90. Print-LUST, Frühling 07
 
Die Rente mit 67
Sie wurde im Bundestag beschlossen, einige Abgeordneten der SPD haben dagegen gestimmt, aber die „Große Koalition“ verfügt über genügend Stimmen und die Ländermehrheit ist auch gesischert.

Das Rentensytem im Umlageverfahren ist einer kapitalgedeckten Rente weit überlegen, wenn man sie nicht schrittweise Abspeckt.

Kapitalgedeckte Renten müssen nämlich auch durch die zukünftigen ArbeitnehmerInnen erarbeitet werden, um die hohe Kapitalrendite zu erzielen, damit eine Rente in versprochener Höhe gezahlt werden kann.

Jeder Arbeitnehmer erhält einen Entgeltpunkt in einem Jahr, wenn er das durchschnittliche Bruttogehalt verdient, nämlich 2.457,33 Euro (2007). Verdient er mehr, sind es vielleicht 1,2 oder 1,8 Punkte im Jahr, verdient er weniger, dann sind es vielleicht nur 0,7 oder 0,8 Punkte im Jahr. Schlüssel der gesetzlichen Rente ist der aktuelle Rentenwert (siehe Tabelle), mit dem die erworbenen Entgeltpunkte multipliziert werden, was dann die Bruttomonatsrente ergibt.

Der aktuelle Rentenwert wird jährlich mit den Löhnen gesteigert und so an die Preise angepasst. Dadurch erhält die Rente ihre Kaufkraft. Wenn aber der aktuelle Rentenwert nicht mehr an die Preise angepasst wird, wie es seit 2003 der Fall ist, sinkt die Kaufkraft der Rente jährlich.

Unter Schröder wurde die zukünftige Steigerung, wenn sie denn mal wieder eintritt, um ca. 1% durch den „Nachhaltigkeitsfaktor” gekürzt.

Nur ca. 18% der Rentner gehen real mit 65 in die Rente. Die anderen haben berufsbedingte Krankheiten, sind einfach arbeitslos oder sie sind einen Teil ihres Lebens in sogenannten prekären Arbeitsverhältnissen, in denen sie und ihre Arbeitgeber nichts in die Sozialkassen abführen. Dadurch reduziert sich der Anspruch auf eine Rente ebenfalls, und zwar ganz erheblich.

Wer vor dem 65. Lebensjahr in Rente muss, erhält nicht nur weniger Entgeltpunkte, sondern bekommt auch noch 0,3% seiner erarbeiteten Rente pro früheren Monat abgezogen.

Wenn nun schrittweise die Rente auf 67erhöht wird, sinkt auch die reale Bruttorente, denn wer hat da noch Arbeit?
Für jeden Monat früherer Rentenbeginn werden dann auch 0,3% der erworbenen Bruttorente abgezogen, das macht im Jahr 3,6%. Bei 2 Jahren sind das 7,2% und bei 5 Jahren z.B. 18%. Es ist verständlich, dass angsichts der Steuergeschenke an die Konzerne wenig Verständnis dafür vorhanden ist, dass sich der Staat seiner Verpflichtung aus dem Staatsvertrag entzieht.
 
Von der Bruttorente wird noch die Pflegeversicherung abgezogen und der Arbeitnehmeranteil der Krankenkasse. Die Nettorente betrrägt für Arbeiter nach 40 Versicherungsjahren durchschnittlich 950 Euro. Nach dem heutigen geltendem, bereits veränderten Recht sinkt die Rente bis 2029 auf 750 Euro.

Bei einer Regelaltersgrenze mit 67 sinkt sie auf ca. 700 Euro. Dabei beträgt nach Eigenangaben des Ministeriums der maximale Dämpfungseffekt auf die Beiträge 0,5 Prozentpunkte im Jahr 2029.

Oft wird behauptet, dass die Renten„reform“ wegen der Demographie notwendig sei. Schon bald müssten zwei Arbeitnehmer für einen Rentner aufkommen. Schuld sei auch das Umlagesystem.

Das sind freche Propagadalügen, die die wahre Absicht hinter dieser Reformen am Sozialsystem verschleiern sollen.

1. Die Demographie hat schon alleine deshalb hier keine besondere Bedeutung, weil es nicht auf die Anzahl der Menschen in einem Staat ankommt, sondern auf die Anzahl der vorhandenen Arbeitsplätze.

2. von der Gesamtbevölkerung sind z.Zt. so viele Menschen im demographisch (15 - 65) berufstätigen Alter, dass ein Verhältnis von 4 Beschäftigten auf einen Rentner fallen würde. Tatsächlich sind es nur 2,7 Beschäftigte auf einen Rentner. Es kommt also auf die Anzahl der Arbeitsplätze an.

3. Die Summe der Einzahlungen in die Rentenkasse reicht dann nicht aus, wenn der Lohanteil am Erwirtschafteten (im Gegensatz zum Gewinnanteil) immer kleiner wird. Die Aufrechnung der fehlenden Renten in Zukunft macht nur Sinn, wenn mit immer größeren Gewinjnen und immer niedrigeren Löhnen gerechnet wird.

4. Vor knapp 100 jahren war das Verhältnis zwischen Arbneitnehmern und Rentner 12 : 1. Im Jahr 1950 war es 7 : 1 und heute ist es 2,7 : 1. Das hat nichts mit Demographie zu tun, sondern mit der immer größeren Produktivitätssteigerung je bezahlter Arbeitskraft. Aus jeder bezahlkten Arbeitskraft ergibt sich ein vielfach höherer Gewinn als vor 100 Jahren.

5. Kinder, die heute zur Welt kommen, können erst in 15 Jahren Teil des Arbeitsmarktes sein. Ab 2040 wird mit einer Umkehrung der Alterspyramide gerechnet.

Der einzige Zweck der Rentenkürzung (wie anderer „Reformen“ am Sozialsystem) ist die Vorbereitung auf einen Saytemwechsel in den privaten Versicherungsmarkt, so auch den Rentenmarkt.

Die Bevölkerung soll sich auf amerikanische Zustände vorbereiten, wenn dann die letzten gesetzlichen Sozialversicherungen geschlossen oder privatisiert werden.

Ab 2012 soll die „Rentenreform“ Wirkung erzielen, das heißt müssen die ersten Rentntner einen Monat länger als 65 arbeiten.

Die Gewerkschaften, Sozialforen und andere NGOs wollen bis dahin zahlreiche Protestaktionen dagegen durchführen. Die Bundestagswahl 2009 soll zu einer Abstimmung über die „Rente mit 67“ und anderer Reformen gemacht werden.
 
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