88. Ausgabe, Herbst-LUST 06
 
Über die dominante Frau
Mit der Bezeichnung „die dominante Frau“ soll hier nicht ein spezieller Frauentypus gemeint sein, auch nicht eine Domina-Frauenrolle beim Sexspiel, sondern es soll die alltägliche Dominanz der alltäglichen Frau angesprochen werden.
Frauen seien die Opfer von Männerdominanz in dieser Gesellschaft.
Frauen werden in der Gesellschaft unterdrückt, das wussten und wissen wir und wir waren und sind bereit, als Lesben- und Schwulengruppe, gegen die Unterdrückung der Frau vorzugehen.

Die gleichen Leute, die Frauen unterdrücken, das wussten wir, sind auch die Leute, die Schwule verfolgen und verfolgen lassen: Nazi-Ideologen und -Täter, Religionsführer usw.

Aber nicht alles, was uns von FeministInnen erzählt wurde, erscheint und erschien uns glaubhaft. Denn die Frau ist nicht per se die Unterdrückte, man muss die spezielle Benachteiligung gegenüber dem Mann auch benennen können, denn: natürlich hat es jede/r in der Selbstwahrnehmung am schwersten.

Auch das Ansinnen, doch endlich zu akzeptieren, dass der Mann eben immer der Aggressive ist und die Frau per se die Duldende, das der Penis ein Folterinstrument sei usw., das ist nicht nur sexistischer Biologismus, das ist auch mindestens für nahezu alle schwulen Männer so nicht nachvollziehbar und eine durch nichts zu rechtfertigende Anschuldigung. Es erinnert an die christliche Kirche, die sagt: Der Mensch ist durch Sünde empfangen und in Sünde geboten, er ist allzumal Sünder, also immer Sünder, da kannste nun wirklich machen, was Du willst.

Dann kam DJane Uhura zu uns und erklärte, die gesellschaftliche Unterdrückung der Frau sei vom Gesetzgeber beendet worden, jetzt käme es auf Zwischenmenschliches an. Und sie meinte, dass das Beziehungs-Mann-Frau-Spiel sie gar nicht interessiert, da sie ja auf Frauen steht. Und unter Frauen sei auch recht viel Gewalt, Unterdrückung und Dominanz an der Tagesordnung. Da sei für Lesben genug zu tun, und das sei wirklich sehr wichtig.

Als das Buch „Mehr als das Herz gebrochen - Gewalt in lesbischen Beziehungen“ erschien, herausgegeben von Constance Ohms, schien es uns, dass vielen vielleicht gerade jetzt der Denkanstoß gegeben werden könnte, eine realistischere feministische Position zu entwickeln. Hier erfahren wir, dass Frauen auch nur Männer sind, um verbal im Bild zu bleiben. Genauer gesagt, man kann hier erfahren, dass es faire und unfaire, warmherzige und zynisch brutale Lesben gibt.

Was aber absolut stört, ist, dass in einigen Beiträgen gewalttätige Lesben als männliche Lesben bezeichnet werden. Und als Erklärung für weibliche (lesbische) Gewalttätigkeiten wird die patriarchalische Männergesellschaft angegeben, schuld sind also auch hierfür die gewalttätigen Männer, die Ideologie stimmt wieder.

Überhaupt ist das Bemühen zu erkennen, diese Vorgänge so zu interpretieren, dass bestimmte biologistische, genauer: gegensexistische Grundideologien bestätigt werden.

Gegensexismus unterscheidet sich nur in der Stoßrichtung vom Sexismus, ist aber eben auch nur sexistisch. Man hat den Eindruck: jede Ideologie kommt hier gelegen, wenn sie nur dem Ziel entspricht: die Frau als Opfer darzustellen. Könnten dann nicht prügelnde Männer genauso gerechtfertigt werden? Beispielsweise; sie sind als Kind von ihrer Mutter psychisch gequält worden, ihr Wille wurde gebrochen und sie wurden zusätzlich noch geohrfeigt.

Gibt es persönliche oder gesellschaftliche Dominanz und Macht der Frau? Selbstverständlich gibt es die, und das über den Typus der Frau hinaus. Macht und Einfluss entstehen nicht nur durch äußere Gewalteinwirkung, die am augenfälligsten sind, die sind oft nur der beginn eines Abhängigkeitsverhältnisses, oft aber auch das Ende von solchen Verhältnissen.

Dauerhafte Macht über einen oder mehrere Menschen entsteht aus Abhängigkeit. Es gibt zwei Bereiche, über die gesellschaftliche macht über Abhängigkeit entsteht, nämlich die Kontrolle der zwischenmenschlichen Beziehungen und die Kontrolle der zwischenmenschlichen Sexualität.

In diesen beiden Feldern haben Frauen über Generationen gelernt, Macht auszuüben. Ihre Konkurrenten auf diesem Gebiet sind die Religionsgemeinschaften beziehungsweise Ideologien. Wenn Frauen jedoch mit den Religionen oder Ideologien paktieren oder eine glaubhafte Gegenideologie vertreten, können sie über ein weiteres Machtmittel, das den Frauen in unserer Gesellschaft zugebilligt werden, das reale Leben der Menschen in der Gesellschaft und in den Beziehungen beeinflussen und bestimmen.

Frauen fühlen sich sowohl in Beziehungen wie in der Gesellschaft für die Moral der Menschen in der Gesellschaft und in den Beziehungen verantwortlich. Sie sind so erzogen worden, dass sie distanzlos kontrollieren wollen wer was macht, dass sie bewerten, ob sie dies billigen wollen oder sanktionieren, und sie haben viele Mittel erlernt, darauf Einfluss zu nehmen. Eines der Mittel ist, Männer in ihrer Männerrolle zu bestärken und Nutzen daraus zu ziehen.
 
Erfahrungen in der Gruppe
Als wir über die Männerdominanz gegenüber Frauen in der Gruppe diskutierten, erklärte ein Gruppenmitglied: Also bei mir zuhause sehe ich das anders. Meine Mutter kommandiert meinen Vater ständig rum, und wenn sie wieder, zum Beispiel beim Essen und vor Zeugen, also uns Kindern, irgend etwas durchsetzen möchte, von dem wir alle wissen, dass er das nicht will, dann ist es wohl ihr Gesicht und ihr Tonfall, das ihn verstummen lässt, er widerspricht nicht, also hat sie gesiegt.

Da heißt aber nicht, dass er nicht in bestimmten Abständen dann doch auf den Tisch schlägt, überhaupt nicht nachgibt, sondern seine Auffassung durchsetzt, wohl wissend, dass er es dann mit tagelangem oder längeren Schmollmund, vielen kleinen Nadelstichen und Unfreundlichkeiten zu tun bekommt, was er wegen seiner schweren Berufsarbeit nicht gebrauchen kann. Denn diese Arbeit verlangt seine volle Aufmerksamkeit.

Dies belegt, dass der Diktator nicht der Mann ist, das der Diktator auch nicht die Frau ist, sondern dass die Beziehung eine wichtige Funktion für die Arbeitswelt hat, dass also die Strukturen der Arbeitswelt in die Beziehungen tief eingreifen. Die Beziehung ist die Regenationseinrichtung für die Wiederherstellung der Arbeitskraft.

Innerhalb der Beziehung versuchen beide nach Kräften ihre Interessen unterzubringen, und dabei werden die Sachzwänge, in denen sich beide PartnerInnen in der Gesellschaft als Mittel der gegenseitigen Repression usw. ausgenutzt. Beide ParnerInnen befinden sich in Sachzwängen, beide PartnerInnen versuchen, jede/r mit seinen jeweiligen vorhandenen gesellschaftlichen und individuellen Mitteln ihren Interessen zu nutzen. Und dabei ist nicht der Mann dominant, sondern die Frau, weil sie hier über mehr Mittel verfügt.
 
Private Erfahrungen
Dass mein Vater dominant gewesen sein soll, kann ich rückblickende nicht bestätigen. Sicher, er hat mich als Kind, wenn meine Mutter sich bei ihm beschwert hat, mit einem Kleiderbügel auf den nackten Hintern so sehr verprügelt, dass der Kleiderbügel kaputt ging und der Hintern blutete. Das geschah vielleicht 5 oder 6 Mal. Der Impuls dafür kam von meiner Mutter und meiner Großmutter, die beide ständig da waren. Ich kenne meine Großmutter nur als willensstarke sehr kalte, strenge, religiöse und unfreundliche Frau, gegen die sogar meine Mutter freundlich wirkte. Ob meine Mutter freundliche oder nicht war, war nicht berechenbar. Sie war für mich im großen Ganzen eine absolut selbstbewusste Frau, die für meine Sensibilität eher kein Verständnis hatte. Ich erinnere mich zum Beispiel an Ohrfeigen aus heiterem Himmel, sodass mein Brille wegflog und bei diesen Gelegenheiten gelegentlich zu Bruch ging. Warum diese Ohrfeigen, weil sie mich angeblich vorher zum Essen gerufen hatte.

Das kann durchaus sein, denn meine Waffe gegen diese ständige Gehirnwäsche durch diese 3 Frauen, meine Großmutter, meine Mutter und meine intrigante Schwester bestand in Flucht in Traumwelten. Ich las sehr viel oder ich saß da und träumte und in solche Situationen traf mich dann die Ohrfeige besonders. Mein Vater war dabei kaum von Bedeutung, trotz dieser Prügelszenen.

Ich habe die Willkür von Frauen, denen ich ausgeliefert war, deutlich erlebt. Dominanz und Gewalt erfuhr ich durch Frauen. Gleichzeitig hatte ich gleichaltrige Mädchen als Spielkameradinnen, aber absolut unerotische Kameradinnen. Erotik gegenüber diesen Mädchen empfand ich nicht, aber ich erlebte Sex mit ihnen, denn ich wusste ja, dass dazu Frauen zuständig sind. Erst später, schon (heterosexuelle) verheiratet, verliebte ich mich in einen jungen Mann und begriff meine homosexuelle Neigung.

„Die Mutter: persönliche Macht und gesellschaftliche Ohnmacht“, schreibt A. Meulenbelt und bringt damit die Sache auf den Punkt. Müttern gegenüber sind Kinder absolut ausgeliefert, die Mutterschaft kann auch ein Machtmittel gegenüber dem Mann bzw. Erzeuger sein. Und die Entrüstung darüber, dass viele Männer nun versuchen, herauszufinden, ob ihnen sogenante Kuckuckskinder untergeschoben wurden, ist ein weiterer Schachzug im Interessensstreit. Frauen haben sich gesellschaftliche Strukturen geschaffen, in denen sie ihre Dominanz geltend machen können.

Man mag einwenden, dass die Führungspositionen in der Gesellschaft überwiegend in Männerhand sind. Aber Frauen partizipieren am Erfolg ihrer Männer. Ob das nicht angenehmer ist? (js)
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