91. Print-Ausgabe, Sommer-LUST 07
 
Angst beim Mainzer Open-Ohr-Festival
„Angst ist die Begierde nach dem, wovor man sich fürchtet... Sie ist eine fremde Macht, die das Individuum ergreift, ohne daß dieses sich von ihr lösen könnte oder wollte, denn es hat Angst – und diese Angst selbst ist ein Bedürfnis.“
Søren Aabye Kierkegaard, (1813 - 1855), dänischer Philosoph, Theologe und Schriftsteller
 
„Die Angst geht um in Deutschland:
Angst vor Arbeitslosigkeit, sozialem Abstieg, Angst vor todbringenden Epidemien, Angst vor Terror, Angst vor Überalterung, Angst vor Vereinsamung. Jeder Mensch hat anders Angst, jedeR seine/ihre ganz persönlichen Ängste. In vielen Fällen teilt man diese – bewusst oder unbewusst – mit Anderen. Es gibt Ängste, die ganze Gesellschaften erfassen. Doch was ist das eigentlich für ein Gefühl, Angst? Alle kennen sie, jedeR hat sie und doch hat sie tausend Gesichter: Erhöhte Puls- und Atemfrequenz, Schweißausbrüche, Übelkeit, Zittern, verstärkte Blasentätigkeit oder schlichtweg Beklemmungsgefühle. Woher kommen Ängste und wie kann man mit Angst umgehen? Das 33. OPEN OHR-Festival geht einem Phänomen auf den Grund, das unter die Haut geht.“
So lautete die Einleitung zum Text für das diesjährige OOF.
 

Nun könnte man gute Analysen über das „Angst Erzeugen um eine Erlösung anzubieten“ durchführen, was mittels Religionen geschieht, was in der Politik geschieht und was auch in der Wirtschaft seine Rolle spielt, zum Beispiel in den Medien, in den Auseinandersetzungen um die Wirt-schafts- und Gesellschaftsordnung und um die Zukunft einer menschlichen Zivilisation.

Leider lag der Text doch ein bisschen daneben und man hat den Eindruck, dass das gesellschaftspolitische Mittel Angst doch leider eher als ein psychologisches Phänomen behandelt wurde, was sich auch in den Ansätzen der Foren zeigte. Schade, eine verlorene Chance. Wo ist der gekonnte Biss der Analyse der Projektgruppe aus vergangenen Jahren geblieben?

Die Infostände waren in diesem Jahr nicht am Rand der Wiese der Hauptbühne, sondern im „kleinen Schulhof“. Also kein Dauerlärm bei den Konzerten, beim Sound-Check und keine Kinder, die unseren Infostand als Tor für Fußball und Frisby-Versuche benutzten. Im Grunde also positiv. Doch kam kaum jemand in dem kleinen Schulhof vorbei.

Das wäre anders gewesen, wenn hier ein politbühne gewesen wäre, oder das „Kleine Zelt“, mit Programmteilen und vielleicht auch mit vorbereiteten Beiträgen aller Politgruppen zum Festival-Thema. Das wäre wirklich ein tolles Konzept gewesen. Es ist ja ohnehin nicht so ganz verständlich, warum bei den Podiumsdiskussionen nicht auch VertreterInnen der Infostände mit herangezogen werden. Die arbeiten doch alle gesellschaftspolitisch und könnten zu den Fragen des Festivalsthemas aus der Sicht ihrer jeweiligen Organisation durchaus etwas beitragen. Die Projektgruppe aber hat fürs nächste Jahr schon anders entschieden.

Die anderen StandbetreiberInnen aber wollten lieber am Wiesenrand stehen, wegen des speziellen Festivalgefühls, was man auch gut verstehen kann. Wenn zum Beispiel das Festival zum überregionalen Treffen der Standbetreiber einer Organisation mit FreundInnen aus anderen Städten wird, wollen die natürlich an die Wiese und unsere oben genannte Position unterscheidet sich. So war es schwierig, hier eine vernünftige Position zu finden.

Auch die Idee, die Infostände einfach zu teilen, zwischen denen die an der Wiese stehen wollen und eben die anderen (also gerade wir) ist keine Lösung. Es könnte sein, dass wir dann alleine übrig bleiben.

Und es wäre auch inhaltlich unbefriedigend. Denn der gesellschaftspolitische Diskurs zwischen den Ständen und von den unterschiedlichen politischen StandbetreiberInnen in bezug zu den erlebten Foren wäre dann möglicherweise weg. Und das wäre der Verlust unseres besonderen Festivalgefühles.

Naja, also werden wir wohl im nächsten Jahr wieder zwischen den anderen Ständen stehen (und uns Ohrenschützer mitnehmen), und zwar am Wiesenrand. Angst machte uns aber schon, wie schnell man von einigen Standbetreibern bereit war, auf eine Lösung zu kommen, wo wir dann eben alleine wo anders wären.

Unsere reale Angst beim Open-Ohr-Festival
Der Wetterbericht sprach von Stürmen, Hagel und Regen aufgrund eines Wettereinbruchs. Und das ist ja für einen Infostand das Todesurteil. Am Freitag war wenig los, auch beim Wetter. Am Samstag wars überraschender Weiser auch ganz gut. Plötzlich kam eine Windböe, erfasste unseren Stand, hob ihn hoch und ließ ihn wieder runterkommen, jedoch nicht so, wie er mal aussehen sollte. Damit war unser Infostand für dieses Jahr vorbei. Sehr viel Hände halfen uns solidarisch, alles schnell zu Mauer zu tragen und somit in Sicherheit zu bringen.

In der Nacht fuhren dann die arme tapfere Renate und ich zweimal nach Hause und schleppten alles in die Wohnung, damit es wieder trocken wird, die auch in dem Moment, wo ich dies schreibe, noch mit Teilen vollgestellt ist, die noch eingeräumt werden müssen.
Auch einige andere Stände hats erwischt, die haben aber am nächsten Tag wieder aufgebaut gehabt, trotz neuerer Sturmwarnung.

Es kam auch kein Sturm mehr auf, und so war unser verfrühtes Ende des diesjährigen Infostandes wohl unserer Angst gezollt.

Der Stand ist aber, wie es aussieht, weitgehend heil geblieben, so dass wir ihn bei Folklore in Garten so wie im nächsten Jahr hier wieder aufstellen können.

Nur das Gender-Spiel ist lediert und muss insofern überarbeitet werden. (js)

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