- 97. Print-Ausgabe, Winter-LUST 08/09
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- Das Ende des Matriarchats?
Aus dem Film über die Moso lässt
sich vermutlich ableiten, warum das Matriarchat nach einer Übergangszeit
schrittweise durch das Patriarchat abgelöst wurde, das sich
jetzt vermutlich auch in einer Übergangszeit befindet. In
die bindungslose Gleichberechtigung oder eher die gesellschaftlich
akzeptierte Beziehungsvielfalt?
Matriarchat
- Es mag durchaus sein, wie man in feministischer
Forschung lesen kann, dass in einigen Regionen der Erde matriarchalische
Völker vom patriarchalischen erobert wurden. Aber das erklärt
nicht das historische Ende des Matriarchats nahezu überall
auf der Welt.
Bei den Moso führt die Mutter beziehungsweise eine ältere
Frau die Familie, und ihre Töchter und Söhne verlassen
diese Führung und Familie ihr Leben lang nicht (Siehe
den Artikel über Beziehungsformen: Versuch und Irrtum).
Während die Frauen die ganze Familienarbeit wie auch die
Feldarbeit leisten, haben die Männer ein eher dronenhaftes
Dasein. Sie glauben selber daran, dass Männer von Natur
aus nicht so fleißig und geschickt sind wie die Frauen.
Diese Form des Lebens in den 60 Dörfern im Südwesten
Chinas wird sicher schon in einer Generation verschwunden sein,
wenn nicht früher.
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- Übergangszeit
Historisch gesehen bereitet aber wahrscheinlich die wirtschaftlich-technische
Weiterentwicklung der Gesellschaften den Boden dafür, dass
z.B. die Frau, die ihre Machtbasis in der Familie hat, nicht
mehr alles kontrollieren kann.
Durch zunehmende Arbeitsteilung, die aus der Notwendigkeit kommt,
anders zu produzieren, entstehen Bereiche, die von einer Familen-frau
nicht mehr bis ins Letzte bewältigt, durchschaut und kontrolliert
werden kann.
Das führt dazu, dass sich auch außerhalb der Familie,
allerdings anders geartete, Machtzentren entwickeln, die der
Kontrolle der traditionellen Familienmutter dann schrittweise
einfach entwachsen.
Das kann auch in einigen Regionen durch die Jagd geschehen sein,
wie in der feministischen Forschung vermutet wird. Die Jagdgesellschaften
waren nach dieser Auffassung aber von der Familie abhängig,
denn das Jagdglück war ihnen nicht immer hold, während
der von den Frauen bebaute Acker immer noch die Grundlage der
Ernährung darstellte.
Doch die Tierzucht wäre dann ein Bereich der jagenden Männer
gewesen, die ebenfalls für die Ernährung sorgen konnten
und vom launischen Jagdglück unabhängiger wurden.
Auch die Viehzuchtprodukte sind nicht notwendigerweise die Machtbasis
der Familienmutter. Und durch Viehzucht konnte auch der Acker
anders bebaut werden.
Die Bebauung des Ackers mit dem Pflug wie auch die größere
Mobilität mittels dressierter Tiere kann ein Teil dieser
Gesellschaftsformationen gewesen sein, die sich außerhalb
der Familienkontrolle entwickelten.
Wie immer dies auch war, in den Wirtschaftsbereichen, die sich
außerhalb der Kontrolle der Familienfrau entwickelten,
konnten auch Männer schrittweise in dominante Rollen geraten.
Auch war die Arbeit nicht mehr alleine Sache der Familienfrau.
Schrittweise wurden auch Männer für Arbeiten herangezogen.
Die patriarchalische 3-Generationen-Familie ist die Familienform
der Agrargesellschaft mit Ackerbau und Viehzucht.
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- Patriarchat
Im Grunde ist das Matriarchat nicht ganz verschwunden, sondern
wurde auf die Familie begrenzt, während sich außerhalb
andere Strukturen bildeten.
Die patriarchalische Familie zeigt den Übergang auf, nämlich
den, wo Männer das Außen (Gesellschaft) das Innen
(Familie) zunehmend beeinflussen und kontrollieren konnte. Und
innerhalb dieser Familie hatte die Frau immer noch die dominante
Rolle, sie konnte die Macht des Mannes dort unterlaufen.
Mit der sexuellen Freizügigkeit für die Frau ist es
erst einmal schluss. Da nun der Vater den Hof an den ältesten
Sohn vererbt, muss ja klar sein, dass sein Sohn auch sein Sohn
ist. Die Sexualmoral (Verbot des Fremdgehens) und die daraus
resultierende Doppelmoral erklärt sich aus den Interessen
des Mannes. Doch die Frau wird zunehmend zur Hüterin der
Moral in der Familie. Ihre Fessel macht sie auch zu seiner Fessel,
jedoch kann er sich durchaus anderer Frauen bedienen, weil er
ja über den internen Machtstrukturen der Frau schwebt, zumindest
meistens, und das zum (wirtschaftlichen) Schaden der Frau und
ihrer Kinder.
In der Drei-Generationen-Familie patriarchalischer Prägung
heiratete die Frau in die Herkunftsfamilie des Mannes ein. Und
so entsteht für die Frau ein Konflikt mit der Stiefmutter,
der Mutter des Mannes, die ihrerseits die Unterwerfung der jungen
Frau erwartet.
Durch den Zuzug vom Migrantenfamilien aus agrarischen Regionen
zerfällt deren 3-Generationen-Familie problematisch in einer
oder zwei Generationen auch zur Kleinfamilie des Industriezeitalters,
was bei uns eine Entwicklung vieler Generationen war.
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- Übergangszeit
Das Verschwinden der patriarchalischen Drei-Generationen-Familie
durch die Industrialisierung nahm schrittweise dem Mann und der
Frau die Macht, die Frau hat über die Kindererziehung in
der Familie nur mehr zunehmend weniger Macht beziehungsweise
Einfluss, denn die Kinder gehen in die Schule und der Mann ist
auf der Arbeit.
Allerdings, nun bekommt es der Mann auch mit der Mutter der Frau
zu tun, die als beste Freundin der Frau von außen in die
Familie hineinregiert. Und die Schwiegermutter ist nun auch für
den Mann zum Problem geworden. Und die Seitensprünge der
Männer werden von den Frauen, die von seinem Gehalt partizipieren,
nicht mehr hingenommen. Die Moralrolle der Frau wird dadurch
gestärkt, weil ihr wirtschaftliches Eigenintersse das Fremdgehen
mit der Gefahr durch uneheliche Kinder als Bedrohung ihres Lebensstandarts
ansieht.
Durch die zunehmender Berufstätigkeit der Frau vermischen
sich die Strukturen und es ist zunehmend die Hausarbeit bzw.
die Familienarbeit nicht mehr nur noch Sache der Frau, wie das
Geldverdienen zunehmend nicht mehr Sache des Mannes ist.
Nur in wohlhabenden konservativen Familien kann man es sich noch
leisten, die Mutter für die Kinder zuhause zu lassen und
gegen Kindergärten und auch die Schule mit einer eigenen
Moralerziehung anzukämpfen.
Dies ändert für den großen Teil der Bevölkerung
nicht viel, doch macht diese konservative Haltung vergangener
Familienformen es die modernen Familien nicht leicht, zurechtzukommen,
wenn die Infrastruktur für die moderneren Familien nicht
zur Verfügung gestellt wird.
Frauen haben den Familienbereich nicht ganz aufgegeben sowie
die Rolle der Moralwächterin auch nicht, weil dadurch Einfluss
genommen werden kann.
Innerhalb der modernen Familien ist Matriarchat oder Patriarchat
jedoch immer weniger zu spüren, es sei denn, dass versucht
wird, dies von außen noch für eine gewisse Zeit zwanghaft
aufrecht zu erhalten, zum Beispiel seitens der verschiedenen
Religionsverkünder.
Die Kleinfamilie, zeitweilig mit Kindern, lässt aber längerfristig
keine eindeutige Machtstellung mehr zu, und sie ist auch nicht
das Ende der Entwicklung. Der Singel-Haushalt in den Städten
gibt dem Außen, der Gesellschaft, zunehmend die Macht über
die Individuen, da Kindekrippen anstelle der engen Mutterrolle
die Frauen für die Wirtschaft befreien.
Sozialversicherungen, von Gesetzgebern in bestimmte Formen strukturiert,
übernehmen zunehmend die Bereiche, für die früher
Familienmitglieder herangezogen wurden.
Die heute vielfach zu beobachtende Zerschlagung sozialer und
gesellschaftlicher Strukturen zugunsten privater Konzerne führ
nicht zur Wiederherstellung der patriarchalischen 3-Genrationen-Familie
und auch nicht zur matriarchalischen Macht der Mutter über
die Herkunftsfamilie in weiblicher Linie und die Herrschaft
(Frauschaft?) der Frau auch über die familienferne Wirtschaft.
Was als wird sich aus der Kleinfamilie entwickeln? Eine Wahlfamilie
die sich von der Herkunftsfamilie völlig löst, wie
wir das in den Jahren der 68er Revolte dachten? Oder wird der
vereinzelte Mensch das Ziel der immer noch marktwirtschaftlich
strukturierten Gesellschaft sein?
Auf jeden Fall befinden wir uns in einer Übergangszeit,
wenn wir auch nicht wissen können, wohin. Aber das wussten
die Menschen in früheren Übergangszeiten auch nicht.
(js)
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