89. Ausgabe, Winter-LUST 06/07
 
Ein Thema für die Adventszeit um spezielle Aromen
Das Schlucken
Das Thema, das unter jeden Weihnachtsbaum gehört: Wie Lukullus, der römische Feldherr und Genussmensch, eine Kirsche mit seiner Zunge zum Explodieren brachte, so dass sich ihr klebriger Saft in seinem Munde verteilte. Er verstand es meisterhaft, die unterschiedlichen Aromen zu unterscheiden und entwickelte da so seine Vorlieben.

Wer kennt noch den Titel, den in den 80er Jahren das Duo „Herrchens Frauchen“ gesungen hat? Er hieß: „Sperma ist ekelhaft!“ (wer hat ihn und kann ihn uns zugänglichmachen?)

Nun, ob Sperma wirklich ekelhaft ist, das ist aber nun tatsächlich schlicht ein Geschmacksfrage, denn Sperma im Mund hatte wohl schon jede/r mal. Und das „Blasen bis zum Schluss“ ist als sexuelle Version ebenso beliebt und weit verbreitet wie andere Versionen des Sexlebens in und außerhalb unserer Szene.

Kennt Ihr den etwas deftigen Spruch, der darüber hinaus auch noch politisch „unkorrekt“ ist? Sagt der Küssende: „Du schmeckst nach Knoblauch, hast wohl nen Kanaken geblasen!“ Hinter diesen Spruch verbirgt sich natürlich auch die Lust an den speziellen Aromen.
Für den Geblasenen ist es eine Lust, „augelutscht“ zu werden, eine sexuelle Erfüllung, die ihn bis zum letzten Tropfen „fertig“ macht.

Für den Bläser ist der bitter-salzige Geschmack, der sich in seinem Mund ergießt (nach einiger Gewöhnung), das aromatische Signal erfüllter Lust seines Partners, das ihn selbst in höchste Erregung versetzt, insofern eben auch sehr lustvoll.

Immer beim Blasen kommt der Augenblick, wo sich die Entladung vorher ankündigt. Und das ist ein äußerst interessanter und spannender Augenblick. Die Eichel bekommt, so hat man das Gefühl, eine andere glattere Konsistenz. Der Schwanz beginnt zu zucken, die Eier ziehen sich, so wirkt das zumindest, zusammen und der Sexpartner ist nicht (mehr) in der Lage, jetzt irgendwie steuernd oder kontrollierend einzugreifen.
 
Der Blasende macht jetzt ganz unterschiedlich Erfahrungen. Entweder dringt der Schwanz tief in den Rachen ein, was bei ungeübten Bläsern/Schluckern zu Würgegefühlen führt. Oder der Schlucker ist darauf vorbereitet, und arbeitet nun mit einer anderen Atemtechnik. In diesem Fall landet wenig vom Sperma im Mund, das meiste geht gleich tiefer durch den Schlund in den Magen. Die Menge des Spermas ist ganz unterschiedlich, wie auch der Druck, mit dem das Sperma abgegeben wird.

Manchmal muss man gleich husten, weil Druck und Menge einfach nicht zu bewältigen sind, manchmal hat man nur das Gefühl, dass etwas mehr Speichel im Mund ist, und dass der Speichel nun anders schmeckt.

Das Schlucken ist nicht jedermanns Sache, das geblasen werden bis zum Schluss wünschen sich viele, vielleicht alle Männer. Hetenmmänner sagen oft, wenn man fragt, ob sie auf Blasen stehen, dass sie doch nicht schwul seien. Sie vergessen dabei, dass sie das von ihren Frauen erwarten.

Bei schwulen Männer ist gerade diese sexuelle Variation sehr umstritten, da es hier ja, besonders beim spontanen Sex, kaum Möglichkeiten zu Safer Sex gibt. Und es gibt doch recht viele schwule Männer, die sich nach Zeiten ohne AIDS sehnen, um unbekümmerter Sex, und gerade diesen Sex haben können, der so viel gegenseitiges Aufnehmen und so viel gegenseitige Hingabe die Partner fühlen lässt.

Wir dürfen nicht vergessen, dass Sexualität ursprünglich etwas absolut Lustvolles, ohne Latex- oder Gummitrennung ist, dass die befreiende Wirkung des Orgasmus´ ohne Einschränkung ursprünglich einfach ohne jede Einschränkung gebend und empfangend möglich war.

Die oftmals sehr aggressiven Statements gegen Barebacker haben ihren Ursprung im Gefühl eines Verlustes und des bewussten Verzichtes.

Wir müssen so vielen homosexuellen Männern dankbar sein, dass sie so viel Verzicht auf sich genommen haben. Sie tragen so dazu bei, dass die Zahlen der Neuinfektionen in Deutschland viel niedriger sind, als in den Nachbarländern. Doch dürfen wir nicht verkennen, dass die Zahlen der Neuinfektionen auch bei uns im Ansteigen sind.

In Zeiten von HIV und AIDS kann schwule Sexualität überwiegend als Analverkehr dargestellt werden, weil da ja ein Pariser drübergezogen werden kann und daher das Ficken bis zum Schluss möglich ist.

Beim „Blasen bis zum Schluss“ kann man auch einen Pariser benutzen, zum Beispiel mit Erdbeer- oder Kirchgeschmack. Doch die Liebhaber der speziellen Aromen können dies nicht so sehr als Befriedigung empfinden, und so ist diese sexuelle Lust eben nur „bare“ möglich.

Dies setzt aber Monogamie und den gleichen Sero-Status voraus, will man safe handeln, was für den völligen Lustgewinn auf diesem Gebiet dann eben dazugehört. Und selbst wenn beide positiv sind, ist das weitergeben anderer sexuell übertragbaren Krankheiten sehr gefährlich.

Ein Risiko bleibt dennoch, und das ist der menschliche Faktor. So „treu“ sind treue Paare trotz großer Liebesschwüre dann doch nicht, dass man seine Zukunft und seine Gesundheit in die Hände solcher Versprechen legen könnte. Wir leben schließlich nicht auf einer einsamen Insel. Möglichkeiten gibt es immer. Deshalb ist diese Thema auch noch tabuisierter als der AV.

Auch wenn AIDS durch neue Medikamente von einer tödlichen zu einer chronischen Krankheit wurde, kann nicht einfach sorglos diese Krankheit weitergegeben beziehungsweise geholt werden.

Eine ganze Reihe schwuler Männer, die diese Form sexueller Erfüllung lieben, versuchen im Chat und in Kneipen anderen und vielleicht auch sich selbst einzureden, das über Sperma im Mund der HIV-Virus nicht weitergegeben werden könnte. Leider ist das ja in Wirklichkeit nicht so.

Sicher, Speichel hat eine geringe antiseptische Wirkung, doch kann die doch bei einer Ejakulation ernsthaft als Argument nicht gelten. Der Appell der AIDS-Hilfe ist für den sogenannten Oralverkehr doch wirklich ernst zu nehmen: „Raus bevor es kommt“.
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