- 89. Ausgabe, Winter-LUST 06/07
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- Durch Volksabstimmung in Hessen am 30.11.1946 in Kraft gesetzt:
Der Staatsakt der hessischen Landesregierung
Das Volk war zum 60. Jahrestag nicht
vorgesehen. Der Inkraftsetzung der eher pazifistischen Verfassung
wurde mittels eines Großen Zapfenstreiches gedacht.
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- Aus der Geschichte:
Am 30.11.1946 wurde über eine Volksabstimmung zuerst der
spätere Artikel 41 über die Verstaatlichung der Schwerindustrie
und die staatliche Aufsicht über die Banken angenommen und
die hessische Verfassung von der Bevölkerung angenommen.
Diese Verfassung ist nun 60 Jahre alt.
Da die Bundesrepublik Deutschland erst am 24. Mai 1949 gegründet
wurde, hat diese Landesverfassung alles, was für einen souveränen
Staat notwendig ist. Doch die hessische Verfassung ist demokratischer,
arbeit-nehmerfreundlicher und pazifistischer als das Grundgesetz
der Bundesrepublik.
Die hessische Sozial- und Wirtschaftsordnung beruht auf der Aner-kennung
der Würde und der Persönlichkeit des Menschen. Jeder
hat nach seinen Fähigkeiten ein Recht auf Arbeit und, unbeschadet
seiner persönlichen Freiheit, die sittliche Pflicht zur
Arbeit (Artikel 27 und 28). Für alle Angestellten, Arbeiter
und Beamten ist ein einheitliches Arbeitsrecht zu schaffen. Das
Streikrecht wird anerkannt, wenn die Gewerkschaften den Streik
erklären. Die Aussperrung der Arbeitnehmer durch Unternehmen
ist Lt. hessischer Verfassung rechtswidrig. (Artikel 29)
Das Arbeitsentgelt muss der Leistung entsprechen und zum Lebensbedarf
für den Arbeitenden und seine Unterhaltsberechtigten ausreichen
(Artikel 33). Die Wirtschaft des Landes hat die Aufgabe, dem
Wohle des ganzen Volkes und der Befriedigung seines Bedarfs zu
dienen. (Artikel 38)
Jeder Missbrauch der wirtschaftlichen Freiheit - insbesondere
zu monopolistischer Machtzusammen-ballung und zu politischer
Macht - ist untersagt. Vermögen, das die Gefahr solchen
Mißbrauchs wirtschaftlicher Freiheiten in sich birgt, ist
auf Grund gesetzlicher Bestimmungen in Gemeineigentum zu überführen.
(Da müssten aber viele Konzerne und Banken in Hessen enteignet
werden.) Die Entschädigung für das in Gemeineigentum
überführte Vermögen wird durch das Gesetz nach
sozialen Gesichtspunkten geregelt. Bei festgestelltem Missbrauch
wirtschaftlicher Macht ist in der Regel die Entschädigung
zu versagen (Artikel 39).
Mit Inkrafttreten der Verfassung werden in Gemeineigentum überführt:
der Bergbau (Kohlen, Kali, Erze), die Betriebe der Eisen- und
Stahlerzeugung, die Betriebe der Energiewirtschaft und das an
Schienen oder Oberleitungen gebundene Verkehrswesen. Vom Staate
beaufsichtigt oder verwaltet, die Großbanken und Versicherungsunternehmen
und diejenigen in Ziffer 1 genannten Betriebe, deren Sitz nicht
in Hessen liegt (Artikel 41).
Das Vermögen und das Einkommen werden progressiv nach sozialen
Gesichtspunkten unter besonderer Berücksichtigung der familiären
Lasten besteuert (Artikel 47).
Der Geschichtsunterricht muss auf getreue, unverfälschte
Darstellung der Vergangenheit gerichtet sein. Dabei sind die
großen Wohltäter der Menschheit in den Vordergrund
zu stellen, die Entwicklung von Staat, Wirtschaft, Zivilisation
und Kultur, nicht aber Feldherren, Kriege und Schlachten (Artikel
56).
In allen öffentlichen Grund-, Mittel-, höheren und
Hochschulen ist der Unterricht unentgeltlich (Artikel 59). (Die
gegen die Studiengebühren protestierenden Studenten sind
also im Recht.)
Hessen bekennt sich zu Frieden, Freiheit und Völkerverständigung.
Der Krieg ist geächtet. Jede Handlung, die mit der Absicht
vorgenommen wird, einen Krieg vorzubereiten, ist verfassungswidrig
(Artikel 69).
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- Kochs Staatsakt am 30.11.06
Die CDU-geführte hessische Landesregierung unter Koch fand
es angemessen, das Inkrafttreten dieser eher pazifistische Verfassung
ausgerechnet mit einem Großen Zapfenstreich der Bundeswehr
in einem Staatsakt zu gedenken. Dieser Staatsakt machte es offensichtlich
notwendig, wie ein Schreiben der Hessischen Staatskanzlei an
die Anwohner und Ge-schäftstreiben-den rund um die
Staatskanzlei erklärte, mehrere Straßen der
Innenstadt für die Durchfahrt zu sperren. Und diese Straßen
sind Für Fußgänger ist der Straßenzug
(...) nicht passierbar. Also rechnete man offensichtlich
gar nicht mit den jubelnden hessischen Volksmassen, im Gegenteil
waren sie auch gar nicht vorgesehen.
In diesem o.a. Schreiben heißt es: Um dem Großen
Zapfenstreich eine besondere Atmosphäre zu bieten, wäre
es schön, wenn die Anwohner rund um den Kochbrunnenplatz
am 30. November, von 20.10 Uhr bis 21.30 Uhr, ihre Lichter in
den zum Kochbrunnen liegenden Zimmern löschen würden.
Die gleiche Bitte gilt natürlich auch für die angrenzenden
Geschäfte. Die allgemeine Straßen- und Platzbe-leuchtung
der Georg-August-Zinn-Straße und auf dem Kochbrunnenplatz
werden von der Landeshauptstadt Wiesbaden ebenfalls in diesem
Zeitraum abgeschaltet.
Ich bitte bereits heute alle Nachbarn in der nahen- und fernen
Umgebung der Staatskanzlei um Verständnis für die o.a.
Einschränkungen. Die Polizei und die Stadt Wiesbaden werden
versuchen, die Behinderungen so gering wie möglich zu halten.
Sie haben bereits am 29.11.2006, 20.30 Uhr die Möglichkeit,
die Generalprobe des Wachbataillons vom Kochbrunnenplatz aus
zu verfolgen. Bitte haben Sie dafür Verständnis, dass
am 30.11. 2006 nur Personen mit Berechti-gungskarten in die abgesperrten
Bereiche auf dem Kochbrunnenplatz Zutritt haben (...).
Soweit also auszugsweise der unterzeichnende Dieter Beine von
der hessischen Staatskanzlei.
Man fragt sich, was die Bundeswehr überhaupt mit diesem
Anlass zu tun hat.
Vielleicht: aus der Union hört man immer mal wieder die
Forderung nach Einsatz der Bundeswehr im Inneren. Vielleicht
soll sich die Bevölkerung durch das militärische Schauspiel
an Militär im zivilen Bereich gewöhnen. Verfolgt man
diesen Gedanken weiter: Was haben die wohl noch alles so vor,
dass sie mit solchen Notwendigkeiten rechnen? Aber
das wäre wieder eine ganz andere Diskussion und hat wahrscheinlich
mit diesem Staatsakt doch gar nichts zu tun.
Die ansässigen Gewerbetreibenden wie die Anwohner der abgesperrten
Innenstadt haben nicht gerade froh auf dieses Ereignis gewartet
und fühlten sich im wesentlichen nur belästigt.
Wenn man mal davon absieht, dass die Bevölkerung zum Lichtausschal-ten
gerade noch gebraucht wurde, konnte sie nicht teilnehmen.
Das war nun in gewisser Weise gar nicht mal so schlecht, denn
dem Geist der durch das Volk seinerzeit autorisierten hessischen
Verfassung entsprach das ganze ohnehin nicht. Aber Herzog Koch
wollte es so. (js)
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