Von: greygay an lustzeitschrift
Am: 05.Jul. 14:22
Hallo Leute!
Ich kann zum Glück nur von positiven Erfahrungen bei meinem
Coming out, auch am Arbeitsplatz, berichten.
Am besten fange ich ganz von vorne an und entschuldigt bitte,
wenn ich recht weit aushole:
Ich hatte mein Coming out leider erst im zarten Alter
von 53 Jahren. So spät aber nicht, weil ich verklemmt oder
ängstlich war, sondern weil ich nie auf den Gedanken gekommen
bin, schwul zu sein. Klingt sicher komisch, ich hatte angst
vor Frauen, dachte aber wirklich, dass nur die Richtige
kommen müsse und das Problem sei gelöst.
Als ich aber endlich so weit war, habe ich jedem im privaten
Bereich der es hören wollte - oder auch nicht - von meiner
neuen Berufung erzählt. Im betrieblichen Bereich allerdings
nicht sofort. Kurz nach meinem Coming out hat es sich glücklich
ergeben, einen Mann kennen- und von der ersten Sekunde an lieben
zu lernen.
Ich war damals berufsbedingt in Schwäbisch Hall in einem
Konstruktionsbüro beschäftigt. In diese Zeit fiel mein
Geburtstag und ich bekam von den Kollegen für die Festspiele
2 Karten geschenkt. Natürlich wurde ich gefragt, ob meine
Freundin zu der Aufführung kommen würde. (Ich wohnte
damals im Lahn-Dill-Kreis.) Da habe ich, ohne lange zu überlegen
gesagt, dass mein Freund mitkäme. Ich liebte und liebe immer
noch diesen Mann so sehr, dass ich ihn nie hätte verleugnen
können. Erstaunlicherweise ist niemand in Ohnmacht gefallen,
im Gegenteil, das war eine kleine Sensation, ein richtiger Schwuler
zum Anfassen. Das war für alle eine neue Erfahrung. Auch
als ich in meine eigentliche Firma zurückkam war das interessant,
und niemand hat gelästert oder geschimpft oder gepöbelt.
Im vergangenen Herbst haben mein Mann und ich unsere Partnerschaft
auch im Standesamt besiegelt. Da wir das erste Männerpaar
im Oberharz waren, war das unserer Tageszeitung einen fast halbseitigen
Artikel wert. Wir leben in Altenau, einem 2000-Seelen Städtchen
und sind auch hier noch von niemandem angemacht worden.
(Auf den Zeitungsartikel gab es allerdings einen Leserbrief aus
einem Nachbarort von einem christlich gesinnten Zeitgenossen,
auf den aber zum Glück zwei Frauen unabhängig voneinander
recht interessant geantwortet haben.)
Ich denke, das uns unser Alter und unser offener Umgang mit unserer
Homosexualität schützt, für Jüngere kann
es sicher immer noch Probleme geben! Etliche jüngere Bekannte
hier bei Gayromeo sind selbst in der Familie ungeoutet und in
der Schule erst recht nicht und das ist traurig!
Liebe Grüße aus dem Harz |