98.Print-Ausgabe, Frühling 09
Ypsilantis Chance? 
Über die
„Hessischen Verhältnisse“
Damit war gemeint, dass es für eine Mitte-rechts-Regierung keine Mehrheit gibt, dass also das Wahlvolk in seiner Mehrheit eine „linke Mehrheit“ gewählt hatte.
Mit „Hessischen Verhältnissen“ ist offensichtlich nicht nur gemeint, dass es keine regierungsfähige Mehrheiten gibt, sondern, dass es keine gewünschten regierungsfähigen Mehrheiten gibt,
Mit gewünschten regierungsfähigen Mehrheiten ist gemeint, das es keine Mehrheiten rund um die Konservativen, die Union gibt beziehungsweise gab.
Die scheint in den marktwirtschaftlich geführten Meinungsführern der Medien derzeit die gewünschte Regierungskraft zu sein, und von Grün wurde erwartet, Wahlbetrug zu machen, indem die Grünen dann im Landtag auch den Koch wählen sollten, um dann in Wahlkämpfen danach ihre eigenen Chancen zu schmälern. Schwarzgelb ist das mediengewünschte Parteienbündnis. Es wird auch schon angedeutet, dass rechts von der Union für eine Partei vom Schlage Haiders nationalliberaler Freiheitlichen Partei Platz sein könnte.
Wenn man (siehe die Kästen oben!) die realen Zahlen der SPD betrachtet, stellt man fest, dass der große Stimmeneinbruch geschah, nachdem Koch Ministerpräsident wurde und die SPD unter Bökel (dem frühere hessische Innenminister) gegen den regierenden rechtsdemagogischen Ministerpräsidenten Koch antrat. Sie verlor über 300.000 Stimmen (10%) und war weit unter einer Million WählerInnen gelandet. Das war aber auch 2008 nach Schröders 2. Sieg und auch nach dem Schröder-Blair-Papier. Die ehemaligen SPD-WählerInnen übten Stimmenthaltsamkeit, wie wir uns noch erinnern können. Dies geschah übrigens in allen Bundsländern und bei der Europawahl.
 Erst die Aussicht einer linken Mehrheit und der links geführte Wahlkampf unter Ypsilanti brachte der SPD wieder mehr als eine Million Stimmen. Und da in den Medien schon vor und während der Wahl von der Möglichkeit gesprochen wurde, dass Ypsilanti auch mit der Linken koalieren würde, wenn sie könnte, wäre eine solche Koalition für die SPD-Wähler keine große Überraschung gewesen.

Das von der CDU ständig laut verkündete „Schreckgespenst“ einer möglichen Regierungsbeteiligung der Linken hielt die Wähler offensichtlich nicht davon ab, die SPD zu wählen.
Sicher, das CDU-Geschrei mit dem Wortbruch aus allen Medien wäre dann groß gewesen wie es dann später war. Und es nahm Ypsilanti die Regierungsmöglichkeit, dass sie unter dem Druck der konservativen Medien vorher ausgeschlossen hatte, mit der Linken zu kolieren. Ihr Sturz kam indessen deutlich durch den rechten Parteiflügel der SPD, und danach war schon klar, dass man die SPD nun nicht mehr wählen konnte, da es möglich war, dass der rechte Flügel wieder eine rot-grün-rote Koalition verhindern würde, also einen Regierungswechsel.
Interessant ist, dass die CDU-Legende von den 4 aufrechten Sozialdemo-kratInnen, die die Müntefering-Notbremse gezogen hatten, nun zum allgemeinen Sprachgebrauch in den Medien wurde.
Wie wäre es denn gewesen, beobachten zu können, wie eine eher linke Regierung, (in diesem Fall nur unter Duldung der Linken und nicht in der Regierungsverantwortung) mit der Wirtschaftskrise umgegangen wäre? Es hätte vielleicht für die WählerInnen nun 2 Möglichkeiten gegeben, mit dieser Krise umzugehen. Und genau dies galt es wohl, zu verhindern.
Auf uns kommt nun nach Lage der Dinge eine lange Zeit von schwarz-gelb zu, der Krise zu begegnen, also eine lange Zeit der Regierung durch die politischen Kräfte, die schon Schröders rotgrüne Regierung unter freundlicher Begleitung der Medien über den Bundesrat vor sich hergetrieben hatten und dennoch die Möglichkeit verfehlten, eine Regie-rungsmehrheit zu bilden.
Das neoliberale Ideologiemodell hat angesichts der Wirtschaftskrise seine Glaubwürdigkeit vor aller Welt verloren.
Dennoch ist zu befürchten, dass die deutsche Bevölkerung, von den Medien auf diese Spur gesetzt, genau dieses Modell beziehungsweise die sie hier tragenden Kräfte wählen wird, inhaltlich unterstützt von den hinterherlaufenden rotgrünen Parteien. Und die Bevölkerung glaubt dann wohl, dass ausgerechnet diese beiden Parteien diese Krise meistern werden. Fragt sich, auf welche Weise dies geschehen wird.

Dass man sich seitens der FDP demagogisch zu schlagen vermag, lässt sichdeutlich erkenne. Zum Beispiel die Frage des Staates in der Wirtschaft.

 
Die FDP-Demagogen erklären, dass die Landesbanken, die ja zu einem gewissen Prozentsatz in Landesbesitz sind, am meisten nun nach Staatsgeld rufen müsste. Politiker seien eben keine guten Banker.
Das ist natürlich eine perfide Demagogie. Schließlich waren es ja die Liberalen, die ständig verlangten, dass die Länder sich aus den Geschäften der Landesbanken heraushalten sollten. Sie verlangten auch die Privatisierung dieser Banken. Und tatsächlich, es haben sich be-sonders in den schwarzgelb regierten Bundesländern die Landesbanken auf den Immobilienmarkt der USA eingelassen. Sie gingen sozu-sagen mit dem „guten Beispiel“ voran und gerade diese schreien nun nach Staatsgeld.
Die einen „hessischen Verhältnisse“ sind nun auf lange Zeit weg. Linke Mehrheiten sind nun nach diesem Trauenspiel nicht nur in Hessen aussichtslos geworden. Die 3 mehr oder weniger linken Parteien (SPD, Grüne, Linke) können sich gegenseitig beschimpfen, gegenseitig in der Opposition miteinander rivalisieren und vielleicht auch mal gemeinsam gegen die schwarzgelbe Landesregierung opponieren. Aber letzteres wird wohl eher selten der Fall sein.
Frau Ypsilanti „darf“ sich nun im Programmausschuss der SPD ein wenig um Schule und Bildung kümmern, und schon wird Müntefering dafür angegriffen.
Und wie reagierte er? Er spielte Ypsilantis Aufgabe herunter und damit sie selber auch. Diese Frau wird wohl keine wesentliche politische Zukunft mehr in der SPD haben. Tja, wenn man auch nach links abweicht ...
Und wenn sie nun mitsamt des in Hessen doch recht starken linken Parteiflügels in die Linke überwechseln würde, wäre damit auch nicht viel erreicht. Dadurch würde auch keine „linke Mehrheit“ entstehen.
Nach der Bundestagswahl, so wird gemunkelt, würde Koch nach Berlin gehen, in irgendein schwarzgelbes Ministerium, möglicherweise „Verteidigung“.
Der gegenwärtige Minister Jung ist ja auch in die Kritik geraten, manche in den Medien halten ihn in Berlin für kaum noch tragbar. Also könnte er mit Koch tauschen.
Ihr könnt Euch vielleicht noch an die Schwarzgeldaffäre der hessischen CDU erinnern, von der Koch über-haupt gar nichts gewusst hatte?
Damals musste Bauernopfer Jung gehen. Nun ist ja Gras darüber gewachsen. Tja, das sind wohl auch „hessische Verhältnisse“.

Und nun kann man mal gespannt sein, was noch so alles in Hessen passieren wird. Einiges haben wir ja nun schon erleben können. Und das Schlagwort „hessische Verhältnisse“ wird uns erhalten bleiben. Und das ist übrigens auch gut so. Wir müssen es auch fleißig benutzen.
Wenn Ihr Euch nun mal ab S. 18 unten die Kästen der Landesregierungen Hessens anschaut, werdet Ihr viele wundersame Dinge entdecken. Der SPD-Ministerpräsident Georg August Zinn zum Beispiel regierte lieber mit der rechtslastigen Gesamtdeutschen Partei statt mit der CDU. Die GP versickerte später in der CDU und der NPD.
 Albert Osswald übernahm von ihm eine SPD-Alleinregierung und leitete die Phase der SPD-FDP-Koalitionen ein.
Im Hessen gab es unter dem Kultusminister Ludwig von Friedeburg die ersten Schulreformen zum Unterlaufen des dreigliedrigen Schulsystems durch die integrierte Gesamtschule und Förderstufe.
Oswald gab sein Amt an Holger Börner ab, der nacheiniger Zeit keine Regierung bilden konnte, den schwarzgelb hatten keine Mehrheit und die Grünen waren noch sogenannte Buh-Männer und -Frauen, und so regierte er geschäftsführend.
Nach der Wahl regierte er mit grüner Duldung und bildete dann die erste rotgrüne Regierung, die er dann vorzeitig platzen ließ. Doch nach der darauffolgenden Wahl hatten schwarzgelb eine vorübergehende Mehrheit.
So kanns gehen, wenn man sich zu sehr ins Taktieren verstrickt.
Dann kam der grundsolide Nordhesse (aus Kassel) Hans Eichel relativ erfolgreich mit rotgrün dran. Dieser wurde letztlich durch Kochs Unterschriftenkampagne gegen die „doppelte Staatsbürgerschaft“ gestürzt. („Wo kann man hier gegen die Türken unterschreiben?)
Lauter „Hessische Verhältnisse“. Die hessische CDU, in jahrzehntelanger Oppositionserfahrung zu braunsten aller Schwarzen geworden, wurde lange Zeit als „Gruppe Adel und Banken“ verspottet.
Zum Beispiel Klaus Staecks Plakatausstellung in Bonn wurde von angereisten hessischen CDU-Abgeordneten zerstört mit der Begründung, dies sei politische Pornographie.
Naja. Sie regieren nun also seit 1999 unter Roland Koch und noch bis vorerst 2014 in Hessen, dem einst-mals sozialdemokratischen Musterland, das unterdessen ganz schön runtergekommen ist.
So Ihr lieben, nun aber genug von den Hessischen Verhältnissen. Es gibt noch andere Themen auf der Welt als das. (js)
 
Dein Kommentar zum Artikel: hier

 Zum Artikelarchiv

 Zur Artikelhauptseite

 Zur LUST-Hauptseite