- 87. Ausgabe, Sommer-LUST 06
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- Ich kann allem widerstehen, nur
der Versuchung nicht, Oscar
Wilde
Wie lassen wir uns verführen? Über
das willentliche verführen Lassen, über Manipulation
und was man gegen sie machen kann, und über das zielführende
Anwenden solcher Techniken.
- Als wir gegen die Übernahme des in der
Bundesrepublik noch gültigen § 175 unterschrieben,
war auf der Forderungsliste auch der § 182 StGB, der sogenannte
Verführungsparagraph.
Nun fragt man sich doch, warum der da mit drauf war? Hier wurde
auf Antrag (z.B. der Erziehungsberechtigten Eltern) ein Mann
verfolgt und auch bestraft, der Sex mit einem Mädchen zwischen
14 und 16 Jahren hatte, selber über 18 Jahre alt war und
das Mädchen nicht heiratete. Es war also ein Gesetz zum
Schutz der Ehe. Der Mann über 18, so wurde unterstellt,
habe das Mädchen von 14 - 16 verführt. Er konnte einer
Bestrafung entgehen, wenn er das nun nicht mehr unschuldige Mädchen
heiratet.
Dies war der Verführungsparagraph. Warum sollte der nach
dem Willen der Aidshilfe, des Bundesverbandes Homosexualität
(BvH) und des Schwulenverbandes der DDR (SVD) auch abgeschafft
werden? Weil der sich als Ersatzparagraph eignete, wenn der §
175 StGB weg wäre.
Da gab es dann Frauen, die unterschrieben, weil sie 182 mit 218
verwechselten und Frauen, die nicht gegen den § 175 StGB
unterschreiben wollten, weil Verführung (182) bestraft gehöre.
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- Was ist eine Versuchung?
Versuchung ist jede aktuelle Hinlenkung des Willens auf eine
dem religiösen oder sittlichem Gebot widersprechende Haltung.
(Mayers Taschenlexikon) Eine Versuchung (auch: Verleitung ) ist
eine Handlung, die einem Menschen reizvoll erscheint, die er
jedoch nicht tun dürfte oder sollte (z. B. Mißachtung
von Diätvorschriften, Fremdgehen, Einkaufen von Gegenständen
- ohne sich dies leisten zu können -, das Aufschieben von
Aufgaben, Gelegenheitsdiebstahl). Auch Tiere können in Versuchung
geführt werden (z. B. eine Nahrung trotz unangemessener
Gefahr zu ergattern). Die Tätigkeiten können anschließend
zu Reue und Schuldgefühlen führen. Wesen können
auch durch andere verführt also erfolgreich in Versuchung
geführt werden (z. B. Schmeicheln, Bitten, Anleiten, Anstiftung,
Veranlassen, Anpreisen, Erwecken von Neugier, Wille, Angst, Verlust
oder Manipulation). In der Werbung ist Versuchung ein zentrales
Thema für Marketing und Reklame, so sollen Verbraucher dazu
bewegt werden, ein Angebot anzunehmen. (Wikipedia)
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- Was ist Verführung?
Verführung bedeutet im allgemeinen Sprachgebrauch, eine
Person so zu manipulieren, dass sie etwas tut, was sie eigentlich
nicht wollte (z.B. etwas kaufen etc.). Im Speziellen bedeutet
Verführung eine Form der gewaltfreien Überwindung von
Widerständen zum Erreichen sexueller Befriedigung, z.B.
durch das Herstellen einer erotischen Atmosphäre. (Wikipedia)
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- Also?
Also die Versuchung ist nur ein älteres Wort für Verführung,
zumindest in unserem Zusammenhang. So wie es aussieht, ist der
Versucher oder Verführer ein ganz schlimmer Finger. Er (oder
sie) nutzt eine menschliche Schwäche aus. Und das ist es,
was hier auffällt: eine Frau kann und darf verführerisch
sein, ein Mann offensichtlich nicht. Es ist geradezu die Rolle
einer Frau, Männern gegenüber verführerisch zu
sein, um das eine oder andere zu erreichen. Und oft hat der Verführungsimpuls,
z.B. deutlich sichtbar präsentierte Brüste, gar nichts
mit dem vom Mann naheliegenderweise zu deutenden Verführungsziel
zu tun (z.B. den Geschlechtsverkehr anzubieten), sondern eventuell
auf der Arbeit oder in anderen Lebenssituationen einen Vorteil
z erzielen.
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- Männer sind nicht verführerisch
Männer sind in diesem Geschlechterspiel nicht verführerisch,
haben es auch nicht zu sein, bestenfalls charmant, großzügig,
aufmerksam usw. Welche Körperteile sollten sie auch Frauen
gegenüber wirkungsvoll und verführungsvoll präsentieren?
Da ist Schwanzwedeln nicht so wirkungsvoll, eher das Wedeln mit
den Attributen des Wohlstandes.
Männer wissen ja durchaus, welche Körperteile sie verführerisch
anderen Männern gegenüber wirkungsvoll präsentieren
können. Der steife Schwanz ist in diesem Fall einfach ansteckend.
Ich gehe einmal davon aus, das dies Oscar Wilde derart begrenzt
sein Zitat nicht gemeint hat, oder zumindest nicht nur.
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- Voraussetzungen
Erfolgreich verführt man dann, wenn man jemanden dazu zu
verführen versucht, was der in Wirklichkeit auch will, aber
nicht so recht kann. Er kann es nicht, weil er durch Konventionen,
Vorurteile oder Ähnliches daran gehindert ist, seinen Interessen
nachzugehen, oder wenn er überhaupt nur mit dem Gedanken
spielt, aber noch nicht so recht weiß, ob er auch will.
Das trifft zwischen Mann und Frau meistens zu, sofern die Rollen
eingehalten werden, zu denen sie gesellschaftlich vorbereitet
wurden. Gegen diese Trends verführen zu wollen, ist sehr
schwierig, nicht unbedingt immer unmöglich, aber eben auch
nur bei unkonventionellen Menschen, und auch da nicht immer,
weil man oft nicht so sehr aus der Reihe tanzt, wie man selber
glaubt.
Im Sinne von bestehenden Urteilen und Werten verführen zu
wollen, ist erfolgversprechender, weil man die Unterstützung
durch die sich angeblich von selbst zu verstehenden sogenannten
Normalität hat.
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- Verführung?
Also ich lasse mich schon ganz gerne mal von einem netten jungen
Mann verführen. Was ich als Veführung ansehe, ich alter
Mann über 60? Na wenn ein junger Mann erkennen lässt,
dass er ein erotisches Interesse an mir hat, dann verführt
er mich schon dadurch. Als älterer Mann hat man diese Erfahrung
meist, aber sie nutzt nur wenig, weil es wenig junge Männer
gibt, die Lust haben, einen älteren Mann sexuell zu erleben.
Es ist nicht unbedingt, dass der ältere Mann wirklich abstoßend
für sie wäre, aber es ist schlicht außerhalb
der gesellschaftlichen Normalität, und insofern durch einen
älteren Mann nicht durch Verführung eines jungen Mannes
zu lösen.
Zwar kann ein älterer Mann junge Männer durch Geldgeschenke
usw. in Versuchung bringen, und die Einsamkeit älterer Männer
stellt ja auch die wesentliche Stütze des schwulen Prostitutionsmarktes
dar. Aber das befriedigt ja nicht wirklich, weil die erotische
Zuneigung nicht um seiner selbst Willen geschieht.
Gewisse junge Männer lassen ältere Männer Ihr
Interesse erkennen, weil sie 1. wirklich ältere Männer
für erotisch, ihre Anwesenheit für angenehm halten,
oder weil sie 2. an ihnen Geld verdienen wollen oder 3. das eine
mit dem anderen verknüpfen wollen. In diesem Fall können
wohlhabende Männer auch eine Dauerbeziehung erkaufen, aber
das ist wohl das gleiche im Hetenmillieu. Warum dieser Ausflug
in die Jung-Alt-Problematik? Weil hier die augenfälligsten
Verführungssituationen vorkommen und die meisten Menschen
die jungen Männer für bedauernswerte Opfer und die
älteren Männer für Täter halten, denen kein
Verständnis oder Mitgefühl zukommt. Solche Einordnungen
sind sicherlich fern von realen Verhältnissen, aber es kommt
ja auch nicht auf Wahrheiten an, in solchen vorurteilsbehafteten
Bereichen, und die Vorurteile dienen ja der bestehenden Ordnung,
die sie stabilisieren.
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- Wie funktioniert sie?
Wenn Du in der Schwulenszene ein junger Mann bist, im wesentlichen
passiv orientiert, wenn Du in der Lesbenszene eine Femme-Lesbe
bist, dann rate ich Dir, Dich an jungen Hetenfrauen zu orientieren,
die (zumindest Viele von ihnen) von klein auf gelernt haben,
mit Männern zu kokettieren. Sie haben gelernt, sich auf
das Anerkannt werden (von Männern) zu spezialisieren. Also,
statt jemanden etwas erklären zu wollen, ihn etwas fragen,
damit er (oder sie bei Butch-Lesben) erklären kann. Statt
mit irgendetwas angeben, ihn bewundern. Zwar eigene Reize zeigen,
aber statt das zuzugeben, ihn (sie) für seine (ihre) Erotik
loben.
Die passive Rolle in diesem Spiel belegt nicht, dass Du der Schwächere
bist, sondern einfach der Raffiniertere. Ein Mann oder eine Frau
fühlen sich dann von einer Frau oder einem Mann verstanden,
wenn er oder sie das Selbstbild des Mannes oder der Frau bestätigt.
Was ist das Selbstbild?
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- Das Selbstbild
Jeder Mensch hat Leitbilder, denen er nachstrebt. Eine Frau,
ein Mann, möchte als so etwas anerkannt werden. Das kann
die Pose des Verführers oder der Verführerin sein,
die Pose des anerkannten Schwarm oder des Helden, die Pose des
Alleswisser oder des klugen Beraters usw. Auch wenn Dir das alles
völlig lächerlich vorkommt, wie er/sie sich in dieser
Frage gibt, wenn Du diese Wunschbild bestätigt, dann erfüllst
Du seinen oder ihren Beziehungstraum, denn Harmonie oder sich
verstanden Fühlen ist abhängig von der Bestätigung
des unrealistischen Selbstwunschbildes, das jeder Mensch mehr
oder weniger hat. Erfolgreich verführen kann, wer 1. das
Selbst-Wunschbild herausfindet und 2. es dann bestätigt.
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- Das Selbstbild herausfinden
Man kann das Selbstbild eines Mitmenschen dadurch herausfinden,
indem man ihm zuhört und das Gespräch auf Menschen
bringt, denen er besondere Achtung entgegenbringt. Es geht nicht
um die Menschen, sondern um die Eigenschaften dieses Menschen.
Hier ist Zuhören und Ermutigungen zum Reden wichtig. Das
können Männer hervorragend, die bei einer Frau aus
sexuellen Gründen landen wollen, weil Frauen sehr oft sexuell
bereitwilliger sind, wenn sie den Eindruck haben, dass sie verstanden
und anerkannt werden.
Die gleichen Mechanismen findet man auch bei schwulen Männern,
die sich von einem aktiven und meist älteren oder sehr viel
älteren angezogen fühlen. Der ältere Mann muss
deren Selbstbild herausfinden und dann bestätigen. Auch
die Butch-Frau kann so bei einer Femme-Frau erfolgreich anwenden.
Auch wenn man das jeweilige Selbstbild nicht sicher herausfinden
konnte, kann man doch grob das jeweilige Rollenverhalten erkennen,
und wie die platten Geschlechtsrollen sind, das kann man dann
auch ganz platt bedienen.
Hier geht es aber nicht mehr um Koketterie oder um Versuchung
und Verführung, sondern um knallharte Manipulation, die
dadurch gekennzeichnet ist, dass die Absichten des Manipulators
verschleiert werden, und die Manipulation dem eigenen Nutzen
dient.
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- Das Selbstbild bestätigen
Die Bestätigung des Selbstbildes geschieht mit Lob, mit
Anerkennung usw. Befürchtungen, dass man aus Versehen hier
zu viel des Guten macht, sind nicht stichhaltig, weil das Gegenüber
ja gerade auf Bestätigungssuche in diesem Sinne befindet,
und weil ein Mensch grenzenlos viel Bestätigung, Bewunderung
und Anerkennung vertragen kann, ohne misstrauisch zu werden.
Menschen lieben nicht andere Menschen, sondern das glauben sie
nur. In Wirklichkeit lieben sie die Rolle, die ihnen ein Mitmensch
anbietet.
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- Sich vor Manipulation schützen
Manipulation setzt am Selbst-Wunschbild an. In der gewünschten
Rolle bestätigt und dafür gelobt zu werden, daraus
kann sich kaum ein Mensch befreien. Um sich gegen die Manipulation
zu schützen, muss man also sich selber misstrauen.
Genauer: man muss dem Wunsch-Selbstbild misstrauen, mit dem man
sich manipulierbar macht. Blöd ist aber auch, dass es Leute
geben kann, die uns tatsächlich aufrichtig für die
Rolle lieben, die wir ihnen im Sinne unseres Wunschbildes vorspielen.
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- Ergo
Weicht man in Fragen des Kontaktspieles jeder Manipulation aus,
wird man alleine bleiben. Auch ein Manipulator fühlt sich
gut, wenn er in dem Gefühl bestätigt wird, dass er
erfolgreich manipuliert hat. (js)
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