Gay-Family
All unser Übel kommt daher,
dass wir nicht allein sein können, sagt Arthur Schopenhauer.
Aber wie leben wir individualistisch eingestellten Lesben und
Schwulen wirklich?
Wenn man alleine lebt, kann man sich nur
über sich selber ärgern, sollte man meinen.
Man kann ja auch alleine leben, als Single sozusagen, und sich
hier und da für kurze Begegnungen zu jemanden gehen oder
jemanden holen. Dennoch, das ist sehr beschwerlich und wer weiß,
auf wen man so trifft. Man kommt so wenig ohne Mitmenschen aus,
wie wir auch nicht ohne Mitmenschen zu dem geworden sind, was
wir sind: Menschen.
Lesben und Schwule leben häufig in monogamen Partnerschaften.
Dies fügt sich nahtloser in die heterosexuell dominierten
Strukturen. Das ist aber nur der heterosexuelle Blick, dem unkritischen
Lesben und Schwule im Grunde ebenfalls unterworfen sind. Lesben
und Schwule leben häufig in sogenannten Beziehungsnetzen,
bei denen sehr oft ein vertrauter Partner sehr eng eingeknüpft
ist, andere näher und weiter weg für andere Bereiche
zwischenmenschlicher Bedürfnisse. Jede/r ist Mittelpunkt
seines eigenen Netzes, und die Netze überschneiden sich
gegenseitig. Aus heterosexistischer Sicht werden diese Netze
häufig falsch gesehen: Der enge Teil des Netzes ähnelt
einer monogamen Heten-Beziehung und wird positiv gesehen, der
weitere Teil wird wie das heterosexuelle Fremdgehen oder das
Einmischen Fremder gewertet. Besonders blöde sind solche
Schwule, die hier heterosexuell argumentieren und, wenn man es
genau betrachtet, dennoch selber in einem Beziehungsnetz leben.
Seit Beginn der Arbeitsteilung versuchen Menschen, sich die besseren
Teile eines gesellschaftlichen Organismus zunutze zu machen,
und die schlechteren Teile für andere zu lassen. Um oben
zu sein, werden unten Leute gebraucht. Der Mensch benötigt
also den Mitmenschen, was nötig macht, Formen des Zusammenseins
zu wählen, die gegenüber allen Zusammenlebenden fair
sind.
1. Zum Begriff der Gay-Family
Die Family (bezeichnend, dass hier der englische Begriff gewählt
wird) ist in unserer Szene Vielerlei. Es kommt eigentlich auf
den Gesprächszusammenhang an, was jeweils mit dem Begriff
gemeint ist. Beim CSD trifft sich die Family, wird zuweilen gesagt.
Was aber verbindet denn die Menschen bei einem großen CSD,
dass man sie als Family bezeichnen könnte? Ist es die gemeinsamen
Ausgelassenheit? Sind denn alle gemeinsam ausgelassen?
1.1. Im Kleinen
Die Regenbogenfamilie, so wird eine enge hetenehenähnliche
Beziehung aus zwei lesbischen Frauen oder aus zwei schwulen Männern
genannt, aber auch die Beziehung zwischen einer lesbischen Mutter
mit ihrer Tochter oder ihrem Sohn und ihre Partnerin. Es sind
auch zwei schwule Männer und eine lesbische Frau eine Regenbogenfamilie,
die als Kernbeziehung seit vielen Jahren zusammen leben, zeitweilig
ergänzt mit ihrer gelegentlichen Partnerin und den gelegentlichen
Sexpartnern der beiden Männer. Regenbogenfamilien sind ganz
unterschiedliche Formen menschlicher Gemeinschaften, die füreinander
eine unterschiedlich intensive Verbindlichkeit empfinden. Und
dabei ist es übrigens völlig unerheblich, ob zwischen
PartnerInnen der jeweiligen Gay-Family Sex stattfindet, oder
ob sie SexpartnerInnen von außen vorübergehend oder
länger zur Family gehören oder mit den anderen ParnerInnen
nichts Verbindendes haben. Die Regenbogenfamilie zeichnet sich
eben durch ihre große Vielfalt aus.
1.2. Im Mittleren
Die Kneipe mit ihren Gästen, die man fast alle kennt, über
die man viel weiß, und wo es auffällt, wenn jemand
längere Zeit nicht hier war, das entspricht im weiteren
Sinne der Verwandtschaft einer unserer herkömmlichen auf
biologische Zusammengehörigkeit begründeten Herkunftsfamilie.
Für unfreiwillig oder bewusst alleine lebende Lesben oder
Schwule ist sie die Familie. Aber auch Paare oder andere Regenbogenfamilien
haben hier ihre weitläufigere Wahl-Verwandtschaft.
Auch lesbische oder schwule oder schwullesbische Gruppen erfüllen
diese Familienfunktion. Sie treffen oftmals wöchentlich
zu irgendwelchen Themen, aber statt der Diskussion der Sachthemen
dominiert die mitmenschliche Konversation, was belegt, dass es
das Bedürfnis nach einer gewissen Vertrautheit gibt. Und
hier sind gerade die Gruppen wichtig, in der sich die unterschiedlichen
Generationen austauschen können, und wenn das positive Interesse
an den Lebensverhältnissen wirklich vorliegt, sind hier
als Familie auch hier lesbisch-schwule Gruppen von großer
Bedeutung, sie entsprechen der archaischen Großfamilie
statt der Zerrissenheit in isolierte Paare.
Die Disco ist zu groß, als dass man sich hier verbindlich
kennen könnte, vielleicht eine dort auftauchende Freundesclique,
die auch andere Plätze der Gemeinsamkeit hat. Kneipen, Gruppen
und Freundskreise sind die Ergänzung der Regenbogenfamilie
und werden in den Gesprächen und der gesellschaftswissenschaftlichen
Literatur oft als die eigentliche Gay-Family angesehen.
1.3. Im Großen
Ja ja, der CSD. Besonders in größeren Städten
ist das schon ein großes Gefühl einer großen
Gemeinschaft, wenn nur die vielen Lesben und Schwulen nicht da
wären, mit denen man so gar nichts anfangen könnte
oder wollte (kicher, gacker, prust). Die Gay-Community wird vielleicht
von so manchen Leuten als eine große Familie gesehen, doch
die Leute, die dort hingehen, kennen sich nicht, einige lernen
sich kennen, und sie trennen sich wieder am Ende des Festes oder
es entstehen hier Freundschaften. Das kann man nun wirklich nur
schwerlich Familie nennen, mit der Verbindlichkeit
der TeilnehmerInnen. Oft sind auch Heten hier bei den CSDs zu
finden, denen unsre Feierlaune gefällt. Zwei Erlebnisse
mit solchen Heten und zwei Erlebnisse mit sogenannten Gay-People
lassen aber zweifeln, ob hier wirklich Gay-Family-Gefühle
auftauchen können
Bei der CSD-Parade gab es im SM-Block auch Hetenpaare, bei denen
die Männer ihre Frauen am Hundehalsband mit sich führten.
Dies widersprach nun demonstrativ den Intentionen der feministischen
Lesben, die sich endlich gegenüber der männlichen Vorherrschaft
über die Frau emanzipieren wollen und dies auch auf dem
CSD bekundet wissen wollen. Die angegriffenen Hetenpaare antworteten
auf entsprechende Vorhaltungen, sie wollten sich ihren CSD durch
solche Angriffe nicht versauen lassen. Da kann sich dann eine
lesbische Frau beim CSD nicht in einer gay-Familie fühlen.
An unserem Infostand meinte eine ältere beleibte Frau, die
unseren Button Heterosexuell? Nein danke! sah, dass
sie als heterosexuelle Frau Mitglied im LSVD sei, sich auch für
die Homo-Ehe einsetze, und daher etwas Dankbarkeit aber so etwas
nicht verdient habe. Als wir sie fragten, ob sie denn von lesbischen
Frau geliebt werden wolle, wurde sie noch ungehaltener, natürlich
nicht, das habe doch damit nichts zu tun, aber sie verlange,
dass wir das wegräumen sollten, da dies Heterosexuelle diskriminiere,
und das gehöre sich bei einem CSD nicht, weil es ja um Toleranz
und Harmonie gehe. Heterosexuelle Kritiker dieses Button sollte
man fragen, wieso er sie denn eigentlich so ärgere, ob dieser
heterosexuelle Mann denn wirklich von einem schwulen Mann geliebt
werden wolle, diese heterosexuelle Frau wirklich von einer Lesbe.
Und diese Schwulenmuttis, die sich so gerne um die hübschen
jungen Schwulen scharen, sollte man fragen, ob sie denn für
Homosexualität sind.
In einer Rede im Politzelt beim CSD in Frankfurt erinnerte ich
an den Hundertfünfundsiebziger, einem Mann bzw. Männertyp,
den es in Deutschland von 1870 bis 1994, also 124 Jahre lang,
gab, während draußen die LSU (Lesben und Schwule in
der Union), Wahlkampf für die CDU machte. Das ist ein Schlag
ins Gesicht aller Männer, ungefähr 50.000, die in der
Bundesrepublik Deutschland mittels §175 StGB verurteilt
wurden, denn die CDU bestand darauf, dass er in der von den Nazis
verschärfter Form noch viele Jahre gültig war, bis
in die 60er Jahre. Mit solchen Schwulen, die dort Parteiwerbung
machen, kann ich mich nicht in einem Boot fühlen. Ohne Entschuldigung
und klare Distanzierung dieser konservativen Organisation CDU/CSU
von diesen verbrecherischen Menschenrechtsverletzungen an schwulen
Männern kann man doch die Vertreter dieser politischen Organisation
nicht als Teil der Gay-Familiy empfinden. Und Lesben und Schwule,
die sich dieser Organisation andienen, kann ich auch nicht als
Teil unserer Bewegung ansehen und ihre Beweggründe nur in
engen Grenzen nachvollziehen, nicht aber billigen.
Uns gegenüber stand der Infostand einer kommerziellen Gay-Zeitschrift,
die mit fetziger lauter Discomusik die jungen Passanten anlockte
und die Kommunikationsarbeit aller anderer umliegender Infostände
unmöglich machte, denn es war nicht möglich, Fragen
zu verstehen oder so zu beantworten, dass die Frager sie hören
konnten. Diese Rücksichtslosigkeit gegenüber anderen
Teilen der Gay-Family lässt auch keine Familiengefühle
aufkommen. Aber Geschäft geht offensichtlich über gemeinsame
Ziele, falls die von denen überhaupt noch empfunden werden.
Vielleicht ist dies für sie aber nur noch ein gewisses Biotop,
das hier wunderbar marktwirtschaftlich genutzt werden kann.
Zwischen 1.3. und 1.4.
Für ein griechisch-iranisches Paar, das in Frankfurt lebt,
sammelten 2005 viele Infostände in der Szene der BesucherInnen
Unterschriften. Der Iraner sollte in den Iran abgeschoben werden,
während der Grieche Aufenthaltsrecht hatte. Aufgrund dieser
Aktivitäten (und vieler anderer Aktivitäten über
Anwälte und in politischen Zusammenhängen) ist es tatsächlich
gelungen, dass der Iraner ein vorläufiges Bleiberecht erhalten
konnten und die Homo-Ehe ganz offiziell eingetragen werden konnte.
Das heißt erst einmal, dass er bleiben kann, wenn auch
nicht alles sicher ist.
1.4. Im ganz Großen
Als die ILGA einen UNO-Status erreichen wollte, führte Jesse
Helms, der rechtgerichtete USA-Lobbyist einen heftigen Kampf
dagegen. Er sammelte sogenannte Informationen über einzelne
Organisationen, die Mitglied der ILGA waren. Wie reagierte die
ILGA? Sie schloss die angegriffenen Organisationen aus. Und welchen
Status hat die ILGA nun? Hat sie als weltweiter Zusammenschluss
lesbischer und schwuler Organisationen viel erreicht?
Der brasilianische Präsident Lula da Silva hatte beantragt,
dass in die Konvention der Menschenrechte auch das Recht auf
homosexuelle Partnerschaften aufgenommen werden soll. Die islamischen
Länder, der Vatikan und die USA wandten sich dagegen. Der
Druck von Vatikan und USA innerhalb Brasiliens führte dazu,
dass Brasilien diesen Antrag zurücknehmen musste, aber andere
Staaten führen das nun weiter.
Internationale Solidarität ist absolut wichtig. Und es ist
wahr, ich fühle mich sicherlich einem ausländischen
Schwulen familiärer und verbundener als einem inländischen
Schwulenfeind. Das ist aber nicht die Gay-Family, sondern die
Gay-Nation, von der man neuerdings spricht.
2. Der Gay-Individualismus genauer betrachtet
Es ist vielleicht eine Schutzfunktion, wenn man sich nicht in
den vertrauten Mustern der Gesellschaft bindet, da man einer
Minderheit angehört, der das abgesprochen wird, was die
Männer und Frauen der Gesellschaft sanktionieren: die Männlichkeit.
Die vertrauten Bindungs-Formen sind ja der heterosexuell dominierten
Gesellschaft und ihren Beziehungsstrukturen entnommen und bringen
uns dann oft in Sachzwänge, die oftmals nichts mit unserem
Leben zu tun haben; die uns im Gegenteil in unserem Leben allzu
oft nur hinderlich sind. Das alleine Wohnen und der Rückzug
in die eigene Wohnung ist da oftmals der beste Weg. Sicher: Steuerrecht,
Sozialrecht usw., alles ist für die Hetenfamilie mit Kindern
gemacht. Ehe- und Scheidungsgesetze, alles gilt am besten für
Hetenpaare. Vieles an Problemen und am Scheitern unserer Beziehungen
und Freundschaften hat sicher damit zu tun, dass uns die übernommene
Beziehungsform vor Probleme stellt, die wir ohne diese Beziehungsformen
nicht hätten.
In den Nischen der Heten-Gesellschaft leben wir und können
nicht anders. Die Gay-Nation ist eine Fiktion, denn wir sind
eine Absonderung bzw. Abspaltung der Gesellschaft, die sich als
konsequente Hetengesellschaft festlegte, entstanden aus dem moralischen
Sortieren und wirtschaftlichen Funktionalisieren des menschlichen
Sexverhaltens. Und so leben wir in den jeweiligen menschlichen
Gesellschaften so, wie wir es eben grade können, aufgrund
der Notwendigkeiten des Rückzuges um unbehelligt zu bleiben
und des Sich-Offenbarens, um nicht heterosexuell belästigt
zu werden und andere von uns kennen zu lernen.
3. Lesbische und schwule Lebensformen
Wie wir leben, ist schlicht von unseren Möglichkeiten abhängig.
Die Qualität des Lebens hat auch damit zu tun. Ich meine
hier nicht Oberflächlichkeiten wie teure Möbel, Klamotten,
sondern die Inhalte des miteinander Lebens. Als Wichtigstes empfinde
ich Formen des Zusammenlebens, in denen sich gegenseitige verbindliche
Mitmenschlichkeit entwickeln können.
Verbindliche Mitmenschlichkeit zwischen Lesben und zwischen Schwulen
gibt es überall, trotz der Rahmenbedingungen, die das im
wesentlichen verhindern.
Das Beziehungsnetz ist die vorherrschende Partnerschaftsform
unserer Szene, sie wäre sicher auch die vorherrschende Partnerschaftsform
der Heten, wären die nicht künstlich in die von Staat
und Kirche sanktionierten Ehen-Familie (ein möglichst lebenslanges
monogames Paar mit möglichen Kindern in enger Verbindung
der Eltern der beiden Ehepartner, die den Kern der Familie darstellen)
gedrängt. Das ganze ist mit moralischen und gesetzlichen
Verurteilungen sanktioniert. Dennoch wird die Ehe durch das Fremdgehen
des Ehemannes (Verhältnisse), die Stammtische und andere
männerbündlerische Sozialgruppierungen, das Fremdgehen
der Ehefrauen (Die Wimpster mit seinen Kuckuckskinder), die beste
Freundin und Vertraute, die Swinger-Clubs und die Prostitution,
die Masturbation mit den entsprechenden Phantasien, die Pornoläden
mit der sogenannten Ehehygiene usw ergänzt.
In lesbischen und besonders im schwulen Fall sind die Beziehungsnetze
Realität, vielleicht besonders bei einigen Lesben, seltener
bei Schwulen jedoch unterbrochen durch relativ kurze monogame
Zwischenspiele mit Ausschließlichkeit, die den Nachteil
haben, dass dabei die Maschen (um im Bild zu bleiben) zu den
weiter weg eingeknüpften PartnerInnen gänzlich zerreißen.
Sicher liegt bei Lesben und Schwulen in gerade dieser Situation
die Auffassung vor, dass ja nun die Lebensstellung gefunden sei
und das Abreißen daher nicht so schlimm sei. Bei Vielen
reißt es ja nicht gänzlich ab, und die ganzen guten
Bekanntschaften fungieren eher als BeraterInnen
oder ausSchidesrichterInnen, und das wohl nicht nur
ganz uneigennützig. Es ist ja in Wirklichkeit auch nicht
notwendig, die Kontakte mit dem Restnetz abreißen zu lassen,
denn man ist ja nun nicht plötzlich allen anderen BeziehungspartnerInnen
böse, nur weil ich mich vorübergehend mit einem/r einzigen
PartnerIn einigeln möchte. Da dies doch nur während
einer relativen kurzen Rauschzeit Realität ist, und man
es ja im Grunde auch weiß, kann man ja mit dem Netzpartner
etwas Geduld haben, wenn er sich halt aus blinder Verliebtheit
zeitweilig mal zurückzieht.
Kommt noch der Einwand bezüglich der Sexualität. Also
ich habe es eigentlich nie für so wesentlich gehalten, ob
in einer Beziehung auch Sex stattfindet oder nicht. Und wenn
doch, wie oft hier und wie oft am anderen Ort. Diese Lockerheit
dürfe aber dann nicht sein, wenn man/frau mit einer/m Partner/in
eine Zeitlang zusammen sei, bekomme ich erklärt. Nun gut,
die sexuelle Ausschließlichkeit muss schon sein, denn wenn
Kinder gezeugt werden, muss der Mann doch wissen, dass es sein
Kind ist und kein Kuckuckskind, und die Frau will nicht, dass
der Mann sein Einkommen auch noch an ein außerhalb dieser
Kernfamilie existierendes Kind bezahlt. Was bleibt dann noch
für sie? Es geht also um Geld, bei diesem Argument, schließlich
partizipiert die Ehefrau ja am wirtschaftlichen Erfolg ihres
Mannes in einer herkömmlichen heterosexuellen Familie.
Nun kommt es bei den lesbischen oder schwulen Sexualpraktiken
doch wohl höchst selten vor, dass Kinder entstehen. Und
wenn sich da mal Haut an Haut reibt ... davon geht doch die Welt
nicht unter. Wollen wir derart grausam sein, mit unseren PartnerInnen,
den Menschen, die wir herzlich mögen? Es ist doch schon
seltsam, dass sich ausgerechnet an der Sexualität die Geister
derart scheiden. Ist denn die Sexualität die einzige und
wesentliche Grundlage eines Beziehungsnetzes oder einer Beziehung?
Das kann man aber doch entschieden bestreiten.
4. We are a Family
Sind wir? Wir könnten es sein, sollten es auch sein, wenn
Du mich fragst. Wir leben ganz unterschiedlich. Das Verbindende
könnte sein; dass wir gegenseitig für die Freiheit
eintreten, so individuell oder angepasst leben zu dürfen,
wie es die unterschiedlichen Menschen unserer Szene für
richtig halten. Schließlich ist das ja ihr Leben.
Kommt, macht mit, lasst die unpolitische Ignoranz, hinter der
sich nichts anderes verbirgt als konservative Angepasstheit oder
prinzipienloses Suchen nach dem eigenen kleinen Vorteil in allen
Lebenslagen, koste es (besonders anderen) was es wolle.
Auch wenn der Trend in unserer Szene eher von Ignoranz und Kommerz
überlagert ist, finden wir doch überall auch Anderes.
Und wenn wir ehrlich sind, dann haben wir in unserer Szene auch
Belege eines gewissen Familiengefühls. Da gibt es gegenwärtig
die Solidarität mit den polnischen Lesben und Schwulen,
denes es bei der gegenwärtigen polnischen Konservativen
Regierung im Verbund mit der polnischen katholischen Kirche gar
nicht gut geht. Das wird sich beispielsweise in diesem Jahr auch
beim Frankfurter CSD zeigen.
In vielen Städten gibt es auch engagierte Lesben und Schwule,
die sich gegen Diskriminierung und für ihre lesbischen und
schwulen Mitmenschen einsetze, und zwar ohne, dass sie gleich
bezahlt werden. Viele ehrenamtliche Menschen engagieren sich,
und diese wiederum werde von anderen Menschen in der Szene unterstützt.
Das alles sind mutmachende Erscheinungsformen in unserer Szene,
die zwar vereinzelt sind, die aber zeigen, dass es überall
auch anständige Leute gibt. (js)
So
Das ist die Idylle eines Familienbalkons, von dem aus man
den Überblick über die Welt hat.