89. Ausgabe, Winter 06/07
 
Wird nun das Denkmal an homosexuelle Nazi-Opfer gebaut oder nicht gebaut?
Aufgrund der Emma-Kampagne „gegen die Diskriminierung der Lesben“ beim Mahnmal für die homosexuellen Nazi-Opfer ist das Projekt gefährdet.

Die Schwulen Männer wollen Frauen nicht diskriminieren, schon gar nicht lesbische Frauen. Das führt vielleicht dazu, dass auch viele Schwule die Kampagne der emma aufgreifen, wie zum Beispiel der (homophile) Jan Feddersen in der taz.

In der Nazizeit wurden alle, die nicht mit dem Strom schwammen, sondern gar aus der Reihe tanzten diskriminiert, verfolgt, zum Verstecken und Verschweigen gezwungen bis hin zur Gefahr für Leib und Leben nicht nur durch die mehrheitlich rechtgerichteten Bürger, sondern eben auch durch rechte Funktionsträger in Behörden, was zur Verhaftung und in verschiedenen Fällen auch zum Tode führte, oft nicht direkt nachweisbar, dies ist wohl allgemein bekannt, und unter diesen Opfern natürlich auch viele Lesben und Schwule.
Darüber hinaus gab es noch eine bis ins Detail nachweisbare gezielte systematische (nazi)staatliche Verfolgung durch spezielle Gesetze und Unterbringung ganzer Menschengruppen in Vernichtungslagern, wie zum Beispiel Jüdinnen und Juden.

Es gab auch in Konzentrationslagern die Vernichtung durch Arbeit, wie u.a. auch Roma und Sinti, Widerstandskämpfer, Sozialisten und Kommunisten, Jehovas Zeugen (Bibelforscher genannt) und eben auch die „Männer mit dem Rosa Winkel“, also die der Homosexualität bezichtigten Männer, oft auch nur als Homosexuelle denunzierte Männer, auch wenn sie es nicht waren, und natürlich Schwule Männer, verurteilt nach dem § 175 RStGB und § 175a.

Schon der Kuss zwischen Männern, sogar ein inniger Blick konnte zur Verurteilung zu Gefängnis-, Zuchthaus- oder KZ-Haft führen, und gerade von den Männern mit dem Rosa Winkel überlebten nur wenige die Tortur dieser „Vernichtung durch Arbeit“, nicht zuletzt, weil sie auch von den anderen Mithäftlingen nicht gerade solidarisch behandelt wurden, niemand wollte/konnte sich sicher sein, dass er einen normalen zwischenmenschlichen Umgang mit diesen Männern ohne Denunziation überstand.

Das eine (die Einschränkung der Lebensentfaltung) ist nicht gerade mit dem anderen (KZ-Haft usw.) vergleichbar.
Experimente wurden mit ihnen gemacht, sadistische KZ-Wächter und Kapos (Hilfskräfte der Nazis unter den Gefangenen) tobten sich an ihnen aus. Der Besenstiel im Arsch und die Arbeit in den Steinbrüchen mit bloßen Händen im Schnee, von Hunden der Nazi-Aufseher zerrissen, Kastrationen und kollektive Erniedrigungen gehören zu den „Umgangsformen“ mit den Rosa-Winkel-Häftlingen, in der entsprechenden Literatur aufgezeichnet und historisch verbürgt.

Nach Aussage von Ilse Kokula (Jahre des Glücks, Jahre des Leids, Verlag Frühlings Erwachen 1986) war die Haltung der Nazis gergenüber lesbischen Frauen indifferent: „dagegen vertraten die NS-Ideologen die Ansicht, eine Kriminalisierung lesbischer Frauen sei nicht notwendig, da die Fortpflanzung bei ihnen gesichert sei.“
Im Gegenteil war die Zeit der Deutschen Besetzung Österreichs die kurze Zeit in der Geschichte Österreichs, in der es keine gesetzliche Verfolgung lesbischer Frauen gegeben hat, da das österreichische Strafrecht im Gegensatz zum Deutschen auch lesbische Frauen unter Strafe stellte.

Die Behörde im 12 Jahre andauernde „tausendjährigen“ Deutschen Nazi-Reich, die die Verfolgung vornahm, war ab 10.10.1936 die „Reichszentrale zur Bekämpfung der Homosexualität und Abtreibung“, und mit „Homosexualität“ war, wie im § 175 RStGB die männliche Homosexualität gemeint. Die sogenannten „Rosa Listen“ waren Karteien, in die der Homosexualität verdächtigten Männer aufgelistet waren, die übrigens auch nach dem Ende des Nazi-Staates in der CDU-geführten jungen Bundesrepublik weiter geführt wurden.

An dem Mahnmal-Entwurf, der einer Stele nachgebildet ist, kann man ein (dauer)knutschendes Männerpaar durch ein Guckloch sehen, denn der Kuss zwischen Männern war ja schon ausreichend für die Einweisung in ein KZ. Dieser Kuss ist nun der Vorwand der Emma-Kampagne, hinter der auch die Ideologie steht, dass (auch homosexuelle) Männer immer Frauen (auch homosexuelle) zu Opfern machen. Er ist der Vorwand, von der bewussten Ausgrenzung der lesbischen Nazi-Opfer durch schwule Männer zu sprechen.

In der taz vom 20.11. 06 steigt Jan Feddersen in die Kampagne der Emma ein und behauptet: „Lesbisches Unerwünscht“. Das angekündigte Schild, auf dem das Angedenken homosexueller Frauen und Männer formuliert werden soll, reiche nicht. Auch er hält es für eine bewusste Ausgrenzung lesbischer Frauen, wenn ein knutschendes Männerpaar gezeigt wird. In seinem Artikel bestreitet er nicht die systematische Verfolgung homosexueller Männer durch den § 175, doch legt er nahe, dass die Leiden homosexueller Frauen nur verschwiegen wurden und die überlebenden trauma-tisierten weiblichen Opfer sich nur nicht getrauen würden, ihrer Vergangenheit zu stellen. Er fordert, das Mahnmal erst einmal nicht zu bauen und ein Gremium einzusetzen, das Männer und Frauen gleichbehandelt, inhaltlich und personell.

Da er Lesben nun nicht rückwirkend paritätisch ins KZ bringen kann, kann er damit nur erreichen, dass der Männer mit dem Rosa Winkel immer noch nicht offiziell gedacht werden kann.

Lesbischen Frauen steht es sicher gut an, mit den „Männern mit dem Rosa Winkel“ solidarisch zu sein, der Opfer so zu gedenken, wie es angesichts der historischen Ereignisse richtig ist und sich nicht von dieser Kampagne verwirren zu lassen, die den Zweck hat, das Emma-Weltbild zu bestätigen. (rs/js)
 
Literatur:
Wenn in den nachfolgenden Literaturangaben von „Homosexuellen“ die Rede ist, sind damit die strafrechtlich verfolgten schwulen Männer gemeint.
Heinz Heger: Die Männer mit dem Rosa Winkel, Merlin-Verlag 1972
Richard Plant: Rosa Winkel, Der Krieg der Nazis gegen die Homosexuellen, Campus-Verlag 1991
Frank Heribert Hrsg.: Und Gad ging zu David, Die Erinnerungen des Gad Beck, Zerba Literaturverlg 1995
Freunde des Schwulen Museums in Berlin e.V.: Die Geschichte des § 175, Strafrecht gegen Homosexuelle, Verlag Rosa Winkel 1990
Rainer Hoffschildt: Die Verfolgung der Homosexuellen in der NS-Zeit, Zahlen und Schicksale aus Norddeutschland, Verlag rosa Winkel 1999
Andreas Pretzel und Gabriele Roßbach: Wegen der zu erwartenden hohen Strafe ..., Homosexuellenverfolgung in Berlin 1933 - 1945, Verlag rosa Winkel 2000
Joachim Müller, Andreas Sternweiler: Homosexuelle Männer im KZ Sachsenhauesen, Verlag rosa Winkel 2000
Heinz-Dieter Schilling Hrsg.: Schwule im Faschismus, Elefanten Press 1983
Burkhard Jelloneck: Homosexuelle unter dem Hakenkreuz, Schöningh Verlag 1990
Burkhard Jelloneck, Rüdiger Lautmann: Nationalsozialistischer Terror gegen Homosexuelle, Verdrängt und ungesühnt, Schöningh Verlag 2002
Günter Grau Hrsg und Cluadia Schoppmann: Homosexualität in der NS-Zeit, Fischer Taschenbuch Verlag 1993
und nicht zuletzt der Klassiker:
Hans-Georg Stümke und Rudi Finkler: Rosa Winkel, Rosa Listen, rororo aktuell 1981
(Uns liegen noch zahlreiche weitere Arbeiten zum Thema vor.)
 
14. Dezember 2006
LSVD, Mahnmalsinitiative und Lesbenring begrüßen Fortentwicklung der Konzeption beim Homosexuellen-Denkmal

Gemeinsame Erklärung von Günter Dworek, Sprecher des Lesben- und Schwulenverbandes (LSVD), Albert Eckert, Sprecher der Initiative „Der homosexuellen NS-Opfer gedenken“ sowie Ulrike Janz, Lesbenring e. V.:

„Dem Künstlerduo Michael Elmgreen und Ingar Dragset ist es gelungen, ihren Entwurf für das Homosexuellen-Denkmal überzeugend weiter zu denken.

Der im Kunstwettbewerb ausgewählte Entwurf nimmt Bezug auf das gegenüber liegende Holocaust-Denkmal. Als Grundform ist eine Stele geplant, die jenen von Peter Eisenman ähnelt. Durch ein Fenster, das schräg in eine Ecke des Kubus eingeschnitten ist, sieht man - so die Ursprungsplanung - ein projiziertes Filmbild einer scheinbar endlosen Kussszene zwischen zwei Männern.

Ihr neuer Vorschlag sieht vor, im Zwei-Jahres-Rhythmus anderen Künstlerinnen und Künstlern zu ermöglichen, in der geplanten Stele ihre Interpretation eines gleichgeschlechtlichen Kusses zu präsentieren.

Laut Bundestagsbeschluss soll das Denkmal die verfolgten und ermordeten Opfer ehren, die Erinnerung an das Unrecht wach halten und ein beständiges Zeichen gegen Intoleranz, Feindseligkeit und Ausgrenzung gegenüber Schwulen und Lesben setzen. Der Wechsel des Filmbildes ermöglicht es, dieser vielfältigen Aufgabenstellung gerecht zu werden, indem periodisch immer wieder neue thematische Schwerpunkte gesetzt werden. Damit werden die vom Bundestag gestellten Aufgaben eindrucksvoll gelöst.

Der Lesben- und Schwulenverband (LSVD) und die Initiative „Der homosexuellen NS-Opfer gedenken“ und der Lesbenring begrüßen die Fortentwicklung nachdrücklich. Wir appellieren an die Bundesregierung, den neuen Vorschlagaufzugreifen und umzusetzen.
Im Nationalsozialismus konzentrierte sich die Verfolgung aufgrund von Homosexualität auf Männer. Dafür steht das Startvideo eines küssenden Männerpaares. Der Videowechsel zu einem Frauenkuss kann danach den Blick auf die dritte Aufgabe des Gedenkortes lenken, für die heutige Zeit ein Zeichen gegen Ausgrenzung von Schwulen zu Lesben zu setzen.

So wird auch das tradierte statische Denkmalsverständnis überwunden. Das Denkmal wird sowohl eigenständiges Kunstwerk als auch Plattform für die künstlerische Arbeit anderer. Die periodische Veränderung hält das Denkmalaktuell, sie kann die gesellschaftliche Auseinandersetzung mit den NS-Verbrechen gegenüber Homosexuellen immer wieder neu beleben, ebenso die Beschäftigung mit heutigen Menschenrechtsverletzungen.“
 
Unsere Meinung:
Was vielleicht erreicht wurde

Dies ist ein fauler Kompromiss, der aber wohl als die einzige Möglickeit erscheint, noch ein Mahnmal zu erhalten, das sich derart in die Reihe anderer Mahnmale einfügt. Der Männer mit dem Rosa Winkel wird hier jedoch nicht mehr entsprechend ihrer tragischen Geschichte in angemessener Würde gedacht, denn der Auftrag „die verfolgten und ermordeten Opfer ehren, die Erinnerung an das Unrecht wach halten und ein beständiges Zeichen gegen Intoleranz, Feindseligkeit und Ausgrenzung gegenüber Schwulen und Lesben setzen“ wird damit weit überdehnt.

Nur die nachgeschobene eher ideologisch motivierte Konstruktion, dass das Mahnmal auch die Aufgabe habe „für die heutige Zeit ein Zeichen gegen Ausgrenzung von Schwulen zu Lesben zu setzen“ rechtfertigt von der Sache her den Wechsel mit dem küssenden Frauenpaar. Es ist ja letztlich die Aufgabe jedes Mahnmal, für die heutige Zeit „Zeichen zu setzen“. Die heutige „Ausgrenzung von Schwulen und Lesben“ ist ja eigentlich nicht so direkt der Gegenstand eines Denkmales des mahnenden Angedenkens an die Nazi-Opfer. Es bleibt abzuwarten, ob die Zeitschrift emma und ihre HelferInnen nun zufriedengestellt sind und ob das Mahnmal ohne Einspruch nun, vom Bundestag genehmigt, gebaut werden kann, ob es also nur darum ging, das Weltbild dieser Zeitschrift zu bestätigen, dass Männer, auch schwule Männer, immer Frauen unterdrücken.

Wenn es aber all den KritikerInnen des Mahnmales oder einigen von ihnen darum geht, das Mahnmal überhaupt zu verhindern, werden sie nachsetzen, weitere Kampagnen führen und weitere Forderungen stellen, Denn dadurch bekommt es den Geruch, etwas Umstrittenes zu sein, was den GegnerInnen im Bundestag zusätzliche Vorlagen liefert. (LUST-Redaktion)
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