96. Print-LUST, Herbst 08
 
Der Mann, der verunsicherte
Der Mann sei durch die Frauenbewegung und die 68er verunsichert. Starke Frauen würden den Mann aus seinen angestammten Bereichen verdrängen. Was ist da dran und was ist daran falsch?
 
Die Problemstellung
„Vor 50 Jahren trat in der Bundesrepublik das Gleichberechtigungsgesetz in Kraft. Die Emanzipation von Männern und Frauen erweist sich als eines der größten Gesellschaftsexperimente der deutschen Geschichte - mit immensen Folgen für beide Geschlechter. Und wir stecken mittendrin.“ Der SPIEGEL, 23.06.08 mit dem Titel „Was vom Mann noch übrig ist“ im Leitartikel „halbe Männer ganze Frauen“ S. 42

In diesem Einführungszitat ist die ganze Problemstellung aufgezeigt, und sie erweist sich für uns als ein Problem der heterosexuellen Männer, die von einem Rollenbild ausgehen, das in konservativen Zusammenhängen ausgebrütet wurde, und als „die Natur des Mannes“ ausgegeben wurde. Sie scheinen darunter zu leiden, dass Frauen nun alles können und dürfen.

Alleine der Begriff „Gesellschaftsexperiment“ in diesem Einführungssatz sagt schon aus, aus welcher Sicht in diesem Spiegel-Artikel das Thema angegangen wird. Ein Experiment? Wessen denn? Das liest sich wie die Großzügigkeit des Mannes, dessen angestammtes Naturrecht es sei, großzügig etwas zuzulassen oder es nicht zuzulassen.

Bestimmt ist der Emanzipation der Frau in der Gesellschaft kein Produkt des Gleichheitsgrundsatzes im deutschen Grundgesetz. Gesetzliche Grundrechte helfen nur beim Absichern von erreichten Zielen, sie helfen aber nicht beim Verwirklichen dieser Grundrechte. Diese Auffassung, dass formulierte Gesetze etwas bewegen statt zu versuchen etwas festzuschreiben ist, genau genommen, sogar recht peinlich.

Seit der Erklärung der Menschenrechte, die nicht auf Männerrechte beschränkt sind, sollte doch klar sein, dass die Unterdrückung von Menschen auf Grund ihres vorgefundenen Geschlechts ebenso zu bekämpfen ist, wie die Unterdrückung aufgrund der Hautfarbe oder anderer Merkmale des Menschen, die Differenzierungen ermöglichen.

In besagtem SPIEGEL-Artikel lesen wir, nachdem der gesellschaftliche Fortschritt der Frauen beschrieben wurde:
„Dazu kam und kommt, dass Frauen sich bei ihren Erwartungen an den Mann durchaus nicht konsequent verhalten: Sie fordern den Partner auf Augenhöhe, der den Abwasch macht, die Kinder wickelt und vielleicht auch noch die Kunst des Vorspiels beherrscht, folgen aber bei der Beziehungssuche häufig einem „archaischen Beuteschema“, wie der Münchner Paartherapeut Stefan Woinoff es nennt: Gesucht wird weiterhin der Versorger, sprich: ‘ein statusüberlegener Mann’, der beruflich erfolgreicher ist und mehr Geld nach hause bringt als die Frau. ‘Natürlich müssen die Männer lernen, neue Rollen zu akzeptieren, ohne die Angst, dass ihre Männlichkeit darunter leidet’, sagt Woindorf. ‘Aber die Sichtweise vieler Frauen schürt ja diese Angst.’ Sein Fazit: ‘Solange Frauen im Privaten eher einen im Status überlegen Mann suchen, wird sich gesellschaftlich nicht viel ändern.’ Diesen überlegenen Status ...“

Soweit der Spiegel. Belegt wird das von einer Umfrage zur Arbeitsteilung, wonach nur 44% der Frauen für das Modell sind, das sowohl die Erwerbsarbeit wie auch die Familienarbeit gleichberechtigt aufteilt, aber 54% der Männer.

Das Modell, bei dem der Mann vollzeit arbeitet, die Frau sich um Haushalt und die Kinder kümmert, jedoch in teilzeit zuarbeitet, wird von weiteren 37% der Frauen bevorzugt und nur von 23% der Männer.

Und auch bei dem Modell der Vollzeitarbeit für den Mann und der Berufslosigkeit der Frau dominieren Frauen, wenn auch wenig, mit 14% vor dem Mann mit 13%.

Man könnte anhand der Zahlen nun annehmen, dass Männer die Emanzipation besser gelernt hätten als Frauen.

In Wirklichkeit geht es den Frauen in unserer Gesellschaft um die Wahrung von persönlichen Vorteilen für Frauen. Und die durch emma repräsentierte Emanzipationsbewegung der Frauen macht Druck in die Richtung auf die Führungspositionen, in denen noch bei weitem nicht genügend Frauen seien. Nun ist der Konkurrenzkampf um Plätze in der Führung in Wirtschaft und Politik sehr hart.
 
Warum sollte denn eine Frau auf einen besseren Status verzichten, wenn es ihr möglich ist, ihn zu erheiraten?

Der Emanzipationsbewegung geht es nicht mehr um die Gleichstellung. Es geht auch nicht mehr um Schwarzers Forderung damalige nach der Wehrpflicht für Frauen in den kämpfenden Einheiten. Damals gab es einen entrüsteten Aufschrei auch der Frauen, die plötzlich nicht mehr aus der 2. Reihe heraus ihr Männer zum Wehrdienst antrieben, sondern plötzliche waren sie Pazifistinnen, und dass sie bisher nicht zum Wehrdienst mussten, war plötzlich die erste Hälfte des Pazifismus, dem nur noch die zweite Hälfte folgen müsste. Und die Forderung nach mehr Plätzen in den niedrigen schlecht bezahlten und gefährlichen Berufen, wo auch weit mehr Männer arbeiten als Frauen?

Außerdem, Erwerbsarbeit ist generell schwerer und stressreicher als zum Beispiel die weitgehend selbstbestimmte Familienarbeit. Kein Wunder also, dass sich Männer eben auch damit arrangieren können.

Im Spiegel geht es so weiter:
„Diesen überlegenen Status (den Frauen von Männern erwarten) erreichen viele Männer ohnehin nicht mehr. Auch bei ihnen wird die bruchlose Erwerbsbiographie immer seltener. ‘Da Männer immer noch fest in der traditionellen Männerrolle stecken’, sagt der Männerforscher Hollstein, ‘kommen sie mit diesen Verwerfungen deutlich schlechter klar als Frauen.’ Eine Flucht in Alkoholismus und Drogenkonsum kann die Folge sein. Heute könnte der Mann ‘nicht mehr auf die Gesellschaft zählen’, sagt der Züricher Psychoanalytiker Markus Fäh. ‘Der Mann ist bedroht, weil er ständig in Frage gestellt wird. Ich sehe das in meiner Praxis, das Elend ist enorm. Der Mann ist als Täter akzeptiert, aber nicht als Opfer. Psychologisch gesehen ist der Mann das schwache Geschlecht’.“

Dass der Mann nicht als Opfer akzeptiert ist, lässt sich auch an dem Umgang von Frauen, auch von feministischen Frauen mit schwulen Männern erkennen.
 
Besonders krass wurde dies mit der Kampagne gegen das Mahnmal in Berlin gemacht. Dort wurde wahrheitswidrig die von den Schwulen verdrängte Verfolgung der Lesben beklagt. Es ist richtig, dass sich in den verschiedenen Opfergruppen der Nazis auch viele Lesben und Schwule befanden. Aber es gab die ausschließlich wegen ihrer Homosexualität nach dem § 175 RStGB (der nur homosexuelle Männer betraf) verurteilen und in Konzentrationslager verbrachten Männer mit dem Rosa Winkel. Dieser Männer zu gedenken, sollte verwehrt werden.

Auch in der Bundesrepublik galt dieser Paragraph weiter und viele Männer verloren ihre bürgerliche Existenz, viele begingen Selbstmord usw. Auch dieser Männer zu gedenken wurde besonders von feministischen Frauen in der Lesbenszene verhindert.

Es ist schon richtig, dass Männer, die auch Opfer sind (bisweilen auch mal von Frauen), dem Mythos entgegenstehen, dass immer und ausschließlich die Frauen generell Opfer der Männer sind.

Eine Frau, nach eigenen Angaben bisexuell, kam in unsere Gruppe und erwartete von uns, anzuerkennen, dass Frauen grundsätzlich von Männern unterdrückt würden, weil hier ja das Patriarchat herrsche.

Mein Einwand, solche Urteile könne man nicht pauschal fällen, das müsse doch an den einzelnen Begebenheiten nachgewiesen werden, befriedigte sie nicht.

Die Thesen der ROSA LÜSTE, dass die Begriffe Weiblichkeit und Männlichkeit hinterfragt werden müssen, fand sie nicht richtig, weil sie nichts unterstützen wolle, was sie in ihren Möglichkeiten beschränken würde. Dass dies aber elementar für Lesben und Schwule sei und übrigens auch in der feministischen Bewegung, die derzeit die Dekonstruktion als Ziel habe, beeindruckte sie dabei nicht.

Unsere gegenwärtige Politik sieht dabei in dieser Frage so aus, dass wir ein als übertrieben angesehenes weibliches Verhalten, wenn es Männer an den Tag legen, auch bei Frauen als übertrieben ansehen, also tuntige Frauen ebenso als bizarr ansehen wie das sogenannte Macho-Verhalten bei Männern, das, wenn es von Frauen gezeigt wird, ebenfalls in der Gesellschaft als übertrieben empfunden wird.
Das alles mochte sie nicht, die bisexuelle Feministin, die in ihren Möglichkeiten nicht eingeschränkt werden möchte.

Und so akzeptierte sie auch überhaupt nicht, dass in bestimmten Situationen eher Männer die Opfer sind als die Frauen, zum Beispiel bei der Verfolgung Homosexueller unter den Nazis. Und sie berief sich dabei auf die Polemiken der emma. Ich finde, das passt alles gut zusammen.

Frauen wissen, dass ihnen die Emanzipationsbewegung auch persönlich mehr Möglichkeiten gibt. Sie wollen aber alte „Sicherheiten“ behalten.

Anders ausgedrückt: es ist tatsächlich der Fall, dass der heutige Vulgär-Feminismus, den besonders die Zeitschrift emma verkörpert, sich unabhängig von Analysen und wissenschaftlichen Denkansätzen am reinen persönlichen und wirtschaftlichen Nützlichkeitsdenken orientiert und nicht an der Emanzipation. Das sei den Frauen diesen Schlages durchaus gegönnt, aber das muss in seiner Tragweite und in seinen Konsequenzen erst gesellschaftlich begriffen werden.

Macho-Problem
Männer geben nicht gerne zu, wenn sie zu Opfern werden, denn das gefährdet ihre Rolle.

Als alltagstauglicher Held, erfolgreicher Kämpfer um die kleinen und großen Schwierigkeit im Leben zu erscheinen, lässt das Eingeständnis der Versagens nicht zu. Und Opfer zu werden ist wie ein Versagen.
 

 Denkansätze in der Geschlechtsrollen-Theorie
In der Frauenbewegung der 68er Revolte und der Nach68er dominierte die Egalitätstheorie, die eine Gleichbehandlung von Frauen und Männer einforderte, denn das war ja weder gesetzlich noch sozial und gesellschaftlich durchgesetzt bzw. gegeben.

In den 80er Jahren tauchte in der Frauenbewegung zunehmend die sogenannte Differenztheorie auf. Die Geschlechter seien in Wirklichkeit sehr unterschiedlich, und das vorrangig in biologischer, daher auch in psychologischer und daraus folgend auch in sozialer Hinsicht. Die Forderungen wurden darauf abgestellt, Frauen anders und zwar bevorzugter zu behandeln als Männer.

Ausgelöst von der neuen Gender-Forschung in den 90er Jahren, die im Grunde nichts anderes war als die Analyse der Geschlechtsrollen der 68er Bewegungen, verstärkt auch durch die „Queer-Theory“ (Homosexualitätsforschung und die Intersexualitätsforschung) tauchte nun ein neuer Denkansatz auf, der allgemein „Dekonstruktion“ genannt wurde und wird. Das „Geschlecht“ wurde infrage gestellt und zunehmend als ein bipolares gesellschaftliches Konstrukt erkannt.



Der Mann weiß, dass sich seine Mutter, seine Schwester und seine Freundin so wie die Mutter und Schwester seiner Freundin auf ihn verlassen. Daher gibt es viele kleine und große Handreichungen usw., die er natürlich für selbstverständlich hält und die ihm auch als Selbstverständlichkeiten signalisiert werden. Und er ist stolz, dass er das alles selbstverständlich hinbekommt.

Er lässt sich nicht anmerken, wenn er dabei körperlich, psychisch oder finanziell leidet, denn er ist ja ein starker Mann. Sich als Opfer oder ausgenommen zu fühlen, passt nicht in die Macho-Rolle.

Er weiß auch, dass er ohne dieses Verhalten bei Frauen nicht unbedingt ankommt. Er gehört in die Gruppe der Machos, weil er auf diese Weise das Rollenverhalten der unselbständigen und schwachen Frau bestätigt.

Macht er das alles nicht, erwartet er von Frauen auch all das, was sie von ihm erwarten, gilt er bei ihnen als Macho.

Es gibt auch sehr viele schwule Männer, die dem „schwachen Geschlecht“ auf diese Weise hilfreich sind (Türe aufhalten, den Stuhl hinrücken, gegen andere Männer verteidigen, den Mantel hinhalten usw.). Solche Männer egal ob hetero- oder homosexuell, werden von Frauen nicht als „Macho“ bezeichnet.
 
 Die Begriffe Weiblichkeit und Männlichkeit sind ein bipolares gesellschaftliches Konstrukt und müssen daher hinterfragt werden, wie alle gesellschaftlichen Produkte.
Unsere gegenwärtige Politik der Dekonstruktion sieht daher in dieser Frage so aus, dass wir ein bei Männern als übertrieben angesehens weibliches Verhalten auch bei Frauen als übertrieben ansehen, also tuntige Frauen ebenso als bizarr ansehen wie das sogenannte Macho-Verhalten bei Männern, das, wenn es von Frauen gezeigt wird, ebenfalls in der Gesellschaft als Gesellschaft als übertrieben empfunden wird.

In orientalischen MigrantInnenfamilien ist diese Rollentrennung noch schärfer gezogen. Und der neue Spielraum, den sich Frauen der reichen Industriestatten erstritten haben, ist von den Frauen dort noch nicht erstritten und von den Männern noch immer nicht akzeptiert. Das bedeutet, das hier ein echtes Patriarchat vorherrscht: Trotz der Gesetzgebung der Gleichheit der Geschlechter setzen Männer, oft mit Gewalt, das aus anderen Zeiten stammende hierarchische Rollenmuster durch und Frauen verteidigen dies trotz schlechter Erfahrungen gegenüber Kritikern, weil hier Fragen des Nationalismus, der kulturellen Traditionen hinzukommen, die oft noch religiös gerechtfertigt werden. Das ähnelt den sexistischen Argumenten in unserer Geschichte, nachdem es angeborene Geschlechtrollen geben würde.

Der Mann als „Beschützer und Ernährer“ hat in unserer Tradition solche ideologische biologisti-sche Wurzeln, in diesem Fall sexistische, und der Wegvon dort ist nicht weit, für diese vorbestimmten Rollenaufgaben auch wieder die entsprechenden Gesetze zu schaffen, die ein solches Rollenverhalten erzwingt.

Daraus lässt sich ableiten, dass das Geschlechtsrollenverhalten nicht alleine infrage gestellt werden kann, wenn frau/man vorankommen möchte. Dies hat mehr Aussicht auf Erfolg, wenn auch nationalistische, religiöse, traditionalistisch-kulturelle und wirtschaftlich-soziale „Selbstverständlichkeiten“ nicht nur hinterfragt, sondern auch massenhaft kritisiert und bekämpft werden. Wären traditionalistisch-kulturelle Gebräuche etwas derart Verteidigungswertes, gäbe es keinen gesellschaftlichen Fortschritt, weil in ihnen das jeweilige traditionelle gesellschaftliche Oben und Unten mit integriert und verewigt ist.
 
Weibchen-Problem
„Brave Mädchen kommen in den Himmel, böse Mädchen kommen überall hin.“ Mit diesem Satz wurde die Erziehung zum zarten sensiblen Mädchen, zur intuitiven Frau statt des logisch denkenden Mannes entlarvt, und diese Entlarvung ist bei den Frauen angekommen.

Dadurch erschlossen sich ihnen neue Möglichkeiten, die bis dato den Männern vorbehalten waren. Das Problem, Männer die sich die Sensibilität, die Zartheit, Schüchternheit usw. erarbeiten wollten, wurden von Frauen und Männern gleichermaßen als unmännlich verlacht und kritisiert.

Dass Frauen sensible Männer kritisieren, hat etwas damit zu tun, dass sie den Mann nicht aus der Verantwortung für ihr Wohlergehen entlassen möchten. Und so bestärken sie die Macho-Rolle durch das fortgesetzte Inszenieren von Weiblichkeit, von Demuts- Hingabegebärden und von der Inszenierung der eigenen Schutzwürdigkeit.

Das schmeichelt den derart angesprochenen Mann dann auch und schon ist er in der Macho-Falle.

Verweigern er aber nun die höfliche Beschützerrolle, lässt er der Beschützten nicht den Vortritt, dann kann er aber was erleben. Andere Männer sind schnell erbötig, ihm Anstand beizubringen. Ist das nicht der Fall: Im Gegensatz zu früher ist das „Weibchen“ zu einem Mittel zum Zweck geworden, da eben den Frauen andere Mittel zum Durchsetzen ihrer Interessen ebenfalls zur Verfügung stehen.
Nur die Frau, die das wirkliche Weibchen ist, statt es zu spielen, die diesen Mechanismus noch nicht durchschaut hat, seht genauso blöd da wie der real machtlos gewordene Macho, auch wenn er es noch nicht weiß.

Aber gerade dieses Weibchen-Spielen, das ist der Faktor, der die nächste Stufe der Emanzipation behindert.

Die Frau, die sich durch eine Heirat gesellschaftlich besser stellt, steht bestenfalls in der zweiten Reihe und nicht in der ersten.
Doch in der ersten Reihe ist es auch vielen Frauen zu zugig. Sie treiben lieber ihre Männer an, an dessen Erfolg sie partizipieren wollen. Dann aber dürfen sie nicht die Männer dafür beschimpfen, dass so wenig Frauen in der ersten Reihe stehen.
 
Unsere Rolle dabei
Wir Lesben und Schwulen könnten uns vielleicht beruhigt zurücklehnen, das sich im wesentlichen zwischen heterosexuellen Männern und Frauen abspielt, sich auch zwischen bisexuell Lebenden, denn da schlagen die heteosexuellen Macht- und Be-ziehungsspiele stärker durch.

In unseren Beziehungen müssen solchen Dinge nicht durchschlagen, es sei denn, wir kopieren die heterosexuellen Beziehungsstrukturen.
Daher ist es für und besonders herabsetzend, wenn wir von Heten gefragt werden: Wer ist eigentlich bei Euch der Mann?
Die sollten lieber endlich ihren Geschlechterkampf lösen, statt in unsere gleichgeschlechtlichen Strukturen diese Auseinadersetzungen hinein-zuinterpretiren.

Schließlich aber sind in unsere Gesellschaft Beziehungen bzw. Ehen“ oder „Partnerschaften“ auch Wirt-schaftseinrichtungen, sie werden jedenfalls so staatlicherseits betrachtet. Verwandte aber auch Zusamenlebende müssen sich gegenseitig wirtschaftlich unterhalten, und diese Unterhaltsverpflichtungen gehen bis hin zur ruinösen Selbstaufgabe, denn selbst wenn wir wirtschaftlich keine Almosenempfänger sind, kann uns passieren, dass nahe Verwandte, die uns oftmals wegen unserer Homosexualität gar nicht leiden konnten, dass die aus irgendeinem Grund selber zu Sozialhilfempfängern wurden oder gar Pflegefälle wurden und wir dann unsere eigenen Rentenrücklagen dafür ausgeben müssen oder selber zu Sozialfällen werden. Auch mit unseren LebenspartnerIn-nen kann es uns so gehen.

Es ist schon einer Zumutung, dass für uns die sozialschädliche „Homoehe“ eingerichtet wurde, damit wir weitgehend unbehelligt in Partnerschaften leben können, obwohl die Ehe ja gerade das Schlachtfeld des Geschlechterkampfes ist, auch wenn sie immer glorifiziert wird.

All diese sich angeblich von selbst verstehenden Strukturen des zwischenmenschlichen Zusammenlebens nutzen dem einen und schadendem anderen der beteiligten Menschen und dienen der Vorteilsnahme des einen durch den anderen. Sie sind somit nicht in irgendeiner Form „wertneutral“.

Beziehungen sind nicht nur schlicht der Ort der glücklichen und in dieser Form gesellschaftlich angesehenen Sexualität, wie es den Anschein hat.

Sie sind Formen des mehr oder weniger erträglichen Zusammenlebens, auch wenn Sexualität darin gar keine Rolle (mehr) spielt, Formen von Macht und Ohnmacht und insofern eben ein Spiegelbild der ganzen Gesellschaft.

Und wir versuchen, sie zu einer Erholung von den Grausamkeiten der Gesellschaft zu machen. Ob das gut gehen kann?
Damit wir nicht zu lächerlichen Zerrbildern der heterosexuellen Auseinandersetzungen werden, sind für uns folgende Essentials unabdingbar, die gerade jetzt für uns bedeutend sind.
 
Unsere Essentials:
1. Es muss das Recht jedes mündigen Menschen sein, sich den oder die PartnerInnen zu suchen, die er begehrt, selbstverständlich sofern die entsprechenden begehrten Menschen dies auch wollen.
2. Es muss das Recht jedes mündigen Menschen sein, den oder die PartnerInnen abzulehnen, die er nicht mag, auch wenn irgend welche Menschen dies anders wollen.
3. Es muss das Recht aller Menschen in frei eingegangenen Lebensgemeinschaften sein, so zusammenzuleben, wie jeder von ihnen es will und wie und so lange jeder der Beteiligten dies selbst für gut und erbaulich hält. Nicht alles muss man hier teilen und nichts versteht sich von alleine oder durch Ableitung einer religiösen usw. Auffassung.
Gegenseitige Bevormundung ist kein Beweis für Liebe. Auch in dieser Frage versteht sich nichts von selbst. Nichts ist vorgegeben. Außenstehende haben sich da mit ihren Vorstellungen nicht einzumischen, sofern nicht ein Eingreifen aus anderen Gründen nötig wäre, zum Beispiel bei Gewalt und Unterdrückung.
4. Es muss das Recht jedes mündigen Menschen in oder außerhalb einer Lebens- oder Liebesgemein-schaft sein, frei zu entscheiden, ob, wann, wie lange und mit wem er geistige oder körperliche Kontakte pflegt, da der Wille jedes erwachsenen Menschen zu respektieren ist.
Niemand muss etwas gegen seinen Willen machen und niemand muss gegen seinen Willen auf etwas verzichten.
Kinder sind in Lebensgemeinschaften kein Freiwild oder Besitz und deshalb besonders vor Gewalt, Unterdrückung, sexuellen Übergriffen und auch vor ungewollten Zärtlich-keitsbelästigungen wie z.B. den Tantenkuss zu schützen.
5. Wir sind untereinander in eigenen Reihen keine Feinde oder Gegner, auch wenn wir in Einzelfragen unterschiedliche Interessen haben, sondern mögliche PartnerInnen, zumindest aber Menschen, die das Leben der anderen nachvollziehen wollen oder können und deshalb verteidigen.
Wir unterstützen uns deshalb gegenseitig bei den Versuchen, das Lebensglück zu finden, auch wenn uns dieser spezielle Weg persönlich nicht liegen würde beziehungsweise z. B. die sexuelle Besonderheit uns fremd ist.
Wir sind gegenseitig keine Spießer sondern großzügig, denn wir haben alle genug Liebe und Sexualität in uns.

Um diese für uns so lebenswichtigen Lebens- und Liebensrechte überall verständlich machen zu können, müssen wir uns überall, wo wir leben, für den entsprechenden Freiraum einsetzen und gegen folgende Bestrebungen, Personen oder Organisationen Stellung beziehen:
1. Personen und Organisationen, die uns vorschreiben wollen, welche Form des Zusammenlebens und des Liebens gut und welche schlecht sei, versuchen uns zu entmündigen. Es ist aber unser Leben, um das es uns geht. Das trifft auch für Religionsgemeinschaften und politische Organisationen zu.
2. Personen und Organisationen, die uns dafür sündig nennen, dass wir lieben, wen wir lieben, und dass wir sexuell tun, was uns Lust bereitet, beleidigen uns und können nicht von uns anerkannt oder unterstützt werden.
3. Personen und Organisationen, die Menschen nach unterschiedlichen Merkmalen oder Gesichtspunkten in bevorrechtigt und benachteiligt einteilen wollen, diskriminieren ganze Menschengruppen, was wir nicht dulden können, auch wenn es nicht um uns, sondern um andere Gruppen von Menschen geht.
4. Personen und Organisationen, die sich dadurch Vorteile verschaffen wollen, dass sie andere Menschen traurig machen, demütigen, ihnen ihr Lebensglück verweigern wollen, ihnen keine Chancen lassen wollen, sind von uns zu bekämpfen, denn wir haben es auch durch unser eigenes Verhalten selbst mit in der Hand, ob jemand glücklich oder traurig ist.
5. Personen oder Organisationen, die dann bedeutungslos werden oder untergehen, wenn sie nicht demütigen, Angst erzeugen oder unterdrücken, sollen bedeutungslos werden oder untergehen. (js)
 
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