96. Print-LUST, Herbst 08
 
Über die Besonderheit von Einparteienstaaten
... am Beispiel existierender oder vergangener Staaten wie China, Bayern, DDR und anderen.
Und dabei sind das alles gar keine Einparteienstaaten, nach eigener Erklärung. Das spielt aber gar keine Rolle, wenn die Einwohner es so empfinden und dies vom (natürlich über alle Zweifel erhabenen und deshalb neutralen) Ausland auch so gesehen wird. Die Machtverhältnisse sind klar, die Merkmale sind im übrigen aber überall die gleichen.
 
1. Volkskammer, Volkskongress, Maximilianeum, Parlament, Sowjet, Duma ect.
Hier werden Reden von wichtigen Leuten gehalten, die Räte, Deputierten, Delegierten oder Abgeordneten klatschen danach entweder höflich oder enthusiastisch, je nachdem, wie wichtig dieser Redner ist. Die Reden werden meist nur verlesen und wurden von anderen geschrieben, wobei die Gesichtspunkte, die die Redenschreiber zu berücksichtigen haben, mit der Außenwirkung zu tun haben beziehungsweise auf das Leben außerhalb dieser hohen Einrichtungen abgestellt sind, denn es gibt tatsächlich auch noch ein Leben jenseits dieser ganzen Einrichtungen, über die wir hier sprechen.
 
2. Die Regierung
Die wird in einem engen Kreis Vertrauter ein- oder abgesetzt, wobei so genannte Seilschaften innerhalb der einen Partei eine wichtige Rolle spielen. Die unter Punkt 1 beschriebene Einrichtung hat dabei die Aufgabe, dies von vorne und hinten, oben und unten zu loben und danach durch Handzeichen oder Applaus gutzuheißen. Dabei ist man mit großem Ernst bei der Sache, damit das alles auch glaubhaft rüberkommt.
 
3. Die Gewaltenteilung
In alle Gremien der Gewaltenteilung ziehen Schritt für Schritt Anhänger dieser einen Partei ein, die sich gegenüber der unter 2 genannten Einrichtung (Regierung) loyal verhalten, sofern sie nicht eine Chance sehen, selber in den Kreis der Regierung aufzusteigen. In letzterem Fall und wenn sie über eigene stärkere Seilschaften verfügen, verhalten sie sich der Regierung und der Partei gegenüber loyal, der sie alles verdanken, den dort sitzenden austauschbaren Personen gegenüber aber nicht. Der Feind wird offiziell immer außerhalb verortet, meist jenseits der wie immer gezogenen Grenze, kommt aber regelmäßig aus nächster Nähe. Dabei wird der Öffentlichkeit ein innerer Feind präsentiert, der gar nichts damit zu tun hat und sich deshalb auch nicht wehren kann, der aber zufällig in der Nähe ist oder war. Dieser fühlt sich dabei bedeutend.

4. Charisma
Alle Parteianhänger bemühen sich nun, überall wo die Möglichkeit dafür haben, zu sorgen, dass die regierenden Personen als etwas Besonderes, Außergewöhnliches und ungemein Wichtiges angesehen wird, und dass dies auch in den selbstverständlich freien unparteiischen Medien durch handverlesene Journalisten so rüberkommt. Medien, die sich nicht danach richten, werden als unfreie und parteiische Medien gekennzeichnet und entweder wirtschaftlich oder politisch oder beides ausgeschaltet oder unbedeutend gemacht.
 
5. Infrastruktur
In alle wichtigen Schaltstellen der Gesellschaft ziehen ungestört die Anhänger der gleichen einen Partei ein, die sich dabei des Schutzes von Partei und Regierung gewiss sind. Sowohl Verwaltung, Gerichte und Staatsanwälte, Polizei usw. helfen ihnen in ihren Bestrebungen. Korrupte und/oder machtgeile Menschen, Lobbyisten aus Wirtschaft und In-teressensverbänden, Karrieristen, ausbeuterische Elemente usw. treten unter solchen Bedingungen dieser Partei bei, um bei dem gleichen Schutz der Partei ihre Interessen und Machenschaften entfalten zu können. Dies ist für viele Menschen unerträglich und spätestens hier entsteht eine entschlossene Opposition.
 
6. Die Opposition
Die gibt es natürlich, denn sonst wäre das ja keine Demokratie. Doch die sind entweder ohnehin nur Spinner, Demagogen, Chaoten, Dissidenten usw, und daher unbedeutend und lächerlich, oder gefährliche Verbrecher, die mit Recht aus dem Verkehr gezogen gehören, weil sie da große Ganze nicht überschauen (können). Würden sie es überschauen, dann wären sie nicht in der Opposition sondern in der Partei. Je weniger die Opposition innerhalb des Landes wichtige Veränderungen durchführen kann, um so empfänglicher wird sie für Hilfe von außen.
 
7. Das Ende
Die Bevölkerung folgt ab einen bestimmten Zeitpunkt den Machenschaften dieser Partei nicht mehr, ist daher anfällig für verlogene Propaganda von außen, die auch nicht selbstlos ist, und machen sich so bei ihrer „Befreiung“ von der Selbstherrlichkeit und Korruption der Partei zu nützlichen Idioten der Interessen anderer. Wichtige Errungenschaften der einen Partei werden unnütz, weil nun andere die Bevölkerung nach ihren Interessen lenken.
 
8. Verschobenes Ende
Wenn die innere Opposition zunehmend von außen interessensgesteuert ist, kann die eine Partei so darauf reagieren, dass sie die Interessen der Oppositionsunterstützer von außen im Inneren fördert. So werden diese zu Parteimitgliedern.
Dadurch besteht für die auswärtigen Oppositionsunterstützer die Möglichkeit, in der einen Partei einen mächtigen Flügel zu bilden, indem sie einige Interessen der tatsächlichen Opposition nutzen, sich innerhalb der Partei stark zu machen. Es kann auch zu einer so großen Spaltung in zwei Flügel kommen, dass sie organistaorisch auseinander fallen. In diesem Fall entsteht ein formales Zweiparteiensystem oder ein noch mehr zersplittertes Zweilagersystem, das in Wirklichkeit doch nur ein Einparteiensystem darstellt, da die beiden konkurrierenden Parteien nur zwei Seiten des gleichen Einparteiensystems repräsentieren. Die oppositionellen Menschen haben so scheinbar die Wahl, sich für die einen oder anderen Köpfe zu entscheiden, die jedoch die gleichen Interessen vertreten.
 
9. Änderung bzw. Reformen
Um eine Machtergreifung der Opposition zu verhindern, was bei Einparteiensystemen mit einer Systemänderung einhergehen würde, müssen in Einparteiensystemen Strukturen der Kontrolle und Korruptionsaufklärung geschaffen werden.
Dies geht aber nicht mit einem von der einen Partei kontrollierten Gremium, sondern durch einen guten systemimmanenten Gegensatz. Und da man in all diesen Systemen in einer selbsterklärten Demokratie lebt, liegt es doch nahe, diese Kontrolle von unten, von den betroffenen Menschen durchführen zu lassen, während eine neutrale und nicht parteigebundene Schiedskommission mit weitreichenden Befugnissen die Entscheidung fällt, ob die Partei oder das Volk recht hat. (Karla)
 
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