- 88. Ausgabe, Herbst-LUST 06
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- Hartz IV
oder das Arbeitslosengeld II
Die Bundesrepublik Deutschland ist lt. Grundgesetz ein Sozialstaat.
Das in der Bundesrepublik bisher bestehende System der sozialen
Sicherung lässt sich ursprünglich auf drei grundlegende
Gestaltungsprinzipien zurückführen (1. das Ver-sicherungs-,
2. das Versor-gungs- und 3. das Fürsorgeprinzip), von denen
jedes einen Teilbereich in Hinblick auf seinen organisatorischen
Aufbau und seine sozialpolitische Zweckbestimmung prägt.
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- Gestaltungsprinzipien
1. Durch die Sozialversicherung sind in der BRD ursprünglich
etwa 90% der Bevölkerung vor den wirtschaftlichen Risiken
der Krankheit, der Erwerbsunfähigkeit, des Arbeitsunfalls,
der Berufskrankheit und des Alters geschützt.
Die gesetzlichen Sozialversicherungen sind im wesentlichen solidarisch
aufgebaut, das heißt konkret z.B. bei der Krankenversicherung:
jede(r) Versicherungspflichtige Arbeitneh-merIn zahlt in Höhe
seiner Möglichkeiten ein (Prozentualer Anteil des Lohnes)
und erhält nach den medizinischen Notwendigkeiten. Durch
die Pflicht zur Zuzahlungen wurde dies schrittweise zum Nachteil
der Versicherten modifiziert. Nur im Bereich Rente und Arbeitslosigkeit
(ALG I) erhält der Versicherte Leistungen entsprechend der
Höhe seiner Einzahlung. Dieses gesamte solidarische Prinzip
ist durch politische Eingriffe der Regierungen allerdings schrittweise
verändert worden, denn die Sozialversicherungen, die weder
staatlich noch privat sind, sondern Körperschaften des öffentlichen
Rechts, sind durch einen Staatsvertrag an gesetzliche Zugriffe
durch den Staat gebunden, eventuelle Überschüsse werden
dem Staat in Form von Krediten übereignet, für eventuelle
Unterdeckungen hat der Staat einen Ausgleich aus Steuermitteln
zu zahlen. Zumeist sind die Gründe für eine Unterdeckung
auch nicht im Verantwortungsbereich der Versicherten, sondern
im Verantwortungsbereich der staatlichen Sozialpolitik.
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- Der Staat kann sich aber dieser Zuzahlungspflicht
an die Sozialversicherungen durch Gesetzesänderungen entziehen.
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- 2. Die Versorgungsleistungen, die der Staat
einbringt, werden aus Steuermitteln, also von allen Bürgern,
finanziert. Ein Versorgungsanspruch wird nicht durch Beitragszahlungen,
sondern durch andere Vorleistungen erworben. Die Versorgung ist
eine Entschädigung der Gesellschaft für diejenigen,
die der Allgemeinheit besondere Dienste leisteten (z.B. die Beamten)
oder die besondere Opfer auf sich nehmen und dadurch gesundheitliche
oder wirtschaftliche Nachteile erlitten (z.B. Kriegsopfer oder
Vertriebene).
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- 3. Das Fürsorgeprinzip kommt vor allem
dort zur Geltung, wo die anderen Prinzipien und Einrichtungen
des sozialen Sicherungssystems vor individuellen Notsituationen
versagen. Fürsorge in Form der Sozialhilfe wird zum Beispiel
erst dann gewährt, wenn jemand keine oder nur unzureichende
Versicherungs- oder Versorgungsleistungen erhält und sich
auch nicht selbst aus seiner Lage befreien kann.
- Anspruch auf Sozialhilfe oder Arbeitslosenhilfe
besteht also nur bei Bedürftigkeit, sie ist von Vorleistungen
unabhängig und wird ganz aus öffentlichen Mitteln aufgebracht.
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- Im Falle der Arbeitslosigkeit ...
... wird die Arbeitslosenversicherung in der Regel für ein
Jahr wirksam, also das Arbeitslosengeld, und später dann,
falls keine angemessene Arbeit gefunden werden konnte, wurde
die Arbeitslosenhilfe bezahlt.
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- Vor den Hartz-Reformen
Arbeitslosengeld: Arbeitslosengeld in Höhe von 63% (mit
Kindern 68%) des letzten durchschnittlichen Netto erhält,
wer arbeitslos ist, dem Arbeitsmarkt zur Verfügung steht,
die Anwartschaft erfüllt (also vorher beitragspflichtig
gearbeitet hat), sich beim Arbeitsamt meldet und einen entsprechenden
Antrag stellt.
Arbeitslosengeld wird in der Regel längstens für 1
Jahr gezahlt. Die Dauer der Zahlung hängt davon ab, wie
lange man vorher beitragspflichtig gearbeitet hat.
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- Arbeitslosenhilfe: Personen, die keinen Anspruch
auf Arbeitslosengeld haben, aber dem Arbeitsmarkt zur Verfügung
stehen und bedürftig sind, erhalten Arbeitslosenhilfe. Bedürftig
bedeutet, dass die Betroffenen unter Einbeziehung des Vermögens
und des Einkommens aller anderer Familienangehöriger ihren
Lebensunterhalt nicht mehr bestreiten können. Die Arbeitslosenhilfe
beträgt etwa 58% (bei Kindergeld 56%) des letzten Nettoarbeitsverdienstes
und wird ohne zeitliche Begrenzung gezahlt. Es ist dies eine
stattliche (steuerlich finanzierte) Fürsorgeleistung.
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- Seit den Hartz-Reformen
Die rotgrünen Bundesregierung (mit Zustimmung des schwarzgelben
Bundsrates) hatte das alte Sozialsystem entscheidend geändert,
denn das oben genannte Modell war nur wirksam vor den (nach dem
ehemaligen VW-Manager Hartz benannten) Reformen.
Die Bundsanstalt für Arbeit ist eine Bundesbehörde.
Sie hatte die Aufgabe, die Arbeitslosenversicherung und die Arbeitslosenhilfe
zu bearbeiten, sowie die Arbeitsförderung und Arbeitsvermittlung
durchzuführen. Sie wurde nun in Bundesagentur für Arbeit
umbenannt.
Die ehemaligen Arbeitslosenhilfe-EmpfängerInnen erhalten
nun keine von ihrer bisherigen Lohnhöhe abhängigen
Beträge mehr und werden mit den arbeitsfähigen Sozialhilfe-EmpfängerInnen
im Alter von 15 bis 65 im sogenannten Arbeitslosengeld II zusammengefasst,
genannt auch Hartz IV, das im wesentlichen auf dem finanziellen
Niveau der Sozialhilfe angesiedelt ist. Das ALG II bedeutet ein
deutliche Verschlechterung für einen großen Teil der
ehemaligen Arbeitslosenhilfe-Empfäng-erInnen und keine wirkliche
Verbesserung für die bisherigen Sozialhilfe-EmpfängerInnen
im Alter zwischen 15 und 65 Jahren, die als arbeitsfähig
gelten. Grundlage des ALG II ist das Sozialgesetzbuch II. Demnach
ist das ALG II eine Versorgungsleistung im Sinne des Fürsorgeprinzips.
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- Regierungspropaganda
In der regierungsnahen Medien, und das sind seit Bildung der
Großen Koalition nahezu alle großen Medien, wird
ständig die Nachbesserung des ALG II verlangt,
was im Grunde nur eine weitere Kürzung der Bezüge der
ALG-II-Bezüge bedeutet. Die Argument werden
ständig gebetsmühlenartig wiederholt:
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- Die Sozialleistungen sind im Vergleich
zu den Nachbarländern zu hoch. Der Spiegel schrieb am 29.05.06:
In Großbritannien und den USA z.B. liegt das Fürsorgeniveau
deutlich niedriger.
- In Wirklichkeit liegt die so genannte income-based
jobseeker allowance für Alleinstehende derzeit bei
57,45 Pfund pro Woche, dies entspricht einem monatlichen Regelsatz
von Knapp 360 Euro. In Deutschland gelten 345 Euro. Hinzu kommt
in Großbritannien auch die Übernahme der Mietko-sten
für Langzeitarbeitslose.
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- Der Regelsatz ist zu hoch, denn mit dem
ALG II bekommen manche Menschen mehr Geld, als sie mit Arbeit
verdienen würden. Wer arbeitet, muss mehr Geld haben
als der, der nicht arbeitet, sagte Bundeskanzlerin Merkel.
- Dann müsste man einen Mindestlohn einführen
und nicht die Löhne immer weiter drücken, und dann
das ALG II weiter senken. Wovon sollen denn die Menschen leben?
Der Regelsatz ist nicht höher als die frühere Sozialhilfe,
aber die Verdienststruktur in der Bundesrepublik hat sich geändert.
Heute gibt es zum Beispiel für die abgabenfreien 400-Euro-Jobs
keine zeitliche Begrenzung mehr. Und so ackern inzwischen auch
Halbzeitkräfte zum Niedriglohn als 400-Euro-Jobberinnen
ohne Sozialversicherungsschutz.
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- Immer mehr Leute beziehen Hartz IV, weil
das ALG II zum Missbrauch einlädt. Der Missbrauch
muss eingedämmt werden, sagte populistisch Baden-Württembergs
CDU-Ministerpräsident Öttinger.
- In Wirklichkeit hat die Bundesagentur für
Arbeit 26 Millionen Euro zu viel gewährtes ALG II entdeckt,
das sind 0,4 % der im ersten Quartal 2006 bezahlten Summe. Die
Bundesagentur für Arbeit schätzt die Missbrauchsquote
auf 5 bis 6 % der EmpfängerInnen, wobei sich laut Agentur
darunter auch Leute befinden, die sich bei Job-aufnahme nicht
rechtzeitig abgemeldet haben. Ageblich werden im Jahr 30 Milliarden
an Steuern hinterzuge, hier von Missbrauch zu sprechen wäre
da angemessener. Der SPD-Finanzminister der rotgrünen Bundesregierung
Eichel hatte während seiner Amtszeit vergeblich versucht,
wenigstens 5 Milliarden Euro an hinterzogenen Kapitalsteuern
auf im Ausland deponiertes Geld wohlhabender deutscher Anleger
zurückzuholen.
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- Die Kosten für Arbeitslosigkeit steigen
ins Unermessliche.
- Die Kosten für Arbeitslosigkeit sind
insgesamt gefallen und nicht gestiegen. Im April 2006 wurden
von der Bundesagentur für Arbeit (BA) und vom Bund (für
SGB II und III zusammen) insgesamt 4,582 Mrd. Euro ausgegeben
und damit 199 Mio. Euro weniger als im April 2005 (4,784 Mrd.
Euro). Nach Prognosen werden BA, Bund und Kommunen voraussichtlich
0,8 Mrd. Euro weniger für Arbeitslosigkeit ausgeben als
geplant und dies, obwohl die Kosten für den Bund voraussichtlich
2 Mrd. Euro und die der Kommunen um 1,2 Mrd. Euro steigen. Das
liegt daran, dass die Ausgaben für die Versicherungsleistung
ALG I deutlich zurückgegangen sind, und zwar 270 Mio. Euro
pro Monat oder 10,9% im Vergleich zum entsprechenden Zeitraum
des Vorjahres (November 2004 bis April 2005).
Schon bei Einführung von Hartz IV sind Ein-sparpotenziale
eingerechnet worden, die irreal und daher auch nicht zu erreichen
waren. Obwohl 2004 rund 18 Mrd. Euro für Arbeitslosenhilfe
ausgegeben worden sind, plante die rotgrüne Regierung für
ALG II nur 14 Mrd. ein. Insgesamt sollten die zusammengelegte
Arbeitslosenhilfe und Sozialhilfe 26 Mrd. Euro kosten, obwohl
sie schon 2004 27,6 Euro kosteten. Der zu erwartende Anstieg
von Kosten ist mit dem zu erwarteten Anstieg der Bezieherzahlen
zu erklären: Die Bezieherzahlen der alten Arbeitslosenhilfe
stiegen von 1,707 Mio. im August 2002 auf 2,261 Mio. im Dezember
2004. Daraus ergeben sich jährlich zusätzliche Kosten
in Höhe von 2 Mrd. Euro. 2005 wäre die Zahl der Arbeitslosenhilfebezieher
voraussichtlich auf 2,5 Mio. angestiegen. Der Anstieg der Kosten
für Hatz IV ist also in Wirklichkeit das Steigen der Langzeitarbeitslosigkeit
und der Armut trotz Arbeit. Und die Lanzeitarbeitslosigkeit ist
weiterhin rapide im Steigen begriffen, was natürlich dann
auch die Kosten für ALG II steigen lässt.
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- Wozu diese Propaganda?
Diese gesamte Propaganda der regierungsnahen Medien dient dazu,
weitere Einsparungen auf Kosten der ALG-II-BezieherInnen zu rechtfertigen,
wie sich dies im SGB-II-Optimierungsgestz zeigt. Es soll ab 1.
August 2006 in Kraft treten, 1,5 Milliarden Euro Einsparung einbringen
und erfasst 50 Maßnahmen. Hier die wichtigsten Maßnahmen:
Sofortiges Jobangebot: Wer zum 1. Mal ALG II beantragt,
und in den 2 Jahren zuvor keine Leistungen der Arbeitsagentur
erhalten hat, soll künftig sofort in einen Ein-Euro-Job,
eine Weiterbildung oder eine andere Maßnahme vermittelt
werden. Mit diesem Sofortangebot soll die Arbeitsbereitschaft
des Antragstellers überprüft werden. Die Regierung
erhofft sich durch diese Maßnahme einen Rückgang der
Neuanträge um etwa 10%. Ersparnis: ca. 280 Millionen
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- Kontrolleure: Das
neue Gesetz schreibt Joncentern vor, flächendeckend Außendienste
zu schaffen, die die ALG-II-Haushalte überprüfen sollen.
Die Regierung erhofft sich dadurch die Aufdeckung von ca. 90.000
Missbrauchsfällen. Einsparung bis zu 440 Millionen Euro.
Auskünfte: Private Stellen, z.B. Call-Center, können
von den Behörden beauftragt werden, telefonisch Daten bei
ALG-II-Empfängern abzufragen. Dadurch soll herausgefunden
werden, wer unrechtmäßig Leistungen erhält. Erhoffte
Einsparung bis zu 300 Millioenen Euro.
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- Datenaustausch:
Zwischen den Behörden wird der Informationsaustausch verstärkt,
um Vermögen aufzuspüren, das ALG-II-Empfänger
nicht angegeben haben. So sollen künftig Anfragen bei den
Finanzbehörden möglich sein, um zu erfahren, ob Konten
oder Aktiendepots bestehen. Beim KFZ-Bundesamt in Flensburg darf
erfragt werden, welche Fahrzeuge der Betroffene hat. So kann
man beurteilen, ob das Fahrzeug den angegebenen Vermögensverhältnissen
entspricht. Erhoffte Einsparung bis zu 500 Millionen Euro.
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- Sanktionen:
Bisher führt die Weigerung, eine zumutbare Arbeit anzunehmen,
für die Dauer von 3 Monaten zu einer Kürzung des AKG
II um 30 %. Wohn- und Nebenkosten bleiben unberührt. Künftig
wird nicht nur die Regelleistung gekürzt, sondern auch die
Wohn- und Nebenkosten. Führt bisher eine erneute Arbeitsverweigerung
nur in den ersten drei Monaten zu einer weiteren Kürzung
um nochmals 30%, so wird dieser Zeitraum künftig auf ein
Jahr erweitert. Wer also innerhalb eines Jahres zweimal eine
angebotene Tätigkeit ablehnt, bekommt 60% weniger Leistungen
vom Jobcenter. Bezieher vom Arbeitslosengeld I, die wegen einer
Pflichtverletzung eine Sperrzeit von der Arbeitsagentur bekommen
haben, können bei Bedürftigkeit in dieser Zeit ALG
II beantragen. Bisher erhalten sie den vollen ALG-Regelsatz.
Künftig sollen sie 30% weniger erhalten. Bei Hilfsbedürftigen
unter 25 Jahren entfallen bei Pflichtverletzungen die Regelleistungen
ganz und gar. Sie erhalten nur noch Sachleistungen (Lebensmittelgutscheine
ect.). Da dies zu erheblichen Härten führt, soll für
diese jungen Hilfeempfänger eine flexible Regelung geschaffen
werden.
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- Bedarfsgemeinschaft:
Wenn zwei Personen in einer Wohnung leben, müssen sie zukünftig
beweisen, dass keine eheähnliche Gemeinschaft besteht. Wenn
beide eine eigene Bedarfsgemeinschaft bilden wollen. Bisher müssen
die Jobcenter das Gegenteil nachweisen. Die Behörden können
künftig davon ausgehen, dass eine eheähnliche Gemeinschaft
in einem gemeinsamen Hauhalt besteht, wenn eine von 4 Kriterien
erfüllt ist: 1. Die PartnerInnen leben länger als 12
Monate zusammen; 2. Sie haben gemeinsame Kinder; 3. Sie verfügen
über ein gemeinsames Konto; 4. Sie sind verantwortlich für
die Versorgung von Angehörigen. Die alleinige Behauptung
der Partner, dass sie nicht füreinander einstehen also keine
eheähnliche Gemeinschaft bilden, reicht nicht aus, um die
Vermutung des Jobcenters zu widerlegen.
Nichteheliche Gemeinschaften, als gleichgeschlechtliche
Partner, die zwar zusammenleben jedoch nicht nach dem Lebenspartnerschaftsgesetz
verpartnert sind, werden künftig genauso behandelt wie eheänliche
Gemeinschaften. Ihr jeweiliges Einkommen wird bei der Prüfung
der Hilfsbedürftigkeit zusammen herangezogen.
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- Vermögen: Vorgesehen
ist eine Senkung des Grundfreibetrages von derzeit 200 Euro auf
150 Euro pro Lebensjahr. Die Höchstgrenze für Vermögen,
das nicht beim ALG II berücksichtigt wird, liegt dann bei
9.750 Euro. Was darüber hinausgeht, wird auf das ALG II
angerechnet. Im Gegenzug soll der Altersvorsorgefreibetrag von
derzeit 200 auf 250 Euro pro Lebensjahr erhöht werden, mit
einer Höchstbegrenzung auf 16.250 Euro. Diese Maßnahme
soll dazu dienen, mehr Vermögen für die Altersvorsorge
der ALG-II-Empfänger anrechnungsfrei zu lassen. Auch der
Vermögensfreibetrag für Kinder wird abgesenkt, auf
3.100 Euro. Damit soll verhindert erden, dass in Bedarfsgemeinschaften
mit Kindern deren ungenutzte Freibeträge von Familienangehörigen
genutzt werden.
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- Kinderzuschlag:
Familien, die nach Ausschöpfen ihres Arbeitslosengeldes
I Anspruch auf Arbeitslosengeld II und den befristeten Zuschlag
hätten, können diesen oft nicht in Anspruch nehmen,
weil sie vorrangig Anspruch auf Kinderzuschlag haben. Künftig
sollen Familien frei wählen können, welchen Zuschlag
sie nehmen.
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- Babyausstattung:
Es wird nun klargestellt, dass zu einer Erstausstattung nicht
nur die Babybekleidung gehört, sondern auch ein Kinderwagen
und Kinderbett.
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- Warmwasserkosten:
Die Kosten für Strom und Warmwasser gehören nicht zu
den Unter-bringungskosten, für die die Kommunen zuständig
sind. Sie müssen aus der laufenden Regelleistung bestritten
werden.
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- Umzugskosten: Die
Gemeinden werden verpflichtet, bei notwendigen Umzügen von
ALG-II-Empfängern die Kosten für den Umzug zu übernehmen
und die Zusicherung der Übernahme der Aufwendungen zu erteilen.
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- Mietkosten: Zieht
ein ALG-II-Bezieher aus einer Wohnung mit angemessener Miete
in eine andere, die zwar teurer ist, aber immer noch im Rahmen
liegt, so werden für die neue Wohnung nur die bisherigen
niedrigeren Kosten übernommen.
Das gilt nicht, wenn der Umzug notwendig und von der Arbeitsagentur
genehmigt ist.
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- Pflegegeld:
Nicht auf das ALG II angerechnet wird auch weiterhin Pflegegeld
für das erste Kind.
Pflegegelder für die Betreuung weiterer Kinder werden aber
künftig als Einkommen beim ALG II angerechnet: Für
das 2. und 3. Kind wird das Pflegegeld je zur Hälfte, für
das 4. und 5. Kind zu 75% angerechnet.
Ab dem 6. Kind erfolgt die Anrechnung des Pflegegeldes (es wird
mit 202 Euro pro Kind und Monat angesetzt) in voller Höhe.
Damit soll verhindert werden, dass Kindespflegeschaft zum Gelderwerb
dient.
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- Der Ein-Euro-Job
EmpfängerInnen des Arbeitslosengeld II können oder
sollen sogenannte 1-Euro-Jobs annehmen, und das geschieht auf
folgender Grundlage:
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- 1. Das Gesetz
Mit dem am 1.1.2005 in Kraft getretenen Sozialgesetzbuch II (SGB
II) hat der Gesetzgeber die Grundsicherung für arbeitsuchende
bzw. arbeitslose aber arbeitsfähige Personen geregelt, die
keinen Arbeitslosengeldanspruch besitzen bzw. deren Anspruch
ausgelaufen ist.
Nach § 7 Abs. 1 SGB II sind leistungsberechtigt alle Personen
zwischen dem 15. und 65. Lebensjahr die erwerbsfähig sind,
hilfebedürftig und ihren gewöhnlichen Aufenthalt in
der Bundesrepublik Deutschland haben. Zusätzlich können
nach § 7 Abs. 3 SGB II auch Personen Leistungen erhalten,
die mit erwerbsfähigen Hilfebedürftigen in einer Bedarfsgemeinschaft
leben.
Neben Geld- und Sachleistungen wie ALG II, Leistungen für
Unterkunft und Heizung, Sozial- und Einstiegsgeld gehören
zu den Leistungen der Grundsicherung auch Leistungen zur Eingliederung
in Arbeit.
Nach § 14 SGB II müssen die Leistungsträger (Bundesagentur
für Arbeit, Sozialamt) erwerbsfähige Hilfebedürftige
mit dem Ziel der Eingliederung in Arbeit umfassend unterstützen.
Diese Leistungsträger haben unter Beachtung der Grundsätze
von Wirtschaftlichkeit und Sparsamkeit alle erforderlichen Leistungen
für die Eingliederung in Arbeit zu erbringen.
Eine Form der Eingliederung neben der Begründung von Arbeitsverhältnissen
ist die Schaffung von Arbeitsgelegenheiten mit Mehraufwendungsentschädigung
nach § 16 Abs. SGB II.
Diese Form der Förderung wird im Volksmund und in der Öffentlichkeit
als Ein-Euro-Job bezeichnet. Dabei muss aber beachtet
werden, dass neben der Mehraufwandsentschädigung von z.B.
1 Euro pro Stunde auch das ALG II gezahlt wird und die Leistungen
als Einheit zu sehen sind. Bei der Ausgestaltung hat sich der
Gesetzgeber an die früheren Regelungen des § 19 Abs.
II BSHG (Bundessozialhilfegesetz) angelehnt.
2. Beteiligte Personen
Mit der Schaffung und Durchführung von Arbeitsgelegenheiten
im Sinne des § 16 Abs. 3 SGB II sind 3 Rechtsträger
im Sinne eines Dreiecksverhältnisses beteiligt.
Zunächst gibt es den Leistungsempfänger, das ist der
erwerbsfähige Hilfebedürftige, d.h. die
arbeitslose Person.
Der zweite Beteiligte ist der Leistungsträger.
Dieser ist für die Eingliederung in Arbeit und ggf. für
die Leistungen zur Eingliederung verantwortlich. Es handelt sich
dabei entweder um die
(1) Agentur für Arbeit oder um die
(2) Arbeitsgemeinschaft zwischen der Agentur für Arbeit
und einem kommunalen Träger nach § 44 b SGB II oder
um einen (3) kommunalen Träger, der von einer Option nach
§ 6 a SGB II Gebrauch gemacht und die Aufgaben nach dem
SGB II selbst übernimmt (z.B. Kreis-Job-Center).
Bei den weiteren beteiligten Dritten handelt
es sich um die Person, die die Arbeit, die Arbeitsstelle oder
den Betrieb zur Verfügung stellt und für die der Leistungsempfänger
die Arbeit durchzuführen hat. In einem Arbeitsverhältnis,
das der Ein-Euro-Job nicht ist, wäre dieses der Arbeitgeber.
Hier könnte der betreffende als Dienstherr bezeichnet
werden.
- Damit gibt es also drei Rechtsverhältnisse:
Das Verhältnis des Leistungsemp-fängers zum
Leistungsträger (z.B. Arbeitsagentur),
das Verhältnis des Leistungsträgers zum Dritten,
den Dienstherren,
das Verhältnis des Leistungsempfängers zum Dritten,
den Dienstherren.
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- 3. Arbeitsgelegenheiten
Der Ein-Euro-Job wird in sogenannten Arbeitsgelegenheiten
durchgeführt
Für erwerbsfähige Hilfebedürftige, die keine Arbeit
finden können, sollen nach § 16 Abs. 3 SGB II solche
Arbeitsgelegenheiten geschaffen werden. Bedingung für Arbeitsgelegen-heiten
ist: es müssen
1. im öffentlichen Interesse liegende Arbeiten durchgeführt
werden,
2. diese Arbeiten müssen zusätzliche Arbeiten sein,
3. sie dürfen nicht als Arbeitsbeschaffungs-maßnahmen
gefördert werden.
In diesen Fällen ist dem Arbeitslosen zuzüglich zum
ALG II eine angemessene Entschädigung für Mehraufwendungen
zu zahlen (Mehraufwen-dungsentschädigung).
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- Kritik der Ein-Euro-Jobs
Natütlich kann man den Ein-Euro-Job von unterschiedlichen
Standpunkten her kritisieren. Hir haben wir eine Zusammenfassung
der Kritikpunkte:
Aufgrund der Einführung der Ein-Euro-Jobs ist zu befürchten,
dass die Beschäftigungs- und Entlohnungsbedingungen aller
Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer dadurch angegriffen werden.
Öffentliche und private Arbeitgeber könnten sich weiter
aus ihrer Verantwortung zur Schaffung von regulären Arbeitsplätzen
zurückziehen und dazu beitragen, dass sich Stellenabbau
beschleunigt.
Dies wird unter anderem dadurch erreicht, indem eine bewusst
erzeugte Unterfinanzierung der öffentlichen Haushalte forciert
wird.
Durch Hinweis auf die leeren Kassen wird eine gesamtgesellschaftliche
Akzeptanz erreicht, notwendige Arbeiten durch Ein-Euro-Jobs erledigen
zu können.
Qualifizierte Beschäftigte werden verdrängt (z.B. in
der Pflege oder in Kindertagesstätten) und faktisch ein
Niedriglohnsektor in verschiedenen Bereichen eingeführt,
da es sich i.d.R. nicht um zusätzliche oder ergänzende
Aufgabenfelder handelt.
Somit führt der Einsatz von Ein-Euro-Jobs zu einer Beschleunigung
des Stellenabbaus. Darunter leidet auch die Qualität in
den Einrichtungen.
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- Arbeitsgelegenheiten tragen in
gewissem Umfang dazu bei, dass die Statistik der Bundesagentur
geschönt ist. Denn 1-EURO-Jobber gelten gemäß
§ 16 II SGB III nicht als arbeitslos.
Eine der kritischen Anmerkungen hierzu ist, dass die den Ein-Euro-Jobs
zugrunde liegende rechtliche Regelung des § 16 (III) SGB
II kein Arbeitsverhältnis im Sinne des Arbeitsrechts beinhaltet.
Sie ist insoweit verfassungsrechtlich bedenklich, als damit
viele hunderttausend Menschen in einen Zustand der Rechtlosigkeit
oder Rechtsunklarheit versetzen werden (Zitat aus Prof.
Dr. G. Stahlmann, 1-Euro-Jobs aus rechtlicher Sicht).
Auch Handwerkspräsident Otto Kentzler hat die starke Zunahme
der Ein-Euro-Jobs in Deutschland heftig kritisiert. Bei
den Ein-Euro-Jobs brechen alle Dämme. Ihre Zahl sei
2005 auf weit über 200.000 gestiegen, die Bundesregierung
peile sogar 600.000 an, so Kentzler.
Die Kommunen setzten die Arbeitslosen oft dort ein, wo sie bis
vor kurzem noch Handwerksfirmen beauftragt hätten. Somit
verdrängten die Jobber die regulär Beschäftigten,
die dann auch in der Arbeitslosigkeit landeten.
Kritisiert wird auch, dass Menschen durch die Regelungen zu Ein-Euro-Jobs
in Verbindung mit den verschärften Bedingungen des Arbeitslosengeldes
II mit staatlicher Hilfe in prekäre Arbeitsverhältnisse
gezwungen werden.
Dabei werden bisweilen von den Kritikern Parallelen zum Reichsarbeitsdienst
im Nationalsozialismus gezogen. (Quelle: Sozialforum Wiesbaden)
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