92. Print-Ausgabe, Herbst-LUST 07
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Religiöse Kritik an den Religionsfundamentalisten
Überall wo Menschen sind, gibt es auch Menschen mit homosexueller Identität und homosexueller Lebenspraxis, manche jedoch unter Schuldgefühlen.
 
Nun gibt es auch religiös erzogene Menschen, die an sich wahrnehmen, dass sie offensichtlich homosexuell sind. Für sie ist das erst einmal eine Katastophe, denn fast alle Religionen verurteilen Homosexualität.

Ganz besonders perfide und unangenehm gehen damit die mesiten christliche Kirchen und die Mus-lime um. Und es gibt christliche FundamentalistInnen, die in dieser problematischen Phase des Coming-outs sie Erlösung aus dieser Selenqual anbieten, sie behaupten, sie könnten die betreffenden Christen von der Verirrung der Homosexualität „heilen“, mit oft tragischen Folgen, weil die schwierige Phase des Coming-outes so um jahre verlängert oder verzögert wird. Eine solche Organisation, die dies betreibt, schint „Wüstensturm“ zu sein.

Andere lesbischen oder schwule Menschen suchen nach Wegen, zu ihrem Coming-out zu stehen und dennoch Christen (oder Muslime usw.) zu bleiben. Eine solche Organisation ist die christlich ausgerichtete ökumenischen Gruppe HuK. Und die HuK kritiisert natürlich den Weg von „Wüstensturm“ sehr berechtigt.

Ein religionsfreier Mensch hat es natürlich einfacher als ein religiöser Mensch, denn dieser muss nun seine Religion für ihn derart gestalten, dass er viele Verurteilungen und Dogmen vertritt, aber die, die seine Homosexualität betrifft, nicht. Und er muss Gründe finden. warum die eien gelten und die anderen nicht.

Wer religiös ist, kann dies nicht einfach aufgeben, weil er eben an ein Überwesen glaubt, das die Regeln des menschlichen Lebens vorgegeben hat.

Jeder in unsere Gesellschaft hat da formal die Freiheit der eigenen Entscheidung. Das ist besser als der gesetzliche Zwang zu einer Religion.

Doch gibt es zahllose Versuche auf vielen Ebenen, aus dieser Entscheidungsfreiheit des Individuums herauszukommen und schon so früh wie möglich eine Bindung an den Glauben an ein Überwesen zu lehren, das alles regelt und bestimmt, uns auf Schritt und Tritt beobachtet und auch in unsere Betten schaut.

Das versuchen in den USA die Kreationisten, die zugunsten dises Glaubens den Kampf gegen das Lehren von Naturwissenschaften an Schulen führen, indem sie statt der Lehre von der Entwicklung der Arten ihren Schöpfungsmythos unterrichten, erst einmal parallel zur wissenschftlichen Forschung, dann ausschließlich den religiösen Mythos.

Mit ihren Vorstößen dringen die religiösen Fundamentalisten in Schlüsselpostionen vor, nehmen Einfluss auf die Debatten in wissenschaftlichen Kreisen und versuchen nach dem Prinzip der Salamitaktik, Schritt für Schritt voranzukommen.

Es ist unglaublich, aber der Zerfall der ehemals „sozialistischen Staaten“ hat eine Neues Aufblühen von religiosität und Aberglauben möglich gemacht und nun müssen wir überholte Zustände auch bei uns befürchten.
 
 HuK warnt deutlich vor „wuestenstrom e.V.“
 
Alter Wein in neuen Schläuchen
Doppeldeutige Signale nach mehreren Seiten

„Es liegt sicher in der Verantwortung eines/einer jeden Einzelnen, von Angeboten ‘Veränderung im Bereich Homosexualität’ Gebrauch zu machen oder auch nicht; wir können aber nach dem, was wir über ‘Wüstenstrom’ wissen,von einer Beratung durch diese Organisation nur abraten.“

Mit diesen Worten nimmt die Ökumenische Arbeitsgruppe Homosexuelle und Kirche (HuK) e.V. deutlich Stellung zu der Organisation „wuestenstrom e.V.“, die im Zusammenhang mit einem für Oktober 2007 in Graz geplanten Kongress
“Religiosität in Psychiatrie und Psychotherapie“ wieder ins Gerede gekommen ist.
Im Rahmen von Gesprächen mit Wortführern konservativ-evangelikaler Gruppen hatte eine HuK-Arbeitsgruppe im Oktober 2006 auch mit Wüstenstrom-Vertretern gesprochen, dabei hatten diese ihre Beratungsarbeit als „ergebnisoffen“ bezeichnet und beteuert, dass man sich von Konzepten wie „Desert Stream“ in den USA verabschiedet habe.
 
In den darauf folgenden Monaten musste jedoch festgestellt werden, dass - insbesondere in einem Leserbrief an die konservativ-christliche Zeitschrift Idea Spektrum - sich Wüstenstrom offenbar immer noch als Teil der Ex-Gay-Bewegung versteht, man charakterisiert dort Homosexuelle als “auf dem emotionalen Niveau eines Sechsjährigen oder eines Pubertierenden stehend“ und will ihnen helfen, „die Homosexualität als stabilisierendes Moment ihrer Gefühle hinter sich [zu] lassen“.

Die HuK sieht daher die neuere Sprechweise von „Veränderung“ eher als “alten Wein in neuen Schläuchen“ und hat zur Klarstellung ihre Webseite zum Thema Wüstenstrom aktualisiert: Man beschreibt die Organisation, indem man sachlich deren eigene Aussagen zitiert, zieht aber zur Klarstellung einen deutlichen Trennungsstrich, trotz der freundlichen Aussagen „liberalen“ Gesprächspartnern gegenüber.
 
HuK-Webseite zum Thema:
http://www.huk.org/aktuell/06-11-wuestenstrom.htm
Weitere HuK-Webseiten zu „Umpolung/Reparativtherapie“:
http://www.huk.org/aktuell/index.htm#umpolung
Offener Brief der befreundeten Gruppe „Zwischenraum“, mit ausführlicher Kritik am wissenschaftlich fragwürdigen Konzept von Wüstenstrom für den Grazer Kongress:
http://www.zwischenraum.net/pdf/Graz_Kongress_offener_Brief.pdf
 
Hessen auf dem Weg ins Mittelalter
Der hessische Ministerpräsident verkündete nach einer Amerikareise, dass Deutschland sich an Wisconsin ein Beispiel nehmen müsse. Seine Stellvertreterin, die Kultusministerin Wolf, will nach US-Beispiel die Wissenschaft durch die Religion infrage stellen bzw. „ergänzen“.

Koch wollte die Anzahl der Sozialhilfeempfänger halbieren, was aber, wie wir in der 76. Ausgabe der LUST (Herbst 03) nachgewiesen haben, in Deutschland nicht möglich ist, weil mehr als die Hälfte der Sozialhilfeempfänger neben ihrer kärglichen Rente und neben ihrem sehr niedrigen Lohn Sozialhilfe beziehen, beziehungsweise unter 15 Jahre alt sind, oder aus krankheits- oder Behinderungsgründen nicht arbeiten können.

Immerhin verdanken wir dieser Querverbindung zwischen Hessen und Wisconsin, dass die LUST dort von einer Uni abonniert wird.

In den USA nun sind die Evangelikalen auf dem Vormarsch, und mit ihrer Pseudowissenschaft, dem Kreationismus, wollen sie die Lehre von der biologischen Entwicklung der Arten, für die Darwin den Grundstein gelegt hat, durch den religiösen Schöpfungs-Mythos ersetzen.
Zuerst wollen sie den christlich-muslimischen Schöpfungs-Mythos als Wissenschaft anerkannt bekommen.

Da es dafür aber überhaupt keinen einzigen wissenschaftlichen Nachweis gibt, als eben die Behauptungen der Religionsverkünder, wäre das Etablieren des Schöpfungs-Mythos in einem wissenschaftlichen Fach schon der Sieg religiösen Glaubens über das wissenschaftliche Zweifeln.
Der Schöpfungs-Mythos kann keine wissenschaftliche Alternative sein, weil es für ihn überhaupt keine wissenschaftlich überprüfbare Belege gibt, nur eben den religiösen Glauben, dass es einen Schöpfer geben müsse.

Es könne sich nichts von unten nach oben entwickelt haben, es bedürfe immer der Gebote von oben. Wenn es nun einen „Gott“ geben würde, wer oder was wäre denn dann sein Schöpfer?

Naturwissenschaften sind für religiöse Menschen sicherlich schwierig zu verstehen, weil sie keine Erklärung für alles liefern, sondern jeweils nur einen Teil des Ganzen ein stückweit aufdecken.
Das wissenschafliche Denken, alles überprüfen und hinterfragen zu wollen und nicht auf eine weise Führung von oben zu vertrauen, ist für manche politischen Parteien offensichtlich zu demokratisch, besonders für die christlichen.

Nun überraschte Frau Wolf die protestierenden Wissenschaftler und Lehrerverbände mit ihrem Outing in der BILD-Zeitung, was ihre pseudowissenschaftlichen Peinlicheiten ein wenig aus den Schlagzeilen schob.

Das macht ihren fundamentalreligiösen Ansatz jedoch nicht besser, bestenfalls vielleicht unerklärlicher.

Ist ihr denn nicht klar, dass zu den Hauptfeindbildern der Evangelikalen die selbstbewusten Homosexuellen gehören?
 
Religion gegen Wissenschaft
Die Wissenschaft könne nicht wirklich erklären, wie die Welt und der Mensch entstanden sei. Sie verkünde z.B. "die unhaltbare Urknall-Theorie" sowie "die fragwürdiege Evolutions-Theorie". Daher benötige der Mensch eine plausible Erklärung über die Schöpfung als Alternative dazu im Biologierunterricht.
Solche und ähnliche Erklärungen hört man in der Szene von CDU-nahen Lesben und Schwulen, wenn sie die Machenschaften der hessischen Kultusministerin Wolf rechtfertigen wollen, die einen obskuren Mythos, die sogenannte Schöpfungsgeschichte, nicht etwa im Religionsunterricht, sondern im naturwissenschaftlichen Fach Biologie „als Alternative“ zur „Evolutions-Theorie“ lehren lassen will.

Das Vordringen der Religion, getarnt als Wissenschaft, im ureigenem Bereich der Naturwissenschaft, das ist letztlich der Sieg der Religion über die Wissenschaft, und das im 21. Jahrhundert.

Die biologische „Lehre über die Entwicklung der Arten“, von Religiösen als Evolutions-„Theorie“ diffamiert, ist durch die Genetik bestätigt. Sie ist die theoretische Grundlage von vielerlei Züchtungen im Pflanzen- und im Tierreich.
 
Was ist eigentlich der Unterschied zwischen einer Religion und einer Wissenschaft?
Religionen haben einen Wahrheitsanspruch, sie bauen damit auf den Glauben auf. In diesem Glauben, oftmals aus der Deutung von Umweltbeobachtungen entstanden, erheben sie von ihren freiwilligen oder gezwungenen AnhängerInnen den Anspruch, dass man an ihre Stell-vertreterschaft eines Überwesens glauben soll, um nicht bestraft zu werden. Man soll auch nach den religiösen Regeln leben. Hier sind die Geisteswissenschaften eine Alternative zu den Glaubens- und Verhaltensregeln der Religionen.

Da die alten Texte der Religionen auf Überlieferungen beruhen, sind dort in den Regeln die Gesellschaftsverhältnisse früherer Zeiten abgebildet. Alle Religionen haben etwas Totalitäres, da sie nur ihre Darstellung der Welt gelten lassen wollen.

Und daher werden von ihnen besonders die Naturwissenschaften als Gegner empfunden, weil durch die naturwissenschaftliche Forschung und die aus ihr stammenden Erkenntnisse viele religiöse Deutungen als überholt bzw. nicht mehr haltbar erkannt werden.

Wissenschaften arbeiten mit dem Zweifel. Sie stellen keinen Gegenglauben auf. Alles muss hinterfragt, untersucht und erforscht werden, und die daraus folgenden Erkenntnisse von gestern werden heute aufgrund modernerer Forschungsinstrumente immer wieder infrage gestellt.
Besonders die Naturwissenschaften wollen herausfinden, wie es sich entsprechend der Forschungsergebnisse verhält. Was Wissenschaften neu herausfinden ist näher an der Wahrheit als das, was früher darüber gedacht wurde.

Insofern sind die Behauptungen über die wissenschaftlichen Thesen in der Einleitung dieses Artikels Behauptungen aus religiöser Sicht, sonst nichts.

„Es ist wissenschaftlich erwiesen ...“, dieser Satz erhebt keinen Anspruch auf einen korrekten wissenschaftlich Beweis, weil im wissenschaftlichen Denken nur immer etwas vorläufig erwiesen sein kann. Alles, was erkannt ist, widerlegt frühere Annahmen. Alles kann daher durch verbesserte Methoden und modernere Geräte wissenschaftlich wieder widerlegt werden.

Früher glaubten z.B. viele Menschen, dass Licht aus Strahlen besteht, weil das im Wald so aussieht, wenn die Sonne zwischen den Blättern der Bäumen scheint.

Doch die Physiker früherer Zeiten fanden heraus, dass Licht offenbar ein Gewicht hat. Etwa ein Tausendstel Gramm wird auf einer Wage durch ca. 1 Quadratmeter Spiegelfläche angehoben, wenn die Sonne darauf scheint. Dies war mit der „Strah-lentheorie“ nicht zu erklären.

Man benötigte eine neue Arbeitsgrundlage, mit der sich die alten und die neuen Beobachtungen erklären ließen. Man erfand die „Korpuskeltheorie“, also die Theorie der kleinen fließenden Energieteilchen. Damit konnte man lange arbeiten bis man im Prisma erkannte, dass im weißen Licht alle Farben vorhanden sind. Daher kam man darauf, dass Licht Wellen sind und die unterschiedlichen Farben unterschiedliche Frequenzen haben. Mit dieser Arbeitshypothese ließ sich zum Beispiel der Laser erfinden.

Vielleicht wird von Menschen nichts Neues darüber entdeckt, weil es so ist, vielleicht auch deshalb, weil wir vorher aussterben.

Was konservative beziehungsweise religiöse Lesben und Schwule betrifft: sie tragen durch ihre konservative bzw. religiöse Propaganda und ihr politisches Handeln dazu bei, dass die Grundlagen unserer Freizügigkeit in Gefahr geraten.

Wenn Religionen bestimmen, was gedacht und veröffentlicht werden darf, ist es um unsere Freiheiten schlimm bestellt, das wissen wir doch aus der Geschichte des europäischen Mittelalters und aus heutigen religiösen Staaten.

Unsere Freizügigkeit ist die Folge der Aufklärung, ein Kind der Geisteswissenschaften, die im Kampf gegen die vorherrschende Religion erreicht werden konnte.

Es wird Zeit, dass die denkenden statt nur die glaubenden Menschen sich öffentlich äußern. (js)
 
Aufruf an alle Menschen, die für die Trennung zwischen Staat und Kirche/Religion eintreten, und für die Trennung zwischen der wissenschaftlichen Lehre und Forschung und der religiösen Verkündung. Ihr könnt im Internet daran teilnehmen:

http://www.rosalueste.de/aufruf1.html
Es geht nicht ohne Mobiliserung. Helft Ihr uns?
 
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