- 84. LUST (Herbst-Ausgabe 05)
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- Was alles in Deutschland möglich
ist
- Gehts mal wieder los? Werden bei uns homosexuelle
Menschen wieder als Täter und unsere Treffpunkte wieder
als Tatorte angesehen? Gibt es in den Behörden längst
einen schleichenden Trend nach rechts?
Was ist eigentlich ein Sexualverbrecher? Es ist dies ein Mensch,
dessen bevorzugte Sexualität nach dem geltenden Recht verboten
ist.
Homosexuelle Männer galten in Deutschland lange als Sexualverbrecher,
denn es konnte ja immer sein, dass sie Sex haben könnten,
also straffällig wurden, und zwar nach dem § 175 StGB,
vorher RStGB.
Als Hundertrfünfunssiebziger wurden homosexuelle Männer
von dummen Menschen bezeichnet, und bei der Polizei gab es die
sogeannten Rosa Listen, in denen polizeilich die Männer
aufgelistet wurden, die als Homosexuelle bekannt wurden.
Auch nach der Nazizeit gab es diesen Paragraphen noch, wir wurden
bespitzelt und polizeilich verhört, und in der jungen Bundesrepublik
wurden mehr Männer wegen § 175 StGB verhaftet als während
der ganzen Nazizeit. Das hatte zwar nicht die gleichen Auswirkungen,
doch die bürgerliche Existenz dieser Männer und ihrer
Angehörigen war zerstort, es kam daher zu zahlreichen Selbstmorden.
Die CDU/CSU weigerte sich, wegen des angeblichen Schutzes der
Familie diesen Paragraphen abzuschaffen. So wurde die Union zum
Todfeind der Schwulen. Der § 175 ist erst durch die SED
in der DDR abgeschafft worden und bei der Vereinigung beider
Staaten wurde er im Osten nicht wieder eingeführt, sondern
im Westen ganz abgeschafft. Man sollte meinen, damit hört
endlich auch unsere Bespitzelung auf. Immerhin hat der Staat
durch die erlaubte Verpartnerung die homosexuelle Partnerschaft
von Frauen und Männern erlaubt, da kann er uns
ja nicht gleichzeitig dafür bestrafen. Oder doch?
Der 30. SPIEGEL 05 berichtete nun auf S. 13, dass die unionsregierten
Bundesländer Bayern, Thüringen und Nordrhein-Westfalen
eine neue Software einsetzen, mit der Homosexuelle als Tätergruppe
klassifiziert werden und Aufenthaltsorte von Homosexuellen
als potenzielle Tatorte. Mit dem Kürzel omosex
ist es den Ermittlern möglich, sämtliche entsprechende
Datensätze abzurufen.
Der Verband lesbischer und schwuler Polizeibediensteten geht
lt. SPIEGEL davon aus, dass die Speicherung der Daten von Homosexuellen
nicht nur in den genannten Bundesländern üblich sei,
sondern in allen Bundesländern.
Für den Verdacht, dass die Rosa Listen seit den 80er Jahren
zeitlich lückenlos weitergeführt wurden, spricht eine
Meldung des whk, dass Bayerns Innenminister Beckstein bei einer
Anfrage vor dem Bayerischen Landtag am 9.6. behauptete, diese
Listen dienten dem Schutz der betreffenden homosexuellen Menschen.
Ob ihm das irgend jemand glaubt?
Der whk meint dazu: Wie die Berliner Zeitung schreibt,
habe Thürnigens Innenminister Karl Heinz Gasser (CDU) mit
dem Maßnahmen erste Konsequenzen aus der Affäre
gezogen - immerhin fast drei Monate, nachdem die Vereinigung
lesbischer und schwuler Polizeibediensteter (VelsPol) die
Homosexuellenregister aufgedeckt hatte.
Erstaunlich ist, dass das Innenminsterium mehrere Wochen benötigte,
um durch einen einfachen Mausklick herauszufinden, dass bei der
Landespolizei entgegen der damaligen Stellungnahme im Landtag
nun offenbar doch zumindest eine Person als homosexuell erfasst
worden war.
Noch im Juni hatte das Innenministerium in Sachen Rosa
Listen erklärt: Bei einem aktuellen Bestand
von ca. 2,5 Mio. Vorgängen findet sich aktuell kein Vorgang,
bei dem der Schlüssel 901 Aufenthalt von Homosexuellen
vergeben wurde ... Eine Speicherung von Angaben zu sexuellen
Orientierungen von Personen findet nicht statt. Gegenüber
der Berliner Zeitung gibt das Innenminsterium jetzt
allerdings zu, die kritisierten Schlagworte hätten
kaum Anwendung gefunden.
Unabhängig von den jetzigen Stellungnahmen des Innenministeriums
wird sich das whk in Ostdeutschland weiter um parlamentarische
Initiativen bemühen, die den Verbleib der Homosexu-ellenkarteien
aus DDR-Zeiten aufzuklären helfen.
Auf Anregung des whk hat die die PDS-Fraktion im Thüringer
Landtag heute bei der Landesregierung eine parlamentarische Anfrage
eingereicht, in der sie Auskunft darüber verlangt, wo
die die so genannten Rosa-Listen aus DDR-Zeiten verblieben
sind. Weiter fragt die PDS-Fraktion die Erfurter Regierung, ob
es auszuschließen sei, dass sich in derzeitigen
Datenbeständen der Polizei Thüringen, Datenbestände
aus DDR-Zeiten, in denen das Personenmerkmal homosexuell zur
Erfassung führte, befinden.
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