- 88. LUST, Herbst-Ausgabe 06
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- Abschied von Freund Andreas Mayer-Hanno
- Wir haben Andreas zum ersten Mal bei Rock gegen rechts
in Frankfurt auf dem Rebstock-Gelände getroffen. Da half
er im Rahmen der Frankfurter Schwulengruppe, die das Zentrum
Anderes Ufer unterhielt, bei der Versorgung der FestivalteilnehmerInnen.
Den Lebensweg und die politische Vita des Sohnes einer Berliner
Künstlerfamilie seine Mutter war Pianistin, der Vater
Schauspieler prägten frühe Erfahrungen im Nationalsozialismus:
Wegen der Herkunft der Mutter wurde er als Kind zum Halbjuden
abgestempelt, während sein Vater als Kommunist bis zur Festnahme
durch die Gestapo 1944 in Widerstandsgruppen aktiv war.

Diese Diskriminierungserfahr-ungen setzten sich für ihn
fort in den 50er und 60er Jahren der postnazistischen Bundesrepublik
mit ihrem zum größten Teil aus der Nazi-Zeit übernommenen
Beamten- und Justizapparat mitsamt dem in der verschärften
NS-Fassung weiter geltenden und massenhaft angewandten Schwulenparagraphen
175 des Strafgesetzbuchs. In jener Zeit bot allenfalls der Kulturbetrieb
homosexuellen Männern einen gewisses Refugium, so auch dem
studierten Musik- und Theaterwissenschaftler sowie promovierten
Opernregisseur ab 1956 in Wuppertal und ab 1964 in Karlsruhe.
Nach vierjährigem Engagement am Staatstheater Braunschweig
hier hatte er 1973 eine der ersten Homosexuellengruppen
in Deutschland, die Homosexuelle Aktion Braunschweig (HAB), mitgegründet
erhielt er 1976 einen Ruf an die Frankfurter Musikhochschule.
In Frankfurt setzte Hannchen, wie er von seinen Freunden
genannt wurde, sein schwulenpolitisches Engagement im Schwulenzentrum
Anderes Ufer, später dem Lesbisch-schwulen Kulturhaus
und beim Tuntenensemble Die Maintöchter fort
. Im Jahre 1980 initiierte er den Verein Homosexuelle Selbshilfe
(HS e.V.), der zunächst insbesondere Rechtshilfe und soziale
Betreuung für weiterhin nach dem §175 verfolgte und
inhaftierte Männer organisierte und heute vorwiegend Projekte
aus der Lesben- und Schwu-lenszene finanziell fördert. Als
Schwester der HS e.V. gründete er 1991 die gemeinnützige
Hann-chen-Mehrzweck-Stiftung (HMS), in die er nahezu sein gesamtes
Privatvermögen fließen ließ. Auch der Frankfurter
Engel, das 1994 errichtete Denkmal für die homosexuellen
NS-Opfer an der Schäfergasse (heute Klaus-Mann-Platz) geht
auf sein maßgebliches Betreiben zurück.
Als Aktivst, der die Anfänge der AIDS-Krise und ihre drastischen
gesundheitlichen Konsequenzen wie politischen Bedrohungen für
schwule Männer Stichwort Zwangsmaß-nahmenkatalog
miterlebte, ging Andreas Meyer-Hanno schon früh offensiv
mit seiner eigenen HIV-Infektion um und thematisierte sie als
long time survivor auch im Rahmen seiner Vortragstätigkeit,
die er seit den 90er Jahren intensivierte.
Der Opernregisseur, Hochschullehrer und Aktivist der Schwulenbewegung,
Prof. Dr. Andreas Meyer-Hanno, am 7. September 2006 nach schwerer
Krankheit im Alter von 74 Jahren in Frankfurt am Main verstorben.
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