- 99. Print-Ausgabe, Sommer-LUST 09
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- Kurras und die 68er
Pünktlich vor dem Beginn des Wahljahres wurde herausgebracht,
dass der Berliner Polizist Kurras, der Benno Ohnesorg erschossen
hatte, auch für die Stasi der DDR gearbeitet hatte. Und
schon äußern sich viele, dass es die 68er gar nicht
gegeben hätte, wenn dies bekannt gewesen wäre.
- Mir als Alt-68er kommt da in den Sinn, was
noch so alles gewesen wäre, wenn dies und das erfunden oder
bekanntgewesen wäre. Das wars aber nicht. Da werden nämlich
Spekulationen auf Spekulationen gesetzt, was ja schon alleine
gar keinen Sinn macht, und anscheinend nur unternommen wird,
um die Geschichte der Bundesrepublik umzuschreiben.
Nur ganz leise hört man aus der Einheitsmeinungspresse,
dass es für eine Anordnung (Anweisung) des Ostens für
diese Tat nun überhaupt gar keine Hinweise geben würde.
Spekulieren können wir aber auch. Wäre damals bekannt
geworden, dass Kurras auch für die Stasi gearbeitet hatte,
dann wäre er damals nicht unter dem Applaus der ganzen
rechten Medienmeute einfach nach seiner "putativen Notwehr"
freigesprochen worden.
Wir hatten in den späten 60er Jahren die Nase voll vom Staat,
der Frauen verbot, ohne Erlaubnis des Ehemannes ein eigenes Konto
zu führen, der Männer für homosexuelle Handlungen
ins Zuchthaus steckte und der immer auf der Seite der Kriegstreiber
und Unterdrücker in der Welt stand, zum Beispiel auch auf
der Seite des Schahs von Persien. Wir hatten es satt, immer wieder
die Sprachreglungen der Kirche und der Konservativen in den Medien
als Wahrheit hingetsellt zu bekommen und von der Springerpresse
regelrecht gehetzt zu werden. Die DDR und die UdSSR? Die erschienen
uns nun gar nicht als Alternative.
Da passte es gut, dass der ehrgeizige Polizist und Waffennarr
Kurras ohne Grund den Studenten Ohnsorg erschoss und unter skanlösen
Begründungen freigesprochen wude. Nicht die Tötung
brachte uns mehr als alles andere auf, das passte zu gut ins
Bild, dieser Freispruch war es, der das Fass zum Überlaufen
brachten.
Aber auch ohne diesen speziellen Vorgang erlebte man im täglichen
Leben genug, was dazu führte, dass man zunehmend absolut
genug hatte.
Die Umdeuter der Geschichte versuchen es offensichtlich erneut,
die gegenwärtigen und vergangenen Zustände so lange
zu interpretieren, dass alles, was nicht konservativ bis rechts
ist, als verbrecherisch hingestellt werden kann.
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- 60 Jahre Bundesrepublik
Gegenwärtig wird uns in den Medien ein Geschichtsbild über
die beiden deutschen Staaten vermittelt, das man schon als eine
böswillige Geschichtklitterung betrachten muss. Der gesamte
Kalte Krieg mit den unredlichen demagogischen Ausfällen
auch der West-Medien wird völlig ausgeblendet. Über
Karl-Eduart von Schnitzlers Schwarzen Kanal im DDR-Fernsehen
erfährt man nun so manches, aber über Gerhard Löwenthals
ZDF-Magazin wurde hier nichts gesagt.
Klar, wird mir die ganze konservative Meute im Ohr
liegen, das ist ja auch berechtigt, denn das kann man ja
nicht vergleichen. Schnitzler arbeitete ja schließlich
für einen Unrechtsstaat.
Ihr erinnert Euch noch, wie Löwenthal zum Beispiel den Liedermacher
Hannes Wader und den Journalisten Günther Wallraff erst
als Untegrundkommunisten angriff und dann auffordernd
ihre Privatadressen im Fernsehen veröffentlichte?
Gemlitza fand die passenden Worte zu den Montagsdemonstrationen
1991 in den neuen Bundesländern gegen den Sozialabbau:
Konkret 5/91 S.8: Der dümmste aller Einwände
ist der die Enthüllungen der Untat der SED-Führer betreffende:
Was, glaubt man, käme heraus, wenn auch die Aktenschränke
aller Ämter, Dienste, Konzerne und Kanzleien der BRD einem
ebenso interessierten wie zahlungskräftigen Publikum geöffnet
würden - außer etwa, daß sich die kommunistischen
Funktionäre mit ihren kapitalistischen Konkurrenten auch
auf dem Gebiet moderner Kriminalität nicht messen konnten?
Also, Missetaten, durch den Osten begangen, sind für mich
ebenso scheußlich wie die, die durch den Westen begangen
wurden. Dieser Kalte Krieg ist vorbei, oder geht
er doch weiter? Gegen wen?
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- Unrechtsstaat
Was ist das überhaupt? Ein Staat, der sich nicht an das
Recht der Bundesrepublik Deutschland hält, sondern eine
andere Rechtsauffassung hat? Oder ein Staat, der sich nicht an
seine eigenen Gesetze hält? Nun, das kommt auch in der Freien
Welt bisweilen vor. Im Osten war das anscheinend üblicher.
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- Das Wort ist eine politische Wortschöpfung,
die im kalten Krieg den Wetsen besser aussehen lassen soll(te)
als den Osten. Wenn man es objektiver benutzen will, könnte
es die Situation bezeichnen, in der ein Bürger sich nicht
gegen staatliche Übergriffe schützen kann. Also wenn
der Staat sich selber nicht an die Gesetze hält, man also
nichts gegen solche Zustände machen kann, wenn man auch
vor Gerichten kein Recht bekommt, dann kann man kaum noch von
einem Rechtsstaat sprechen.
Wenn man in der Bevölkerung rumfragt, erfährt man,
dass die DDR und der Osten eben unrecht hatten, im Kampf der
Weltbilder miteinander, weil sich ja zeigte, dass der Westen
recht hatte, nämlich durch seinen Sieg. Also: der Kommunismus
hatte unrecht, weil der Kapitalismus erst einmal gesiegt hat?
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- Der neue Kalte Krieg
nimmt man die Medien-Äußerungen über die SPD-Kandidatin
fürs Bundespräsidentenamt ernst, Frau Schwan, dass
sie die DDR nicht als Unrechtsstaat bezeichnen wollte, zeichnet
sich ja ab, was in die Katergorie Unrecht gehört, beziehungsweise,
wohin das nun alles zielt:
Der vollständige Sieg über den Unrechtsstaat ist offensichtlich
erst erreicht, wenn klar wird, wer der Böse und wer der
Gute ist. Der Sieger, der Westen, die CDU/CSU, der Papst und
die Marktwirtschaft, das sind die Guten, ist das Recht.
Und das Unrecht, das ist die SPD (und da kann sie noch so nach
rechts gehen) und noch schlimmer, die Linke, die Grünen
auch, solange sie nicht mit der CDU koalieren, das sind die Gewerkschaften
und die Hartz-IV-Empfänger usw. Alles klar? Und so lässt
sich nun alles wieder ganz klar unterscheiden. Das waren ja auch
keine Zustände damals, wo man gar nicht mehr wusste, wer
das Recht und wer das Unrecht vertritt.
Und nun ist auch klar, dass die 68er Studenten Idioten waren,
die auf eine Intrige des DDR-Geheimdienstes reingefallen sind,
während die Bildzeitung und die US.Armee in Vietnam die
Guten waren.
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- Auch die Schwulen sind im Unrecht, sagt der
deutsche Papst. Im Unrecht ist auch die Zeitschrift LUST. Und
so sind es die Hartz-IV-Empfänger die Sozialschmarotzer,
die im Unrecht sind.
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- Die Investmentbanker, die Großaktionäre,
die Union, die FDP und die Bildzeitung, die behalten alle Recht.
Totz allem. (js)
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