- 98.Print-Ausgabe, Frühling 09
- 3 Beiträge zur Pornographie
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- Der Männerschwarm Verlag GmbH teilt
mit:
Verdacht auf Kinderpornographie?
Liebe Freundinnen und Freunde,
es ist nicht schön, wenn die Polizei mit einem Durchsuchungsbeschluss
angerückt kommt und die Verlagsräume inspiziert.
Grund der staatsanwaltlichen Ermittlung, die uns vor über
einem Jahr überrascht hat:. Der Verdacht auf Herstellung
und Verbreitung von kinderpornographischen Schriften!
Fast anderthalb Jahre standen der Autor Fabian Kaden (Davids
Sommer, Leonardos Reise, Murats Traum)
und seine Männerschwarm-Verleger unter dem Damoklesschwert
eines Strafverfahrens, das immerhin, von der gesellschaftlichen
Ächtung einmal zu schweigen, mit einer fünfjährigen
Gefängnisstrafe und erheblichen Kosten hätte enden
können. Und das, obwohl wir uns auch nach gewissenhafter
Selbstprüfung keiner Schuld, keines Versäumnisses bewusst
waren. Jetzt hat eine Richterin entschieden:
Die Hauptverhandlung wird nicht eröffnet. Das inkriminierte
Buch (Murats Traum) ist mangels pornografischer
Qualität nicht hinreichend verdächtig.
Die Richterin brüskiert damit die Staatsanwaltschaft, die
eine Einstellung des Verfahrens stur abgelehnt und Strafantrag
gestellt hat, ohne jemals ein inhaltliches Argument vorzutragen.
Sie spricht außerdem bemerkenswert Klartext - auch über
die Rolle der Sexualität beim Erwachsenwerden und die Bedeutung
der Promiskuität, über die Grenze zwischen Pornographie
und Literatur.
Wir finden das bemerkenswert.
Ich würde mich freuen, wenn der Vorgang auf euer Interesse
stoßen würde und (...),
beste Grüße,
Detlef Grumbach
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- Um was es hier geht:
Im Urteil über die Nichteröffnung der Hauptverhandlung
heißt es:
"Der Umschlagtext des Buches lautet wie folgt:
Murat und Oliver sind Kumpels, die in ihrem Neuköllner
Kiez gemeinsam um die Häuser ziehen. Sie sind es gewohnt,
ihre Beute zu teilen. Als Oliver eines Tages Philipp kennen lernt,
kommen Gefühle ins Spiel, mit denen Murat nichts anfangen
kann, aber auch für ihn beginnt eine Reise zu neuen Erfahrungen.
«Murats Traum» erzählt von schnellem Sex und
neuen Freundschaften, und am Ende sogar von der großen
Liebe.
Der Hinweis, dass das Buch neben Schilderungen sexueller Erfahrungen
auch die Entwicklung von Freundschaften und das Finden der großen
Liebe darstellt, lässt bereits an einem pornographischen
Charakter des Gesamtwerks zweifeln. Zwar enthält es eine
Vielzahl von Schilderungen sexueller Erlebnisse der Protagonisten
Oliver, Murat und Philipp in einer sehr harten und direkten,
teils sehr vulgären Sprache, die dem Leser auch kaum Raum
für Interpretation belässt; jedoch genügen - wie
bereits oben erwähnt bloße Schilderungen des sexuellen
Akts als solchem, wenn auch in harter Sprache, nicht, um eine
Schrift ais pornographisch zu qualifizieren.
Der Roman ist, wie auch der Klappentext verdeutlicht und wie
von der Verteidigung zutreffend ausgeführt, eine
Erzählung über die menschliche Reifung und charakterliche
Entwicklung von jungen schwulen Männern an der Schwelle
zum Erwachsenensein. Die Auseinandersetzung mit dieser
ThemensteIlung schließt die explizite Schilderung sexueller
Handlungen ein.
Anhand dieser sexuellen Erlebnisse erfahren die Figuren eine
Persönlichkeitsentwicklung, wobei die detailreiche und ausführliche
Schilderung der Erlebnisse dem Leser die Entwicklungen der Figuren
eindringlich vor Augen führen soll.
In diesen Szenen spiegelt sich das anfangs freundschaftliche
Verhalten der beiden Männer Oliver und Murat wieder sowie
später das machohafte Selbstverständnis
Murats und seine Abgrenzung von eigenen homosexuellen Bedürfnissen,
die problematische Liebesbeziehung Olivers zu Philipp mit ihren
Auswirkungen auf die Freundschaft zu Murat und schließlich
die Selbsterkenntnis Murats.
Die sexuellen Erlebnisse stellen sich somit als organischer Bestandteil
der Handlung dar und werden nicht in übersteigerter, anreißerischer
Weise, sondern vielmehr realistisch und detailgenau dargestellt.
Der Roman beschränkt sich damit eben nicht auf Schilderungen
sexueller Begierde, die durch einen anonymisierten und respektlos
behandelten Partner befriedigt wird. Vielmehr erleben alle Figuren
durch das Erfahren des sexuellen Aktes mit unterschiedlichen
Partnern eine starke und durchaus bewusste Persönlichkeitsentwicklung.
Die Richterin definiert auch, was als Prornographie gelten kann:
Pornographisch ist eine Schrift, wenn sie nach ihrem objektiven
Gehalt zum Ausdruck bringt, dass sie ausschließlich oder
überwiegend auf die Erregung eines sexuellen Reizes bei
dem Betrachter abzielt, wobei die menschlichen, interpersonalen
Bezüge von Sexualität vernachlässigt werden.
Dabei unterliegt die Beurteilung dieser Grenzen dem zeitlichen
Wandel, so dass sich der Begriffsinhalt ständig mit den
Inhalten, Bedeu-tungen und Grenzen sozialer Kommunikation verändert
und sich innerhalb der Gesellschaft weiter nach Schichtzugehörigkeit,
Bildung, indivi-dueller Anschauung und soziokulturellerPrägung
differenziert.
Darstellungen des nackten menschlichen Körpers und Schilderungen
sexueller Vor-gänge sind nicht schon als solche pornogra-phisch.
Vielmehr kommt es, um unter den Begriff Pornographie zu fallen,
sowohl auf die Verabsolutierung sexuellen Lustgewinns und die
Entmenschlichung der Sexualität als auch auf die Darstellung
sexueller Vorgänge in übersteigerter, anreißerischer
Weise an. Die Schilderung muss unrealistisch oder verzerrend
wirken.
Es kommt wohl darauf an, dass Richter und Staatsanwälte
nicht ihre eigenen moralischen Auffassungen zur Grundlage ihrer
Urteile machen, sondern sich an die Definitionen halten (siehe
oben), die in der Begründung der Richterin durch Fußnoten
und Literaturanmerkungen hinreichend belegt wurden. Der Verlag
kann sich freuen, dass er vor Schlimmerem verschont wurde.
- Anti-Pornographie-Gesetz sorgt in Indonesien
für Unruhe
In Indonesien sorgt ein umstrittenes Anti-Pornografie-Gesetz
für Aufregung. Die muslimische Regierung in Jakarta stellt
Kleidung, Werke und Körperbewegungen unter Strafe, die die
öffentliche Moral gefährden könnten.
- Darunter fallen auch die traditionellen Penisfutterale
der Naturvölker in den Wäldern von Westpapua. Statt
der langen Rohre, die sich die Männer um die Hüfte
binden, sollen sie nun züchtige Unterhosen tragen. Vertreter
des Brauchtumsrats von Papua fürchten die Zerstörung
jahrhundertealter Traditionen.
Auf Bali demonstrierten Tausende gegen die neuen Vorschriften
aus Jakarta. Im abgelegenen Bergland von Westpapua, dem autonomen
indonesischen Gebiet Neuguineas, leben Hunderte Volksgruppen
noch völlig ursprünglich.
Den dichten Urwald durchstreifen sie als Jäger und Sammler
- nur bekleidet mit einem Penisrohr. Und gerade diese spärliche
und urtümliche Bekleidung ist es auch, die die muslimische
Regierung in Jakarta erzürnt.
Im Oktober hat das Parlament in der 3.500 Kilometer entfernten
Hauptstadt Jakarta ein neues Anti-Pornografie-Gesetz erlassen,
das unter anderem das Tragen des Penisfutterals, Koteka genannt,
verbieten soll. Statt des langen, spitzen Rohres, das sich die
Männer der Stämme Dani, Asmat und Fayu bisher mit einer
Schnur um die Hüfte gebunden haben, sollen nun Unterhosen
für mehr Anstand in den dichten Urwäldern
sorgen.
Aber nicht nur traditionelle Kleidung, auch Werke und Körperbewegungen,
die in der strengen muslimischen Auslegung als obszön erachtet
werden, stellt das neue Gesetz unter Strafe. Nach jahrelanger
Debatte wurde es gegen den erbitterten Widerstand der Opposition
von streng muslimischen Parteien durchgefochten.
Die Gegner des Gesetzes fürchten die Bedrohung der zahlreichen
regionalen Kulturen auf der Insel. Neben der Koteka könnten
beispielsweise phallische Totempfähle in Papua, Aktskulpturen
an den Tempeln der mehrheitlich von Hindus bewohnten Insel Bali
und traditionelle Tänze verboten werden. Zwar sind Ausnahmen
zum Schutz regionaler Kulturen vorgesehen, aber diese sind nach
Ansicht der Betroffenen zu vage formuliert. Auf Bali gingen deshalb
bereits Tausende Demonstranten auf die Straße.
Das Anti-Pornografie-Gesetz ist definitiv eine Bedrohung,
weil es gegen unsere kulturellen Werte arbeitet, sagt Lemok
Mabel, Mitglied des örtlichen Brauchtumsrats in Papua. Es
wird bestimmt Widerstand geben. Es verletzt die Rechte der Ureinwohner.
Sein Kollege Dominikus Sorabut weist darauf hin, dass die Dörfer
im Hochland von Papua, wo moderne Kommunikationsmittel rar sind
und das Bildungsniveau niedrig, noch gar nichts von dem Gesetz
wissen. Das Konfliktpotenzial ist groß, warnt
er.
Das Bergland von Papua galt schon von jeher als Konfliktherd:
Viele Papua empfinden die Herrschaft Jakartas im Westen Neuguineas
als unrechtmäßige indonesischen Besatzung. Immer wieder
kommt es zu Zusammenstößen zwischen den Tausenden
in den Wäldern stationierten indonesischen Soldaten und
der Bevölkerung. Journalisten wird nur selten und nur in
Begleitung des indonesischen Geheimdienstes Zugang gewährt.
Nach Einschätzung des zuständigen Polizeichefs Abdul
Asis wird das Gesetz kaum durchgesetzt werden: Es ist unwahrscheinlich,
dass wir das Gesetz umsetzen, weil die Leute hier noch sehr ursprünglich
sind.
Bereits in den 70er Jahren wurde in Indonesien, dem größten
muslimischen Land der Erde, eine Kampagne gegen das Penisrohr
gestartet. Der Vorstoß entpuppte sich aber als völliger
Fehlschlag. Diesmal soll die neue Regelung erfolgreicher sein.
Eine vielkritisierte Klausel erlaubt nämlich Zivilisten
die Durchsetzung öffentlichen Anstands. Die
Oppositionsabgeordnete Eva Sundari fürchtet deshalb, dass
muslimische Hardliner mit Hilfe der Rechtsvorschrift als Moralpolizei
auftreten könnten. Das Ziel dieses Gesetzes ist, als
legaler Deckmantel für die Durchsetzung der Scharia zu wirken,
warnt Sundari. Viele glauben, das Gesetz habe Bande zerstört,
die den Vielvölkerstaat Indonesien bisher zusammenhielten.
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Kommentar:
Pornographie
Über die Definition von massenhaft genutzten und oft auch
benötigten Gebrauchsartikeln und dem amtlichen Schutz
davor.
Dass Männer eher visuell eingestellt sind, lernen
schon die Kinder und Mädchen erfahren schon früh, dass
sie einfach besser ankommen, wenn sie sich erotisch zurechtmachen.
Unterdessen ist das auch bei den Jungs angekommen. Viele machen
sich erotisch zurecht und haben dann auch die entsprechenden
Erfolge bei den Mädels.
Pornographie ist nun die sexuell aufreizende Darstellung in Texten,
Zeichnungen, Fotos und Filmen, die derart aufreizend sind, dass
der Betrachter diesen Film nicht zuende schauen kann, den Text
nicht zuende lesen kann, denn er wurde dadurch derart angeregt,
dass er die Spannung los werden musste, und danach macht ihn
das eine Zeitlang nicht an. Bis zum nächsten Mal.
In den Augen der TugendwächterInnen ist dies unmoralisch.
Manches könnte aus ihrer Sicht sexuell anregend sein, und
sie wollen die ihnen anvertrauten Schützlinge davor schützen.
Viele wollen diesen Schutz gar nicht, denn es bereitet ihnen
ja auch Lust, sich vorübergehend auf diese Weise anzuregen
und dann zu entspannen.
Fast jedes Aufklärungsbuch, fast jeder ehrliche Roman gerät
bei manchen Tugendwächtern unter Verdacht, Pornographie
zu sein, und sie zeigen gerne an, um zu bekämpfen, was sie
erregt.
Es war wohl das hessische CDU-Mitglied Kanter, das seine Karriere
mit dem Angriff auf einen Lehrer in Wiesbaden begann, der im
Unterricht ein Buch über einen jungen Strafgefangenen im
Gefängnis durchnehmen ließ, und dort wurde auch seine
Masturbation beschrieben. Dem Lehrer ging es nach der Kampagne
gegen ihn, soweit ich weiß, nicht so gut, aber der Karrierestart
war geglückt.
Wenn Politik und Sex aufeinander trifft, dann wird das Alltägliche
funktionalisiert. Und es werden dann abscheuliche, krasse und
ver-urteilenswerte Extrembeispiele verallgemeinert, damit die
Kampagne auch erfolgversprechen ist und sein kann.
Es macht den Anschein, dass sich die Doppelmoral wieder deutlicher
überall verbreitet. Ob es die Beschreibung eines jungen
Trebegängers in einem Roman ist, was zur Anzeige gebracht
wurde, ob es die beschriebene Knastsituation ist, oder ob es
sich in anderen Ländern um das Auslöschen von ganzen
Kulturen handelt.
Klar, es ist ein Markt zur Herstellung von Pornographieerzeugnissen
entstanden. Und wenn wirklich Kinder im Spiel sind, ist das ganz
entschieden abzulehnen und unterbinden.
Aber wenn es um Aufklärung, Kulturen, Romane über tatsächliches
Leben geht, wenn das der Fall ist, dann geraten bei mir die Ankläger
und Verfolge in Verdacht, das Thema zu funktionalisieren und
andere Ziele damit zu verfolgen.
Ist es eigentlich ein Lustgewinn, andere zu zwingen, ihrer Lust
zu entsagen? js
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