84. LUST (Herbst 05)
Der Fall Agnoli
Takis Sampsounis schildert den Sachverhalt ausführlich:
Ich: Takis Sampsounis, Grieche, in Darmstadt geboren und in Deutschland aufgewachsen, 39 Jahre alt.
Andre: Armenier, in Teheran geboren und aufgewachsen, 32 Jahre alt, iranischer Staatsangehöriger, seit April 2002 in Deutschland, Asyl beantragt wegen seiner Homosexualität.

Anfang 2004 lernte ich Andre kennen. Es entwickelte sich eine intensive Liebesbeziehung zwischen uns, die im Oktober 2004 dazu führte, dass Andre und ich zusammen in meiner Wohnung eine häusliche Lebensgemeinschaft begründeten, die bis zur Verhaftung meines Freundes andauerte.
Am 11. Oktober 2004 hat das Verwaltungsgericht Kassel seine Klage gegen die Ablehnung seines Asylantrags abgewiesen mit der Begründung, dass ihm als Homosexueller im Iran keine politische Verfolgung droht.

Mit einem neuen Anwalt versuchten wir nun zusammen die Lage zu besänftigen. Weihnachten 2004 fassten wir beide den Entschluss, dass wir uns als Lebenspartner beim zuständigen Standesamt eintragen lassen wollten. In der Zeit ist auch eine Klage beim hessischen Verwaltungsgerichtshof abgewiesen worden.

Ein anderer Anwalt ist bevollmächtigt worden und auf sein Anraten haben wir Ende Januar 2005 das iranische Generalkonsulat in Frankfurt am Main aufgesucht, weil für die Eintragung der Lebenspartnerschaft die Vorlage eines nationalen Reiseausweises notwendig ist. Auf dem Konsulat wurde Andre nach dem Grund seines Aufenthaltes im Bundesgebiet befragt. Er musste einen Vordruck ausfüllen, in dem er angab, dass er den Iran verlassen habe, weil er homosexuell veranlagt sei. Hier lebe er nunmehr mit mir zusammen und wolle eine Lebenspartnerschaft begründen.

Wir sind bereits im Januar 2005 auf dem Standesamt Mitte in Frankfurt am Main gewesen, um uns dort nach den Voraussetzungen für die Eintragung einer Lebenspartnerschaft zu erkundigen.
Zusammen sind wir nach Korbach zur Ausländerbehörde gegangen und haben mit Frau Heckmann gesprochen – die zuständige Sachbearbeiterin der Akte von Andre. Weil sein Asyl abgewiesen wurde, verlangte Frau Heckmann, dass Andre unterschreiben solle, das er freiwillig ausreisen werde. Andre verweigerte dies. Daraufhin wurden die Leistungen für Unterhalt gekürzt, außerdem wurde ihm das Arbeitsrecht entzogen. Wir haben Frau Heckmann informiert, dass wir bereits beschlossen hatten, die Lebenspartnerschaft zu begründen. Sie machte den Eindruck, als sei sie damit einverstanden.

Am 9. März hatten wir endlich die Unterlagen. Frau Gliesch vom Standesamt Mitte Frankfurt am Main, die für uns zuständig war, beschlagnahmte seinen Reisepass auf Veranlasung der Ausländerbehörde in Korbach. Sie prüfte die Unterlagen und meinte, alles sei in Ordnung und gab uns für den 11. April 2005 einen Termin zur Begründung der Lebenspartnerschaft.

Am nächsten Tag telefonierte ich mit Frau Heckmann in Korbach. Ich teilte ihr den Termin für die Begründung der Lebenspartnerschaft mit und besprach die Möglichkeiten für einen Urlaubsschein für Andre. Sie wusste bereits Bescheid. Auf die Frage, ob ihm nun Abschiebung drohe, besänftigte sie mich mit den Worten: “Gehen sie ruhig am 11. April zum Standesamt, sie brauchen keine Angst zu haben.”

Am 21. März 2005 hat der Landrat des Landkreises Waldeck-Frankenberg Andre verpflichtet, die Bundesrepublik Deutschland zu verlassen und zwar bis zum 31.03.2005, also genau 11 Tage vor dem Termin zur Begründung der Lebenspartnerschaft. Unterschrift: Herr Enderlein von der Ausländerbehörde Korbach. Ob der Termin ein Zufall war?!

Ich beeilte mich, das Standesamt Frankfurt zu kontaktieren und fragte Frau Gliesch nach einem früheren Termin. Ich habe sie höflich darum gebeten und ihre die Lage geschildert, doch sie wies mich ab. Ich ging zu ihrer Vorgesetzten, Frau Hard. Doch die Damen wollten mir keinen anderen Termin erteilen, mit der Begründung der Terminplan sei voll und ich könne die Lebenspartnerschaft auch alleine begründen.

Am 4. April ging Andre auf Raten des Anwalts nach Giessen zur Außenstelle des Bundesamtes für Migration und Flüchtlinge und beantragte einen Folgeantrag für Asyl.

Am 7. April war die Polizei im Asylheim und hat nach Andre gesucht.

Am 11. April 2005 waren wir nun um 11.00 Uhr bei unserem Termin im Standesamt in Frankfurt am Main. Frau Allgeier war die Beamtin, die unsere Angelegenheit annahm. Ich übergab ihr alle Unterlagen. Sie verließ mit den Unterlagen das Zimmer. Wir waren 35 Minuten allein. Auf Anfrage von mir, wo sie bleibe, beruhigten mich die anderen Beamten. Nach ein paar Minuten kam sie wieder und meinte es gäbe Unstimmigkeiten mit Frau Gliesch und wir sollten noch warten. Andre fühlte sich nicht wohl an diesem Tag. Ihm war übel, er ging auf die Toilette. Fünf Minuten später ging die Tür auf, drei Polizisten standen vor mit, verlangten nach Andre und lachten auf meine Erklärung, es sei ihm übel geworden. Frau Allgeier fragte, ob er wieder komme und war ganz aufgeregt, als ob sie verantwortlich wäre, dass Andre nicht im Zimmer war. Sie machte den Eindruck, als ob sie wollte, dass Andre verhaftet würde.

Ich musste das Zimmer verlassen und auf dem Gang in Begleitung von zwei Polizisten warten. Auf meine Frage, was los sei, erklärte mir der eine Polizist, dass Andre gesucht wird und er solle sich im Polizeipräsidium melden. Die drei Polizisten gingen wieder.

Ich stand mit Frau Allgeier nun im Zimmer. Sie packte die Unterlagen weg und sagte mir: "Das war’s”. Ich bestand darauf , die Lebenspartnerschaft weiter zu beantragen. Sie lachte und sagte mir, dass das nicht möglich wäre, denn ich bräuchte eine Bevollmächtigung von Andre, um die Lebenspartnerschaft alleine zu beantragen. Ich hatte eine Bevollmächtigung dabei. Ich gab sie Frau Allgeier. Sie wurde sehr wütend und sagte: “Erst kommen sie zu zweit und jetzt wollen sie es alleine beantragen. So nicht! Die Zeit ist abgelaufen!” fügte sie noch dazu (es war 12.00 Uhr). Ich bestand auf meine Rechte und verlangte ihre Vorgesetzte. Sie ging zum Telefon und kurz danach kam Frau Hard. Ich erklärte, was passiert ist und Frau Hard erklärte mir, dass solange mein Freund keine Aufenthaltsstatus hat, könne ich die Lebenspartnerschaft nicht begründen. Außerdem habe sie den Auftrag von der Ausländerbehörde in Korbach, die Lebenspartnerschaft nicht aufzunehmen.

Ich ging sofort zum Polizeipräsidium in Frankfurt, an der Zeil, um zu erfahren, warum Andre gesucht würde. Man gab keine Auskunft. Er müsse sich persönlich melden. Ich erfuhr nur, dass die Anweisung vom Kasseler Regierungspräsidium kam. Ich habe dort angerufen, aber wieder keine Auskunft erhalten. “Nur über den Anwalt”, hieß es.

Der Anwalt reicht am 22. April eine Petition im hessischen Landtag ein (Nr. 02921/16) und verlangte von der Ausländerbehörde in Korbach auf Grund des Folgeantrages und der Petition Andre eine Duldung zu erteilen. Die Behörde blieb schweigsam und das den ganzen Mai und den ganzen Juni.
Im Juli 2005, als die Nerven dieser Situation nicht mehr gewachsen waren, gingen wir zu einem neuen Anwalt. Dr. Marx in Frankfurt. Er erklärte uns, dass Andre seit dem 31. März 2005 sich nun illegal in Deutschland befinde und riet ihm, sich zu stellen.

Am 18. Juli 2005 ging ich mit Andre zur Ausländerbehörde in Korbach, zu Herrn Enderlein und verlangten eine Duldung. Er hat die Polizeistation Korbach angerufen, sie haben Andre in die Polizeistation Korbach mitgenommen und drei Stunden später dem Haftrichter vorgeführt. Anwesend waren Herr Enderlein, der die Sache vorgetragen hat. Ich musste draußen auf die Entscheidiung warten.

In einem persönlichen Gespräch machte Herr Enderlein mir klar, dass es natürlich die Möglichkeit gegeben hätte, das Ausreisedatum für Andre auch auf einen späteren Zeitpunkt festzulegen. Er habe es aber extra auf den 31. März gelegt, also 11 Tage vor unserem Termin für die Eintragung. Ist das Schwulenfeindlichkeit?

Seit diesem Tag sitzt Andre in der JVA Kassel, in der Leipzigerstraße in Abschiebehaft. Er darf nur einmal in der Woche telefonieren und nur alle 14 Tage besucht werden.
Der Anwalt versucht die Eintragung der Lebenspartnerschaft zu erzwingen, aber weder das Standesamt, noch die Ausländerbehörde sind zur Kooperation bereit.
Ich habe am 19. Juli 2005 mit Andre telefoniert. Er ist fix und fertig mit den Nerven. Nach drei Jahren in Deutschland muss er nun im Gefängnis sitzen und abwarten wann und wie die Petition über sein Leben entscheidet.

In Sorge über unsere gemeinsame Zukunft und in Verzweiflung über Andres Leben, wenn er in den Iran abgeschoben würde,
Takis Sampsounis
V.i.S.d.P.: Paul Hirsch (Frankfurt)
Für die Aktionen beim Frankfurter CSD am 22.07.05 unter folgender Adresse:
http://home.arcor.de/paulinux/andreweb/index.htm
 
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