- 91. Print-Augabe, Sommer-LUST 07
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- Eine Weltstadt pflegt ihren Ruf
Russisches Fernsehen schürt Angst
vor Homos und anderen Eindringlingen
Ulrich Heyden, Moskau
Einen Tag nach den Zusammenstössen auf der Moskauer Gay
Pride Parade am Sonntag fand der russische Fernsehkanal NTW endlich
einen Anlass, um über das Ereignis zu berichten. Der britische
Homo-Aktivist Peter Tatchell war von einem rechtsradikalen Schläger
durch einen Faustschlag ins Gesicht verletzt worden. NTW zeigte
Tatchell mit blauem Auge. Der Brite habe gerade eine Anzeige
wegen Körperverletzung aufgegeben, so der Kommentator mit
hämischem Unterton.
Für den russischen Fernsehkanal NTW war die Moskauer Gay
Pride Parade Anlass, um vor Eindringlingen aus dem Ausland zu
warnen. Die Verhaftung des Grünen Bundestagsabgeordneten
Volker Beck wurde verschwiegen. Dafür weidete man sich an
der Tatsache, dass der verhaftete britische Homo-Aktivist Peter
Tatchell sich offenbar vergeblich um Unterstützung der britischen
Botschaft in Moskau bemühte.
Die Berichterstattung wurde mit einem Bericht über einen
anderen Eindringling, dem deutschen Sportflieger Mathias Rust,
abgerundet. Dieser war am 28. Mai 1987 mit einer Cessna auf dem
Roten Platz gelandet. Die Botschaft der Nachrichtensendung vom
Tag nach der Gay Pride Parade: Russland ist bedroht.
Das Minderheiten nach der auch von Russland unterschriebenen
Men-schenrechtskonvention Recht auf Schutz haben, erwähnte
der Sender nicht. Stattdessen zeigte man Tatchell, wie er vor
der Polizeiwache Homo-Freunde umarmt, eine Zumutung für
den guten russischen Geschmack.
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- Tatu-Girls entsetzt
Tatu-Sängerin Julia Wolkowa war über die
Vorfälle auf der Gay Pride Parade entsetzt. Zusammen mit
dem zweiten Tatu-Girl Jelena Katina hatte sie am
Sonntag die Aktion der Moskauer Homos besucht, bei der es Verletzte
und Verhaftete gab.
Bürgermeister Juri Luschkow hatte die Parade auch in diesem
Jahr nicht genehmigt. Das Stadtoberhaupt meint, die Bevölkerung
dulde keine öffentlichen Auftritte von Homosexuellen. Rechtsradikale
und fanatische Gläubige fielen über eine Handvoll Demonstranten
her, die gewagt hatten, trotz des Verbots auf die Straße
zu gehen. Das sei schrecklich. Eine Schande
für unser Volk, erklärte Julia Wolkowa gegenüber
dem Massenblatt Moskowski Komsomolez.
Die Gruppe Tatu wurde mit ihrer lesbisch angehauchten
Show weltberühmt. Julia war von den Vorfällen so geschockt,
dass sie an der nächsten Parade nicht teilnehmen will. Ich
habe keine Angst, aber es ist sehr unangenehm.
Die beiden Sängerinnen hielten sich nur kurz bei der Kundgebung
auf. Ihre Leibwächter waren nervös. Die Situation war
nicht ungefährlich. Der schwarze Van der Tatu-Mädchen
wurde mit Eiern beworfen.
Etwa 200 Menschen hatten sich am Sonntag vor dem Moskauer Rathaus
versammelt. Der Großteil waren Journalisten. Gruppen von
Rechtsradikalen und fanatischen Gläubigen beschimpften die
Demonstranten als Missgeburten und Kinderschänder.
Ein rechtsradikaler Schläger verpasste dem britischen Schwulen-Aktivisten
Peter Tatchell einen Faustschlag mitten ins Gesicht. Die russische
Aktivistin Anna Komarowa wurde zu Boden geprügelt.
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- Briefübergabe erfolglos
Eine Delegation von europäischen Parlamentariern wollte
im Rathaus eine Petition zur Versammlungsfreiheit abgeben. Doch
dazu kam es nicht. Als sich der Grüne Volker Beck und der
italienische Europaabgeordnete Marco Cappato dem Rathaus näherten,
schmissen die Fundamentalisten Eier und Tomaten. Daraufhin wurde
Beck zu seinem Schutz wie es hieß,
von der Polizei verhaftet. Es war bereits das zweite Mal, dass
der Grüne Politiker auf der Moskauer Gay-Pride-Parade angegriffen
wurde. Letztes Jahr wurde er durch einen Faustschlag im Gesicht
verletzt.
Die Sonderpolizei OMON verhaftete 31 Personen. Unter den Verhafteten
waren auch einige Rechtsradikale. Zwei Organisatoren der Gay-Pride-Parade
wurden am Montag vor Gericht gestellt. Die Anklage lautete auf
Nichtausführung polizeilicher Anordnungen.
Unerwartete Unterstützung bekamen die Homosexuellen vom
zweiten Mann der nationalistischen Liberaldemokratischen
Partei, Aleksej Mitrofanow. Mit dem Politiker, der auch
Duma-Abgeordneter ist, nahm das erste Mal ein russischer Parlamentarier
an der Aktion der Homosexuellen teil. Mitrofanow erklärte,
er habe für das Verbot der Aktion kein Verständnis.
Russland will doch Teil Europas sein.
- Ulrich Heyden, Moskau, 29.05.07
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