
Da - auch angesichts der angespannten Haushaltslage in Hessen
kaum mit der Bereitstellung vergleichbarer Mittel wie
in NRW zu rechnen sein wird, könnte doch durch eine Minimalausstattung
eines regulär im polizeilichen Einsatzdienst befindlichen,
für solche Zwecke problemlos umzurüstenden VW-LT oder
anderen Busses bereits eine positive Entwicklung eingeleitet
werden.
In diesem Zusammenhang wollte die symbolische Bedeutung nicht
unterschätzt werden, die von der Verwendung des regenbogenfarbenen
hessischen Polizeisternes, evtl. gemeinsam mit dem Landeswappen,
auf Flugblättern, Plakaten und dem Info-Mobil bzw. Info-Stand
ausgeht. Dies war m.E. die deutlichste Botschaft der Polizei,
das Phänomen der antischwulen Gewalt ernsthaft angehen zu
wollen. Sie wirkte innerhalb der Polizei genauso als Signal wie
auch auf potentielle Täterkreise.
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- Beauftragte Ansprechpartner
Wichtig und in der Szene erstaunlich weit verbreitet ist unserer
in vielen Einzelgesprächen gesammelten Erfahrung nach die
Kenntnis spezieller polizeilicher Ansprechpartner(innen) für
gleichgeschlechtliche Lebensweisen und den damit verbundenen
rechtlichen bzw. polizeilichen Problemen, die inzwischen in den
meisten größeren Städten der Bundesrepublik mit
einer ausgeprägten Szene und in Hessen, wenn auch bisher
nur nebenamtlich, vor allem in Wiesbaden und Frankfurt installiert
sind.
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- Fazit
Die Teilnahme der Frankfurter Polizei und des AHPol Hessen e.V.
auf dem CSD kann in Hinblick auf die Veranstaltung und die Öffentlichkeitswirkung
als voller Erfolg gewertet werden und sollte auf jeden Fall wie
auch in anderen Städten zur regelmäßigen Einrichtung
werden.
Für die Zukunft sollte unabhängig von den übrigen
Aufgaben des AHPol entsprechendes Engagement vielleicht nicht
nur auf den CSD gerichtet , sondern darüber hinaus auch
eine Teilnahme an vergleichbaren Veranstaltungen, beispielsweise
der Regenbogenbrücke am Museumsuferfest, in
Erwägung gezogen werden.
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