83. LUST, Sommer 05 (Juni/Juli/August)
 
Neuwahl am 18. September?
Seltsam mutet es an, wenn schon die Wahlhelfer für den 18.09. eingeladen werden, als seien die Neuwahl und das Datum bereits geklärt. Immerhin soll es ja noch eine Misstrauensabstimmung geben, und dann wird der Bundespräsident parteipolitisch völlig neutral entscheiden, was zu tun ist.

Offensichtlich hat er schon entschieden und die Abstimmung am 1. Juli (ausgerechnet) ist auch schon wunschgemäß vonstatten gegangen.

Und alle damaligen MitarbeiterInnen von Kohl, das ganze Gruselkabinett hat das Fell des Bären schon unter sich aufgeteilt. In den Medien tauchen sie immer häufiger auf und trauen sich Dinge zu sagen, die uns schon damals gründlich angekotzt haben, so sicher sind sie sich schon.
Da taucht der widerliche Pastor Hinze auf, der Kohls Regierungssprecher war, und quasselt giftig, was das Zeug hält. Und ob aus Bayern oder aus Hessen, eine Gestalt ist widerlicher als die andere, und sie sagen uns, dass die Riester-Rente doch nicht so schlecht sei, dass das ganze Sozialsystem weg müsse und dass sich sozial nichts ändern solle, dass die Renten drastisch gekürzt werden müssten und dass es den Rentnern nicht schlechter gehen würde usw.
Und die ekelhafte betrügerische PolitikerInnen-Rhetorik kann man auch schon von den Journalisten in den Medien hören, von Eigenverantwortung ist da die Rede und nicht vom weiteren Abbau der Löhne und der Versicherungsleistungen, für die ganze Generationen gearbeitet und eingezahlt haben.

Und das kommt alles ohne parteipolitische Alternative auf uns zugerollt, als gäbe es keine Alternativen. Jetzt versprechen Merkel und Westerwelle, was vorher Schröder und Fischer versprochen hatten: mehr Arbeitsplätze. Die SPD und die GRÜNEN sind derart an die Wand gefahren worden, dass die Bevölkerung sicherlich noch in 20 Jahren diese Parteien nicht mehr als Alternative ansehen kann. Es scheint absolut hoffnungslos zu sein. Alles, was die rotgrünen WählerInnen wollten, ist verspielt worden. Ich glaube, dass noch nie in der deutschen Geschichte eine gewählte Regierung derart abgewirtschaftet hat wie diese.

Doch, halt, in der Weimarer Republik hat doch die SPD kurz vor dem Ende noch ein ganz kurzes Zwischenspiel gehabt, die Regierung Müller. Die ist allerdings nicht wiedergewählt worden. Danach kamen Brüning, von Papen und dann der Wie-heißt-der-noch-gleich?
Überlegen wir mal, was nach der Wahl, die wohl schon fest steht, auf uns zukommen kann:

1. Die absolute Mehrheit der Union. Kanzlerin Merkel, Außenminister und Vizekanzler Stoiber, usw.

2. Schwarzgelb: Kanzlerin Merkel, Außenminister und Vizekanzler Westerwelle (würg!), Finanzminister Stoiber.

3. Große Koalition: Kanzlerin Merkel, Außenminister und Vizekanzler Müntefering, Wirtschaftsminister Koch

Und nun die unwahrscheinliche Möglichkeit:
4. Rotgrün: Kanzler Schröder, Außenminister und Vizekanzler Fischer, Blockade durch den Bundesrat und ständige Polemiken durch die Medien.

5. Und nun noch die aller-unwahrscheinlichste Möglichket: Die absolute alleinige Mehrheit der PDS und der aus der SPD stammenden Wahl-Alternative: Kanzler Lafontaine, Außenminister und Vizekanzler Gysi.

Aber nun mal im Ernst: es scheint so zu sein, als ob die einzige politische Gruppierung, die den Sozialstaat wirklich in der einen oder anderen Form erhalten und sogar ausbauen will, diese neue und doch nicht so ganz neue Gruppierung ist, die noch gar keinen Namen hat und überwiegend mit sich selbst beschäftigt ist. Kommt die in den Bundestag, was sehr wahrscheinlich ist, wenn sie überhaupt antritt, und kommt sie mit einem nenneswerten Ergebnis in den Bundestag, dann geschieht das überwiegend über die Nichtwähler, die die Union nicht mögen, die aber rotgrün auch nicht mehr wählen konnten.

Die Wahrscheinlichkeit, dass dann eine große Koalittion gebildet würde, ist sehr groß, denn Schröder würde sicherlich nicht eine Dreier-Koalition anstreben, mit den Grünen und der Wahlinitiative. Und die hätte ihrerseits wohl kaum das Verlangen, ausgerechnet mit dem Mann zu paktieren, weshalb viele von ihnen die SPD verlassen haben.

Und die Reformen, die Schröder für so wichtig hält, sind ja auch bei der Union viel besser aufgehoben, in einer großen Koalition. Ist eine große Koalition unter Schröders Führung denkbar? Nun es gibt sicherlich Sozialdemokraten, die davon träumen, ich kann sie mir überhaupt nicht vorstellen.

Egal wie sie aussieht, die große Koalition, sie hätte mit keiner Bundesratsblockade zu rechnen. Die SPD, die GRÜNEN und die Wahlalternative, alle in Opposition zu schwarzgelb? Hei, da werden wir aber linke Sprüche zu hören bekommen, denn alle werden sich beeilen, zu beweisen, dass sie doch am besten auf der Seite der ArbeitnehmerInnen, der Arbeitslosen und des Mittelstandes stehen. Da wird man dann von der SPD Töne zu hören bekommen, die viele SPD-Wähler schon lange vermisst haben.

Aber die werden kaum wirksam sein. Welche der privaten Medien einschließlich Spiegel und Stern, und der gesamten öffentlichen Medien hätte irgendein Interesse daran, das konservative deutsche Bürgertum mit linken Sprüchen zu unterhalten? Es interessiert niemanden mehr, was die dann zu sagen haben.

Mehr Unterhaltung werden die Medien zeigen, mehr Ablenkungen vom immer schwerer werdenden Alltag, mehr Durchhalteparolen, mehr Diffamierungen gegenüber allem, was irgendwie nach Aufklärung, nach Sozialstaat, nach Lebensformenpolitik oder gar nach Emanzipation, nach Umweltschutz und Pazifismus riechen könnte. Die politischen Sprüche, die wir demnächst zu hören bekommen, kennen wir alleschon aus Kohl-Zeiten, nur vielleicht noch nicht so drastisch. Sündenböcke bieten sich an: die „Rechts schaffende Mitte“ meldet sich wieder verstärkter zu Wort. Naja, die Bevölkerung wartet schon begierig darauf. (RoLü)
 
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