92. Print-Ausgabe, Herbst-LUST 07
 
Frauenpolitik ist für uns auch Lesbenpolitik, also eine Politik von und für Frauen, die homosexuelles Leben, wie es nun mal nicht ohne Grund ist, mit einschließt. Dazu in dieser LUST zwei wichtige Beiträge:
 
Angekommen
emma und ihre Herausgeberin sind in der bürgerlichen Mitte angekommen. Und die bürgerliche „Mitte“ ist konservativ bis rechts.
Dies zeigt sich auch in den neueren Ausgaben dieses unterdessen offen biologistischen und sexisischen Blattes.
In der 4. Ausgabe 07 auf S. 23 schreibt eine angebliche Lesbe (Deine Chantal) über das angeblich gestörte Verhältnis zwischen Lesben und Schwulen (Lieber schwuler Freund) und das geht so:
„... du hast Dich zwar immer noch gewundert, warum wir Frauen oft unendlich lang Rotwein trinken und bei Kerzenschein reden, bevor wir miteinander ins Bett gehen. Und ich blieb irritiert darüber, wie und warum du auf Klos und hinter Büschen mit irgendwelchen Typen vögelst, die du nicht kennst. Aber egal. Dein Ding.“

Also, auch schwule Männer trinken vorher Rotwein oder etwas anderes vorher, oder sie verhalten sich durchaus wie oben beschrieben und auch lesbische Frauen sowie Frauen überhaupt betreiben gelegentlich anonymen Sex. Gut, das Zahlenverhältnis ist da wahrscheinlich ungleich. Aber hier wird ganz einfach vom Standpunkt der konservativen Moralauffassung aus polemisiert, dass Sex in eine Beziehung gehört und Männer Schweine sind. Und Sex zwischen Männern ist somit eine Schweinerei.

Wir sollten uns nicht auf den emma-Versuch einlassen, „die“ Lesben und „die“ Schwulen politisch in zwei Gruppen einzuteilen. Denn in unseren gemeinsamen lesbisch-schwulen politischen Interessen sind wir nicht gemeinsam sexuell und wollen auch sexuell überhaupt nichts voneinander (meistens zumindest).

Das Interesse von emma ist seit 3 Ausgaben, lesbische Meinungsführerinnen zu beeinflussen, sich vor ihren konservativen biologistischen Wagen spannen zu lassen, statt dass sie sich zusammen mit schwulen Männern für das jeweils eigenständiges homosexuelle eigenverantwortliche Leben einzusetzen, das für Lesben lebenswert sein kann, auch wenn es nicht in die immer sexistischer auftretenden emma-Ideologie passt.

LeserInnen der emma und der LUST fällt auf, dass sich die neue Lesbenfreundlichkeit der emma an Themen abarbeitet, die wir einige Ausgaben früher analysiert haben und dazu Artikel verfasst haben. So das Thema Homosexualität bei Tieren, das wir deshalb analysiert hatten, weil uns jemand moralisierend sagte: „Aber Tiere machen so etwas nicht“. Nun ja, das ehrliche reine Haustier. Und das erinnerte uns an die ärgerliche Aussage aus konservativem Munde: „Ihr schwulen Männer treibt es wie die Tiere“.

In der 5. emma 07 heißt das Thema „Die homosexuelle Liebe bei unseren Mitgeschöpfen“. Und hier lesen wir: „... schließlich tun Würmer- und Wanzenmännchen (!) das alles aus niedrigen Beweggründen. Der Wurmmann kleistert bei der Ejukulation das Geschlechtsorgan des Begatteten mit einer Art Kittkappe zu und hindert so den Konkurrenten am weiteren Verteilen seines Erbguts. Der Wanzerich jubelt sein Sperma dem Sperma des Sexualpartners unter, der es dann unwissend weiter verteilt .. Also: ist homosexuelles Verhalten bei Tieren nur ein Griff in die Trickkiste der Evolution, also Mittel zum Zweck des Erbgutverteilens und folgerichtig ein Männerding? Und kommt es überhaupt nur bei niederen und unangenehm schleimigen Tierarten vor? Aber nicht doch.

Da ist ja auch noch das Bonobo-Affenweibchen, das mit wachsender Begeisterung sein schwellendes Geschlecht an dem seiner Partnerin reibt. Oder das lebenslang treue Schwanenpaar, das sich bei näherer Betrachtung als Schwäninnenduo herausstellt. Oder die Delfinin, die mit ihrer Flosse eine andere Delfindame manuell in Verzückung versetzt.“

Na? Fällt der Groschen? Männer sind Gewürm und sie betrügen nur, Frauen gehören einer höheren Gattung an, die sich lebenslang treu ist.

Nun gibt es z.B. bei den Bonobos gar keine Monogamie, sondern sie leben in Promiskuität sowohl die Männchen wie die Weibchen, und die treiben es sowohl mit Weibchen und Männchen, übrigens jeden Alters, also auch mit sehr alten und sehr jungen Weibchen und Männchen usw. Alles was wir bei Menschen beobachten, bewerten, kritisieren, verfolgen und bestrafen, das gibt es offensichtlich dort. Und bei den Sörchen finden wir auch länger verbundene (nicht unbedingt lebenslang) Paare aus zwei Männchen bestehend und auch heterosexuelle Paare, also nicht nur lesbische Paare.

Also, das alles ist derartig unglaublich billig, was in diesem Blatt vor sich geht, dass man es gar nicht glauben kann. Und es ist auch so unglaublich traurig, was aus einer großen Chance entstanden ist, die Frage der Emanzipation der Frau zu lösen, was übrigens nicht ohne die Emazipation des Mannes geht. Und so wäre es sinnvoller, bei den Themen genauer hinzuschauen, genauere und wissenschaftlich haltbare Analysen zur Grundlage der Artikel zu machen, statt sich dem Genuss solcher billiger Polemik hinzugeben.

Solche billige Polemik gab es in emma schon immer. Schwule Männer haben zusammen mit den Lesben darüber gegrinst und fanden es oft auch zutreffend, weil es andere Männer betraf. Erneut begonnen haben die speziell antischwulen Angriffe durch die unsinnige Kampagne von emma auf das Homo-Mahnmal in Berlin, wo Dinge miteinander verglichen wurden, die nicht vergleichbar sind, um der emma-Ideologie zumindest bei Lesben zum Sieg zu verhelfen, dass es den Frauen immer und überall auf der Welt am schlechtesten ging und geht.

Schließlich wurde noch hasserfüllt die Stele für die homosexuellen Opfer der Nazizeit mit dem sogenannten Klappensex verglichen, also dem Sex zwischen Männern auf der Herrentoilette.

Was den wissenschaftlichen Wert der Untersuchungen über den Zustand der Emanzipation von Frauen und Männern in der Gesellschaft betrifft, sind die Beiträge in emma durchaus entbehrlich geworden, und das ist schade. Diese Untersuchungen müssten nämlich sachlich richtige Ergebnisse zutage fördern, damit sie zur Grundlage für das sinnvolle Handeln unsere Bewegung sein können, mit der persönlichen und gesellschaftlichen Emanzipation der Menschen weiter zu kommen.

Und da gibt es durchaus wichtige Anregungen, die man durch emma erhalten konnte, bei unserer gesellschaftspolitischen Arbeit bestimmte Bereiche mit zu bedenken. Doch wird es durch die polemischen Pauschalisierungen und die eher konservative politische Grundhaltung des Blattes gegenüber linken und gewerkschaftlichen Entwicklungen zunehmend fragwürdig, emma als Anregung dazu zu nutzen.

Nun kann man auf diesem Bild sehen, wo die emma unterdessen angekommen ist. Und für uns gilt es, den Niedergang dieses Blattes zu akzeptieren. Und damit ist dieses Thema für uns abgeschlossen.

emma ist vergleichbar mit dem ADAC-Magazin geworden, durch das man mal blättert, um sich über die Gedankenwelt anderer zu informieren, z. B. der Autolobby. emma-Leserinnen begegnen wir nicht oft, es gibt sie aber wohl, da emma sich ja wohl irgendwie verkaufen lässt. (RoLü)
 
Presseerklärung:
25.Jahre Lesbenring e.V.
Ein Vierteljahrhundert ist eine lange Zeit für ein autonomes Projekt. Seit 25 Jahren ist der Lesbenring der bundesweite Dachverband für Lesben, Lesbengruppen und –organisationen.
Ein Verband, dessen Gründung mit großen Plänen und Träumen begleitet wurde, der sich heute aktiv einmischt und mit dem auch in Zukunft weiterhin zu rechnen sein wird.

Das Gestern begann eigentlich schon mit dem Vorgestern und ist verknüpft mit der Geschichte des jährlichen Lesbenfrühlingstreffens. Diese jährlichen Treffen von Lesben aus der gesamten Bundesrepublik hatten den Grundstein gelegt für die Koordination von lesbenpolitischen Aktivitäten, doch drei Tage im Jahr waren einfach zu kurz.

So war die Idee einer bundesweiten Lesbenorganisation geboren und im Sommer 1982 wurde unser Verein damals noch unter dem Namen Deutscher Lesbenring gegründet.

Der Lesbenring setzte sich bei seiner Gründung drei Schwerpunkte:
ein Kommunikationsnetz zwischen Lesbengruppen zu knüpfen und Informationen weiter zu tragen,
ein Finanzierungsnetz für Veranstaltungen, Projekte und Aktionen aufzubauen.
ein Hilfsnetz insbesondere für “versteckte Lesbierinnen” zu bilden.

Schon 1982 erschienen die ersten Nummern des Lesbenring-Informationsblatts, in den folgenden Jahren entstanden Regionalgruppen in Osnabrück, Köln, Frankfurt, Hamburg.
1985 wurde der Vereinsname in Lesbenring e.V. verändert und folgender Forderungskatalog beschlossen:
· Öffnung der Ehe für Lesben sowie Anerkennung von lesbischen Lebensgemeinschaften als Alternative zur Ehe
· Adoptionsrecht
· Kein Entzug des Sorgerechts für lesbische Mütter
· Das Recht auf künstliche Befruchtung für Lesben
· Gleichwertige Darstellung lesbischer Lebensweisen in Lehrplänen und Schulbüchern
· Lesbische Inhalte in den Medien
· Antidiskriminierungsgesetz
· Ergänzung des Artikels 3 des Grundgesetzes
· Abschaffung jeglicher Registrierung von Lesben

Im gleichen Jahr wurde die Gemeinnützigkeit für den LR abgelehnt, weil der Vereinszweck nur einer kleinen Minderheit diene.

Auf der Berliner Lesbenwoche 1985 wurde auf einer Veranstaltung unter dem Titel “Bundesweite Lesbenorganisation – eine Utopie?” heiß diskutiert und 1986 wurde der LR zum Dachverband, d.h. neben Einzelmitfrauen traten dem Verein nun auch Lesbengruppen und
-organisationen bei.

Der 5. Geburtstag 1987 wurde unter dem Motto “Wir geben deiner Zukunft ein Zuhause – Lesbenring!” gefeiert.
1989 setzte sich der LR intensiv mit Lebensweisenpolitik auseinander. Aufbauend auf die feministische Ehekritik wurde die Gleichstellung aller Lebensformen gefordert und die Ehe als Rechtsinstitut nur für wenige Privilegierte abgelehnt.
Bei einer Umfrage im Verein sprach sich 1991 die Mehrheit gegen eine Homoehe aus.

Der LR bleibt dieser Position über die Jahre treu, die Diskussionen werden den Verein noch mehr als ein Jahrzehnt begleiten. 1995 werden die Positionen in der Ratgeberin Lesbische Lebensformen - Rechtslage, Tips, Forderungen zusammenfassend dargestellt.
Der 10.Geburtstag wurde mit einem Fest in der Heidelberger Stadthalle begangen. Im Vorfeld gab es einen Wettbewerb zu neuen zündenden Slogans.

Wir machen aus Lust und Liebe Politik! …das Beste daran sind die Lesben darin gingen als Siegerinnen daraus hervor und begleiten den Verein bis heute.

Das vom LR in Bonn ausgerichtete Seminar Was haben Frauenbeauftragte mit Lesben zu tun? und die dazu veröffentlichte Dokumentation sind der Anfang einer schönen Tradition – anlässlich der runden LR-Geburtstage gibt es von jetzt an Veranstaltungen, die unterschiedlichen lesbenpolitischen Fragen gewidmet sind.

1994 diskutierten die Mitfrauen ihren Forderungskatalog neu und positionierten den LR als Teil der autonomen feministischen Frauenbewegung, praktisch umgesetzt in der Beteiligung am Frauenstreiktag.

Einen Höhepunkt der Vereinstätigkeit bildete 1996 die Come out Kampagne mit bundesweiten Aktionen von rund 100 Frauen/Lesbenorganisat-ionen zur Sichtbarmachung von Lesben, gipfelnd in der Demonstration zum Lesbenfrühlingstreffen in München. Begeistert aufgenommen wurde der neue Slogan Wenn ich groß bin, werde ich lesbisch!

Anlässlich des 15.Geburtstags wurde der erste Teil der Lesbenringgeschichte im INFO veröffentlicht.
Seit 1999 können alle mit der Liebsten eine Partnerinnen-Bahncard beantragen – die LR-Aktion hat Früchte getragen, die Gleichstellung aller Lebensweisen ist auf diesem Teilgebiet verwirklicht.

Ansonsten ging der Streit um die Homoehe weiter. Der LR forderte weiterhin - nicht unangefochten - Für die Gleichstellung aller Lebensformen – Traut euch alles – ohne Trauschein!

Als die Homoehe light dann 2001 Realität wurde, erklärte der LR: Wir lassen den Sekt im Kühlschrank!
Dafür ließen wir noch im gleichen Jahr die Sektkorken knallen, als der LR als bisher einzige Lesbenorgan-isation in den Deutschen Frauenrat aufgenommen wurde und seitdem dort Lesbenpositionen einbringt. Unter aktiver Mitarbeit unseres Vereins erschien eine Ausgabe des Frauenratsmagazins zum Thema Lesben und das Adoptionsrecht für lesbische und schwule Eltern wurde als zentrales Thema diskutiert.

Seit 2001 gibt es die LR-Bettenbörse, die Mitfrauen die Gelegenheit gibt, hautnah miteinander in Kontakt zu treten.
Der 20.Geburtstag, den wir unter dem Motto Wir haben die (Doppel) Axt noch nicht begraben! begangen haben, leitet in der LR-Geschichte das Heute ein. Auf unserem gut besuchten Kongress Lesben-Leben-Feminismus wird das aktuelle Selbstverständnispapier vorgestellt. Wir positionieren uns an der Schnittstelle zwischen großer Politik auf Bundesebene und selbstbestimmter autonomer Arbeitsweise. Konkret bedeutet dies oft ein Abwägen zugunsten einer Einfluss-nahme auf tagespolitische Entwicklungen oder eine Beschäftigung mit selbst gewählten inhaltlichen Themen, wobei Letzteres häufig die Basis für schnelles Reagieren auf dem politischen Parkett bildet.

Seit 2002 informieren wir unsere Mitfrauen neben der Printversion des LR-INFOs mit einem neuen Medium – die LR-Homepage geht online!

Nur wenige Monate nach dem Kongress beginnt die Arbeit an unserem neuen Schwerpunktthema Lesben und Alter: Wie werden wir lieben, wenn wir alt sind?, das seinen bisherigen Höhepunkt in dieser Sommeruni findet.

2003 wurde dem LR endlich die Gemeinnützigkeit beschieden.
Neue politische Themen sind das Adoptionsrecht, die Verfolgung von Lesben im Nationalsozialismus, unsere Unterstützung für osteuropäische Lesben und die Gleichstellung von Lesben und Schwulen auch im Grundgesetz.

Der LR ist gefragt bei Podiumsdiskussionen, Informationsveranstaltungen, als Beraterin für wissenschaftliche Arbeiten und Studien.
Vertieft haben sich die Beziehungen des LR in den letzten Jahren zu vielen Bündnispartnerinnen. Die Linkliste auf unserer Homepage wächst mit jeder Woche.

Besonders eng gestaltet sich die Zusammenarbeit u.a. mit dem Lesbenfrühlingsverein, vielen LFT-Orga-gruppen, die von uns vor allem in der inhaltlichen Arbeit unterstützt werden, mit Safia, der LAG Lesben in NRW, Intervention Hamburg und Konnys Lesbenseiten.
Wichtige Partnerinnen für gemeinsame Aktionen sind auch die Lesben im LSVD geworden. Unsere punktuelle fruchtbare Zusammenarbeit möchten wir nicht mehr missen – auch oder gerade wenn wir von der emma dafür gerügt werden.

Eng ist das Verhältnis zu allen FrauenLesbenverlagen geworden. Das LesbenringINFO hat sich als Quelle für einen nahezu kompletten Überblick über Neuerscheinungen von Belletristik und Sachbüchern einen guten Ruf erarbeitet.

Heute zu unserem 25.Geburtstag haben uns zahlreiche Glückwünsche erreicht, die komplette Liste der Gratulantinnen wäre zu lang, um an dieser Stelle verlesen zu werden.

Latzhosen waren gestern - http://www.lesbenring.de - mit diesem Slogan läuten wir heute das Morgen ein.
Was wir uns wünschen?

· 25 neue aktive Mitfrauen
· 25 neue Mitfrauen unter 25
· 25 neue Regionalgruppen, die sich einmischen in die Politik, aber auch gemeinsam diskutieren, träumen, wandern und tanzen
· 25 Tageszeitungen, die unsere Presseerklärungen zum 25. Jahrestag des LR abdrucken
· 25 Sponsorinnen
· 25 neue Lesbenprojekte unter dem Dach des LR

und dass wir die Doppelaxt auch weiterhin beherzt schwingen werden, denn es gibt noch eine Menge zu tun, ehe alle Lesben unter der vollen Mondin gleiche Rechte erkämpft haben werden...

und noch mindestens weitere 25 fruchtbare rote Jahre, bevor wir die Weisheit des Alters erreichen und umgeben von munteren Junglesben gemeinsam alt und grau werden...

und von den Pflanzenmetaphern scheint mir die Graswurzelrevolution die geeignetste, denn Lesben sind schließlich überall...
Herzlichen Glückwunsch, liebe Mitfrauen und ehemalige Mitstreiterinnen!

Herzlichen Glückwunsch, liebe Aktive! Herzlichen Glückwunsch, liebe Freundinnen und Verbündete! Ohne Euch alle wäre der LR nicht das, was er heute ist!

Elke Heinicke, Pressesprecherin
 
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