97. Print-Ausbgabe, Winter-LUST 08/09
 
Zur angeblichen linken Mehrheit im hessischen Landtag
„Die SPD ist keine eigenständige Kraft mehr“
Das meinte Albrecht Müller in der KONKRET Juli 08, der am Institut für internationale Wirtschaftsbeziehungen an der Uni München arbeitete und 1972 als Leiter der Abteilung Öffentlichkeitsarbeit beim SPD Bundesvorstand den Wahlkampf für Willy Brandts organisierte. Von 1973 bis 1982 leitete er die Planungsabteilung des Bundeskanzleramtes unter den Kanzlern Brandt und Schmidt. Heute betreibt er im Internet die „www.nachdenkseiten.de“.

Aber nicht über Albrecht Müller wollen wir hier schreiben, sondern über den Vorgang im hessischen Landtag, in dem eine „linke Mehrheit“ gegen Koch nicht organisiert werden konnte, weil vier SozialdemokratInnen diese „linke Mehrheit“ zunichte machten.

In dem o.a. Artikel, es ist eher ein Interview, erklärt der Sozialdemokrat, wie Wirtschaftsverbände über führende SPD-Mitglieder, die auf ihren Lohnlisten stehen, wie die Wirtschaftskonzerne ihre Interessen in die SPD tragen, was doch sonst nur bei den Unionsparteien und der FDP, gelegentlich auch noch der NPD und den Reps bekannt ist.

In einer Antwort auf diesen Beitrag, einen Monat später, veröffentlicht Georg Fülbert Zahlen über die offenen Partei-Spenden an die Bundes-tagsparteien vor der Bundestagswahl 2005, es folgen in Klammern die Beträge, die die Parteien von „juristischen Personen“ erhielten, also von Konzernen: CDU und CSU erhielten zusammen 18.181.832 Euro (14.541.913 Eu-ro), die FDP 4.964.524 Euro (3.377.717 Euro), die SPD 3.990.666 Euro (3.562.410 Euro), Die Grünen 1.413.299 Euro (770.819 Euro), Linkspartei 64.264 Euro (0 Euro). (Deutscher Bundestag, 16. Wahlperiode, Drucksache 16/5090, 23.04.2007).

Die Linkspartei ist also den Konzernen keine Euro wert, und überhaupt ist sie an allem schuld, glaubt man den Medien. Ihr wirklicher Fehler: sie haben tatsächlich Positionen, die es früher im linken Flügel der SPD gab und die deshalb auch damals schon an allem schuld waren.

Nun sind diese Summen oben die offenen und bekannten steuerabzugsberechtigten Parteispenden an die Bundesparteien, nicht die Landsparteien. Es fehlen zahlreiche Beraterverträge, die Zahlungen für Vorstandsposten an Abgeordnete, und die Beschäftigung und Finanzierung von Anwaltsbüros, und die Anwählte sind Abgeordnete usw.

Das Gerücht, dass das Gewissen der 4 SPD-Abgeordneten (das sie ganz spontan - nach 8 Monaten gemeinsamer Arbeit - ein paar Stunden vor der Wahl einer SPD-Ministerpräsidentin) überkam, dass dieses Gewissen also an der Stelle sitze, wo andere Leute ihre Brieftasche haben, das greift schon zu kurz.
 
 Die vier SPD-Abweichler
Wikipedia weiß:
Dagmar Metzger wuchs in West-Berlin auf und studierte nach Abitur und einer Banklehre Rechtswissenschaften. Sie ist Justiziarin der Stadt- und Kreis-Sparkasse Darmstadt. Metzger ist in ihrer Funktion als Stadtverordnete Darmstadts außerdem Mitglied des Aufsichtsrats der HEAG Süd-hessische Energie AG (HSE).

Jürgen Walter machte 1987 sein Abitur am Gymnasium Gernsheim, folgend studierte er Rechtswissenschaften an der Universität Mannheim und der Johann Wolfgang Goethe-Universität Frankfurt am Main. Nach dem Abschluss des Studiums 1996 arbeitete er als Rechtsanwalt, ab 1997 in eigener Kanzlei in Gernsheim. Seit 2008 ist er mit der ehemaligen CDU-Pressesprecherin Esther Petry verheiratet.

Carmen Everts studierte nach dem Abitur am Gymnasium Gernsheim 1987 Rechtswissen-schaften und Politikwissenschaft mit dem Abschluss Magister an der Universität Mannheim 1994. 1999 promovierte sie an der TU Chemnitz bei Eckhard Jesse mit einer Arbeit, in der sie „politischen Extremismus am Beispiel der Parteien REP und PDS“ analysierte. 1995 bis 1999 war sie Mitarbeiterin der Firma Nike, 1999 bis 2003 Grundsatzre-ferentin des SPD-Landesver-bandes. Seit 2003 war sie Wissenschaftliche Referentin der SPD-Fraktion im Hessischen Landtag.

Silke Tesch Nach einer Ausbildung zur Erzieherin von 1975 bis 1978 und einer anschließenden Ausbildung zur Industriekauffrau erfolgte 1980 die Gründung eines eigenen Familienbetriebs im Handwerk und von 2000 bis 2003 Assistenz in der Geschäftsleitung eines Industriebetriebes.
 
Wer die heutige LINKE demagogisch mit den Republikanern gleich stellt, kann nicht an linker Politik interessiert sein, also an einem Ende des Sozialabbaus, sondern hat andere politische Interessen.

Es ist unwahrscheinlich, dass die SPD im Januarin Hessen in der Lage sein könnte, eine Anti-Koch-Regierung zu organisieren.

Warum sollte man sie also nun wählen?

Ganz so einfacht ist das denn doch nicht, wenn man sich die Kurzbiografien mal genauer ansieht. Es geht tatsächlich um sachlich-inhaltliche Differenzen innerhalb der SPD. Der Streit um die Linie dieser Partei ist noch nicht ausgestanden, trotz oder gerade wegen des neuen Bundesvorstandes. Es gibt hier nämlich den Kampf zweier Linien. Und Beck, selbst kein Linker, der eine Vermittlung dazwi-schen zugunsten der Geschlossenheit versuchte, wurde ja weggeputscht, und zwar vom rechten Flügel.

Sicher, ihre Landtagsmandate haben die vier AbweichlerInnen überwiegend dem linken Walkampf der Frau Ypsilanti zu verdanken, durch den die SPD nahezu die gleiche Stim-menanzahl erhielt wie die CDU und durch den die Chance sichtbar wurde, Koch abzulösen und eine modernere Schulpolitik, Energiepolitik, Sozialpolitik gestalten zu können.

Doch eine solche Politik wollten sie verhindern, obwohl 94% der SPD-Delegierten dafür stimmten. Die Abgeordneten der LINKEN sind ihnen übrigens überwiegend aus gemeinsamen Tagen in der SPD bekannt, als der rechte Flügel, der SPD auch in Hessen dominant war, mit Hartz 4 und anderen entsprechenden Gesetzen der CDU zuarbeitete.

Damals hatten sie mitangesehen, wie viele linke Sozialdemokraten in ihrer Partei keine Politikmög-lichkeit mehr sahen und die WASG Hessen gründeten, die jetzt die LINKE Hessen ist.

Sie haben wie Frau Ypsilanti auch die vergeblichen Bemühungen miterlebt, eine Ampel zustande zu bringen und die Ohrfeigen durch den hessischen FDP-Vorsitzenden Jörg-Uwe Hahn miterlebt, die SPD und Frau Ypsilanti sollten sich nicht derart anschleimen. Man wolle kein nützlicher Idiot für eine linke Politik sein.

Stattdessen sollten dann die Grünen nach Hahns und Kochs Vorstellung die nützlichen Idioten für eine rechte Politik unter Koch sein. Ypsilantis Zusage, nicht mit der Partei der abtrünnigen linken SPD, den LINKEN, zusammenzuarbeiten, war schon von Anfang an unsinnig, denn nur mit deren Stimmen zeigte sich eine Lösung aus Kochs Politik. Sie zeigt sich nun nicht mehr, weil es Sozialdemokraten gibt, die gar keine linke Politik wollen.

In der SPD sei man undemokraisch, weil man deren Meinungsfreiheit nicht achte? Wie ist das denn mit Mehrheitsbeschlüssen? Muss sich die unterlegene Minderheit denn nicht auch daran halten? Diese Abgeordneten haben den größten möglichen Schaden für die SPD verursacht und bekommen dafür viel Lob, besonders von Kochs CDU. Es ging übrigens ja gar nicht um eine Koalition, sondern nur um eine Duldung.

Alle Medien scheinen sich nun auf Frau Ypsilanti einzuschießen, die angeblich an allem Schuld haben soll. An was? An Kochs rassistischen Wahlkampf, den die WahlerInnen aber damit abstraften, dass viele CDU-Wähler nun die FDP wählten oder gar nicht wählen gingen. An linken Forderungen, die zusammen mit den Grünen und der LINKEn eine Mehrheit fanden? Müssen denn SPD-ler eine CDU-Politik vetreten, um nicht irgendwie „schuld“ zu sein? Ihr eigentlicher Fehler war, ein Bündnis mit der Linksparte vor der Wahl ausgeschlossen zu haben.

Warum sollte jemand im Januar die SPD wählen wollen?
Die linken SPD-WählerInnen, die mit der alten/neuen Schröder-SPD nichts mehr am Hut haben, wählten daals und wählen nun die LINKE. Andere linke SPD-Wähler, die eine Hoffnung sahen, Koch loszuwerden, wissen nun nicht, ob sie nicht doch solche Leute ins Amt bringen, die eher den neoliberalen Schröder-Kurs mitmachen.

Wo sollen nun die Stimmen für die SPD herkommen?
Ein Bündnis gegen Kochs Politik ist wohl dadurch nicht erreichbar. Es ist nicht sicher, ob den demnächst gewählten SPD-Abgeordneten Kochs Politik fürsch limmer erscheint als das mögliche Bündnis mit den konkurrierenden Sozialdemokraten ind der Linkspartei.
Für rotgrün wird es unter den gegebenen Umständen nicht reichen, reichte es ja vor einem Jahr auch nicht, und ebensowenig wird die FDP zu einer Ampel bereit sein.

Koch wird auf jeden Fall gewinnen, Alleine, mit gelb oder Jamaika. Wie die Lage nun ist, gibt es für die Union keine bessere Möglichkeit, als immer wieder neu wählen zu lassen, bis sich das hessische Volk ins Unvermeidliche ergibt: Noch mal 5 Jahre Koch, mit all dem, was wir schon kennen und sicher noch mehr.
 
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