84. Ausgabe 05 (Herbst-LUST)
 
Der Wahlkrampf
Die Wahl ist zu Ende, und die gleichgeschalteten Medien beklagen das Ergebnis. Der Durchmarsch einer neo-liberalen Politik ist nicht geglückt, es sind zwei Lager entstanden: ein Kleineres, das sich für eine noch schärfere Entwicklung in Richtung Sozialabbau und Abbau von Arbeitnehmerrechten aussprach (CDU/CSU/FDP), und ein Größeres, das sich für die Bürgerversicherung und den Erhalt von Arbeitnehmerrechten, Umweltschutz und gegen Kriegseinsätze aussprach, zumindest in der Wahlrhetorik. Und das wird als Problem gesehen.

Nun weiß ja jeder, dass im Kapitalismus die Kapitalisten das Sagen haben. Und egal, wer regiert: was der tut, muss ihnen nutzen. Und so hatten wir zumindest in den vergangenen 3 Jahren eine 5-Parteien-Koalition mit einer Mehrheit von SPD und Grünen im Bundestag und einer Mehrheit von CDU, CSU und FDP im Bundesrat. Von 100 Gestzen sind in den letzten 3 Jahren 92 von dieser super-großen Koalition erlassen worden, eine Opposition gab es nur durch die 2 Direktkandidatinnen der PDS und wurde in den Medien nicht wahrgenommen. Offensichtlich hat Schröder mit dem Ausrufen von Neuwahlen eine große Koalition im Bundestag angesterebt, um als Kanzler der Umgestaltung in die Geschichte der Bundesrepublik einzugehen. Dies hätte ihn taktisch in die Lage versetzt, bei Landtagswahlen weiter links aufzutreten und der Union die arbeitnehmerfeindliche Karte zu überlassen. Wie es gegenwärtig aussieht, könnte er das Ziel nur zum Teil erreicht habe, freilich die große Koalition, doch ohne ihn. So kann man sich ver-taktieren. Die gleichgeschalteten Medien sind eifrig dabei, ihn zu demontieren, auch nach seinem Rückzug hinaus.

Glaubte man der Wahlpropaganda, wollten nun auch die SPD und die Grünen den Sozialabbau stoppen, und Schröder hat sich persönlich sehr ins Zeug gelegt, um durch Angriffe besonders auf den Fried- oder Kirchhoff dies über die ihm nicht gesonnenen Medien in der arbeitenden und arbeitslosen Bevölkerung verständlich zu machen.

Warum haben er und die Grünen nun die linke Karte im Wahlkampf ausgespielt, obwohlsie doch zumindest 3 Jahre lang eine eher rechte Politik betrieben haben?

Weil ihnen ein Teil der Bevölkerung aus dem Ruder zu laufen drohte, nämlich der Teil der Bevölkerung, der sich außerhalb des Parlamentes versammelte, weil er innerhalb des Parlamentes keine vernehmliche Stimme hatte, der Teil der Bevölkerung, der sich von den sozialen Beschwichtigungen der SPD und den ökologischen und pazifistischen Hoffnungen der Grünen nicht mehr angesprochen fühlte, nachdem ihr Leben aufgrund der vorherrschenden Politik real eine andere Richtung genommen hat. „Das Sein prägt das Bewusstsein“, formulierte seinerzeit Karl Marx.

Wer der Ansicht war, dass der sogenannte Kalte Krieg mit dem Zusammenbruch der osteuropäischen Staaten, die sich als sozialistisch definiert hatten, zu Ende wäre, sieht sich angesichts des Auftretens einer angeblichen Linkspartei (PDS und WASG), die eine zweite sozialdemokratische Partei ist, etwas weiter links als die Partei der Neuen Mitte von Schröder, eines Besseren belehrt. Alle absolut undemokratischen Tricks aus der Mottenkiste des kalten Krieges wurden und werden gegen sie angewandt. Das geht bis hin zu persönlichen Beleidigungen und Diffamierungen.

Frau Merkel, die durch die gleichgeschalteten neoliberalen Medien unterstützt, der eigenen neoliberalen Demagogie wohl selber glaubte, mußte in der Endphase des Wahlkampfes erkennen, dass keine schwarzgelbe, sondern eine sogenannte große Koalirtion auf zie zuzukommen drohte, und sagte medienwirksam, dass ein große Koalition für sie nicht in Frage komme. Das bürgerliche CDU-Wahlvolk verstand und wählte die FDP. Tja, so kann man sich ver-taktieren.

Zwei fast gleichgroße Kräfte erheben nun Anspruch auf die Kanzlerschaft: Die SPD und die beiden C-Parteien CDU und CSU, die diesen Zustand der 2 Parteien immer zu ihrem eigenen Vorteil nutzen, mal zusammen und mal getrennt marschienen. Die CSU wollte zum Beispiel vor drei Jahren einen eigenen Buntestags-Vizepräsidenten haben, weil sie ja eine eigenständige Partei sei.

Das angeblich linke Lager (SPD, Grüne, Linke) hat nun eine deutliche Mehrheit gegenüber den drei bürgerlichen Parteien (CDU, CSU und FDP). Es kann nur mit Mehrheit im Bundwstag regiert werden, wenn es einem der beiden Lager gelingt, einen Teil des anderen Lagers zu sich rüberzuziehen. Wie das ausgehen wird, ist ja schon klar, nehme ich an, denn das linke Lager ist in Wirklichkeit nicht so links wie es im Wahlkampf rüberkam. Und so wird mit einer Unionsgefühten großen Koalition das Wahlvolk, das eher links wählte, vor allen Augen schon wieder einmal gerade von den Sozialdemokraten um ihren Sieg gebracht, was der neunen Linkspartei das Überleben und stärker Werden leichter macht.

Die SPD wäre zunehmend in Gefahr, das Prädikat „Volkspartei“ zu verliern, könnte auch bei Landtagswahlen nicht mehr punkten. Das ist auch der Grund, warum die SPD krampfhaft versucht, den Kanzler zu stellen. Die Fundamentalopposition der Medien, der Demoskopen und des Bundesrates wäre bei einer SPD-geführten großen Koalition gebrochen, da ja ihre Protektionskinder mit im Boot wären.

Die jahrelange bürgerliche Fundamentalopposition hatte ja die wesentliche Funktion, die gutbezahlten Posten zu erhalten, denn die Inhalte, den Sozialabbau zu beschleunigen und die Arbeitnehmerrechte zu deregulieren, unterschieden sich nicht qualitativ, sondern nur quantitativ.

Seit ca. 20 jahren wird in Deutschland, mal schneller und mal langsamer, eine Politik betrieben, bei der den sogenannten kleinen Leuten versprochen wird, dass durch Verzicht auf Lohn, Arbeitnehmerrechten usw. die Arbeitsplätze wachsen würde und herrliche Zeiten vor uns stehen würden. Das hat vor allen Augen nichts gebracht.

Es ist sehr spannend, zu beobachten, wie gierig das Bürgertum ist, wie unvernünftig schnell es seine Bereicherung gestaltet, und wie schnell die ständig augebooteten Interessen der sogenannten Kleinen Leute sich andere Kanäle suchen, nicht mehr gebändigt durch die Politikerriege.

Und im Hintergrund stehen Rechtsradikale in Wartestellung und werden nicht verboten. (js)
 
 
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