99. Print-Ausgabe, Sommer-LUST 09
 
Urlaubsreise? Das ist vorbei!
Nicht nur die Zustände in den klassischen Urlaubsländern lassen das Zuhause besser erscheinen, auch die knapper werdenden finanziellen Möglichkeiten.
 
Hallo, Urlaub!
Urlaub ist ja im wesentlichen eine Pause in der Erwerbsarbeit, und zwar eine Pause außerhalb des üblichen Trotts, wie zum Beispiel morgens auf die Arbeit, abends nah Hause aber nur ein kurzer Feierabend, zum Luftholen dann bei vielen das freie Wochenende, was ja regelmäßig stattfindet und auch viel zu kurz ist.

In der Regel ist eine längere zusammenhängende Zeit damit gemeint, wenn vom Urlaub die Rede ist.

Gesetzlich haben wir ja einen Ur-laubsanspruch von 24 Werktagen (das ist einschließlich samstags), weniger wäre also gesetzwidrig.

Und dann gibt es noch den tarifver-traglichen Urlaubsanspruch, sofern man an einem tarifvertraglich organisierten Arbeitsplatz arbeitet.

Da hat man Anspruch auf freie Arbeitstage, also nicht Werktage, und diese Wortwahl ist gut für uns, denn die Woche hat ja in der Regel 6 Werktage und 5 Arbeitstage. Tarifurlaub ist also schon dadurch länger. Und dann sind es außerdem noch einige Tage mehr.

Der gesetzliche Jahres-Mindest-urlaub, also diese 24 Werktage, soll in der Regel zusammenhängend genommen werden können, mindestens aber 12 Werktage, damit man mindestens 2 Wochen am Stück hat.

Als ich dies vor einigen Jahren zu unterrichten hatte, erfuhr ich von den langjährigen Arbeitnehmern, die ich Arbeitsrecht und Betriebswirtschaft zu unterrichten hatte, dass dieser Standard durchaus nicht überall üblich ist, und dass man sich diese gesetzwidrig Unterschreitung allzu oft stillschweigend gefallen lässt, um den Job nicht zu gefährden.

So ist die Lage, und nicht alle Betriebe haben Betriebsräte, deren Aufgabe es ist (oder wäre), die Einhaltung des Arbeits- und Tarifsrechtes zu überwachen, und nicht alle Betriebe (und daher auch die Arbeitsverträge) sind bei uns tarifgebunden.

Viele Arbeitnehmer haben also Gründe, nicht in Urlaub zu fahren, die überhaupt nichts mit ihren eigenen Wünschen zu tun haben, sondern mit den Bedingungen am Arbeitsplatz. Es käme dann noch darauf an, wann man sich den Urlaub nehmen kann, ohne Kinder.

Und dann, ein Urlaub, in den man fährt, kostet auch Geld, und das muss man ja auch übrig haben.

Richtiger Urlaub heißt, so ist die gängige Auffassung, in Urlaub zu fahren. Wer nicht fährt, hat gar keinen „richtigen Urlaub”. Also kümmern wir uns zuerst mal um den „richtigen Urlaub”.
Warum wir „in Urlaub fahren”?

Warum ist denn so vielen Menschen die Urlaubsreise so wichtig? Warum sind denn überhaupt die Urlaubstage die wichtigsten Tage im Jahr?

Na weil man im täglichen Trott auf der Arbeit und bei der knapp bemessenen Freizeit auf Vieles verzichtet. Und alles, worauf man verzichtet, projiziert man dann auf die Urlaubstage. Die sollen uns den Ausgleich schaffen. Tun sie das denn?

Nun wollen wir uns ja nicht unbedingt die Laune um die Urlaubsfreude durch solche Fragen verderben lassen. Schließlich freuen wir uns ja auch auf die erwerbsarbeitsfreien Tage außerhalb des täglichen Trotts in gewohnten Umfeld, und genau diese Freude ist es ja, die uns während der Arbeit und in den Räumen, in denen wir immer sind, hochhält.

So richtig gut ist der Urlaub, wenn man in ein Land fährt, wo die Leute auf unser Geld dringend angewiesen sind. Also: die Leute dort sind eher nicht wohlhabend und die Preise für alles sind günstig beziehungsweise weit günstiger als bei uns.

Das ist aber nicht mehr in den traditionellen Urlaubsländern so, und seit dort auch der Euro gilt, merkt man, dass es dort so preiswerte nicht ist.

Manche Leute in Deutschland haben ja so viel Geld, dass es ihnen ständig so gut auch hier bei uns geht.

(Die meisten LeserInnen der LUST gehören aber wohl zu den Leuten, die nicht so viel haben, nehme ich mal an, denn den Reicheren wird wohl die ganze Richtung der LUST nicht passen.)
Und da ist es doch prima, wenn man einmal im Jahr auch mal zu den Leuten gehört, zu denen man aufmerksam und nett ist, weil man es sich leisten kann.

Doch ist die Lage in den Urlaubsländern, in denen selbst wir zu den Leuten mit Geld gehören, nicht gerade sicher, die Kriminalitätsrate ist dort recht hoch. Und die Bevölkerung in diesen Ländern wird sicher mit den Tätern mehr Sympathie haben als mit den Opfern, die sie eher als Geldprotze ansehen, auch wenn sie uns freundlich anlächeln. Die Leute lassen sich anscheinend dort doch nicht mehr so viel gefallen, wie wir uns zuhause gefallen lassen.

In den Ländern, wo wir relativ sicher in abgegrenzten Urlaubszonen leben, findet man Familien mit Kindern und für Lesben und Schwule ist weit und breit nichts los.

Wo was für Gay-UrlauberInnen etwas los ist, hat sich eine kommerzielle Szene eingefunden, die davon lebt, dass die UrlauberInnen für diese Zeit nicht alleine sein wollen. Und sie leben nicht nur davon. Parallel dazu gibt es auch noch eine Kleinkriminellenszene, wobei die Grenzen zwischen diesen beiden Szenen oft nicht so recht zu ziehen sind.
 
Das liebe Geld
Das sagt man, wenns fehlt. Und es fehlt ja immer, weil nahezu jeder finanzielle Status zu verbessern ist. Und hat man etwas Geld, denkt man schon an die Möglichkeiten die man nun hat, und die man auch nun eben nicht hat, weil das Geld dazu fehlt.

Aber das heißt nicht, dass jedweder Status austauschbar ist. Es gibt den Status, wo eine Urlaubsreise einfach undenkbar ist, und es gibt den Status, wo auch mal eine bessere Ur-laubsreise ganz nett wäre. Dennoch glaube ich, dass man trotz unterschiedlichem Status genauso stark hofft, dass sich die Lage verbessert.
 
Und wer zum Beispiel eine finanzielle Katastrophe auf sich zurollen sieht, leidet subjektiv unterschiedlich gleich, ob es sich um eine sehr hohe Summe handelt, die für den einen von elementarer Bedeutung ist, oder ob es sich um eine kleine Summe handelt, die für den anderen ebenfalls elementare Bedeutung für ihn hat.

Derzeit vergrößert sich der Anteil der Bevölkerung, für den es undenkbar ist, in Urlaub zu fahren, obwohl auch dieser Anteil der Bevölkerung die Sehnsucht hat, für einige Tage oder Wochen mal auszusteigen.

Sie wollen auch in eine andere Welt eintauchen, auch mal mehr Geld haben, im Verhältnis dazu zumin-dest, als man es im Heimatland hat. Also, man hat immer die Sehnsucht, den eigenen Status ins Positive zu wechseln.

Weil sich nun dieser Anteil der Bevölkerung vergrößert, gibt es eben auch viel mehr Leute, die im Urlaub zu Hause bleiben und die dabei sehr unglücklich sind. Und für die schreibe ich hier. Du bist unglücklich? Mein(e) Liebe(r), ganz zu unrecht.
 
Balkonien
„Er war im Urlaub in Balkonien”, sagt grinsend der Kollege. Gemeint ist, er hat ihn in der eignen Wohnung verbracht.

Aber mal im Ernst: wir können im Urlaub zuhause erwarten, dass in den Betrieben unserer Szene mehr Leute sind als sonst in den Urlaubsmonaten, und zwar aus den gleichen Gründen wie die, die uns „überredet” haben, zuhause zu bleiben.

Was machen wir auf einer Urlaubsreise eigentlich, was wir zuhause nicht machen können?
Na gut, einen Ballermann gibts hier weniger und auch nicht die entsprechende Urlaubshitze. Die Hitze des Wetters meine ich.

Zum Urlaubsplan in einem anderen Land gehört, sich die Sehenswürdigkeiten dieses Ortes anzusehen, wenn man schon mal da ist. Zum Beispiel die Museen.

Übrigens, warst Du eigentlich schon mal in dem Museum in der Stadt, in der Du wohnst? Warum eigentlich nicht? Und auch zuhause ein richtiges Urlaubsgefühl zu bekommen, wäre es ja ganz nett, sich die Museen zuhause mal anzusehen. Man wird dort außerdem eine ganze Reihe von Menschen aus anderen Ländern treffen können, die hier in Urlaub sind.

Wie schlimm ist es im Urlaub, wenn man einen tollen dort einheimischen Menschen ausgerechnet dann kennen lernt, wenn man am Urlaubsende beim Packen ist. Das kann Dir nicht passieren, wenn Du zuhause Urlaub machst. Na und dann die großen Sommerfeste, die CSDs usw, die lassen sich so richtig gut genießen, wenn sie in den Urlaub fallen.

Dabei gibts natürlich ein Problem: Die CSDs liegen meist in den Schulferien, und da wollen immer die Familien mit Kindern in Urlaub fahren, und das ist für uns eher selten der Fall, dass wir damit im Urlaubsplan konkurrieren können. Aber wenn man bedenkt, dass diese Familien auch noch viel Geld für die Kinder ausgeben müssen, was wir meist ganz alleine verbrauchen können, dann kann uns dies ja ein bisschen entschädigen (wobei der Vorteil auch nicht so groß ist, die Sozialversicherungen sind für uns gleich hoch und Steuern zahlen wir beträchtlich mehr). Also wünsche ich Euch einen guten Urlaub.
 
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