- 97. Print-Ausgabe, Winter-LUST 08/09
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- Lust und Schmerz
Das Gefühl des Schmerzes und das
Gefühl der Lust haben ihre Überlappungszonen. Ist in
jeder Lust auch Schmerz vorhanden? Über den Schmerz in der
Lust und die Lust am Schmerz.
Die Lust am Schmerzen Zufügen und die Lust, Schmerzen zu
Erleben einerseits und die Lust am Demütigung und sich demütigen
zu lassen, sind nicht identisch. Wohl aber gibt es im sexuellen
Leben von Menschen Übergänge zwischen diesen Bereichen.
Aber diese Übergänge müssen nicht notwendig existieren,
denn es gibt auch viele AnhängerInnen der einen Sache, die
den anderen Bereich nichts abgewinnen können.
Dass ein Mensch gerne in der Sexualität zusätzliche
Schmerzen zur Luststeigerung erleben möchte und ein anderer
Mensch es als lustvoll empfindet, dosierte Schmerzen zu dessen
Luststeigerung auszuteilen, das ist die eine Geschichte.
Jemanden sexuell dominieren zu wollen oder sich ihm sexuell völlig
hinzugeben, hat nicht unbedingt etwas mit dem lustvoll Schmerzen
zufügen Wollen beziehungsweise lustvoll Schmerz erleben
Wollen, zu tun.
1. Sich unterwerfen und Dominanz in der sexuellen Lust
Sich einem geliebten Menschen unterwerfen zu wollen, sich ihm
völlig hingeben zu wollen, das kommt häufiger vor,
als allgemein angenommen wird.
Im Grunde wurde immer von Frauen erwartet, dass sie im Unterwerfen
unter die männliche Sexualität ihre eigentliche Lust
erkennen, und es gibt viele Frauen, die sich daran halten und
einige, die daran Gefallen finden. Oft wird dies auch noch durch
die Rückenlage der Frau bei der sogenannten Missionars-Stellung
äußerlich demonstriert.
Zwar gibt es auch Männer, die sich gerne ihren Frauen unterwerfen
wollen, und es gibt auch Frauen, die ihren Mann sehr gerne sexuell
dominieren wollen. Es gibt das gleiche in lesbischen und schwulen
Sexverbindungen.
Ich bin allerdings als 68er mit dem Ethos sozialisiert worden,
dass es in der Beziehung und in der sexuellen Lust kein Oben
und kein Unten gibt, und bei meinen sexuellen Erlebnissen mit
Frauen, die ich vor meinem Coming-out hatte, habe ich mich auch
immer brav daran gehalten.
Das Coming-out-Lied von Rio Reiser (Ton-Steine-Scherben) Weißt
Du jetzt, was Du tun willst? Weißt Du jetzt, wer Du bist?
In bin nicht unter Dir, ich bin nicht über Dir, ich bin
neben Dir wurde damals von linken Frauen nicht verstanden
und abgelehnt, etwa mit folgender Begründung, dass er ein
Macker sei, der eine Frau erst zum Sex erwecken wolle und dann
die Egalität vorgibt. Unser Einwand, dass es um ein schwules
Coming-out gehe, wurde nicht akzeptiert, dazu gefielen ihnen
die Lieder der Scherben zu gut und daher war Rio einer von ihnen
und nicht von den anderen, den Schwulen.
Als ich dann einmal einen Mann kennen lernte, der sich mir sexuell
derart unterwarf, wie ich es vorher noch nicht erlebt hatte,
lebte ich das Gefühl der sexuellen Dominanz doch sehr genussvoll
aus.
Er wollte es ja so haben, genoss es sichtlich. Hier ging es ja
außerdem auch nicht um die sexuelle Unterdrückung
der Frau, und als Mann von Frauen und von Männern wusste
ich ja nun selber, dass man auch aus der so genannten hingebungsvollen
Position heraus durchaus dominieren kann.
Zwischenmenschlich, also in Beziehungsfragen, unterwarf sich
mir mein so sehr hingebungsvoller Sexpartner nicht, und es ging
auch zwischen uns beim wie oben beschriebenen Sex in keiner Weise
um Scherz oder Gewalt.
Die Lust an der sexuellen Führung beziehungsweise der sexuellen
Dominanz, diese Lust gibt es vom Mann gegenüber der Frau,
vom Mann gegenüber dem Mann, von der Frau gegenüber
der Frau wie eben auch von der Frau gegenüber dem Mann.
Und ebenfalls die Lust, sich sexuell führen zu lassen, sich
sozusagen auszuliefern, die gibt es von der Frau gegenüber
dem Mann und von der Frau gegenüber einer Frau wie eben
auch von einem Mann gegenüber einem Mann und einem Mann
gegenüber einer Frau.
Was früher als festgelegtes weibliches unterwürfiges
Verhalten definiert wurde und im Gegensatz als männliches
dominantes stand, das stellt sich nun also als Variation menschlichen
sexuellen Verhaltens heraus, das in der Sexualität in Wirklichkeit
nichts mit den Geschlechtsrollen zu tun hat. Das wussten die
Lesben und Schwulen in ihren Sexspielen schon lange.
Es anders zu sehen, würde bedeuten, man glaubt noch an die
biologische Festlegung des Verhaltens der Geschlechter, eine
Auffassung, die getrost als überholt anzusehen ist.
Nun ist aber nicht gesagt, dass der hingebungsvolle Partner auch
der unterlegene ist, oder der eher dominante Sexpartner
auch wirklich dominiert. Denn der hingebungs-volle Partner übergibt
die Verantwortung für sein Wohlergehen ganz bewusst dem
anderen. Beziehungsweise die Partnerin der anderen, wie auch
immer.
In seiner Hingabe nötigte mich mein damaliger devoter Partner
nämlich in Wirklichkeit, in seinem Sinne und nach seinen
Bedürfnissen zu handeln: es ihm durch mich gut gehen zu
lassen. Und das tat er in gespielter Hilflosigkeit, die dem dominanten
Partner an seine Eitelkeit appelliert, auch dies mit Bravour
zu können.
Die härtere Arbeit leistet beim Sex unter solchen
Bedingungen der sogenannte Dominante, der gleichzeitig das Gegenteil
behaupten muss, um nicht aus der Rolle zu fallen. Er muss im
Gegenteil den hingebungsvollen Partner wegen dessen Opferrolle
noch besonders zuvorkommend behandeln.
Nun ist das aber nicht so, dass der dominante Partner altruistisch,
also selbstlos handelt, das gibt er nur als vollendeter Kavalier
vor. Und für jeden angeblichen Altruismus wird er auch durch
Freundlichkeit belohnt. Er hat die Belohnung der bestätigten
Rolle und zumeist auch der sexuellen Erfüllung. Dieses Spiel
sieht nur obeflächlich so aus, als ob ein Partner dominiert
und der andere, die damalige Primadonna meines Bettes also, sich
hingibt. Dennoch, wenn beide es so als angenehm oder erträglich
empfinden, dann ist auch beiden geholfen und sie haben ihren
Spaß daran.
Von diesem Spiel gibt es auch noch eine verstärkende Variante,
nämlich wenn es ein Sexpartner liebt, mit den demütigensten
Wörtern beschimpft und behandelt zu werden. Dies war immer
etwas, was ich ablehnte. Weder wollte ich bschimpft werden, dann
waren alle sexuellen Gefühle weg, noch wollte ich den Partner
beschimpfen, wenn ich doch das Gegenteil ihm gegenüber empfand.
Tragisch würde es, wenn der unterwürfige und der dominante
Part irgendwann glauben, dies alles sei ernst. Und das ist für
beide tragisch, auch dann, wenn einer der Partner diese Rolle
nicht ernst nimmt.
Tragisch ist es auch für den Dominanten, auch wenn er das
nicht weiß, wenn die Verhältnisse in der Gesellschaft
so sind, dass tatsächlich ein Geschlecht dem anderen so
vollkommen unterworfen ist und sich darin einzurichten gelernt
hat. Also wenn daraus folgend ein Geschlecht in allen Lebensbereichen
dominieren und alles verantworten muss: im Arbeitsleben, im Gelderwerb
für die Familie, in der Familie, im Bett, wenn der dominante
Part also immer unter Strom steht und immer dafür in die
Pflicht genommen wird, dass alles für alle gut und zufriedenstellend
läuft, dann muss der für alles Verantwortliche ja mindestens
10 Jahre früher sterben als der andere, oder 20 Jahre. Wenn
es aber lediglich um die sexuellen Vorlieben geht, dann sind
es vielleicht nur 2 Jahre.
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- 2. Lust am Schmerz
Das eigentliche Thema in diesem Referat geht um den Schmerz als
Verstärker des vorhandenen Lust-empfindens. Ist denn generell
in der Lust auch Schmerz enthalten?
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- 2.1 Zusammnhänge
Zwei Zusammenhänge lassen mich glauben, dass dies auch tatsächlich
der Fall ist, dass also Schmerz ein wesentlicher Teil des Lustemp-findens
ist. Diese beiden Zusammenhänge möchte ich hier kurz
erläutern:
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- 2.1.1. Passiv sein, das heißt leidend
sein?
Einer meiner passiven Sexpartner sagte mir, nachdem er nun zum
ersten Mal in seinem Leben gebumst wurde: Ja, es hat mir
auch wehge-tan, aber ich kann Dir nicht sagen, wo das Schmerzgefühl
und das Lustgefühl voneinander abzugrenzen wären.
ist passiver Sex immer eine Kombination mit Schmerzen?
Also wenn ich mich passiv versucht hatte, überzeugte mich
das Schmerz-gefühl, wodurch alle Lustgefühle sofort
in mir ausgelöscht wurden, dass dies dann doch einfach nicht
mein Fall ist.
Ja, ich weiß, ich war da wohl nicht genügend entspannt.
Das bin ich dort aber noch nie. Nun ja, es muss auch Aktive geben.
Und wenn ich mitbekomme, dass es Sexpartner gibt, die von mir
erwarten, dass ich mich auf den Rücken legen soll, und sie
springen so richtig auf meinen Schwanz, können sich gar
nicht schnell genug und akrobatisch genug auf mir bewegen, dann
meine ich, dass bei ihnen entweder das Schmerzempfinden dort
grundsätzlich nachgelassen hat, so dass ein Lustempfinden
sich entfalten kann, oder dass die Verstärkung dieses Schmerzes
beziehungsweise dieses speziellen Gefühles die eigentliche
Lust ausmacht.
Diese Vermutung erhärtet sich in meinen Gedanken auch, wenn
ich mir die Gummiteile in den speziellen Pornoläden ansehe.
Es scheint wohl um Dehnung und Reibung zu gehen. Und die Reibung,
das ist ja wohl auch das Wesen des aktiven Parts in diesem Spiel.
Und da gibt es Reibungen, die einfach zu viel sind, besonders
wenn die Eichel durch den Orgasmus sehr sensibel geworden ist.
Dennoch gibt es aktive Männer, die es sehr geil finden,
nun keine Pause zu machen, sondern noch eins draufsetzen wollen,
oder einen.
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- 2.1.2. Männer
Herline Koelbl, eine Männer-Akt-Fotografin, hat 1985 den
Fotobildband mit ihren Arbeiten unter dem Titel Männer
in die Öffentlichkeit gebracht, in dem der Mann in verschiedenen
Posen beziehungsweise Teile von ihm in schwarzweiß künstlerisch
abgebildet sind.

Unter aderem finde ich Portraits von zwei Männern in Form
von zwei Billderreihen. Hier hat die Künstlerin das Gesicht
dieser beiden Männer während eines männlichen
Orgasmus (von oben) fotografiert. Ich beschreibe hier mal:
1. In der ersten Bildferreiche sehe ich das Gesicht eines bärtigen
jungen Mannes (25 Jahre?) auf einem Kopfkissen.
Im ersten Bild sehe ich ihn eher aufmerksam und nicht gerade
unzufrieden.
Das zweiten Bild widerspiegelt Gefühl und zugelassene beziehungsweise
nicht kontrollierte Sensibilität.
Im dritten Bild wird aus diesem sensiblen Gesicht ein eher schmerzempfindendes
Gesicht, indem gleichzeitig auch irgendwie Genuss zu sehen sein
könnte.
Im vierten Bild ist das ganze Gesicht zu einer sehr großen
Schmerz empfindendes Gesicht zusammengekrampft.
Das fünfte Bild wirkt wie das Luftholen nach dem Tauchen.
Das sechste Bild drückt so etwas wie Entspannung oder Genesung
aus.
2. In der zweiten Bildreihe ist ein glattrasiertes Gesicht (vielleicht
so 23 Jahre?) zu sehen.
Im ersten Bild leicht ironisch, vielleicht gar zynisch wirkend.
Im zweiten Bild ist die Ironie weg, es wirkt wie ein erfreutes
Wahrnehmen von Gefühl.
Das Gesicht in dritten Bild: Die Augenbrauen zusammengezogen,
die Lippen zugekniffen, es sieht aus wie unmittelbar nach einer
Ohrfeige.
Im vierten Bild ist aus der Ohrfeige heftiger Zahnschmerz geworden.
Im fünften Bild die Augen noch schmerzhaft verzogen, der
Mund wie nach einem Schrei offen.
Im sechsten Bild ermattet und entspannt.
Der Orgasmus scheint auch teiweise eine schmerzhafte Sache zu
sein, das erzählen mit diese Bilder.
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- 2.2. Lust mit Schmerz
Ich verschweige aber nicht, dass in unserer Gruppe beim Gespräch
über diesen Zusammenhang einige Gesprächspartner die
Aussagekraft Koelbels Bilder anzeifelten, freilich, ohne sie
sich genauer anzusehen. Sie meinten, Gestöhne, Gesichtszüge
und Gehabe beim Organsmus seien davon abhängig, in welchem
zwischenmenschlichen Umfeld man sich diesen Habitus beim Orgasmus
angewöhnt habe. Ist dies ein Argument oder nur die typisch
männliche Abwehr gegen die als Schwäche empfundene
Orgasmus-Schmerz-Unterstellung, nach dem Motto: Ein Indianer
kennt keinen Schmerz, auch nicht beim Orgasmus? Ich werte
diese Reaktion so, denn niemand sieht ja sein Gesicht während
seines Orgasmus, und die Augen der fotografierten Männer
sind zu, als wollten sie die Kamera vergessen. Und wenn beim
ersten Mann im ersten Bild und beim zweiten Mann die Augen im
letzten Bild zwar auf waren, scheint ihr Blick doch eher ins
Leere zu gehen.
Wenn das so ist, dass Schmerz ein Teil unserer Lust ist, Lässt
sich dann durch das bewusste Hinzufügen von Schmerz die
Lust steigern?
Dies ist sicher nicht so im gleichen Maße bei allen Menschen.
Ich selber werde bei mir zugefügtem Schmerz immer sofort
absolut lustlos. Ich gehöre wohl zu den Leuten, die Sex
mehr mit Zärtlichkeit verknüpfen, bis auf die relativ
kurze Phase unmittelbar vor der hektischer werdenden Steigerung
zum entspannenden Orgasmus, die sich aus der Zärtlichkeit
vorübergehend unkontrolliert herauswindet.
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- 3. Der Erzeugte Lustschmerz
Beim erzeugten Lustschmerz werden typischerweise nur bestimmte
Arten von Schmerz und diese auch nur in bestimmten sexuellen
Zusammenhängen als lustvoll empfunden. Dieselben Personen
empfinden diese und andere Arten von Schmerzen außerhalb
solcher Zusammenhänge genauso unangenehm wie jeder Mensch.
Diejenigen Personen, die Lustschmerz empfinden können, lassen
sich in zwei Gruppen unterteilen:
1. Personen, die in der Lage sind, ihnen zugefügte Schmerzen
in einem sexuellen Kontext in eine lustvolle Empfindung zu transformieren.
Dabei spielen möglicherweise Endorphine eine Rolle, die
der Körper bei Schmerzen ausschüttet. Dies kann bis
zu einem tranceartigen Rauschzustand führen, der Subspace
genannt wird.
2. Personen, die die Vorstellung als stimulierend empfinden,
dass ihr Partner die Macht hat, ihnen Schmerzen zuzufügen,
und sie selbst hilflos sind. Der eigentliche Schmerz wird nicht
als lustvoll empfunden, aber die entsprechende ihn umgebende
Situation.
Bei der schmerzliebenden Gruppe sinkt das Schmerzempfinden im
Idealfall während der Schmerzstimulation immer mehr, häufig
in Form von kontrollierten Schlägen, und das Lustempfinden
steigt, so dass die selben Reize, die sonst als schmerzhaft und
unangenehm empfunden würden, in diesem Moment als luststeigernd
erfahren werden.
Meist dauert es eine gewisse Zeit, bis eine ausreichend starke
Ekstase eintritt, in der dann die Schmerzempfindungsschwelle
immer weiter fällt. In dieser Aufbauphase ist es wichtig,
leicht und langsam zu beginnen und den Reiz nicht zu schnell
zu steigern. Ansonsten kann es passieren, dass die Schmerzschwelle
wieder steigt und jeder weitere Reiz nur noch als unangenehm
empfunden wird.
Dies kann vermieden werden, wenn die Partner miteinander vertraut
sind, ein gutes Einfühlungsvermögen besitzen und gut
auf die Reaktionen besonders des Partners achten, dem der Lustschmerz
zugefügt wird. Neben der nonverbalen Kommunikation gibt
es Sicherheitswörter oder Handzeichen, die es dem Schmerzgenießenden
ermöglichen, seine Bedürfnisse zu artikulieren, ohne
die Spielsituation zu stören oder ganz aufzulösen.
Entscheidend für das Empfinden von Lustschmerz ist zum einen
die individuelle Spielsituation, in der der Schmerz zugefügt
und erfahren wird, zum anderen die Art des Schmerzreizes. Während
es etliche exotische und trotz ihrer Ungefährlichkeit
an Foltermethoden erinnernde Spielarten zum Zufügen erotisierbarer
Schmerzen gibt (zum Beispiel mit (Wäsche-)Klammern oder
flüssigem Wachs), ist der Klassiker nach wie
vor die Züchtigung mit der Hand oder einem der vielen geeigneten
Schlagwerkzeuge.
Welche Praktik mit welchem Werkzeug den lustbesetzten Schmerzreiz
auslöst, bleibt der persönlichen Vorliebe der Beteiligten
überlassen (wobei auch fetischartige Besetzungen des Züchtigungswerkzeugs
mit ins Spiel kommen können). Das klassische
Spektrum reicht von so unterschiedliche Instrumenten wie Gerten,
Peitschen, dem Rohrstock, flüssigem Wachs, Eiswürfeln,
Wartenbergrädern (Stachelrädern) bis hin zum Gebrauch
der bloßen Handfläche. Das Setzen von Klammern ist
ebenfalls eine verbreitete Praxis.
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- 4. Das lustvolle Erfahren von Schmerz
Erfahrene SM-Partner beschreiben hier das, was sie in einer solchen
Situationen erleben:
Ich bin nicht devot, mag es aber mich fesseln und reizen
zu lassen, möglichst lange den Orgasmus hinauszuzögern.
Dabei genieße ich es auch schmerzen zu ertragen.
Das Maß des Lustschmerzes hängt von verschiedenen
Faktoren ab: Tagesform, Beziehung zum dominanten
Partner, Art der Schmerzzufügung usw. Peitschen usw. bringen
mir nichts als Schmerz; Klammern und Wachs hingegen den gewünschten
Lustschmerz. Die Gefahr einer Überreizung besteht dabei,
da muss der Mitspieler ein wenig achtsam sein.
Ich bin auch wenig devot, mag aber besonders den Schmerz:
Klammern, Wachs und auch Schläge. Es kommt auch drauf an,
dies lange zu vollziehen. Wichtig ist neben der Verfassung vor
allem der Rhythmus, nicht einmal die Stärke, die im Lauf
der Zeit völlig irrelevant wird.
Wir wollen das demnächst mal etwas Anderes ausprobieren.
Eigentlich sind die Rollen bei uns klar verteilt, ich genieße
den Schmerz, er fügt ihn mir gekonnt zu. Aber mich reizt
schon mal, die andere Seite etwas auszuprobieren und mein Partner
denkt, er empfindet es als erregend, mal nicht eingreifen zu
können, sondern auch mal aushalten zu müssen.
Es gibt also einerseits klassische passive Schmerzliebhaber sowie
aktive Schmerzzufüger. Und es gibt andererseits Menschen,
die abwechseld beides mögen. Dies könnte sich als ganz
praktisch erweisen, denn da Hineinfühlen in die Rolle des
anderen könnte danach besser gelingen.
Und während dieser für die Beteiligten lustvollen Beschäftigung
ist es der Einfühlbarkeit der jeweiligen Partner geschuldet,
ob ausreichender Genuss empfunden wird.
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- 5. Unverständnis
Ich habe oben schon geschrieben, dass dies nicht mein Weg ist,
sexuelle Lust zu empfinden. Dennoch halte ich es für sinnvoll
und wichtig, auch Themen möglichst sachlich für mich
aufzuarbeiten beziehungsweise den LeserInnen darzustellen, die
selber sexuell andere Wege gehen beziehungsweise ihnen Unverständliches
mitsamt den Menschen, die dies praktizieren, ablehnen. Eine solche
Haltung des Unverständnisses kann ich deshalb nicht akzeptieren,
weil sie mir doch sehr selbstgerecht erscheint.
Während der Vorbereitung dieses Artikels wurden mir Geschichten
von der Lust, Folter anzuwenden und gefoltert zu werden erzählt,
die bis hin zum Kanibalismus gehen würden.
Oder von Menschen die das Atmen unterbinden würden, weil
dies eine größere körperliche Lust hervorrufen
würde, bis hin zum gewünschten Tod durch Ersticken.
Solche Praktiken und auch Vorstellungen sind mir selber tatsächlich
derart unverständlich, dass ich sie tutiefst ablehne und
sie aus diesem Referat einerseits ausklamern möchte und
andererseits hinter solchen Erzählungen an mich schon die
Absicht bemerke, mein Beschäftigen mit dem Thema Lustschmerz
in eine solche aus meiner Sicht völlig abwegige Ecke stellen
zu wollen. Aber diese Methode der Diffamierung eines Themas kennt
man ja auch aus der Diskussion anderer Themen.
Ich selber lehne diese mir berichteten Exzesse ab. Aus meiner
Sicht haben sie auch nichts mit dem hier behandelten Thema zu
tun. Ich erkenne aber hinter diesen Erzählungen folgenden
Zusammenhang: Man hat manchmal im Leben den Eindruck, man müsse
hier aufhören, weiter darüber nachzudenken, weil man
sich fürchtet, dadurch ein Gefäß aufzumachen,
das man dann nicht mehr verschließen kann. Im Comung-out
kommen vielen Menschen solche Gedanken. Und ich meine dazu, dass
es in diesem Moment wohl schon zu spät ist, die Gedanken
zurückzunehmen, sie haben sich schon entfaltet.
Eine andere Besorgnis ist diese, dass man anderen Menschen unterstellt,
sie könnten einen Schritt zu weit gehen und dann nicht mehr
zurück. Das ist nicht immer nur Dünkel. Es kann sich
nämlich tatsächlich um Erlebnisse und Erfahrungen mit
anderen Menschen handeln, deren tragischen Werdegang man so wertet,
also dahinter diese Ursachen sieht.
Um einerseits des Themas und den Tatsachen gerecht zu werden
und andererseit solche Befürchtungen, ist es wichtig, genau
zu differenzieren.
Der Zusammenhang zwischen dem Lustschmerz und dem bewussten Verstärken
dieses Reizes erschließt sich nicht jedem Menschen.
Bewusstes Lust erzeugendes Schmerz Zufügen mag ich selber
weder aktiv noch passiv. Aber ich halte es für die betreffenden
Menschen, die darin einen Lustgewinn empfinden, für durchaus
legitim und auch für berechtigt, dass sie ihre sexuelle
Lust durch das bewusste Hinzufügen von dosierten Schmerzen
einfühlsam verstärken zu wollen. (js)
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