- 99. Print-Ausgabe, Sommer-LUST 09
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- 35. Open Ohr Festival, auf der Zitadelle
Mainz Pfingsten 2009

Es war dies ein schönes Festival bei guten Wetter und mit
einem brisanten Thema. Der Mensch hat zwei Beine und zwei
Überzeugungen, meint Kurt Tucholsky, eine, wenns
ihm gut geht und eine, wenn ihm schlecht geht. Die letztere heißt
Religion. Um diese letztere ging es beim 35 Festival in
Mainz. Und in dem Zitat von Tucholsky liegt auch unsere Kritik
am Thema dieses Festivals.
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- Bei diesem Festival kann, so kennen wir das
seit Jahren, die Besucherin, der Besucher von verschiedenen Bühnen
aus Musik hören, Theaterstücke anshauen, Filme sehen,
sich an Projekten beteiligen oder zu einem Forum gehen, das einen
Aspekt des Themas behandelt.
Uns haben besonders die Foren interessiert. Dazu haben wir unseren
Infostand zugemacht, damit wir mitschreiben konnten und Fotos
machen konnten.
Allerdings ist uns schon aufgefallen, dass früher die Themen
eine Art Gegenöffentlichkeit darstellten, gegen die gleichgeschalteten
Medien, und so zur Aufklärung beitragen konnten, wie z.B.:
20. Rückwärts in die Zukunft, 22, Endstation
Sinnsucht, 24. Von Aufständen und Zuständen,
25. Macht gegen Macht, 27. Die rechts schaffende
Mitte, 28 Freiheit und Democracy, 29. Style
over Substance, 30. Arbeit abschaffen. Und
neuerdings befindet man sich eher im Zeitgeist: 33. Angst
haben macht Angst, 34. Geld, Gut, Güter
und nun 35. Himmel, Arsch & Zwirn. Und es ist
auch auf den Podien eine gewisse Konfliktscheu zu vermuten.
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- Eröffnungsforum: Gewinnt Glaube an
Bedeutung?
- Die Debatte fand auf der Wiese vor der Hauptbühne
statt, die ZuschauerInnen saßen in der stechenden Sonne
auf der Wiese, aber dieses Forum war gut besucht.
Es debattiereten zum Thema (siehe von links nach rechts) folgende
Personen:
Dr. Michale Schmidt-Salomon, Vorstandssprecher der Giordano
Bruno Stiftung. (Wegen eines Staus kam es später später
und stieg ins laufende Gespräch ein.)
Ingmar Lippert, Wirtschafts- und Technologiersoziologe
Michaele Pilters, Kirche und Leben im ZDF, Moderation.
(Sie kam wohl direkt vom Kirchentag, denn sie benutzte die Begriffe
davon, nämlich u.a. Markt der Möglichkeiten
zu den Infoständen.)
Pfarrerin Lohmann, sie verstand sich als moderne Christin
Professor Doktor Murken, ein Religionswissenschaftler.
Michaele Pilters, Moderation: Sie bedauerte, dass Dr.
Schmidt-Salomon noch im Stau stecke, aber dass man nun anfangen
müsse. Und sie wollte nach einigen Vorreden von den GesprächsteilnehmerInnen
wissen, wie diese es einschätzen, also ob der Glaube an
Bedeutung gewinnen würde. Sie meinte: Ich könnte
es mir ja leicht machen und behaupten, das dies alleine duch
das Thema des Festivals belegt sei und die zunehmende Bedeutung
des Glaubens auch an der Anzahl der Zuhörer zu dieser Debatte
zu belegen sei. Aber so leicht könne man es sich nicht machen.
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- Das Gespräch:
Pfarrerin Lohmann: Der Glaube gewinnt
nicht an Bedeutung. Alles andere scheint den Menschen mehr Wert
zu haben, als nach dem Sinn des Lebens zu fragen: Die Sorge um
die Karriere und die Sorgen des Alltags scheinen ihnen wichtiger
zu sein. Die Leute kommen auch nicht mehr, weil es sich gehört,
sondern sie kommen, weil sie nach Antworten suchen. Wenn Leute
in existenzielle Schwierigkeiten geraten, bei Einbrüchen
in ihr gewohntes Leben.
Ingmar Lippert: Wir glauben immer an irgendwas, zum Beispiel:
Es wird heute noch regnen. Ich trenne nicht zwischcen Wissenschaft
und Religion, sondern zwischen Wissen und Glauben. Wir glauben
mehr als wir wissen. Problematisch sind die, die uns sagen, wie
man richtig glaubt.
Michaele Pilters, Moderation: Sie benutzen also unterschiedliche
Glau-bensbegriffe. Das macht es nicht einfacher.
Professor Doktor Murken: Der Ansatzpunkt zu dieser Frage
ist das Individuum. Semantische Ähnlichkeiten machen nicht
unterschiedliche Glaubensbegriffe aus. Es geht beim Glauben um
den Glaubensakt, um das sich anvertrauen, das Glauben an etwas.
Zur gestellten Frage: Die Kirchenmitgliedschaft nimmt ab. Der
Glaube verliert kontinuierlich an Bedeutung in der Gesellschaft.
Dabei sagt aber die die Kirchenmitgliedschaft nichts über
das Individuum aus. Den Menschen ist es wichtig, dass sie ihr
Umfeld als sinnhaft begreifen können. Um swo besser geht
es einem. Religion könnte ein Weg dazu sein, aber nicht
der einzige. Wer betet, lebt länger. Warum sollte das so
sein? Die Verarbeitung eines Schicksalschlages kann so besser
gelingen. Doch das negative Gottesbild des strafenden Gottes
bewirkt das Gegenteil. Der strafende Gott macht es schwerer,
mit dem Glauben umzugehen. Dies ist durch Beobachtungen von Krebspatienten
untersucht worden. Seit ca. 35 Jahren wird zumindest in Deutschland
der gute Gott verkündet. Dies hat Vorteile,
moralisch gesehen und für die Bindungskraft der Kirchen
hat es Nachteile.
Pfarrerin Lohmann: Der gute Gott verkauft sich auch besser.
Glaube ist aber mehr, als sich gut zu fühlen, sondern Verantwortung
für sich und andere zu übernehmen. Der strafende Gott
hatte die Funktion für die Kirchen, sich die Menschen
gefügig zu machen.
Ingmar Lippert: Sich hingeben an eine Institution, Verantwortung
kann ich abgeben. Ich muss nicht selber entscheiden. Verwischung
kann auch hilfreich sein, die Vernunft in Frage zu stellen. Aber
vorgebliche Sachargumente, das ist auch ein Glaubenssystem.
Dr. Michale Schmidt-Salomon (Er ist in der Zwischenzeit
gekommen und wurde vorgestellt): Man muss unterscheiden zwischen
Glauben im Sinne von Vermuten. Wissenschaftlichen Hypothesen
sind Vermutungen. Und dann gibt es das Glauben als ein Unbedingtes
für wahr halten. Dies ist kritikwürdig. Denn damit
können Menschen in Kriege gegen einander gehetzt werden,
mit heiligen Dogmen. Ein Glaubender glaubt zu wissen, obwohl
das, woran er glaubt, längst überholt ist. Wir sollten
lieber die falschen Gedanken sterben lassen, als Menschen für
falsche Gedanken sterben lassen. (Brausender Aplaus bei den Zuhöhren).
Ingmar Lippert: Die kritischen rationalen Wissenschaften
sind auch Glauben und können zu Kriegen führen.
Dr. Michale Schmidt-Salomon: Die Unterschiede muss man
sehen. Die modernen Gottesstaaten verletzen am stärksten
die Menschenrechte, Frauen werde gesteinigt. Politische Religionen
haben auch ihre Dogmen. Die Art des Denkens ist die gleiche.
Diese sind genauso zu bekämpfen wie ein anderer Glaube,
der über Leichen geht. Man muss dran glauben oder man muss
dran glauben. (Aplaus)
Michaele Pilters, Moderation: Herr Dr. Schmidt-Salomon
definiert Religion und Weltanschauungen als Glauben.
Professor Doktor Murken: Die Argumentation von Dr. Schmidt-Salomon
ist klar. Im Glaubensbegriff ist Transzendenz aus einer Quelle
vorhanden, die nicht zu überprüfen ist. Weltanschauung
ist ein Überbegriff und beschreibt das kognitive System,
das sich ein Mensch macht.
Pfarrerin Lohmann: Was soll das heißen: Du musst
dran glauben oder du musst dran galuben. Wo gibt es das denn
in Deutschland?
Dr. Michale Schmidt-Salomon: Es gibt wenig Gläubige.
Aber unter ihnen gibt es Menschen, die den Glauben tödlich
ernst nehmen. Die Morddrohungen, die ich erhalte, nehmen zu.
Viele Gläubige sind aber in Wirklichkeit gelernte Humanisten,
die einen religiösen Dialekt sprechen, aber sie glauben
nicht, dass jemand in die Hölle kommt. Sie suchen sich aus
verschiedenen Weltanschauungen das raus, was sie benötigen.

Pfarrerin Lohmann: Ich (Sie erklärt, was sie glaubt
und wie sie ihren Beruf versteht).
Professor Doktor Murken: Nichtglauben ober humanistisch
glauben, das ist nicht die Alternative. Das Individuum sucht
sich zunehmend selbst, was zu ihm passt. Im Christentum ist der
Engelglaube als neue Erscheinungsform aufgetaucht. Engel sind
immer für dich da aber fordern nichts. Du sollst...
ist aufgehoben. Typisch für die neue Spiritualität:
Angebot der Möglichkeiten.
Pfarrerin Lohmann: Ich (Sie erklärt, was der Glaube
mehr sei, als ein Angebot der Möglichkeiten).
Dr. Michale Schmidt-Salomon: Es gibt unterdessen mehr
konfessionslose Menschen als Katholiken und mehr als Protestanten.
Es gibt aber einen Trend hin zum konsequenterem Glauben. Diese
stoßen sich hauptsächlich an den aufgeklärten
Menschen des Glaubens und an dem Säkularismus, der zunimmt.
Aus dem Publikum: Er erklärt, dass es nicht einen
bösen uns einen lieben Gott geben würde, sondern einen
verborgenen und einen liebenden Gott. Und der christliche Glaube
mache die Menschen frei, weil er der Glaube der Freiheit sei.
Pfarrerin Lohmann: (Sie widerspricht Schmidt-Salomon,
dass in den Kirchen der konsequenter Glauben auf dem Vormarsch
und der eher humane Glaube langweilig sei. Wissenschaftler hätten
auch Irrtümer und Verbrechen begangen. Sie glaube an einen
persönlichen Gott, einen persönlichen Schöpfer).
Dr. Michale Schmidt-Salomon: Wenn Sie an einen persönlichen
Schöpfer glauben, wieso ist der denn dann so stümperhaft
vorgegangen und hat so viele Fehler gemacht? Warum hat er dann
die Welt der Sauriere mit einem großen Steinbrocken ausgelöscht
und ein kleines rattenähnliches Wesen übrig gelassen,
aus dem alle Säugetiere und so die Affenarten, also letztlich
auch die Mensch entstanden sind. Durch Galilei mussten die Menschen
erkennen, dass sie nicht im Mittelpunkt des Weltalls leben und
durch Darwin, dass wir eine Affenart sind. Ein persönlicher
Gott und Schöfer? Die Menschen wehren sich dagegen, ihren
Hochmut und ihren Größenwahn zu verlieren, der ihnen
gepredigt wird. Es ist wahr, dass es Wissenschaftler und wissenschftssysteme
gibt, die nicht wissenschaftlich sind. Aber die wissenschaftliche
Methode ist gut, und auch sie muss ständig überprüft
werden. Was die Kriege betrifft, warum erscheint denn ihr allmächtiger
Gott nicht als brennender Busch bei einem NATO-Treffen und spricht
dort zu den Menschen. Das Dumme ist, dass wir noch immer die
Mythen der Hirtenvölker im Kopf haben.
Aus dem Publikum: Ein Mann erklärt, wie er seinen
muslimischen Glauben sieht.
Pfarrerin Lohmann: Ich bin erstaunt, wie Sie uns alle
als affenähnliche Wesen sehen. Ist das nicht Hochmuth? Sie
sagen, es liegt nicht an uns, sondern an der Schöpfung.
Wie sehen sie denn die Liebe?
Dr. Michale Schmidt-Salomon: Liebe kann jeder fassen,
spüren, fühlen usw. Doch die Schöpfung? Die Evolution
ist eine Tatsache und lässt sich auch vom Papst nicht mehr
widerlegen.
Professor Doktor Murken: Es gibt wahrscheinlich das angeborene
Bedürfnis, herausfinden zu wollen, warum es so ist, wie
es ist. (Er fordert Toleranz für die unterschiedlichen Antworten
auf diese Frage.)
Pfarrerin Lohmann: Ich nehme in meinem Religionsunterricht
auch keine Ausblendung des Schöpfungsberichts oder der Evlutionstheorie
vor. Die Schöpfungsgeschichte wird durch Darwin nicht widerlegt
sondern sie erklärt symbolhaft die Entstehung.
Ingmar Lippert: Verschiedene Konstruktionen, die Professor
Murken bgenannt hat und für die er Toleranz fordert, die
verknüpfen sich mit Herrschaftsinteressen, Benotungssystemen
und Sündenvorstellungen usw. Man muss sie aber selbst überprüfen.
Professor Doktor Murken: Der Mensch ist ein symbolisch
denkendes Wesen. Man kann ihn nicht konkretistisch widerlegen.
Dr. Michale Schmidt-Salomon: Ein persönlicher Gott
ist mit unseren Erkenntnissen nicht in Übereinstimmung zu
bringen. Aber ein symbolischer Gott, etwa Gott ist das
Ganze, ist denkbar.
(Wir haben, so hoffen wir, die wesentlichen Aussgane der Debatte
mitgeschrieben, so dass sich keine Verfälschungen dadurch
ergeben, dass wir z.B. etwas Wichtiges überhört und
nicht notiert haben.)
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- Gleich und Gleicher - Religion und Geschlechter
- Zum Gespräch saßen folgende Personen
auf dem Posium (von links nach rechts):
- Dietlinde Kaufmann, Internationale Gesellschaft
für Krishna-Bewusstsein (und der Mann links neben ihr saß
nur da und hatte nichts zu sagen).
Steffen Bammer, ev. Theologe, Mitarbeiter bei Pro Familia
und Mitglied der HuK (Ökummenische Arbeitsgruppe Homosexuelle
und Kirche e.V.)
Sven Krause, Mitglied der Bahai-Religion und Moderator
Andrea Kuppe, ehemalige Frauen- und Lesbenbeauftragte
und Frauen und Buddhismus
Dr. Ulrike Elsdörfer, ev. Theologin und Autorin ihres
Buches Frauen im Islam und im Christentum.
- Das Gespräch
Alle schienen feministisch zu sein.
Sven Krause, Moderator: Er bat die TeilnehmerInnen sich
zur Rolle der Frau in ihren Religionen/Kirchen zu äußern.
Dietlinde Kaufmann: In der patriarchalischen Religion
(Krishna) kamen Frauen nicht zu Wort. Aber unsere Glaubensgrundlagen
sagen: Wir sind nicht der Körper, sondern die spirituelle
Seele. Die Diskussion über eine Frau in einer höheren
Position fing an, als ich versuchte, einen Posten zu bekommen.
Das Männerprivileg ist nicht mehr zu halten, wenn eine Frau
die entsprechende religiöse Ausbildung hat und sich um einen
Posten bemüht.
Dr. Ulrike Elsdörfer: Einen Dialog zwischen den Kulturen
und mit muslimischen Frauen gibt es in vielen muslimishcen Ländern
nicht. In Deutschland gibt es aber ermutigende Ansätze.
Steffen Bammer: Die religiösen Schriften stehen oft
im Gegensatz zur Praxis und Diskussion. Dass es eine Öffnung
gegenüber Frauen und anderen Themen gibt, ist eine Hinwendung
der Religionen zum Real-itätsbezug. Diese Themen werden
von außen an die Kirchen herangetragen und sie müssen
darauf reagieren. Die Grundlagen der Religionen werden durch
diese Themen nicht infrage gestellt.
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- An dieser Stelle des Gesprächs sind
wir dann gegangen, denn es war wohl alles gesagt.
Die Religionen passen sich dem Zeitgeist an, wenn sie gar nicht
mehr anders können, sie gehören aber zu den politischen
Kräften in den Ländern, die sich gegen solche Änderungen
nach Kräften wehren.
Wenn Durchbrüche erzielt wurden, dann ist dies nicht grundsätzlich
geschafft, sondern das Bestreben der Religionen ist es ja nicht,
die Aufklärung voranzutreiben, dies könnte ja die Grundlagen
der jeweiligen Religion gefährden.
Und so brüsten sich die einzelnen modernen SpercherInnen
der Religionen mit modernen Errungenschaften, die sie der gesellschaftlichen
Entwicklung der Aufklärung und gegen die kirchen verdanken
und erwarten, dass man sie deshalb für etwas Gutes hält.
Es waren hier letzlich gebildete deutsche Frauen mit sozialem
Engagement unter sich und sie schwärmten von ihrem Gutsein
und ihren Erfolgen.
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- Kampf der Kulturen
- Zum Gespräch saßen folgende Personen
auf dem Posium (von links nach rechts):
Jan Gabriel, Regisseur des Filmes Moschee, neine
Danke!
Josef Winkler, MdB Bündnis 90/die Grünen, konservativer
Katholik
Dr. Gehle, Moderatorin
Herr Krumpholz, katholischer Theologe
Pfarrer Michael Kemper, Pastor St. Peter und Paul
zu Duisburg-Marxloh (Dieser Pastor hatte einen unangenehmen Prediger-Pathos
in der Stimme und applaudierende Claqueure bei sich)
Das Gespräch ...
drehte sich darum, ob sich die verschiedenen Religionen gegenseitig
achten. Und da nur Christen anwesend waren, erklärten alle,
wie sehr sie sich mühen, auf die Muslime zuzugehen und wie
schlimm andere Menschen seinen.
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- Pfarrer Michael Kemper: Im Kindergarten spielen die Kinder noch fridlich miteiander.
Im Grundschulbereich kippt das dann. Die Eltern und Nachbarn
sagen das eine oder andere, so verfestigen sich dann die Distanzen.
Josef Winkler: Wahljahre sind schlecht für Minderheiten,
weil besonders konservative Politiker sich der Vorurteile bedienen.
Allerdings ist dies ja in Hessen zuerst mal schief gegangen,
was uns Hoffnung geben kann.
Pfarrer Michael Kemper: Ich höre zwar schon Stimmen
in der Gemeinde wie Die machen hier alles Platt,
wenn es um den Moscheebau geht. Und sorge dafür, dass in
der Gemeinde das Verbindende und die Unterschiede der Religion
erklärt werden, und die Menschen merken, aha, wir können
miteinander reden.
Jan Gabriel: Man darf nicht vergessen, dass die islamischen
Opfer von Vorurteilen auch nicht ehrlich reden können. Ein
offener Muslime wurde rausgeschmissen, weil er offen sagte: Die
Moschee ist meine Identität. Es geht nicht um Bauprojekte,
sondern um Identitäten. In Buchum haben die Kräfte
auf beiden Seiten gesiegt, die am untolerantesten sind.
Josef Winkler: Wenn man einmal eine Moschee besuchen möchte,
dann findet man sie in Gewerbegebieten ...
Vertsteht Ihr, warum wir diese Veranstaltung wieder verlassen
haben?
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- 35 Jahre OPEN OHR Festival
- Das Open Ohr Fstival auf der Zitadelle in
Mainz ist, so beschreiben das die Macher der 2. Generation, das
Letzte seiner Art. Seit 35 Jahren setzen wir uns zu Pfingsten
über gesellschaftsrelevante Themen auseinander. Und hier
saßen nun die ursprünglichen, die alten Macher nebeneinander,
so dass es aussieht wie das Bild vom letzten Abendmahl und fragten
sich, ob die Vielfalt des Programmangebotes derzeit noch zeitgemäß
sei. Es wurde viel über Technisches gesprochen und am schluss
sang Prof. Dr. Dr. Roilf Schwendter, begleitet von seiner Kindertrommel:
Ich bin noch immer unbefriedigt im wiener Dialekt.
Jüngere Zuschauer schauten sich gegenseitig hilflos an und
verstanden nicht, dass es einmal statt auf Formen, auf Inhalte
angekommen ist. Wir meinen, das Zeitgemäße ist auch
keine Lösung.
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- Kirche und Politik - Trennung von Kirche
und Staat?
- Zum Gespräch saßen folgende Personen
auf dem Posium (von links nach rechts):
- Herr Haupt:
Humanistische Union, die sich für die Wahrung der Menschenrechte
und die Trennung von Staat und Kirche einsetzt.
Claudia Roth, MdB und Vorsitzende der Partei Die GRÜNEN
und engagierte Befürworterin u.a. der Menschenrechte von
Lesben und Schwulen
Frau Schmitzspan, Moderatorin
Prof. Dr. Hille Haker, kath. Moral-theologin an der Universität
Mannheim
Herr Hambuma, von der Initiative Pro Reli in Berlin, die
den Religionsunterricht als Zwangsfach einführen wollte.
-
- Das Gespräch
Dieses Thema interessierte uns sehr und so schlossen wir den
Infostand und gingen wir ins Kabarett-Zelt, wo es stattfiden
sollte. Es war, wie auch das erste Forum, für uns sehr interessant.
Frau Schmitzspan, Moderatorin: Die Kirchen gelten in unserer
Gesellschaft als moralische Instanz. daher kann es keine vollständige
Trennung zwischen Kirche und Staat geben.
Herr Haupt: Die Kirche sollte sich aus den staatlichen
Bereichen zurücknehmen.
Claudia Roth: Kirchen sollen sich auch einmischen, es soll aber
transparent zugehen und ohne Privilegien für die Kirchen.
Aber die aktive streitbare Teilnahme ist in Ordnung. Die Trennung
von Kirche und Staat? Es müssen Entpflechtungen vorgenommen
werden, ohne gleich antiklerikal zu sein. Kirchen sollen auch
an politischen Entscheidungen teilnehmen, da Politik nicht gesellschaftlich
isoliert handeln kann.
Herr Hambuma: Kirchen und staatliche Einrichtungen gehören
zusammen, denn Kirchen arbeiten sozial und kulturell. Religionsunterricht
durch die staatlichen Schulen, desdhalb mein Eintreten für
Pro Reli. Kirchen betreiben Suppenküchen und was wäre
Mainz ohne Dom? (Er schien auf Applaus zu warten, der aber ausblieb.)
Prof. Dr. Hille Haker: Ich bin als katholische Tehologin
an einer staatlichen Hochschule und erhalte für die Ausbildung
von Theologen Weisungen von der Kirche. Ich bin außerdem
in der Ethikkommision der Bundsrepublik Deutschland, dies als
Person, da mein Fach die Bio-Ethik ist. Das Verhältnis von
Kirche und Politik ist ein innerkirchliches Feld bzw. ein Feld
der innerkirchlichen Demokratie.
Herr Haupt: Kirchen sollen sich in der Gesellschaft äußern,
sie haben nur kein Monopol und sollten keine Privilegien haben.
Die Trennung ist unvollkommen:
1. Arbeitsrecht: dass die 1,2 Millionen MitarbeiterInnen von
kirchlichen Einrichtungen nicht die gleichen Rechte bezüglich
Mitbestimmung und Kündigungsschutz haben, ist nich takzeptabel.
2. Die Theologenausbildung in Deutschland darf keine staatliche
Aufgabe sein.
3. es gibt nur einen europäischen Staat, der die Menschenrechtskonvention
nicht unterzeichnet hat, der Vatikanstaat. Und der verlangt den
Gottesbezug in die europäische Verfassung.
Ich habe die Sorge, dass religiöse Fundamentalisten sich
zusammentun können, um durchzusetzen, dass die Religionen
vor Verleumdung geschützt werden sollen. Dann
könnte jede Kritik verfolgt werden.
Prof. Dr. Hille Haker: Die kirchliche Ausbildung gehört
in staatliche Schulen. Dies ist die Garantie dafür, dass
kirchliche Ausbildung kontrolliert werden kann. Wir Theologen
brauchen den Schutz dews Staates vor Bevormundung von oben, für
Forschungsfrieheit und für die innerkirchliche Demokratie.
Claudia Roth: In Frankreich ist die Trennung zwischen
Kirche und Staat klarer. Da ist die Religion privat-sache. In
Deutschland ist nach der Verfassung zwischen Staat und Kirche
ein partnerschaftliches Verhältnis, aber die Neutralität
des Staates soll gewahrt bleiben. Dass der Staat die Kirchensteuer
einzieht gilt nur für die christlichen Kirchen. Im Bundestag
gibt es einen Andachtsraum, um nun wurde verlangt, dort ein Kreuz
einzubauen. Da würden sich die Abgeordneten anderer Konfessionen
benachteiligt fühlen. Und nicht religiös Gebundene
dürfen sich auch nicht ausgegrenzt fühlen.
Den Gottesbezug in der europäischen Verfassung einzuführen,
was Teile der CDU verlangen, ist ein spalterischer Vorgang. Bei
den rechten der einzelnen Mitarbeiter wurden Ausnahmen für
die Kirchen durchgesetzt, die nicht gerechtfertigt erscheinen.
Herr Hambuma: In Berlin wollten wir, dass frei entschieden
werden kann, das machen ja die Eltern für ihre Kinder, ob
sie in Ethik oder Religion unterrichtet werden. Werte kann man
nicht wertneutral unterrichten. Die Schüler sollen zuerst
mal die eigene Religion kennen lernen. Sie solle erfahren, was
der Inhalt ihres Glaubens ist, und dafür soll der Staat
die Verantwortung übernehmen.
Herr Haupt: Das hätte die Jugend auseinadergetrieben,
in Berlin. In den westlichen Bundesländern existiert ja
dieser Religionszwang. Die Entscheidung in Berlin ist richtig
verlaufen. Jetzt mus überprüft werden, ob man die Kinder
wieder zusammenführen kann, die in diesem Wahlkamppf gegeneinander
aufgebracht wurden.
Claudia Roth: Sie wissen vielleicht, dass ich in Bayern
aufgewachsen bin. Dort sollten zu meiner Zeit Konfessionsklassen
bzw. sogar Konfessionsschulen eingeführt werden. Ethik soll
das Verbindende hervorkehren. In Bayern soll nun auch für
den islamischen Religionsunterricht in Deutschland ausgebildet
werden. Das ist dann die Einbürgerung des Islam.
Prof. Dr. Hille Haker: Ich bin ja dafür, aus dem
konfessionsgebundenen Religionsunterricht herauszutreten, um
Geminsamkeiten zu entdecken. Ethik-Lehrer sind ja oft die Religionslehrer,
daher ist die Ausbildung von Ethik-Lehrern anzustreben. und die
Ethik gehört in die Obhut der Philosophie. Ich will, dass
Christen auch das Judentum und den Islam kennen lernen können,
was ich nicht konnte. Es kann außerdem nicht sein, dass
der Vatikan seinen Gott in die europäische Verfasssung bringen
will.
Herr Hambuma: Ein islamischer Schüler kann seinen
Eltern gegenüber ganz anders auftreten, wenn er etwas in
der Schule im islamischen Religionsunterricht gelernt hat und
nicht im Ethikunterricht. Ich glaube nicht, dass ein atheistischer
Ethiklehrer einen guten Ethikunterricht machen kann.
Prof. Dr. Hille Haker: Religionen sind aus der Gesellschaft
nicht wegzudiskutieren. Wir brauchen Bindungen an die Religionen
und müssen diskutieren, wie wir das am besten organisieren.
Frau Schmitzspan, Moderatorin: Bevor wir nun die Publikumsbeiträge
aufrufen möchte ich von jedem gerne noch wissen, welche
Werte er vertritt, sind dies immer christliche Werte? Und braucht
die Gesellschaf und die Politikt die Werteberatung durch die
Kirchen?
Herr Haupt: Meine Werte, ich gebe zu, sie sind zum großen
Teil auch durch das Christentum beeinflusst. diese aber in Teilhabe
an den Gesamtwerten.
Claudia Roth: Meine Werte sind in der Verfassung formuliert.
Braucht die Politik die moralische Beratung durch die Kirchen?
Die Moral sollte ein ständiger Diskussionsprozess sein.
Daraus ergeben sich immer neue Konstellationen. Die Kraft der
Kirche entscheidet sich aus ihrer Fähigkeit, auf die Anforderungen
der Zukunft einzugehen.
Prof. Dr. Hille Haker: Zum Glück gibt es Auseinandersetzungen,
was Werte und christliche Ethik sein kann. Ich brauche als Christin
nicht die ganze Welt auf den Schultern zu tragen und das entlastet
mich als Mensch.
Herr Hambuma: Es gibt Überlappungen zwischen der
Verfassung und unserem Glauben. Die Lösung in Deutschland
ist besser als die in Frankreich. Wir sind auch kein Gottesstaat,
sondern in der Mitte.
Es gab nach dieser Runde dann drei Wortmeldungen, bei denen ich
die mittlere nur wenig notieren konnte, weil ich da meinen eigenen
Betrag vorbereitet habe.
Ein Pfarrer aus Mainz: Macht es Sinn, der Kirche erst
die Privilegien wegzunehmen und dann zu fragen, was ist Euer
Beitrag? Was wäre denn geholfen, wenn alle Glaubenden nur
außerhalb der Schule ihren Glauben zeigen? Wir haben gute
Erfahrungen mit unseren kirchlichen Sozialeinrichtungen gemacht.
Freund Gernot: Kirche und Staat haben ein für beide
nützliches Verhältnis miteinanader. Ich bin für
die Trennung, weil dies für die Menschen eine Wohltat wäre.
Theologie hat an einer Universität nichts zu suchen, weil
dies keine Wissenschaft ist und sdollte auch nicht vom Staat
bezahlt werden. Wenn Frau Prof. Dr. Hille Haker die Unterstützung
des Staates gegen ihren Papst bracuht, dann soll sie doch aus
der Kirche austreten.
Joachim von der LUST: Mich interessieren die innerreligiösen
Auseinandersetzungen überhaupt nicht, weil ich nicht zu
dieser Religion gehöre. Ich finde nicht, dass mir alte Texte
mit Antworten von früheren Hirtenvölkern bei der Bewältigung
der Probleme der Zukunft irgendeinen Nutzen bringen sollen. Ich
bin für die strikte Trennung zwischen Kirche bezw. Religionen
und dem Staat.
- Ich spreche hier auch für unsere Lesben-
und Schwulengruppe. Und es ist immerhin unter den Bedingungen
möglich, dass die Religionen keinen oder wenig Einfluss
auf den Staat haben, dass sich unsere Lage verbessert und wir
unbehelligter leben können.
- Nahezu alle Religionen nutzen für ihre
Machtentfaltung Vorurteile aus und verfolgen bzw. diskriminieren
homosexuelle Menschen, die ja auch das Recht haben, für
sich angemessen zu leben.
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- Unser Open-Ohr-Nachwort
- Eine der netteren Begegnungen war ein junger
Mann, der sehr "cool" war und für uns, unsere
Zeitschrift, posierte.
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- Die Religionen, der Glaube an Übernatürliches
und der Versuch politischer Kräfte, Religion für ihre
Ziele zu funktionalisieren sowie der Versuch von Religionsgemeinschaften,
Einfluss auf die Politik des Staates zu bekommen, das beschreibt
schon einen wichtigen Bereich der gesellschaftspoltischen Diskussion.
Schade, wenns eher zum Kirchentag wird. Durch 2 Debatten wurden
wir entschädigt.
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- In Zeiten wirtschaftlicher Unbeständigkeit
haben Heilslehren sicherlich zunehmend die Möglichkeit,
sich auszudehnen. Aber wir waren auch dort, um Freunde zu treffen
und um zu feiern, und dies konnten wir bei diesem Festival.
Ich kann Euch nur vorschlagen, diese Möglichkeit am Feier
und an Gesprächen auch im 36. Jahr noch zu nutzen, denn
dies gibt es kaum noch an anderer Stelle und zu anderer Zeit.
Wir hatten in diesem Jahr Glück mit dem Wetter und hätten
uns schon noch mehr guter Gespräche gewünscht. Mal
sehen, welches Thema nächstes Jahr dran ist.
Wir würden uns freuen, wenn wir noch mehr Besuch von Freund-Innen
aus der Szene bekommen könnten. Und gibt es jemanden, der
uns am Stand hilft?
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