- 86. LUST, Frühling 06
- Die rotgrüne Ära
Hat es denn was gebracht? Wem?
- Das war aber eine gute Wahl
Wie es vordem war, sei hier aufgezeigt,
weil sich die Vorgänge zum Teil auch in den Unterschieden
verdeutlichen. Im 13. Deutschen Bundestag, der letzte der Regierung
Kohl, war die PDS über 3 Direktmandate vertreten. Er hatte
sich wie folgt zusammengesetzt:
-
Abgeordnete |
CDU/CSU |
SPD |
Bü90/Grüne |
FDP |
PDS |
Frauen |
42 |
85 |
29 |
8 |
13 |
Männer |
252 |
167 |
20 |
39 |
17 |
Zusammen |
294 |
252 |
49 |
47 |
30 |
- Am 27.09.1998 (Bundestagswahl) war der Regierungssitz
noch in Bonn. Kohl trat wiederum als KanzlerInnenkandidatIn an,
Kohls Minister für besondere Aufgaben und Chef des Presse-
und Irformationsamtes war Bohl (der dann angeblich nächtelang
Akten vernichtete), in seinem Tross Frau Merkel als MinisterIn
für Umwelt-, Naturschutz und Reaktorsicherheit (die verschwieg,
dass die Castor-Behälter radioaktiv die Zugbegleiter anstrahlten),
die klerikale Frau Nolte als Familienministerin für Frauen
Senioren und Jugend (die für den Kalender der rechtsradikalen
Wiking-Jugend ein Grußwort schrieb und die im Wahlkampf
versehentlich verriet, dass die schwarzgelbe Regierung beabsichtigte,
die Mehrwertsteuer zu erhöhen), Waigel als Finanzminister,
Kinkel (FDP) Außenminister (nach Genschers Rücktritt),
Kanther Innenminister (der immer forsch für Recht
und Ordnung eintrat und das Parteienfinanzierungsgesetz
der schwarzgelben Regierung als eine Einrichtung zur Kontrolle
der SPD, der Grünen und der PDS ansah, aber nicht einsah,
dass sich CDU/CSU und FDP auch daran halten muss, denn für
die Spenden gab es angeblich jüdische Vermächtnisse),
Rühe Verteidigung, Volksschauspieler Blüm als Sozialminister
(die Renten sind sicher), Seehofer Gesundheitsminister, Wirtschaftsminister
Rexrodt, Wissman Verkehrsminister, Rüttgers Bildungsminister,
Entwicklungsminister Spranger (der als Minister für beide
ehemaligen deutschen Staaten z.B. in Nicaragua die DDR-Fahne
aus der Soli-.daritätsvitrine riss) und weitere finstere
Gestalten. Pastor Hinze als CDU-Generalsekretär ging mit
berufsgeübter Polemik ständig gegen die Opposition
vor die Medien, die ihm viel Gelegenheit gaben, sich giftspritzend
über die Opposition zu ergießen).
Nach 16 Jahren wollten der bräsige Pfälzer Kohl mit
diesen Leuten also auf die 20 Jahre Kohl hinsteuern. Und dann
das Wahlergebnis: schwarzgelb wurde sowas von abgewählt,
es reichte gut für rotgrün und die PDS kam auch noch
in Fraktionsstärke in den Bundestag, da sie unterdessen
in den westlichen Bundesländern 2 bis 3 Prozent erhielt.
Es gab also eine deutliche linke Mehrheit jenseits von schwarzgelb.
Nun wird alles besser, dachten wir uns alle. Am 27.10.98 wurde
Schröder Bundeskanzler. 100 Tage Schonfrist wären bis
zum 04.02.1999 gegangen. Der Bundstag setzte sich nun so zusammen:
-
Sitze |
SPD |
CDU/CSU |
Bü90/Grüne |
FDP |
PDS |
Männer |
193 |
200 |
20 |
34 |
15 |
Frauen |
105 |
45 |
27 |
9 |
23 |
Zusammen |
298 |
245 |
47 |
43 |
38 |
1. Rotgrün in Bonn und Berlin
Alle Gesetze zum Sozialabbau und die
Gesetze zum Abbau von Arbeitnehmerrechten im Betrieb, die Kohl
schon verabschiedet hatte, die aber noch nicht in Kraft waren,
wurden von der neuen Regierung rückgängig gemacht,
die auch über eine Bundesratsmehrheit verfügte.
Der Kündigungsschutz (der erst ab 5 Mitarbeitern gültig
war) galtnun nicht nur für über 20 Mitarbeiter, die
Rente wurde nicht mittels des demografischen Faktors gekürzt,
Krankheitstage nicht vom Urlaub abgezogen, und für die Freistellung
eines der Betriebsräte waren nicht mehr 300, sondern 200
Mitarbeiter nötig.
Nach einiger Zeit wurde die Gesundheitsreform begonnen, indem
man versuchte, die Steigerung der Krankheitskosten dadurch zu
beschneiden, dass man die Arzneimittelkosten zu Lasten der Pharmaindustrie
begrenzen wollte. Man schaffte auch die jährliche Krankenhaus-Solidaritätsabgabe
der Versicherten ab. Da ging es aber los. Die Konzerne entwickelten
vielleicht eine Rhetorik, viele niedergelassene ÄrztInnen
empfanden sich als Pharma-VertreterInnen, denn in den Sprechzimmern
hingen die entsprechenden Plakate aus.
-
- 1.1. Konservative Medienmacht
Es gab keine 100 Tage Schonfrist,
die bürgerlichen Medien begannen sofort mit Rufmordkampagnen
z.B. gegen Schröder, der machtgeil sei, und gegen Unweltminister
Trittin, der die Atomkraftwerke stilllegen und alternative Energien
wie Windkraft usw. fördern wollte. Hier erinnere ich mich
an ein gefälschtes Foto der Bildzeitung, wo er ganz bewusst
in die Nähe von gewaltbereiter Demonstranten gestellt wurde.
Gegen Finanzminister Lafontaine gab es beinahe Aufrufe zum Lynchen.
Als er am 11.03.1999 von allen Ämtern zurücktrat, war
auch der Schmusekurs mit den ArbeitnehmerInnen schon beinahe
vorbei, Auslöser dazu war wohl die verlorene Hessenwahl,
was im Bundesrat aus der Rotgrünen Mehrheit ein Patt erzeugte
und das Einvernehmen mit der FDP und der CDU/CSU notwendig machte.
Schritt für Schritt änderte sich die rotgrüne
Politik, so dass man in einer ganzen Reihe von Fragen den Eindruck
bekam, die Union regiere mittels der SPD.
Erstaunlicher Weise gewann rotgrün trotzdem knapp die Bundestagswahl
2002 und begann eine 2. Legislaturperiode, aber genau betrachtet
war dies nur möglich, weil es der PDS nicht mehr gelang,
bundesweit 5% der Stimmen auf sich zu vereinen oder mindestens
3 Direktmandate zu erreichen, weshalb die knappe rotgrüne
Mehrheit entstehen konnte. Wäre die PDS eingezogen, dann
wäre es zu einer SPD-geführten großen Koalition
gekommen. Nachdem Frau Merkel dann später CDU-Vorsitzende
wurde, wurde bei jedem Regierungshandeln nicht die Regierung,
sondern ausschließlich Frau Merkel zu den Vorgängen
befragt.
1.2. Hessenwahl
Als am 07.02.99 in Hessen gewählt
wurde, war über die Medien mittels rassistischer Demagogie
ein Klima geschaffen worden, über die Diskussion des Staatsbürgerschaftsrechts,
worauf die sich sicher fühlende hessische rotgrüne
Regierung nicht angemessen reagieren konnte. Vorausgegangen war
eine massiv medienunterstützte Kampagne der CDU, wo man,
angeblich zur besseren Integration von Ausländern, so hieß
es, gegen die Türken unterschreiben konnte.
Aber man kämpfte nicht nur an dieser Front.
Wir (ROSA LÜSTE, LUST) wurden erstaunlicher Weise von einem
BILD-Journalisten angerufen, ob wir aus der Szene wüssten,
ob die hessische Ministerin Stolterfoht (für Frauen und
Sozialordnung), die vor der Wahl zurücktrat, eine Lesbe
sei. Selbst wenn wir in der Szene davon gehört hätten,
würde das die BILD nichts angehen, so aber versuchte die
BILD dieses Gerücht in der Szene auf diese Weise wohl selber
zu streuen. Fehlstart in Bonn: stimmt gegen die doppelte
Staatsbürgerschaft lautete ein Plakat. Man sieht,
mit welchen Mitteln Koch Ministerpräsident wurde.
-
- 1.3. Zum Stand der rotgrünen Regierung
Es bestand ja schon nach ca. 2 - 3
Jahren die Wahrscheinlichkeit, dass sich die rotgrüne Bundesregierung
nicht mehr halten konnte und zurücktreten müsste, da
einerseits die (zumeist unionsgeführten Wirtschaftsverbände,
andererseits die Medien, die ja auch Wirtschaftsunternehmen sind,
eine Dauerkampagne gegen sie führten. Auch hatten die Landtagswahlen
in Hessen den Absturz von rotgrün bei allen Wahlen zur Folge
gehabt, und in vielen Ministerien kam es zu seltsamen Handlungen
von MitarbeiterInnen, die schnell über die Medien in die
Öffentlichkeit gebracht wurden, wofür dann immer die
jeweiligen MinisterInnen verantwortlich gemacht wurden.
Die Regierung stabilisierte sich dann jedoch, als sich die Gerüchte
über schwarze Kassen der Kohl-Regierung erhärteten.
Da Kohl sich weigerte, seine Geldgeber zu nennen, trat er vom
Ehrenvorsitz zurück und Merkel wurde am 10.4.2000 mit 94%
zur neuen unschuldigen Bundesvorsitzenden gewählt. Besonders
auch der Landesverband Hessen unter Innenminister Kanther hatte
hier viel dazu beigetragen, und statt Ministerpräsident
Koch, der angeblich nichts gewusst hatte, musste sein Chef der
Staatskanzlei und Minister für Bundes- und Europaangelegenheiten
Franz Josef Jung zurücktreten. Jung ist nun Verteidigungsminister
der Großen Koalition unter Bundeskanzlerin Merkel geworden.
-
- 2. Welche Änderungen brachte die
SPD-Grünen-Regierung?
Um zu ermessen, was sich unter der
rotgrünen Bundesregierung änderte, müsste man
noch Erinnerungen an die Zeit vorher, die Zeit unter Kohl haben.
-
- 2.1. Änderungen im Steuer- Sozial-
und Arbeitsrecht
Im März 99 kam ein neues Steuerrecht, ein dreistufiges
Steuerentlastungsrecht, in dem den ArbeitnehmerInnen ein kleiner
Teil der Lohnsteuer erlassen wurde, aber auch der Eingangssteuersatz
und die Körperschaftsteuer wurden gesenkt, letztere auf
40%, was dazu führte, dass die großen Kapitalgesellschaften
(Körperschaften) davon profitierten. Zur Gegenfinanzierung
wurden Subventionen und Steuervergünstigungen gestrichen,
was in Teilen der Wirtschaft zornige Reaktionen hervorrief. Im
April 99 trat die Öko-steuer in Kraft, in der Absicht, den
Benzin- und Gasverbrauch zu reduzieren und Lohn-unabhängige
Gelder zur Stützung der Sozialversicherungen, besonders
der Rente, zu verwenden.
Die Arbeitskosten sollten dadurch reduziert werden und der Beitragssatz
zur Rentenversicherung wurde auf 19,1% gesenkt und auf dieser
Höhe stabilisiert. Die sogenannte Riester-Rente, eine private
kapitalgedeckte Rente, die staatlich gefördert wird, wenn
sie bestimmte Kriterien einhält, wurde als Ergänzung
zur gesetzlichen Rente eingeführt und auf Grund des Einspruchs
der FDP nicht obligatorisch, sondern freiwillig. Auch das Kindergeld
wurde erhöht.
Für geringfügig Beschäftigte (Entgelt unter 630
Euro) sollten von den ArbeitgeberInnen nun keine Steuern mehr,
die pauschal ohne Namensnennung abgegolten werden konnten, bezahlt
werden, jedoch geringe Beiträge in die Sozialversicherungen,
was nicht ohne individuelle Anmeldung möglich war. ArbeitnehmerInnen,
die geringfügige Beschäftigung zu einer regulären
Arbeit hinzufügten, musste dadurch für das gesamte
Geld Sozialbeiträge zahlen, was den netto-Zuverdienst reduzierte.
Die Arbeitslosen jedoch, die nur eine solche Arbeit hatten, konnten
so in geringem Maße Ansprüche gegenüber den Sozialversicherungen
erwerben.
Proteste aus der Wirtschaft rief das Gesetz gegen
die Scheinselbständigkeit hervor, weil sich Arbeit-geberInnen
davor drücken konnten, für Scheinselbständige
Sozialversicherung zu zahlen, Urlaub zu gewähren und bei
Krankheit den Lohn fortzuzahlen, was dadurch natürlich billiger
war als ein normales Arbeitsverhältnis.
Ein Sofortprogramm gegen Jugendarbeitslosigkeit trat im Januar
99 in Kraft, indem mit Geldern des EU-Sozialfont mobilisiert
wurden, die solche Arbeitgeber von den Ausbildungskosten entlasten
sollten, die zusätzliche Lehrlinge einstellten.
Für die Wirtschaft tritt wegen fehlender FacharbeiterInnen
am 1.8.2000 die Greenkard-Reglung in Kraft. Offensichtlich will
sie die Wirtschaft die Ausbildungskosten sparen und erwartet
auf dem Markt genügend gut ausgebildete Fachkräfte.
Die Bundesregierung entspricht diesen Wünschen. Das aus
dem Jahr 1933 stammende Rabattgesetz wird abgeschafft.
In einer Mietrechtsreform wird die Mieterseite in Hinblick auf
Kündigungsfristen und Miterhöhungen besser gestellt.
Statt Kilometergeld erhalten alle Berufspendler eine Entfernungspauschale,
die in der Regel höher ausfällt als früher und
auch die Bahn- und RadfahrerInnen einschließt.
Durch die Einführung eines demographischen Faktors soll
die gesetzliche Standartrente bei 45 Berufsjahren bis zum Jahr
2030 von 70% auf 64% gesenkt werden.
Ab 1.1.2002 erarbeitete die Hartz-Kommission des VW-Konzerns
den Umbau des sozial abgefederten kapitalistischen Sozialstaates
zum offenen neoliberalen Kapitalismus, bei dem die soziale Abfederung
Schritt um Schritt zurückgefahren wurde. Hartz 1
4 änderten die Aufgaben der Bundesanstalt für Arbeit
in eine nach dem privatwirtschaftlichen Modell ausgerichteten
Bundesagentur mit Job-Center. Arbeitslosenhilfe und Sozialhilfe
wurden zusammengelegt zum Arbeitslosengeld II, genannt auch Hatz
IV-Geld, was den größten Einschnitt für langzeitarbeitslose
ArbeitnehmerInnen bedeutete. Mit einem Schlag wurden viele arbeitslose
ArbeitnehmerInnen um all ihre Ersparnisse, um Ihr Eigenheim,
um ihre private Altersversorgung gebracht. Die Zumutbarkeitsregeln
wurden verschärft. Mini-Jobs wurden wieder gefördert,
die Ich-AG sollte innovativen Menschen den Übergang vom
Arbeitnehmerdasein zum Kleinge-werbetreibenden erleichtern.
Mit der Agenda 2010, der (wie den Hartz-Gesetzen) der schwarzgelbe
Bundesrat zustimmte, zeigt sich, dass in diesen Fragen faktisch
ein 4-Parteien-Koalition besteht. So stimmt die Union der sogenannten
Gesundheits-Reform nur zu, wenn die Patienten pro Quartal 10
Euro bei den behandelnden Ärzten bezahlen müssen. Proteste
gegen die sozialen Einschnitte sind die Folge, und besonders
die SPD wird bei Landtags- und Kommunalwahlen abgestraft.
-
- 2.2. Staat, Regierung und Staatsbürgerschaft
Eine ganze Reihe von Gesetzen beschäftigten
sich mit dem Staat selber, nämlich was der Staat zu leisten
hat oder was der Staat selber als sein Recht betrachtet.
Minister Fischer gerät als ehemals gewaltbereiter
68er unter Druck, besonders Frau Merkel verlangt von den
ehemaligen 68ern, sich von den damaligen Inhalten und Protesten
zu distanzieren.
-
- 2.2.1 Staatsbürgerschaftsrecht
Was ein Staatsbürger ist, bestimmt
jeder Staat in seiner Gesetzgebung selber. Das neue Staats-bürgerschaftsrecht
machte im Gegensatz zur vorherigen Rechtsauffassung aus allen
in Deutschland geborenen Menschen deutsche Staatsbürger.
Mit dem 18 Lebensjahr müssen sich die junge Menschen aus
Immigrantenfamilien entscheiden, ob sie ausschließliche
die deutsche Staatsbürgerschaft oder die des Herkunftslandes
ihrer Eltern wollen. Wer 8 Jahre lang legal in Deutschland lebt,
erhält das Recht, die deutsche Staatsbürgerschaft zu
beantragen. Er/sie kann sie bekommen, wenn er/sie schriftlich
bestätigt, dass er/sie das Grundgesetz und die Gesetze der
Bundesrepublik Deutschland einhält und (ist später
dazugekommen) nachweist, dass er/sie die deutsche Sprache in
Wort und Schrift in einem gewissen Maße beherrscht.
Vorher, nach dem alten Staatsbürgerschaftsrecht gab es viele
Menschen, die seit Generationen in Deutschland lebten, ohne die
Staatsbürgerschaft zu erhalten, währen im Ausland lebende
Menschen automatisch die deutsche Staatsbürgerschaft hatten,
wenn sie aus Familien kamen, die aus Deutschland stammten (biologische
Abstammung), z.B. Russlanddeutsche oder Rumäniendeutsche
usw.
-
- 2.2.2. Entschädigungsfond für
Zwangsarbeiter
Die Bundesrepublik Deutschland hat
sich in ihrer Konkurrenz zur DDR große Mühe gegeben,
dass sie international als der Rechtsnachfolger des Deutschen
Reiches angesehen wird. Und im Deutschen Reich unter den Nazis
ist man, das ist ja bekannt, nicht gerade besonders freundlich
mit den Menschen jüdischer Religion umgegangen, im Gegenteil.
-
- Viele reiche jüdische Deutsche verkauften
also billig ihre Besitztümer und flohen ins Ausland, wenn
sie es noch konnten. Dadurch wurden viele Unternehmen arisiert,
also nach der Nazi-Rassenideologie den Menschen der jüdischen
Rasse weggenommen und einigen Menschen der deutschen
Rasse gegeben. Weil während des Krieges viele Arbeiter
der deutschen Fabriken nicht arbeiteten, sondern als Soldaten
im Krieg waren, nahm man aus den besetzten Gebieten, besonders
aus Polen, viele jungen Menschen gefangen und zwang sie, als
Fremdarbeiter in den Fabriken zu arbeiten. Sie erhielten dabei
keine Einzahlungen in die Sozialversicherungen, keinen realen
Lohn.
-
- Viele von ihnen überlebten dies nicht.
Andererseits wurden durch die Arisierung und die billige Arbeitskraft
der Zwangsarbeiter viele Unternehmer reicher und reicher. Und
noch während des Krieges begannen sie, Unternehmen im Ausland
aufzukaufen. Ihnen konnte nun egal sein, ob Deutschland unter
Hitler den Krieg übersteht oder nicht. Nach dem Krieg blühte
die (west)deutsche Wirtschaft auf, die sehr reichen Unternehmen
stiegen immer weiter in die internationale Wirtschaft ein. Durch
DM-Stützungskäufe wurde der bisweilen kränkelnde
Dollar gestützt, und die USA waren bald das am höchsten
verschuldete Land der Welt, Hauptgläubiger waren Deutschland
und Japan, die beiden Kriegsverlierer.
-
- Mit diesem Dollar-Kapital drängten deutsche
und japanische Konzerne auf den amerikanischen Markt vor und
verzahnten sich mit den US-Konzernen. Und heute sind deutsche
Konzerne in den USA zuhause und mit den US-Konzernen verflochten.
Nach dem Krieg gingen auch viele ehemaligen Zwangsarbeiter in
die USA. Und findige amerikanische Anwälte ermutigten sie,
die in den USA ansässig gewordenen deutschen Konzerne wegen
ihrer Zwangsarbeit zu verklagen.
-
- Da machte die Bundesregierung unter Schröder
in Zusammenarbeit mit dem Bundesverband der deutschen Industrie
den Anwälten einen Vorschlag. Sie wollten das Problem
ein für allemal aus der Welt schaffen und boten einen Pauschalbetrag
von 10 Milliarden DM den Zwangsarbeitern für das erlittene
Unrecht an, sofern es danach keine weiteren Forderungen geben
würde. Die Hälfte sollte die Industrie zahlen, die
andere Hälfte Bund, Länder und Gemeinden. Das heißt,
die Hälfte zahlte der Steuerzahler und nicht die reiche
Industrie.
-
- Die Industrie bekam das Geld in ihren eigenen
Reihen nicht so recht zusammen, zum Beispiel wehrte sich auch
die katholische Kirche, für ihre Zwangsarbeiter zu bezahlen.
Daher ermöglichte der deutsche Staat, vertreten durch die
rotgrüne Regierung, seinen Konzernen, dass diese Zahlungen
steuerlich geltend gemacht werden, was bedeutet, dass die andere
Hälfte auch von der arbeitenden Bevölkerung bezahlt
wird. Das ist aber überhaupt nichts Besonderes, denn der
Reichtum der Konzerne wird ja immer von der arbeitenden Bevölkerung
auf die eine oder andere Weise bezahlt.
-
- 2.2.3. Die sogenannte Innere Sicherheit
Im Zusammenhang (oder unter dem Vorwand?)
der Anti-Terrormaßnahmen wird ein Luftsicherheitsgesetz
verabschiedet, das in bestimmten Fällen der Bundeswehr das
Recht gibt, auf Zivilflugzeuge zu schießen (2006 von Bundesverfassungsgericht
gestoppt). Das Bundeskriminalamt wird Umorganisiert, es entsteht
eine strategische Zentrale mit der Unterabteilung Gruppe
internationaler Terrorismus. Der Bundestag beschließt
18.6.2004 ein Gesetz, nach dem bestimmte Strafgefangene nach
ihrer Strafverbüßung in Sicherheitsverwahrung gehalten
werden können (Gewalt- und Sexualstraftäter).
Die öffentliche Überwachung nimmt in vielen Bereichen
zu. In verschiedenen Bundesländern taucht auch wieder unter
den persönlichen Angaben die sexuelle Identität (Homosexualität)
auf. Gen-Proben sollen zu Gen-Dateien führen, in denen straffällig
gewordene gespeichert werden. Die Dateien großer Flächen-Gen-Tests
werden angeblich wieder gelöscht.
-
- 2.3. Umwelt- und Verbraucherschutz
Trotz des Widerstandes aus der Stromwirtschaft
wird am 25.02.2000 ein Gesetz zur Stromerzeugung aus erneuerbaren
Energien (Solar-, Windenergie, Biomasse und Erdwärme) verabschiedet.
Außerdem wird der Atomausstieg (über einen langen
Zeitraum hin) mit der Energiewirtschaft vereinbart.
Im Zuge der BSE-Krise wird das neue Verbraucherschutzministerium
gegründet, dem das Landwirtschaftsministerium unterstellt
wird. Das bisherige Landwirtschaftsministerium hatte eher das
Wohl der mit der Pharmazie gemeinsam produzierenden Agrar-Industrie
im Auge. Und nun werden eher biologisch produzierende Betriebe
gefördert. Es gelang, die Maul- und Klauenseuche, die sich
in Großbritannien, Frankreich und den Niederlanden ausbreitete,
durch entschlossene Maßnahmen in Zusammenarbeit mit der
EU aus Deutschland fernzuhalten.
-
- 2.4. Frauen und Gedöns
In diesem beiläufigen und humorig
gemeinten Schröder-Ausspruch zeigt sich, dass er sich bemüht
hat, die Familie und die Emanzipationsbemühungen in einem
griffigen Wort zusammenzufassen.
-
- 2.4.1. Frauen
Der generelle Ausschluss der Frauen
vom Dienst mit der Waffe sei nicht mit dem EU-Recht über
die berufliche Gleichstellung von Männern und Frauen vereinbar.
Verteidigungsminister Scharping setzte im Mai 1999 eine Kommission
unter Richard von Weizsäcker ein, um umfassende Vorschläge
zur Strukturreform der Bundeswehr zu erarbeiten.
-
- 2.4.2. Das Gedöns
Trotz CDU/CSU-Mehrheit im Bundesrat wird von rotgrün
im Bundestag die eingetragene Lebenspartnerschaft legalisiert,
weil das Gesetz gesplittet wurde, in einen Teil der nicht zustimmungspflichtig
ist und so mit einfacher Mehrheit des Bundestages beschlossen
werden konnte, und in einen Teil, der der Zustimmung der Länder
bedarf. Daraus entstand seltsame Situation, dass die Pflichten
der Verpartnerung einzuhalten sind, die Rechte aber nicht Teil
des Gesetzes sind. Es müsste der Ehe in allen Fragen gleichgestellt
werden, wie das in vielen europäischen Ländern der
Fall ist.
Mit diesem Gesetz erkennt der Staat erstmals
homosexuelle Partnerschaften an, was im krassen Widerspruch z.B.
zur Adenauerzeit steht, in der mannmännliche Homosexualität
generell unter Strafe gestellt wurde. Der Staat kommt aber (bei
realer Gleichstellung) hiermit nur einem Teil der homosexuellen
Menschen in ihrer realen Lebenswirklichkeit entgegen. Es besteht
sogar die Befürchtung, dass das Ehe-Modell mit seinem Mann-Frau-Dualismus
als Vorbild (die Auffassung dass zu einer Frau ein Mann gehöre
und zu einem Mann eine Frau, damit das Leben wertvoll sei), zur
Disziplinierung homosexuell handelnder Menschen benutz werden
kann, die nicht nach dem Dual-Modell leben möchten oder
können.
Gegen diesen Ehe-Torso, diese zweitklassige Ehe, legten einige
CDU-geführten Bundesländer erfolglos Verfassungsklage
ein. Auch gegen das Stiefkindadoptionsgesetz, eines der letzten
Gesetze von rotgrün, legte Bayern Verfassungsklage ein.
Das Gesetz besagt, dass in einer homosexuellen PartnerInnenschaft
das Kind des einen Partners (der einen Partnerin), dass er/sie
mit in die PartnerInnenschaft bringt, vom anderen Partner (Partnerin)
adoptiert werden kann.
Homosexuelle Menschen werden in der Bundeswehr gleichgestellt,
können hier auch Karriere machen, sie werden also nicht,
wie bisher, als erpressbar und daher ein Sicherheitsrisiko angesehen.
Eine Wörner-(Kießling)-Affäre kann es also nicht
mehr geben. Es gibt leider nicht nur homosexuelle Männer
mit einer pazifistischen Grundüberzeugung. Wir werden eben
mit der Integration normalisiert.
Die Prostituierten können nun Zugang zu den Sozialversicherungen
erhalten, was einer Anerkennung ihrer Tätigkeit als Beruf
gleichkommt.
Deserteure und Homosexuelle, die in der Nazizeit Unrechtsurteilen
zum Opfer gefallen seine, werden mit den Stimmen von Rotgrün
und PDS rehabilitiert, gegen die Stimmen von schwarzgelb.
-
- 2.5. Außenpolitik
Ab Oktober 98 beteiligte sich Deutschland
am Angriffskrieg gegen Jugoslawien. Ab Juni 99 beteiligte sich
die Bundeswehr (8.500 Soldaten) an der KAFOR im Kosovo. Die ehemals
pazifistischen B90/Grünen stimmen zu.
Die Bundesregierung verurteilte in Scharfer Form die Beteiligung
der Freiheitlichen Partei unter Haider an der konservativ-nationalliberalen
Regierung Schüssel in Österreich.
Das Verhältnis zwischen Deutschland und
China wird durch Besuch von Schröder und dem chinesischen
Gegenbesuch normalisiert, wobei wirtschaftliche Fragen im Mittelpunkt
stehen.
Durch Besuch und Gegenbesuch (14.6.2000) wird im Verhältnis
zwischen Deutschland und Russland ein Neubeginn vereinbart.
Nach der Wahl von Bush kam es während des Antrittsbesuches
von Schröder am 29.3.01 zu einer offenen Kontroverse wegen
Bushs Ausstieg aus dem Kyoto-Prozess und dem Ausstieg der USA
aus dem Internationalen Gerichtshof (IGH) und wegen der Verweigerung
des Rechts auf konsularischen Beistand deutscher Strafgefangener
in den USA, ein Verstoß gegen die völkerrechtlich
verbindliche Wiener Konsularkonvention.
Aufgrund zunehmender Meinungsverschiedenheiten mit den USA in
Hinblick auf dessen die Achse des Bösen, sieht
die Bundesrepublik ihre Verhandlungsbemühungen konterkariert.
Die Regierung schließt einen Einsatz der Bundeswehr mit
Kampfauftrag in Afghanistan aus, sie schließt auch einen
Einsatz im Irak aus. Deutschland, Frankreich, Belgien und Luxemburg,
nach dem Regierungswechsel dort auch Spanien stellen sich gegen
die US-Intervention im Irak. Frau Merkel, die Oppositionsführerin,
reist demonstrativ in die USA.
Es kommt zu Kontroversen zwischen Deutschland und Polen, auch
wegen eines Zentrums der Vertreibung, das in Berlin eingerichtet
werden soll.
-
- 3. SPD-Taktik und nun?
Selbst als nach 2002 die rotgrüne
Koalition nahezu nur noch Gesetze machte, die auch von der CDU/CSU
und FDP stammen könnten, hatte sie in den Medien eine sogenannte
schlechte Presse, und selbst reine Unions-Gesetze wurden von
der unionsgeführten Ländermehrheit blockiert. Nach
der Landtagswahl in Schleswig-Holstein zeigte sich SPD-intern,
dass ein Teil der führenden Mitglieder mit einer großen
Koalition liebäugelten. Andererseits fanden sich in der
SPD viele Mitglieder nicht mehr wieder, und es entstand außerhalb
der SPD die WASG aus ehemaligen SPD-Mitgliedern, die sich unter
Lafontaine der längst sozialdemokratisierten PDS näherte.
Der 15. Bundestag setzte sich wie folgt zusammen:
Abgeordnete |
SPD |
CDU/CSU |
Bü/Grüne |
FDP |
PDS |
Parteilos |
Frauen |
105 |
45 |
27 |
9 |
2 |
- |
Männer |
144 |
202 |
28 |
38 |
- |
1 |
Zusammen |
249 |
247 |
55 |
47 |
2 |
1 |
- Für Schröder war klar, dass er
politisch nur noch einigermaßen weiter kommen konnte, wenn
er die Union gewinnen konnte, mit ihm eine Koalition einzugehen,
um die Blockadesituation zu beenden. So wartete er auf eine Gelegenheit,
die rotgrüne Koalition platzen zu lassen. Die Gelegenheit
ergab sich nach der Wahl in NRW. Er versuchte eine von ihm geführte
große Koalition durch vorgezogene Neuwahlen zu erreichen.
Die Union versuchte, die neoliberale Politik, mit der sie die
SPD vor sich hergetrieben hatte, bei dieser Wahl in eigener Regie
zu führen. Dazu bekam sie bei weitem keine Mehrheit. Die
PDS und die WASG zusammen zogen im September 2005 deutlich in
den Bundestag ein, und wenn die SPD nun eine linke Partei wäre,
hätte sie eine linke Bundestagsmehrheit gegen schwarzgelb
gehabt. Doch Schrö-der hatte das Pech, bei der vorgezogenen
Bundestagswahl um wenige Stimmen hinter der Union zu liegen,
so dass es zwar zur großen Koalition kam, jedoch nicht
unter seiner Führung. So schied er als glückloser Politiker
aus der direkten Politik aus.
-
- 3.1. Die Große Koalition
Der 16. Deutsche Bundestag setzt sich wie folgt zusammen:
Abgeordnete |
CDU/CSU |
SPD |
FDP |
Linke |
Bü90/Grüne |
Frauen |
45 |
80 |
15 |
25 |
29 |
Männer |
181 |
142 |
46 |
29 |
22 |
Zusammen |
226 |
222 |
61 |
54 |
51 |
- Die große Koalition hat 3 sogenannte
Oppositionsparteien, von denen sich die FDP als Oppositionsführerin
sieht. Real gesehen argumentiert die FDP immer noch gegen die
frühere SPD-Grünen-Koalition, sie trifft dabei den
SPD-Teil der großen Koalition, mit dem Ziel, möglichst
bald schwarzgelb herzustellen.
Die Bü/Grünen sind in der Situation, dass sie nicht
direkt gegen schwarzgelb argumentieren können, weil sie
sich von der neoliberale Politik, die sie mitgetragen haben,
nicht distanzieren können. Die einzige Opposition gegen
diese informelle 4-Parteien-Koalition ist sie sozialreformerische
Linke. Deren Meinung zu den verschiedenen Vorgängen wird
aber in den Medien nicht zur Kenntnis genommen, während
die FDP oft das Interpretationsrecht erhält.
-
- 3.2. Ausblick
Wie es weiter geht? Nun man sieht
es schon. Einerseits arbeitet die Große Koalition relativ
konfliktfrei zusammen, wobei die SPD-Minister für die bösen
unsozialen Entscheidungen zuständig sind, wie Münteferings
Vorstoß zum Vorziehen der Rentengrenze auf 67 kurz vor
den Landtagswahlen in Rhenland-Pfalz, Baden-Württemberg,
Sachsen-Anhalt und der Kommunalwahl in Hessen.
Die Außenpolitik scheint sich wieder ein wenig zu den USA
hin zu verschieben. Zumindest ist statt der engeren Freundschaft
mit Russland und Frankreich zumindest gegenüber Russland
ein eher distanzierteres Verhältnis entstanden.
Statt eine Verbraucherschutzministerin existiert
wieder ein Landwirtschaftsminister, der die Förderung der
kleinen Bauern mit gesunden biologischen Erzeugnissen zurückstellt,
weil er für alle gleichberechtigt da sei, der aber besonders
die Gentechnik fördern will. Das ist derzeit wohl der deutlichste
Paradigmenwechsel.
Die Medien und die Industrie drücken nun wahrscheinlich
weiter, um einer schwarzgelbe Regierung so bald wie möglich
den Weg zu ebnen.
Es kann aber auch sein, dass nun entweder eine Zeitlang wechselnd
geführte große Koalitionen regieren werden, die aber
weder weitere gesellschaftspolitische Modernisierungen noch die
Widerherstellung des Sozialstaates erreichen kann. Eher driftet
sie in Richtung von schwarzgelb, auch ohne schwarzgelber Koalition.
Linke Sozialdemokraten, die noch nicht in die WASG eingetreten
sind, wie beispielsweise Wowereit, der in Berlin mit der PDS
koaliert, werben mit der Aussicht einer linken Koalition
aus SPD, Bü/Grüne und Linke.
-
- 4. Zusammenfassung
Die rotgrüne Koalition war wohl
tatsächlich eine Koalition der 68er. Die 68er Revoluzzer
hatten große, allerdings miteinender divergierende Ziele.
Herausgekommen ist die partielle Modernisierung der bestehenden
Gesellschaftsordnung zugunsten der Wirtschaftsinteressen der
bisherigen wirtschaftlichen Nutznießer dieser Gesellschaft.
Z.B. wurde aus der Befreiung der Sexualität die kommerzielle
Sexindustrie mit ihren verschiedenen Facetten usw. Die rotgrüne
Regierung hat auch eine ganze Reihe von wichtigen Reformen durchgeführt,
die ganz allgemein die Gesellschaft modernisieren. Was angesichts
des konservativen Drucks bleiben wird, ist wohl der Ausbau der
Arbeitswelt im neoliberalen Sinne, weg vom Sozialstaat. Vielleicht
lassen sich einige gesellschaftspolitische Errungenschaften
wie Verpartnerung von Lesben und Schwule verteidigen, kaum jedoch
die Familienstruktur ganz allgemein modernisieren. Es kann auch
zu einer Renaissance der Religionen bis hin zum Fundamentalismus
kommen, was ganz gut einerseits mit Neoliberalismus und andererseits
mit Sozialstaat zusammen gehen kann. (js)
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