99. Print-Ausgabe, Sommer-LUST 09
 
Diverse "Urlaubserlebnisse"
Hier findet Ihr den CSD München wieder, der im weiteren ja auch "Urlaub" ist, und einen Bericht über eine "Buskampagne". Beide Themen haben etwas mit Religion zu tun.
 
Wenn der CSD mal tatsächlich politisch ist ...
... dann regen sich auch alle auf. Ganz besonders regen sich die auf, die immer auf Schwule und Lesben hetzen und nun dafür auch mal kritisiert werde. Was sie tun, ist für sie selbstverständlich und etwas Höheres. Wenn wir uns wehren, dann ist das eine Beleidigung.
 
Presseerklärung von Dietmar Holzapfel:
Papamobil und Meinungsfreiheit- Erfolg vor dem Bayerischen Verwaltungsgerichtshof
2006, als alles begann.

Mittlerweile sind fast drei Jahre vergangen, dass auf der Polit-Parade des Münchner Christopher-Street-Days ein papstkritischer Wagen auf schwulenfeindliche Äußerungen von Papst Benedikt XVI aufmerksam machen wollte. Plakate waren auf dem .Papamobil.
angebracht mit den Aufschriften:

„Wir sind Papst???“
„Homosexuellen ist mit Achtung, Mitleid, und Takt zu begegnen“
„Homosexualität ist eine schwere Sünde!“
„Homosexuelle sind gerufen, ein keusches Leben zu führen!“
„Homosexuelle Beziehungen sind zutiefst unmoralisch!“

Ferner waren eine Papstpuppe und Abbildungen des Papstes zu sehen, z.T. verfremdet mit Kondomen, Aids-schleifen und Schminke, um auf die Doppelmoral der kath. Kirche hinzuweisen, in der 30-50% der Priester selbst homosexuell seien, und auf die in den Augen der Wagenführer unverantwortliche Haltung zu Kondomen, vor allem in Zusammenhang mit AIDS.

Die Polizei ordnete damals die Entfernung von Puppe und Fotomontagen an. Außerdem wurde gegen Dietmar Holzapfel, Wirt der „Deutschen Eiche“ in der Reichenbachstraße, ein strafrechtliches Ermittlungsverfahren wegen des Verdachts der Verunglimpfung eines ausländischen Staatsoberhauptes und Beleidigung von religiösen Bekenntnissen eingeleitet. Das Verfahren gegen Holzapfel wurde schon wenige Wochen später eingestellt, da der Wagen durchaus zum „fröhlichen Charakter des CSDs“ gepasst hätte.

Ausgelöst hatte den Polizeieinsatz ein aufgeregter Piusbruder, der samstags mit Lautsprecher ausgerüstet an der Mariensäule Menschen zu bekehren sucht, am 12. August 2006 dort zum CSD aber nur Schwule vorfand.

Prälat Wilhelm Schallinger entdeckte das „Papamobil“ und blies zum Großalarm.
(Das Protokoll, das er hierzu anfertigte, ist geradezu hasserfüllt. Siehe Anhang!). Damals war die Mehrheit der Menschen noch euphorisiert vom gerade gewählten deutschen Papst, Piusbrüder kannte man hingegen noch nicht. Der Papstbesuch in München stand kurz bevor.
Kampf um Meinungs- und Demonstrationsfreiheit und ums Kunstfreiheitsrecht

Gegen den Polizeieinsatz hat Dietmar Holzapfel Fortsetzungsfeststellungsklage bei dem Verwal-tungsgericht München erhoben. Er wollte feststellen lassen, dass seine Grundrechte auf Meinungs- und Demonstrationsfreiheit sowie auf Kunst- und Religionsfreiheit unzulässig verletzt worden seien. Die Polizei konterte in diversen Schriftsätzen und operierte dabei trotz des staatlichen Neutralitätsgebots gar mit dem heiligen Paulus.

Immerhin kam es fast zwei Jahre später zu einer mündlichen Verhandlung vor dem Bayerischen Verwaltungsgericht München.

Der Vorsitzende Richter Wiens meinte vorab, man habe im ganzen Hause ausführlich diskutiert, sei aber ratlos, die Sache könnte durchaus bis zum Bundesverfassungsgericht gelangen. Trotzdem schmetterte er nach langer Verhandlung und z.T. recht unlogischen Winkelzügen die Klage ab und ließ nicht einmal Berufung zu!

Kläger Holzapfel, der inzwischen den Münchener Rechtsanwalt Dr. Jo-hannes Wasmuth als Rechtsbeistand gewonnen hatte, der für das Verfahren eigens ein fast 90-seitiges Gutachten, in dem auch die maßgebliche Verantwortung der katholischen Kirche für Homosexuellen zugefügtes Unrecht herausgestellt wurde, war mit dieser Entscheidung nicht zufrieden und stellte daher zunächst einen Antrag auf Zulassung der Berufung bei dem Bayerischen Verwaltungsgerichtshof.

Zulassung der Berufung wegen ernstlicher Zweifel an der Rechtmäßigkeit der angegriffenen Entscheidung
Nunmehr, nach fast drei Jahren, hat Kläger Holzapfel einen ersten Erfolg einstreichen können:
Der 10. Senat des Bayerischen Verwaltungsgerichtshof (Aktenzeichen: 10 ZB 08.1721) ließ die Berufung mit Beschluss vom 07.05.2009 zu, weil „ernstliche Zweifel an der Rechtmäßigkeit der angegriffenen Entscheidung bestehen. Insofern bedürfen .die polizeilichen Maßnahmen wegen der mit ihnen verbundenen Eingriffe in Grundrechtspositionen des Klägers einer umfassenden Prüfung durch das Berufungsgericht“. Das Verfahren geht nunmehr in Form der Berufung weiter, die der Berufungskläger schon bald eingehend begründen wird.
 
Ausblick
Mittlerweile hatte die .Deutsche Eiche. im Jahr 2008 schon den nächsten kirchenkritischen Wagen zum CSD beigesteuert und war dabei vom Verfassungsschutz genauestens observiert, gefilmt und fotografiert worden. Weiter einzugreifen traute sich aber inzwischen niemand mehr.
Auch für 2009 ist ein Wagen geplant. Man darf gespannt sein. Die Tatsache, dass heute von der Wir-sind-Papst.- Euphorie nicht mehr viele Menschen erfasst sind, könnte dazu beitragen, dass der politische Wagen der „Deutschen Eiche“ auch in diesem Jahr unbehelligt bleibt.
 
Zeugenbericht zum Vorgang am 13.Aug.2006 am Münchner Oberanger:
Wilhelm Schallinger, München, den 15.Sept.2006
An das Polizeipräsidium München
Zeugenbericht zum Vorgang am 13.Aug.2006 am Münchner Oberanger
Am sogenannten Christopher-Street-Day, den 13.August 2006, fuhr ich gegen 10.00 Uhr vormittags stadtauswärts am Oberanger an einem mit auffälligen Papst-Postern bestückten Lastfahrzeug vorbei.

Ich parkte in der Nähe mein Auto und nahm nun das Gespann, das gerade von mehreren Leuten für die Homosexuellen-Parade aufgerüstet wurde, in genauen Augenschein:

Auf der Mitte des Wagens war ein Thron errichtet, daraufsitzend eine lebensgroße hässliche Papst-Imitation. Offensichtlich sollte Benedikt XVI. als Monster einer lüsternen Gesellschaft auf dem Marienplatz vorgeführt werden! Die Bilder an den Bordwänden, Papst mit Kondomen auf seinen Fingern waren dabei als zusätzliche Erniedrigung des Stellvertreters Christi auf Erden gedacht, und dies alles genau vier Wochen vor seinem Empfang in München!

Zuinnerst betroffen und verletzt über diese beabsichtigte Verhöhnung und moralische Hinrichtung des Heiligen Vaters in der Herzmitte der Stadt jagen mir die Gedanken durch den Kopf. Wie kann dieses gemeine Vorhaben gestoppt werden?

Meine erste emotionelle Reaktion dabei: Würde statt des Papstes Allahs Prophet derart an den Pranger gestellt, und ich wäre ein Moslem, ich würde mir jetzt sofort die nächste Bombe besorgen!

Als Christ und katholischer Priester jedoch auch in einem solchen Moment der Gewaltlosigkeit verpflichtet und längst daran gewöhnt, dass unsere christlichen Werte und heiligen Symbole ungestraft zertreten werden dürfen, ergreife ich die einzige mir verbleibende Möglichkeit und erstatte sofort telephonische Anzeige bei den verantwortlichen Stellen.

Ich lege scharfen Protest ein bei der Staatsanwaltschaft, im Polizeipräsidium und auch in der Bayerischen Staatskanzlei.
Meine Argumente dabei: Für uns Katholiken ist der Papst nicht nur sakrosankte Person, sondern er steht als ausländisches und mit uns befreundetes Staatsoberhaupt unter dem besonderen Schutz deutscher Gesetze!

Ausdrücklich sei der Münchner Polizei für ihr schnelles Eingreifen gedankt, vor allem jenen Beamten, welche die Papst-Puppe „verhaftet“ und damit Benedikt XVI. die Entehrung und der Landeshauptstadt München die Schande erspart haben!
Mit freundlichen Grüßen
Wilhelm Schallinger
 
Statt eines Kommentars:
Karlas Rundschlag, dieses Mal über das Recht auf Kritik am Papst:
Meinungsfreiheit in Bayern
Die „Deutsche Eiche“ in München ist ein traditionelles Lokal, ein Hotel und eine Sauna für schwule Männer. In der Nähe davon ist der Karl-Heinrich-Ulrichs-Platz, und Gebildete aus unserer Szene wissen, Ulrichs war ein Vorkämpfer der Schwulenbewegung. Dr. Magnus Hirschfeld z.B. hatte die theoretischen Grundlagen seiner Arbeit von Ulrichs übernommen.

Den Gedenkstein am Ulrichsplatz hat die Deutsche Eiche gestiftet. In der Deutschen Eiche war übrigens ein Stammtisch, an dem auch Reiner Werner Fassbinder oft zu finden war.

Jedes Jahr zum CSD in München stattet Dietmar Holzapfel, der Chef der Deutschen Eiche, einen LKW mit einem politschen Thema aus. Meist ist es ja die katholische Kirche, die in Bayern einen großen Einfluss auf die Politik hat, und ihre schwulenfeindliche Haltung, die hier kririsiert wird.
In München sucht auch samstags der Piusbruder Prälat Schallinger mit einem Megafon an der Mariensäule die Vorbeihastenden von seiner Glau-bensauslegung zu überzeugen..

Am 17. August 2006 entdeckte dieser, als er misstrauisch am Auf-stellplatz des CSD stöberte, dass ein Wagen gerade den frisch gewählten bayerischen Papst und dessen schwulenfeindliche Haltung kritisierte (Schallinger nennt dies „beleidigte und verhöhnte“). Und das ausgerechnet wo doch der Papstbesuch kurz bevor stand.
So löste Schallinger einen Polizeieinsatz aus. Die Polizei ordnete den Abbau der Papst-Puppe (die Finger aus Kondomen gebastelt) an sowie die Papst-Zitate: „Homosexuellen ist mit Achtung, Mitleid und Takt zu begegnen“, „Homosexualität ist eine schwere Sünde“, „Homosexuelle sind gerufen, ein keusches Leben zu führen“, „Homosexuelle Beziehungen sind zutiefst unmoralisch.“

Holzapfel bekam ein Ermittlungsverfahren „wegen des Verdachts der Verunglimpfung eines ausländischen Statsoberhauptes und Beleidigung religiöser Bekenntnisse“, das aber eingestellt wurde.

Gegen den Polizeieinsatz hat Holzapfel beim Verwaltungsgericht München Feststellungsklage erhoben, wegen der Verletzung der Meinungs- und Demonstrationsfreiheit sowie der Kunst- und Religionsfreiheit.

Doch Richter Wiens vom königlich bayerischen Amtsgericht (Tschuldigung) schmetterte die Klage ab und lässt keine Berufung mehr zu.
Kläger Holzapfel war mit der verfassungsrechtlich bedenklichen Begründung nicht einverstanden und auf Zulassung der Berufung beim zuständigen Bayerischen Ver-waltungsgerichtshof.

Dieser ließ nun nach nun-mehr nahezu 3 Jahren am 07.05.2009, die Berufung zu, weil „ernstliche Zweifel an der Rechtmäßigkeit“ der angegriffenen Entschceidung bestehen“. Insofern bedürfen „die polizeilichen Maßnahmen wegen der mit ihnen verbundenen Eingriffe in der Grundrechtsposition des Klägers einer umfassenden Prüfung durch das Berufungsgericht.“

Das Verfahren geht nun in Form der Berufung weiter, die der Berufungskläger Dietmar Holzapfel schon bald eingehend begründen wird. Mittlerweilen hatte die „Deutsche Eiche“ 2008 wieder einen (deutlich überwachten) kirchenkritischen Wagen mitfahren lassen und für diese Jahr angekündigt.
Eure Tante Klara
 
Die Buskampagne
In Deutschland ist es selbstverständlich, irgendwie religiös zu sein. Es ist aber nicht üblich ohne Schuldgefühle religionsfrei zu sein.
 
Um zu demonstrieren, dass es nicht nur religiöse Menschen gibt, wollten sich Mitglieder und Freunde der Giordano-Bruno-Stiftung an einer weltweiten Kampagne beteiligen. Doch Deutschland ist anders.

Eigentlich wollten sie nur ein paar Linienbusse beschriften. Mit ihrem „Unglaubens-Bekenntnis”, dass es wohl keinen Gott gibt und daher die Menschen für ihre Moral selbst verantwortlich sind. Zunächst in England und dann weltweit hatte das ganz prima geklappt und neben viel Zuspruch auch kontroverse Debatten ausgelöst.

Doch im scheinbar säkularen, aufgeklärten Deutschland bekamen sie Probleme: 17 verschiedene Verkehrsbetriebe verwahrten sich gegen diese Werbung, obwohl proreligiöse Wernung hier ständig stattfindet. Die vorübergehende Lösung: Ein eigener Bus musste her.

Und so machte sich ein engagiertes Team auf, mit einem Doppeldecker-Bus durch Deutschland zu fahren und überall die über 30% der Menschen, unseres Landesdie religionsfrei sind, zu ermutigen, dazu auch zu stehen, dass sie an ein irgendwie geartetes mächtiges Überwesen nicht glauben.

Am 30.05. war der Start in Berlin. Der weitere Routenplan: Rostock, Schwerin, Hamburg, Bremen, Mün-ster, Dortmund, Hagen, Essen, Düsseldorf, Köln, Bonn, Frankfurt/M. (08.06.), Mannheim, Ludwigs-hafen, Heidelberg, Karlsruhe, Stuttgart, Tübingen, Ulm, Augsburg, München, Regensburg, Nürnberg, Chemnist, Dresten und am 18.06. Berlin.

Buskampagne.de will die Botschaft der britischen Atheist Bus Campaign – ein Leben ohne Gott positiv zu sehen – nach Deutschland bringen. Denn auch hierzulande wird die Aufklärung als Fundament unserer Gesellschaft allzu oft verkannt. Auch hierzulande haben säkulare Menschen genug davon, absichtsvoll “übersehen” oder moralisch diskreditiert zu werden.

Mit der Kampagne möchten wir öffentlich bekunden, dass eine nicht-religiöse, aufgeklärte Weltsicht eine positive Möglichkeit darstellt. Nicht-Religiöse, Agnostiker und Atheisten sollen wahrnehmen können, dass sie nicht alleine sind, sie sollen mutiger werden, sich gegen religiösen Hochmut zur Wehr zu setzen und sich in die öffentlichen Debatten einzumischen. Denn das Leben ohne einen Gott kann eine Bereicherung sein: angstfrei, selbstbestimmt, bewusst, tolerant und frei von Diskriminierungen.

Die Schwierigkieten begannen schon unmittelbar nach dem Start. Ein bus mit Evangelikalen begleitete den Bus und wollte die Veranstaltungen der Buskampagne dadurch umfunktionieren, dass sie fanatisch ihren Glauben demon-strieten. Und diesen lästigen Anhang musste die „Buskampagne bis zum Schluss der Aktion ertragen.

Zynische Sprüche begleiteten die ganze Aktion. So meinte ein Sprecher der evangelischen Kirche Berlins zynisch: „Die Atehisten machen ihrem namen Ehre. Sie denken dauernd an Gott“.
Der Wirbel, den diese Aktion bei den Gläubigen macht, belegt, dass sie im Grunde nur mit Mühe Haltung bewahren. Besonders deutlich sind die Evangelikalen.

Die Slogans seien nun hier noch einam widerholt:
A: GOTTLOS GLÜCKLICH.
... Ein erfülltes Leben braucht keinen Glauben.
... Werte sind menschlich. Auf uns kommt es an.
... Aufklärung heißt, Verantwortung übernehmen.
B: GOTT IST EINE BEHAUPTUNG.
... Menschenrechte sind real. Auf uns kommt es an.
C: ES GIBT (mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit) KEINEN GOTT.
... Ein erfülltes Leben braucht keinen Glauben.
... Werte sind menschlich. Auf uns kommt es an.
... Aufklärung heißt, Verantwortung übernehmen.
Näheres: www.buskampagne.de

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