83. LUST, Sommer 05 (Juni/Juli/August)
 
Kniffe und Tricks in der Rhetorik von Menschen, die Ihr Geld damit verdienen, dass sie von uns gewählt werden (wollen).
 
Was Politiker anstellen, um bei uns den Eindruck zu erwecken, was sie tun, würde in unserem Sinne sein. Das machen sie aber nicht alleine, dazu brauchen sie die Medien. Und irgendwer stellt auch die politischen Weichen.
Das Thema, das wir hier behandeln besteht somit, genauer betrachtet, aus 3 Themen, nämlich 1. der Medienwelt, 2. dem Berufsbild eines Politikers und 3. der Politik.
 
1. Die Medienwelt
Um mich orientieren zu können benötige ich den Einblick in die Zusammenhänge. Damit ich in meinem Leben sinnvolle und keine lächerlichen Entscheidungen fälle, muss ich mich auf mein Wissen über die Zusammenhänge verlassen können. Mir müssen auch die Konsequenzen meiner Entscheidungen klar sein. Je mehr ich mich von unzutreffenden Informationen leiten lasse, um so weniger können meine Entscheidungen erfolgreich sein.

Wenn ich zum Beispiel erkranke, verlasse ich mich auf die Ratschläge der Ärztin meines Vertrauens und nicht auf einen Menschen, der zu allem seine Meinung blubbert, um sich wichtig zu machen. Auch die Ärztin meines Vertrauens kann sich irren, aber ich unterstelle ihr, dass sie sich bemüht, das für mich Richtige zu tun. Wenn ich mich in einem finanziellen oder sozialen Konflikt befinde, ist das schon schwieriger. Alle wollen mein Geld, aber wenn ich keines mehr habe, wollen sie nichts mehr von mir. Ich habe, um den Einblick und den Überblick zu erhalten, drei Wege: Ratschläge, eigene Erfahrungen und Infos über die Medien.
 
1.1. Ratschläge
Kein Mensch kann alles wissen. Jeder Mensch muss ständig Entscheidungen fällen. Man muss einen für sich gangbaren Weg in vielen Fragen des Lebens finden. Nun hat man ja auch seine eigenen Interessen und andere Menschen haben sie auch.

Also sind solche Ratgeber am wenigsten vertrauenswürdig, die Objektivität vorgeben. Solche, die für jeden und alles einen Rat haben, suchen nach Anerkennung. Dennoch, auch diese alle können den einen oder anderen Ratschlag erteilen, der gut sein kann. Wichtig ist, dass man seinen gesunden Menschenverstand benutzt und nicht vertraut. Wer “Vertrauen” verlangt, kann kein guter Ratgeber sein.

Wir haben die Wahl, wir können uns Ratgeber aussuchen, die uns mit ihrem Fachwissen, über das wir nicht verfügen, helfen, selber die Entscheidung zu fällen. Wer uns aber unsere Entscheidung abnehmen möchte, ist in Wirklichkeit kein Ratgeber, sondern versucht, uns zu manipulieren. Das macht aber nichts, weil wir als Ratsuchende wissen, dass wir selber entscheiden wollen und werden.
 
1.2. Erfahrungen
Was wir selber wissen, ist eine gute Grundlage für unsere Entscheidungen. Also ist möglichst gute Ausbildung und Bildung eine gute Voraussetzung zur Mündigkeit. Es ist aber nicht gesagt, dass Menschen mit einer umfassenderen Bildung vernünftiger entscheiden. Sie haben potentiell bessere Voraussetzungen dazu. Oft ist es aber so, dass wir das Gelernte nicht ausreichend zielführend einsetzen können. Wenn wir aber schon einmal oder mehrfach erlebt haben, wie sich Fakten in Zusammenhänge entwickelt haben, dann können wir diese Erfahrungen besser verwerten. Dabei ist aber zu untersuchen, ob sich die Zusammenhänge entsprechen, denn Erfahrungen, die wir in anderen Zusammenhängen gemacht haben, sind nicht unbedingt überall anwendbar. Dies ist die eigentlich intelligente Leistung im Entscheidungs-prozess, nämlich zu überprüfen, was und wo von dem Erfahrenen auf diesen konkreten Fall anwendbar ist.

Wir können natürlich nicht immer wissen, ob diese Erfahrungen wirklich von uns selbst erfahren wurden, oder ob sich aus den Medien stammende Inszenierungen mit darunter mischen und unseren Erfahrungsschatz verfälschen, zuweilen wohl auch unbrauchbar machen.
Seltsam ist es schon, wie die Soziologen feststellen, dass es immer mehr Menschen gibt, die Medienmanipulationen für glaubwürdiger halten als die eigenen Erfahrungen.
 
1.3. Medien
Medien beeinflussen unser Leben in einem bisher nicht bekannten Ausmaß, sie sind ideologische Manipulationsinstrumente, mit dem Ziel, uns hilflos zu machen und an dieser Hilflosigkeit gut zu verdienen.

Die in den USA produzierten Serien und Filme, die weltweit über die Fernsehgeräte verbrietet werden, werden auch Softpower der USA genannt, im Gegensatz zur Hardpower der USA, nämlich die Truppen. In diesen Filmen und Serien werden ganz bestimmte Werte vermittelt.
In der sogenannten Kaiserzeit waren es die Zeitungen, mit denen man die Bevölkerung zu manipulieren wusste. Das Radio wurde besonders in der Nazi-Zeit zu einem wirkungsvollen Propagan-dainstrument ausgebaut, ohne dass die Zeitungen und die Filme an ihrer Wirksamkeit verloren. Heute ist es im wesentlichen das Fernsehen, das im Verbund mit den Printmedien, also den Zeitungen und Zeitschriften ihre Wirkung entfalten, die Bevölkerung anleitet, dort besonders die privaten Medien.

Die öffentlich-rechtlichen Medien können nicht ganz so unverblümt parteilich sein, was dazu führte, dass schon die Regierung Adenauer ein Privatfernsehen einführen und die öffentlich-rechtlichen Medien abschaffen wollte. Kohl wollte das ARD abschaffen und in der Regierung Kohl wurden die privaten Medien zugelassen und ausgebaut. Aber auch die öffentlich-rechtlichen Medien verhalten sich selbstverständliche entsprechend ihrer politischen Nutzanwendungen.

Wie Medien funktionieren, dazu hat Theodor W. Adorno zahlreiche Untersuchungen bzw. Analysen durchgeführt und Aussagen getroffen. Dieter Prokop hat “Das neue Lexikon der Kulturindustrie” mit dem Titel “Gegen Medien-Lügen” geschrieben und der VSA-Verlag hat es 2004 in Hamburg veröffentlicht. 528 Seiten zu 39,80 Euro, ISBN 3-89965-080-0. In diesem Buch nimmt Prokop die Aussagen von Adorno als Grundlage seiner Arbeit und bestätigt oder modifiziert sie, gelegentlich widerspricht er ihnen auch. Dieses Lexikon ist absolut informativ und hilfreich, die Medienmanipulation zu verstehen.
 
1.3.1. Die Medien-Lügen
“Es ist verlogen, wenn behauptet wird, dass der Markt sich nach den Konsumentenwünschen richtet, dass die Meinungsforschung die Meinung der Bevölkerung wiedergebe, dass die Einschaltquote die Bedürfnisse des Publikums spiegele, dass das Angebot heutiger Medienkonzerne vielfältig sei, dass die Konsumenten im Warenangebot alle Mittel fänden, um darin eine vielfältige Identität auszubilden, dass die Menschen heute individualisiert seien, dass Werbung und Wahlkampagnen die Menschen raffiniert bis ins Kauf- und Wahlverhalten beeinflussen könnten, dass Medienpolitik vor allem die Medienkompetenz in den Familien fördern müsse und dass das wichtiger sei, als die Macht der Medienkonzerne zu kontrollieren. Die Medienwissenschaft ist verlogen, weil sie nicht neugierig genug ist. Sie blickt zu wenig hinter die Kulissen. Dort, im Hintergrund, befindet sich der kulturindustrielle Machtkomplex. Es besteht ein gemeinsames Interesse von werbungstreibenden Unternehmen und Parteien,
 
Medienkonzernen, Markt- und Meinungsforschung, Werbeagenturen und Politikberatern, nur die Gefühle der Bevölkerung an die Öffentlichkeit gelangen zu lassen und den Verstand der Leute auszuschließen. Das kann man als mündiger Bürger und kritischer Wissenschaftler nicht mitmachen!”, das schreibt der Verlag über dieses wichtige Lexikon.

In der Einleitung zum Stichwort “Machtkomplex, kulturindustrieller” heiß es über den unter dem Abschnitt 1. als Einleitung: “Kommerzielle Medien, Werbung, Wahlkämpfe tun so, als hätten Konsumenten und Wähler eine gewaltige Bedeutung. In Wirklichkeit geht es um dasselbe wie bei der lauten Beschallung in Restaurants, Hotels, Kaufhäusern, Bahnhöfen: Nicht die Kundschaft zählt, sondern das Management und dessen Wille zur Marktstrategie.” (S. 288). Natürlich geht es um den Gewinn und nicht um den Willen der Arbeitnehmer oder Kunden in der Marktwirtschaft. Der 2. Abschnitt wird wie folgt eingeleitet: Die Medien. Die Öffentlichkeit, die Politik werden beherrscht und geprägt vom kulturindustriellen Machtkomplex. Die Beteiligten haben das gleiche Interesse: die Repräsentanz ihrer Kapitalkraft und Macht. Das impliziert das Interesse, die öffentliche Präsenz zwar laut und deutlich zeigen, sie jedoch zugleich auf der Ebene von Gefühlen und Stimmungen zu halten. Es gibt das gemeinsame Interesse, die Rationalität und Vernunft der Bevölkerung auf der Öffentlichkeit fernzuhalten.” (S. 290). Danach wird hier erklärt, was alles zum Machtkomplex gehört, von A bis F, und unter F geht es um “die Politiker-Rackets”, siehe weiter unten. Überall ist zu erkennen, dass es nicht um Aufklärung und Inhalte geht, sondern als Ablenkung davon, um Stimmungen und Gefühl. Statt um Tatsachen geht es um Action und Spannung. Das alles geschieht, um den Interessen der großen Konzerne zu nutzen.

Die Medien, die uns die Kultur und die Politik vermitteln, stellen eine marktwirtschaftlich-politische Macht dar, die globalisiert arbeitet. “Globalisierung ist kein Naturgesetz, sondern eine bewusste neoliberale Politik der globalen Gegenreform. Es sind konservative Politiker und Manager, die bewusst eine Einschränkung der Macht der Gewerkschaften betreiben, die Abschaffung der Subventionen für bedrohte Industrien (...) und die Privatisierung staatlicher Betriebe (...), ob das den Menschen nützt oder nicht. Natürlich nützt es ihnen nicht, außer reichen Menschen.” (S. 170). “Globalisierung bedeutet, dass nicht demokratisch konstituierte supranationale Konzerne den demokratisch konstituierten Nationalstaaten gleichgestellt werden”.

Es geht also nicht um die Realisierung demokratischer Selbstbestimmung, sondern um die Funktionalisierung zugunsten der marktwirtschaftlichen Machtinteressen: alles in der Gesellschaft hat dazu zu dienen, dass den wirtschaftlichen Nutznießern dieser Wirtschaftsordnung ständig die Werte zufließen, die ihnen, wie sie meinen, zustehen. Die gesamte Gesellschaft stellt eine Weide dar, auf (in) der die nützlichen Menschen leben, die dem Nutzen nachgehen, der eben der wirtschaftlichen Obrigkeit nutzt. Wer diesen Nutzen nicht zu bringen vermag, steht am Rande dieser Gesellschaft und soll nach der neoliberalen Ideologie mit dem Abbau der Sozialsysteme den Gewinnzuwächsen dieser Obrigkeiten nicht im Wege stehen.

Man liest hier u.a. unter dem Stichwort Kulturindustrie: “Horkheimer und Adorno kritisierten die amerikanische Medienindustrie: die darin vermittelte Kultur sei standardisiert, von Warencharakter geprägt: ‘Die gesamte Praxis der Kulturindustrie überträgt das Profitmotiv blank auf geistiges Gebilde´. Standardisierte Medienprodukte entstehen aufgrund kapitalistischer Interessenslage: ‘Die Abhängigkeit der mächtigen Sendeanstalten von der Elektroindustrie, oder die des Filmes von den Banken, charakterisiert die ganze Sphäre, deren einzelne Branchen wiederum untereinander ökonomisch verfilzt sind´. Sowohl die hohe Kunst als auch die Volkskultur würden Abgeschliffen, nivelliert. Adorno schrieb: ‘Kulturindustrie zwingt auch die jahrtausendelang getrennten Bereiche hoher und niederer Kunst zusammen. Zu ihrer beiden Schaden. Die Hohe wird durch die Spekulation auf den Effekt um ihren Ernst gebracht; die Niedrige durch ihre zivilisatorische Bändigung um das ungebärdig Widerstehende, das ihr innewohnte, solange die gesellschaftliche Kontrolle nicht total war´. (S. 273)

Was die Politiker im Zusammenhang der Medien betrifft, liest man hier: “Die Politiker-Rackets: Rackets nennt man die Politiker-Machtcliquen, die in den Parteizentralen die Strategien entwickeln. Auch für deren Zwecke ist eine Stimmungsforschung – das Abfragen irrational gehaltener “Meinungen” – hinreichend, denn sie behaupten ebenfalls, es käme nicht auf den Verstand der Bürger an, sondern auf ihre Stimmungen.

Oft ist die Politik selbst Opfer dieses Systems, wenn ständig Wahlkampfberater und an den tagesaktuellen Stimmungen orientierten Kommerz-Journalisten ihre Tages-Performance, ihr Auftreten, ihr Aussehen für wichtiger halten als die Sachfragen, mit denen sie sich trotz der Mediatisierung von Politik weiter befassen. Das Zeitalter des kulturindustiellen Machtkomplexes begann in Deutschland endgültig, als sich beim Wahlkampf 2002 die Kanzlerkandidaten – Kanzler Schröder und Ministerpräsident Stoiber - erstmals, wie in den USA, jener finalen Fernsehdebatte stellten, nach welcher kommerzielle Meinungsforschungsinstitute penibel nachfragten, wie die Kandidaten “gewirkt” hätten: ob die Krawatte gefallen haben und ob die Redeweise energisch oder zögerlich gewesen sei.

Andererseits nützt den Politikern dieser Trend, denn sie können mittels der Tagesaktuellen Stimmungs-Musikbeschallung ihre knallharte Politik des Sozialabbaus und der Kriegs- und Rüstungspolitik aus dem öffentlichen Bewusstsein ausblenden. (S. 293)

Der Kern der Aussage dieses Buches scheint also zu sein, dass die kommerziellen Medien, und in ihrem Schlepptau die öffentlich-rechtlichen auch, ganz bewusst von Inhalten ablenken und auf Gefühle und Action setzen, denn das hilft ihnen, Gewinne zu machen und die Bevölkerung in einem Sinne zu beeinflussen, der dem Gewinnstreben nutzt. Partner sind ihnen dabei im wesentlichen die konservativen Parteien, während andere nur widerstrebend, vielleicht sogar viel Nachhaltiger, in diesem Sinne wirksam werden. “Nachhaltigkeit” ist übrigens ein Propagandawort der rotgrünen Bundesregierung.

Es meint, dass die Reformen nachhaltig, also nicht rückgängig zu machend, die Gesellschaft verändern sollen. Das Propaganda-Schlagwort von schwarzgelb heißt „Deregulierung”. Es meint, dass Reglungen und Gesetze, die ArbeitnehmerInnen einige Rechte am Arbeitsplatz geben, zum Beispiel das Arbeitsrecht, sowie Reglungen und Gesetze, die einen gewissen sozialen Standart garantieren können (wie z.B. die Sozialversicherungen), abgeschafft werden sollen. Der Sinn beider Vorgänge, die durch die Schlagworte verschleiert werden, sei es, Arbeitsplätze zu schaffen. Arbeitsplätze sind aber gar nicht das Ziel der Wirtschaft, sondern Gewinn. Und Arbeitnehmer werden nur widerwillig eingestellt und bezahlt, weil dies den Gewinn schmälert.

1.3.2 Medien und Marktwirtschaft
Die Medien sind Teil der Marktwirtschaft, was bedeutet, dass die Information eine Ware ist. Was die Information erhält, muss sich teuer verkaufen lassen und muss nicht unbedingt wahr sein, wie das ja auch mit allen anderen Waren der Fall ist, beispielsweise mit den Lebensmitteln und der Arbeitskraft, die (hier einmal) die Arbeitnehmer auf dem Markt anbieten, was übrigens die einzige Ware ist, die Arbeitnehmer auf dem Markt anbieten (können).

Die Nachricht ist eine Ware, die Käufer sind aber nicht die Fernsehzuschauer, sondern die Medienkonzerne, die wie alle Konzerne ihre wirtschaftlichen Interessen haben. Aber es geht nicht nur um den Warencharakter der Informationen, es geht im wesentlichen um das System des Warenwertes als einzigen Wert an sich. Der Warenwert, also der Tauschwert (Spekulationswert) der Ware Nachricht darf und kann nicht ignoriert werden, denn die Käufer von Medien sind längst daran gewöhnt, dass sie Meinungen statt Fakten, Stimmungen statt Inhalte und Spannung statt Aufklärung geliefert bekommen. Wer es anders machen würde, könnte marktwirtschaftlich nicht überleben, weil er weder Werbeeinnahmen hätte, die nahezu die gesamten Einnahmen eines Medienkonzerns darstellen, noch Käufer des Produktes, denn die finden es nicht so spannend, interessant usw., es sei denn, sie würden zu der Minderheit der Menschen gehören, die lustvoll analytisch denken. Was also in den Medien letztlich gebracht wird, hat dem Prinzip des Marktes nicht zu widersprechen und somit den Nutznießern der Marktwirtschaft zu nutzen.
 
1.3.3 Medien und Politik
Ohne Medien ist der Politiker ein Nichts. Ein Mensch, der sich auf dem großen Markt der Möglichkeiten als Politiker anbietet, der von der Partei seiner Wahl als Kandidat für irgendein Amt aufgestellt werden will, muss von den Medien getragen werden. Was muss er dabei berücksichtigen? Der folgende Text, der 1971 geschrieben wurde, deutet dies an:
“Pressefreiheit und Macht Eine Zeitung lebt nicht nur von dem Verkaufserlös, sondern mehr noch von den Anzeigeneinnahmen. Manche Zeitungen müssen sich deswegen sehr in acht nehmen, weder wichtige Anzeigenkunden noch größere Lesergruppen zu verärgern.
Weil sie geschrieben hatte, in der näheren Umgebung könne man billiger einkaufen, erhielt beispielsweise eine Lokalzeitung so lange keine Anzeigen vom örtlichen Einzelhandel, bis sie wochenlang den vorteilhaften Einkauf in ihrer Stadt lobte.

Die Freiheit, das zu schreiben, was wichtig ist, wird aber nicht nur von außen bedroht. Manchmal schreibt der Verleger einer Zeitung, also der Eigentümer, seinen Journalisten vor, welche Meinung sie zu vertreten haben. Paul Sethe sagt dazu, die Pressefreiheit sei die Freiheit von zweihundert reichen Leuten, ihre Meinung zu vertreten. Besitzt ein solcher Verleger alle Zeitungen eines Ortes oder viele Zeitungen eines Landes, so kann er zu einer Gefahr für die Demokratie werden. Ein solcher Verleger ist mächtig. Er hat die Macht über das Denken vieler Bürger. Politiker wissen das natürlich und sind in der Gefahr, sich einer solchen Macht zu beugen.” Aus H. Meyn: Massenmedien in der Bundesrepublik Deutschland, Berlin 1971
Man hat gegenseitig die Hand in der Tasche. Über die Partei wird der Politiker gefördert oder eben nicht gefördert, und die Partei fördert dieses Medium oder nicht. Das Medium hat dies zu berücksichtigen und fördert diese Partei oder diesen Politiker.
 
2. Der Beruf: Politiker
Es ist dies ein Beruf wie jeder andere, und er hat nichts mit Gesinnung zu tun, es sei denn die Gesinnung, dass man die Aufgabe hat, zum wirtschaftlichen Erfolg der wirtschaftlichen Obrigkeit nach Kräften beizutragen. Aber das ist ja die Aufgabe jedes Arbeitnehmers gegenüber seiner wirtschaftlichen Obrigkeit. Wer anderes vor hat, wer den Nutznießern des Abbaus der Sozialsysteme in den Arm fallen will, kann kaum mit einer positiven Medienöffentlichkeit rechnen. Meist werden die potentiellen Störer der Gewinnsteigerung der Konzernherren einfach verschwiegen, und wenn sie benannt werden, dann in solchen Zusammenhängen, von denen angenommen wird, dass ihm das nicht zuträglich ist.

Als zum Beispiel in ihrer ersten Wahlperiode die Regierung Schröder/Lafontaine/Fischer Gesetze zugunsten von ArbeitnehmerInnen erließ, gab es keine 100-Tage-Schonfrist, sondern vielfältige Angriffe der Medien und der bürgerlichen Opposition auf die Politik und die Personen, und die Unions-Angriffe hatten auch durchweg eine gute Presse. Die Union ist ja per se schon gut, also auf der Seite dieser Konzerne, wie natürlich auch die FDP.

Diese beiden Parteien sind sozusagen unverdächtig. Anders scheint das teilweise mit SPD und Grünen zu sein, die angeblich immer noch aus ideologischen Gründen an ihre WählerInnen denken statt an ihre Aufgaben gegenüber der Wirtschaft. Deshalb muss man sie hart rannehmen, damit die Politik auch den richtigen Nutzen hat. So gab es ständige persönliche Angriffe (4 Ehen, teure Garderobe, andere Familienmitglieder, angeblich gefärbten Haare und daher nicht vertrauenswürdig, Angst aufgrund des damaligen Anschlages) und politische Angriffe, die besonders auf Lafontaine, die ihn schon nach einige Wochen zum bestgehassten Menschen des Landes machten, mit allen Begleiterscheinungen wie persönlichen Diffamierungen und Morddrohungen durch irgendwelche gestörten Menschen.

Die Folge dieser Kampagne war eine nichtendende Serie von verlorenen Landtagswahlen. Und deshalb geben sich rotgrün nun auch so große Mühe, es den Konzernen und der Union nahtlos recht zu machen. Obwohl die Regierung dann zunehmend alles tat, was den Konzernen gefiel und was die Parteibasis beider Regierungsparteien für unerträglich hielt, sah es schlecht aus für die Widerwahl.

Eigentlich war es Ströbele, der in einem kleinen Wahlkreis in Berlin als Direktkandidat die Bundestagswahl entschied, denn die PDS erhielt zu seinen Gunsten in diesem Wahlkreis kein 3. Direktmandat und konnte daher nicht mit all ihren Sitzen einziehen. Und daher reichte es knapp für rotgrün. Sonst hätten wir ein große Koalition unter Stoiber gehabt, möglicherweise unter Schröder. Wäre das für die SPD besser gewesen?

Die gegenwärtige Regierung tat weiterhin alles, was von ihr erwartet wurde, und in den Medien kam sie trotzdem kaum aus dem Schwitzkasten raus. Immerhin, Medien sind zumeist auch Konzerne, die darüber hinaus noch von Werbung leben, also vom Wohlwollen anderer Konzerne.

So wurde Deutschland trotz des grünen Pazifismus Kriegsteilnehmer in einem Angriffskrieg, nimmt an verschiedenen militärischen Aktionen auf der Welt teil. Der Sozialstaat wurde schrittweise abgebaut, Arbeitszeiten werden ausgeweitet, Löhne gesenkt. Wer mit großem persönlichen Einsatz eine Berufsausbildung gemacht hat, Jahrzehntelang zum wirtschaftlichen Erfolg seiner Konzernherren beigetragen und in die Sozialkassen gezahlt hat, wird nun für diesen Gewinn nicht mehr gebraucht, weil man nun in einer globalisierten Welt auch in Indien oder China Geld machen kann. Dann bekommt man Sozialhilfe (Arbeitslosengeld 2), ca. 350 Euro, und das war es. Wie viel Spielraum hat eine Regierung? Wie viel Spielraum hat ein einzelner Politiker? Die Aufgabe eines Politikers, für die er gewisse wirtschaftliche Privilegien hat, sind es nicht, irgendwelchen Visionen nachzulaufen (“Wer Visionen hat, soll zum Arzt gehen”, ex - Bundeskanzler Helmut Schmidt). Ihre Aufgabe ist, der Bevölkerung zu vermitteln, dass das, was die Politiker im Auftrag der Konzerne machen, zu ihren Besten ist. Erklären sie es gut, werden sie gewählt.

Die ArbeitnehmerInnen sehen keinen Sinn mehr, diese beiden rotgrünen Parteien zu wählen, und “die Welt kommt”, wie es die Bürgerlichen sehen, “wieder in Ordnung”: Union und FDP werden ab 2006 mit einer beispiellosen Machtfülle regieren, vielleicht auch die Union mit absoluter Mehrheit der abgegebenen Stimmen alleine. Wenn es für die Union sehr schlecht kommt, gibt es eine große Koalition unter Führung der Union.

Politiker machen ihre Arbeit gut oder weniger gut. Manche ArbeitnehmerInnen freuen sich, wenn sie den Papst sehen, wenn die Nationalhymne gespielt wird oder ähnlich. In gewisser Weise ziehen sie einen kläglichen Genuss daraus und sie sind umso bereiter, die ablenkende Sentimentalität, die Spannung der Medien zu erleben. Spiele und Brot.
 
3. Die Rhetorik in der Politik
Wenn wir Politikern begegnen, dann mit Distanz. Nicht nur mit innerer Distanz, sondern auch, weil wir ihnen nicht von Mensch zu Mensch begegnen, sondern durch die Medien vermittelt. Und die jeweiligen Medien haben ein Eigeninteresse, was ihre Behandlung des jeweiligen Politikers beeinflusst. Aber nicht nur die Medien an sich, sondern auch die in ihnen arbeitenden Journalisten haben Interessen, denn die müssen ja an ihre eigene Karriere denken.

Politiker wissen das und müssen diese Zusammenhänge in Rechnung stellen. Sie müssen sich in Medienauftritten zu wichtigen, intelligenten und sachkundigen Menschen aufbauen, witzig und schlagfertig, die verstehen, worum es den ZuschauerInnen geht. Sie müssen außerdem den Rivalen um diesen gut bezahlten Karriereposten als Trottel hinstellen, der keine Ahnung hat, was den kleinen Menschen bewegt und was der Wirtschaft nutzt. Sie sind selber die cleveren und der jeweils andere ist der Plapperer.

Andererseits dürfen sie mit dem Rivalen kein Mitgefühl aufkommen lassen, keine Sympathie, denn der gewissenlose Plapperer muss außerdem noch als gefährlicher Demagoge wirken, der nur sich selber bereichern will.

Das muss so rüberkommen, dass es glaubhaft wirkt. Der Gegner soll nicht glaubhaft wirken. Interessant ist, dass die Sympathiebildung mit einem Politiker so weit gehen kann, dass man ihm offene Lügen verzeiht, während man dem Gegner schon einen Versprecher als Lüge auszulegen gewillt ist.

Politiker appellieren bei Wahlkämpfen an Meinungsführer, die ihrerseits in ihrem jeweiligen Umfeld Aussagen und angebliche Programme verbreiten, die er selber so nie von sich gegeben hat, die ihm aber nutzen können.

Ein guter politischer Demagoge nutzt die vorgefundenen Kommunikationsformen der Menschen aus, zu seiner Selbstdarstellung. Ziel ist, von möglichst vielen gewählt zu werden.
Die nachfolgende Gliederung und die Kernaussagen ist der Fernsehserie von SWF und ORF “Reden und reden lassen, rhetorische Kommunikation” entnommen und dem dazugehörigen gleichnamigen Buch, erschienen bei DVA, Stuttgart 1975.
 
3.1. Gespräch und Unterhaltung
Menschen unterhalten sich gerne. Es ist ein Lebensbedürfnis des Menschen, dass er sich in seinem Gesprächspartner widerspiegeln kann. Durch die Reaktion seiner Mitmenschen versteht er, wer er ist, zumindest für sie. Erhält ein Mensch in Kommunikationszusammenhängen plötzlich wenig positive Resonanz, und das sogar von vielen oder allen Mitmenschen, dann wird sein Selbstbild zerstört, was ein Mensch ohne psychische Erkrankung kaum aushalten kann.

Bei Gespräch und Unterhaltungen gibt es 1. den gesellschaftlichen Kontext, denn in einer Gesellschaft haben sich gewohnte Regeln und Formen des miteinander Redens herausgebildet. Bei uns vielleicht nach den Konventionen wie Begrüßen usw. die Phase “Präsentation of self”, ,also jeder der Gesprächspartner versucht, sich im besten Licht zu zeigen. Man versucht, sein Selbstbild bestätigt zu bekommen. Dann versucht natürlich jeder seine Interessen, die er am Gespräch hat, im Gespräch zu verwirklichen. Auch hinter selbstlosen Verhalten kann sich eine Interessenswahrnehmung verbergen, vielleicht auch nur die, diese Gesprächskultur zu fördern.
Und es gibt 2. die geschichtlich-kulturelle Variabilität, denn andere Menschen haben zu anderen Zeiten anders gesprochen und das nicht nur, weil man es mit anderen Gegenständen zu tun hatte, sondern weil die Verhältnis zwischen den Menschen anders waren, denn die gesellschaftlichen Regeln haben viel mit dem Oben und Unten zu tun. In anderen Kulturen haben sich andere Regeln entwickelt und andere Problem beschäftigen infolgedessen die Menschen, obwohl Sehnsucht, Liebe, Hunger, Angst, Hass ihnen allen gemeinsam ist. Kommunikation ist nur dann möglich, wenn sich Kulturkreise in zumindest einem Bereich überschneiden.

Man kann die zwischenmenschliche Kommunikation in zwei Gruppen unterteilen: die zielführende inhaltliche Kommunikation, die man auch als Gedankeaustausch bezeichnen kann, und die Versuche zur zwischenmenschlichen Beziehungspflege mit sprachlichen Mitteln, also die Konversation.

Politiker versuchen sich diese Zusammenhänge recht unterschiedlich zunutze zu machen. Zu den billigsten Tricks gehört es, das Publikum zu loben. Es kann weniger billig wirken, wenn man das Lob verkleidet, nämlich die Arbeitsleistungen des Volkes oder ähnliches. Man erfährt dann, wie man als Teil des Volkes sein sollte. Ein Politiker kann auch das Volk tadeln, wenn dort Neid oder Hass vorhanden ist. Man nutzt dann diesen Neid, Hass, die Doppelmoral aus, indem man zum Beispiel die Faulheit kritisiert, die der anderen Menschen natürlich, da man ja selber fleißig ist.
Wer die Bevölkerung offen belehren will, stellt sich nicht auf die gleiche Stufe, sondern über die Gesprächpartner. Auch diese Rolle kann erfolgreich aufgebaut werden. Mancher Politiker versucht, sich mit etwas Dialekt mit den Zuhörern zu verbrüdern, die Belehrungen sind dann brüderliche oder väterliche Ratschläge. Nette humorvolle Anekdoten, wenn man ihn reden lässt. Denn es gehört ebenso zur politischen Auseinandersetzung, den Gesprächsaufbau des Gegners zu stören. Das geht, indem man ihn kurz vor der Pointe unterbricht.

Das volkstümlich Geplauder funktioniert aber dann nicht mehr, wenn es einem anderen Politiker gelingt, eine Stimmung von großem Ernst herzustellen, in der Anekdoten, Humor und Geplauder verfehlt wirken.
 
3.2. Gefühle äußern
In allen Kommunikationssituationen haben die Kommunizierenden auch Gefühle, die die Art der Kommunikation zwar beeinflussen, aber die nicht unbedingt geäußert werden. Nun weiß es ja jeder Mensch, das es Situationen gibt, in denen es hilfreich ist, seine Gefühle zu äußern, und dass es Situationen gibt, wo man vielleicht besser seine Gefühle zu zügeln versucht.

Unterdrückte Gefühle in der Arbeitswelt führen gelegentlich zu Gefühlsausbrüchen in der Freizeit. Herabsetzende Verhaltensweisen in Beziehung und Freundschaft können sich schrittweise unbemerkt einschleichen, dazu führen, dass dem Verursacher dieser Herabsetzung nicht klar wird, was er da tut. Er hat sich an diese Verhaltensweisen gewöhnt. Er hat zudem oft noch die LacherInnen auf seiner Seite. Erst durch das gekonnte Feed back des Herabgesetzten kann den Lachenden und dem unbedachten Herabsetzer klar werden, was er da tut.
Frauen sieht man positive und negative Gefühlsausbrüche eher nach als Männern, die mit unkontrollierten Gefühlsausbrüchen leicht einen ungünstigen Eindruck machen. Frauen werden in der Gesellschaft ganz generell dazu ermutigt, gefühlsvoll zu sein, und Männer, sich nichts anmerken zu lassen.

Durch die reine Sachlichkeit der Arbeitswelt halten es viele Menschen für angebracht, in ihrer Freizeit ein Sesitivity-Training zu machen oder in eine Selbsterfahrungsgruppe zu gehen, um mit ihrem Gefühlshaushalt und ihrer Sachlichkeit zurecht zu kommen. Die ROSA LÜSTE führt übrigens unregelmäßig bei Bedarf eine Selbsterfahrungsgruppe durch, Teamer ist der Joachim.
Ein Politiker in einer Fernsehdebatte hat gar nicht seinen politischen Gegner als Ansprechpartner, sondern das Publikum, was er positiv für sich beeindrucken will. Die anderen mit ihm konkurrierenden PolitikerInnen möchte er am liebsten als Hilfskräfte benutzen, über die er sich präsentieren kann. Deshalb gehört die Herabsetzung des politischen Gegners zu den Strategien der Selbstinszenierung. Selbstverständlich hat er auch Gefühle, wenn er da sitzt und in die Kamera schaut. Auch der Gegner hat Gefühle dabei. Aber welche Gefühle Politiker gegenüber dem Publikum erkennen lassen, sind ebenfalls ihre Inszenierungen, die ihnen Erfolg bringen sollen. Einen Politiker derart zu demütigen, dass er aufgibt, das wird sicherlich nicht direkt vor den Medien passieren. Cool, also gefühllos, das ist seltsamer Weise in der Jugendkultur ein positives Wort.
 
3.3. Rat suchen und beraten
Da ein Mensch nicht alles wissen kann, benötigt er in vielen Lebenssituationen Rat. Rat suchen hat nichts Negatives oder Anrüchiges. Voraussetzung ist dabei jedoch, dass man die Entscheidungen selber fällt, nachdem man sich die dazu nötigen Informationen von einem Menschen mit der entsprechenden Sachkompetenz holt. Der Ratgeber hat sich auf den Standpunkt des Ratsuchenden stellen. Er hat den Ratsuchenden zu dessen Vorteil zu beraten und nicht zum eigenen. Er hat nur das vorzuschlagen, das in dieser Situation hilfreich ist und nicht, was ihm sonst so alles einfällt. Selbst gut dazustehen ist nicht wesentlich. Der Ratgeber hat den Ratsuchenden reden lassen, hat ihm gute Fragen zu stellen. Er hat sich auch nicht als Allwissend darzustellen. Er ist der Helfer des Ratsuchenden, seine Entscheidung selber treffen zu können.
Anders ist es bei Politikern in den Medien. Von ihnen Informationen zu erwarten, die unsere eigenen Entscheidungen erleichtern können, ist naiv. Im Gegenteil. Wir bekommen von ihnen eigentlich nur Entscheidungsmanipulationen und keine wirklichen Informationen. Ihnen geht es darum, uns an sie zu binden und den Verstand auszuschalten. Wir sollen sie nicht nur wählen, sondern Lust daran haben, uns für sie bei unseren Freunden, Kollegen, Bekannten einzusetzen. Am blödesten (weil unsachlichsten) sind die Inszenierungen, die uns anders beeinflussen sollen, wie Musik, Erotik, Romantik und Pathos.
 
3.4. Klären und Streiten
In Gruppen oder Beziehungen sind Streit- und Klärungsgespräche zu führen, in fachlichen Zusammenhängen ist ein konstruktiver Streit zu führen. Klärungs- und Streitgespräche sind nichts Negatives, da am Ende die intelligente Entscheidung stehen soll. Was dann hier entsteht, hätte im idealen Fall keiner von den Beteiligten alleine geschafft. Damit eine Sachauseinandersetzung zum Zweck der gemeinsamen bestmöglichen Lösung auch gelingt, ist das Einhalten gewisser Standarts notwendig: Keine persönlichen Angriffe, denn es geht ja hier nicht um Sieg oder Niederlage (oder sollte es nicht gehen). Es geht nicht gegen einen oder mehrere Menschen und ihre persönliche Interessen, sondern um die Lösung einer Sachfrage, also etwas Konstruktives, etwas Gemeinsames. Daher darf es keine andere Autorität als die der Sachkompetenz und der besseren Lösung geben.

Menschen leben in Rollen: Männer- und Frauenrolle, Eltern- und Kinderrolle, homosexueller Mensch im heterodominierten Umfeld sowie im lesbisch-schwulen Umfeld, junger oder alter Schwuler in der Umwelt der Jugendkultur, Mensch mit religiösen Auffassungen oder Bindungen, Kirchenmitglied oder Mensch ohne religiöse Bindung, interessant erscheinender Mitmensch oder graues Mäuschen. Nicht immer kann man alle Rollen gut spielen. Manche Rollen lassen sich nicht miteinander vereinbaren: Es kommt zu Konflikten. Konfliktfähig ist man durch bewusstes Distanzieren gegenüber jeweils störende Rollen, was ein Erkennen der Rollen voraussetzt, um die nun wichtige Rolle gut spielen zu können.

Diese Rollen sind auch Sprechrollen, denn aus der Art, wie Menschen miteinander reden, kann man die sozialen Verhältnisse zwischen ihnen erkennen. Daher muss die Gesprächsstruktur so gestaltet werden, dass all diese hierarchischen und sozialen Störungen eines sachlichen Klärungsgespräches nicht zum Zuge kommen können. Ein gewählter Gesprächsleiter kann helfen, das Sachgespräch auf Spur zu halten. Er nimmt nicht am Gespräch teil und regelt, dass alle gleichberechtigt ihr Wissen beitragen können. Der Teilnehmer sieht den anderen nicht als Gegner, sondern als Partner, der Überdenkenswertes zu sagen hat. Dann kann dadurch etwas Gemeinsames gelingen.

Bei einem politischen Streit in den Medien vor den Wahlen geht es nicht um eine gemeinsame Lösung, sondern um die möglichst wirkungsvolle eigene Präsentation und die möglichst nachhaltige Schädigung des Gegners. Dabei verfügen die unterschiedlichen Parteien nicht über gleiche Mittel, weil sie andere Teile der Bevölkerung ansprechen. So können die SPD und die Grünen nicht so offen bürgerliche Politiker über moralische Fragen angreifen, wie das besonders die Union mit den rotgrünen Politikern machen kann.

Interessant ist, dass die Mitglieder konservativer Parteien diese Mittel neuerdings auch in eigenen reihen anwenden, was früher nicht der Fall war. Homosexuelle wichtige CDU-Mitglieder wurden in der CDU/CSU nicht damit diffamiert. Als in Baden-Württemberg ein neuer Unions-Ministerpräsident oder eine Präsidentin gesucht wurde, kam das Gerücht über Homosexualität der weiblichen Kandidatin auf, die sich entrüstet wehrte, aber das Gerücht und die Form ihres Wehrens reichten aus, dass sie dann auf die Kandidatur verzichtete.
 
3.5. Lehren und lernen
Menschen, die den Wunsch haben, ihr Wissen mitzuteilen und über die Erkenntnis verfügen, dass die Transport- bzw. Kommunikationsmittel ebenso wichtig sind wie das Wissen selbst, solche Menschen sind Lehrer. Lehren heißt: verstanden werden. Das verstanden Werden setzt Kommunikation voraus, also müssen Lehrer und Lernende zu kommunizieren lernen. Besonders muss der Lehrer zu kommunizieren lernen. Das tut er, indem er den Lernenden zuhört und die Sprache ihrer Kommunikation sowie die Verhältnisse, in der sie leben, versteht. Er muss die Lernenden dazu bringen, Fragen zu stellen, die er beantwortet.

Es muss der Wille der Lernenden da sein, die Qualifikation bzw. Fähigkeit zu erlernen, über die der Lehrer verfügt und die sie nicht haben. Das Vorwissen der Schüler wie ihre persönliche Interessenslage soll einbezogen werden.

Im Bereich der Medienpropaganda durch Politiker tauchen auch sogenannte weise politische Lehrer auf. Aber dieser Politikertyp scheint zunehmend aus der Moder gekommen zu sein, weil es nicht mehr so sehr um politische Inhalte sondern mehr um Personalities geht.
 
3.6. Fragen
Eine Frage übt einen Zwang zur Antwort aus. Jede sprachliche oder nichtsprachliche Äußerung wird als Antwort gewertet und ist somit eine Antwort. Wer eine Frage stellt, hat Verantwortung für die Lage, in die er den Befragten bringt. Wer nicht lügen möchte, andererseits aber weder wahr antworten noch die Antwort verweigern will oder kann, ist in ein Dilemma gebracht worden.

Versuche, sich einer unangenehmen Befragung zu entziehen, geschehen durch Gegenfragen, Ausweichen, Unterspielen, Ablenken, Metakommunikation. Bei der Metakommunikation wird die Situation des/der Befragten zum Gesprächsgegenstand und das Dilemma unter Umständen dadurch aufgelöst.

Bei Podiums- und Fernsehdiskussionen gehört es zu den politischen Tricks, durch ultimative Fragen und der Forderung: “ja oder nein!” den Mitbewerber oder Kontrahenten in Verlegenheit zu bringen. Denn der Frager bestimmt ja, wann der Zeitpunkt für die Frage gekommen ist, und der ist immer dann gekommen, wenn es ungünstig für den Befragten ist. Es gehört ebenso zu den rhetorischen Tricks, Fragen nicht direkt zu beantworten, sondern von den Fragen abzulenken. Hier und da bedienen sich auch Politiker der Metakommunikation.
 
3.7. Bewerten
Jeder Mensch bewertet das Verhalten anderer Menschen, wie er es auf Grund seines Wissens und seiner Erfahrungen kann. Die Bewertung, die ein Mensch vornimmt, ist abhängig von seiner Stellung in der Gesellschaft und anderen Faktoren, zum Beispiel dem unkritischen Umgehen mit der eigenen Meinung. Um zutreffen zu bewerten, ist die prä- und postkommunikative Phase zu berücksichtigen, also was vor diesem Gespräch war und was nach diesem Gespräch sein wird. Am besten ist es, die jeweilige Situation als Durchgangstation zu verstehen. Bewertungsmaßstäbe sind immer auch sozial bedingt.

Was ist ein guter Politiker? Ist der ein guter Politiker, den die Parteimitglieder für den besten halten oder den wahrscheinlich die Wähler für den besten halten werden, weil ihn die Medien aus anderen Gründen aufgebaut haben?

Die Zuschauer bekommt nun von den Medien den Politiker präsentiert und beurteilen ihn danach, wie er auf sie wirkt. Dabei bedient sich der Politiker zumeist des im Publikum vorhandener Standarts, das ist am sichersten und bestätigt die vorhandenen Urteile und Vorurteile der Bevölkerung.
 
3.8. Entscheiden
Letztlich haben wir am Ende unterschiedlicher Kommunikationsprozesse Entscheidungen zu fällen. Überall wo Gruppen Entscheidungen treffen, besteht die Gefahr, dass die Teilnehmer nicht unterscheiden zwischen den Fragen: will ich eine Entscheidung treffen oder will ich eine Person angreifen.

Der sachliche Gehalt einer Meinung steht nie isoliert davon, wer sie äußert. Wenn ein “unbeliebter” Teilnehmer noch so gute Argumente hat. Er kann sich auf den Kopf stellen aber niemanden überzeugen. Umgekehrt kann das Protektionskind einer Gruppe so ziemlich alles durchbekommen. Das ist zwar nicht so sinnvoll und zielführend aber eben doch menschlich.
Man kann bei Gruppenprozessen wenig tun zwischen Persönlichem und Sachlichem. Jede Gruppe entwickelt ihre eigene Dynamik, weil sie sich eben aus diesen Menschen zusammensetzt und keinen anderen. Jeder sollte sich eben die Frage stellen: leuchtet mir das ein, weil ich das für richtig halte oder weil ich die Person mag.

Die Entscheidung, die ein Politiker von uns haben will, ist, dass wir ihn einen gutbezahlten Arbeitsplatz beschaffen, indem wir ihn wählen. Er selbst kann nicht so viele Entscheidungen fällen. Die wichtigen politischen Entscheidungen sind längst gefällt worden, wenn die Sache im Parlament vorgestellt wird. Bei der Abstimmung sollen die Politiker nur noch ihrer Fraktion zustimmen. Zwar gibt es dort gelegentlich Abstimmungsüberrasch-ungen, doch hat dies wohl selten mit dem Gewissen und oft mit Bezahlungen zu tun.

Als die Union im Zusammenhang der Ostverträge Kanzler Brand mit einem Misstrauensvotum stürzen wollte, waren wohl einige SPD-Abgeornete von der Union oder ihr nahestehenden Gruppen gekauft worden. Dennoch wurde zur großen Überraschung der Union die SPD-FDP-Regierung nicht gestürzt. Wie sich später herausstellte, hatte die DDR gleichzeitig zwei CDU-Abgeordnete zugunsten der Brand-Regierung gekauft.

Um wirkliche Entscheidungen geht es nur bei der Wählerbeeinflussung. Und hier wissen die politischen Führer, dass es mehr darauf ankommt, einen Menschen als Sympathieträger aufzubauen und den Gegner unsympathisch wirken zu lassen statt wirklich die jeweilige Sachpolitik erkennen zu lassen. Das geht ja mit allen Tricks. Der sogenannte Charisma-Glaube vieler Wähler kann in diesem Zusammenhang von den Medien gefördert und genutzt werden.
 
3.9. Manipulation
Was ist Manipulation? Handhabung eines Menschen, der vorausberechenbar reagiert. Der andere wird gezielt beeinflusst, es geht ausschließlich um fremde Interessen. Der andere darf nicht bemerken, dass er zugunsten fremder Interessen gezielt beeinflusst wird und auf welche Weise das geschieht.

Wer Manipulieren will, darf sich nicht von der Stimmung des anderen anstecken lassen. Man darf, wenn man etwas von ihm will, nicht als Bittsteller kommen, denn das verkörpert Unsicherheit und Schwäche, sondern als Gebender.

Man zielt als Manipulator auf das Selbstbild des zu manipulierenden. Dieses Selbstbild, das jeder hat, ist ein Wunschbild. Es wird vom Manipulator bestätigt und absichtlich verstärkt. Der Inhalt von Fragen ist unwichtig, es kommt auf die Beziehung an, die mit der Frage ausgedrückt wird: der Manipulierte wird als bedeutend dargestellt. Wenn man das Unbedeutende des Menschen als Drohung einsetzen möchte, dann muss man eher mit Körpersprache arbeiten, weil dies in Worte gefasst zu deutlich wäre. Der Manipulierte müsste schon die ihm angebotene angenehme Rolle aufgeben, die seinem Wunsch-Selbstbild entspricht, wenn er sich der Manipulation entziehen möchte.

Es versteht sich von selbst, dass Politiker alle Tricks der Manipulation erlernen und anwenden, um ihr Bild in den Medien möglichst sympathisch wirken zu lassen.
 
3.10. Argumentieren
Wie kann ich die Meinung eines anderen Menschen ändern? Das geht nicht. Er kann nur seine Meinung selber ändern. Dazu kann er ermutigt werden, wenn ich ihm dazu gute Argumente liefere. Das Bemühen, die Motivation der Mitmenschen für zukünftiges Handelns im Sinne eines entworfenen Handlungskonzeptes mit sprachlichen Mitteln zu verändern, das nennt man Argumentieren.

Man kann das Argumentieren nicht lehren, sondern dem Sprecher Hilfen und Ratschläge geben, bewusster zu seinem Ziel zu gelangen. Das Argumentieren lässt sich von der Manipulation oder dem Überreden dadurch abgrenzen, dass hier das bewusste Verschweigen von Nachteilen, die dem Einzelnen aus der Annahme der Vorschläge des Sprechers erwachsen, üblich ist. Argumentieren ist nur dort möglich, wo keine Befehlsgewalt herrscht.

Wenn der Sprecher erfolgreich argumentieren will, muss er überprüfen, ob überhaupt die Möglichkeit bzw. Situation zum argumentativen Darstellen von Meinungen besteht. Dazu ist der gemeinsame Wunsch nötig, zu handeln. Dem Hörer müssen andere Handlungsmöglichkeiten als die des vom Sprecher vorgeschlagen bewusst sein. Der Sprecher hat keine Befehlsgewalt über die Zuhörer. Die Interessen und Einstellungen der Zuhörer müssen überprüft werden. Wenn das Vorhaben des Sprechers den Interessen der Zuhörer zuwiderläuft, kann man sein Ziel nicht mit Argumentieren erreichen. Der Sprecher hat zu überprüfen, ob seine Zielsetzung mit den Interessen der Zuhörer zu vereinbaren sind. Dann sind die sprachlichen Mittel zu finden und der Wissensstand der Zuhörer zu berücksichtigen. Schließlich sind Argumente zu finden, die bei den Zuhörern ziehen.

Politiker argumentieren nicht, sondern sie manipulieren, denn ihr Ziel ist ja nicht die faire Aufklärung. Politiker sind nicht am Überreden interessiert, weil das Überreden nicht nachhaltig genug wird. Und was durch Manipulation erreicht wird, hat ja für die Politiker den Vorteil, dass es mit dem jeweiligen Selbstbild des Menschen verknüpft ist.

Bei normalen Menschen ist das ja so, dass man gegen etwas ist, wenn man es kritisiert, und dass man es anders machen würde, wenn man die Möglichkeit dazu hätte.

Aber ein Politiker vor der Fernsehkamera und in einer Diskussionsrunde ist kein normaler Mensch. Wenn ein Politiker zum Beispiel die Verarmung kritisiert, die durch die gegenwärtige Regierung stattfindet, glaubt vielleicht ein normaler ehrlicher Zuschauer, dass er die Verarmung abschaffen will. Dies ist aber ein Irrtum.

Das Ansprechen der behaupteten vielleicht auch tatsächlich stattfindende Verarmung dient nur dazu, dass der Zuhörer das Gefühl hat: der spricht mir aus der Seele. Das heißt jedoch nicht, dass dieser Politiker, wenn er nun selbst diesen Posten hätte, diese Verarmung bekämpfen würde. Sein Spielraum gibt das auch gar nicht her.

3.11. Schweigen
Schweigen ist eine Form des Sprachlichen und vom Verstummen abzugrenzen. Schweigen ist “nicht sprechen wollen” im Gegensatz zum “nicht sprechen dürfen oder können”. Schweigen schließt nonverbale Kommunikation nicht aus. Und so gibt es eine Unmenge von Formen des beredten Schweigens.

Dass ein Politiker mit Schweigen in den Medien kommuniziert, ist kaum anzunehmen. Daher können wir diesen Bereich hier vernachlässigen. Immerhin wissen wir, dass gerade einmal schweigende Politiker gerne sprechende Politiker dadurch abwerten wollen, dass sie durch Kopfschütteln, Grimassen Schneiden, durch erstauntes Schauen, verächtliches Lachen das Publikum vom Zuhören ablenken und es gegen den Redner beeinflussen wollen.
 
3.12. Kommunikation und Gesellschaft
Zwar gibt es heutzutage moderne weltweite Kommunikationsmittel, doch die direkte zwischenmenschliche Kommunikation scheint immer weniger zu funktionieren. Wenn man das nur aus den Regeln der Kommunikation heraus betrachtet, könnte man annehmen: die direkte Kommunikation funktioniert deshalb immer weniger, weil es zu wenig gut funktionierende Kleinstrukturen gibt (Gruppen, Freundeskreise, Beziehungen). Wenn man gut kommunizieren will, muss man Gruppen und Kreise aufsuchen, die das zwischenmenschliche Kommunizieren für einen Wert halten.

In den modernen Großstrukturen der Gesellschaft ist Kommunikation zwischen den Menschen sehr erschwert. Die Menschen “kommunizieren” vielmehr mit Geräten (Fernseher), die ja nicht wirklich auf sie eingehen.

Politiker sind die (über Steuergelder) bezahlten Sachwalter der vorherrschenden Ordnung und haben die Aufgabe, alles das, was der wirtschaftlichen Obrigkeit nutzt, so umzudeuten, dass wir uns einbilden, es nutzt irgendwie auch uns.
 
4. Wer soll denn die notwendigen politischen Entscheidungen treffen?
Aber wenn wir auch kritisch mit dem Berufsstand des Politikers umgehen, kann man nicht generell sagen, man könne auf sie alle verzichten.

Wer entscheidet denn bei uns, was politisch geschieht, und wer sollte entscheiden? Wenn wir nicht nach dem Faustrecht beherrscht werden wollen, wenn wir nicht von nationalistischen oder religiösen Demagogen bevormundet und beherrscht werden wollen, wenn auch nicht die wirtschaftlich Stärksten mit der Macht ihres Geldes willkürlich über uns herrschen können sollen, benötigen wir Sachwalter unseres Willens. Was interessieren uns demokratische Umgangsformen innerhalb einer Elite? Wir benötigen auch eine ernsthafte und wirkungsvolle Vertretung der Menschen.

Damit diese Vertreter unserer Interessen aber auch den Willen der Menschen im Genick haben, die sie da reingewählt haben, wäre nicht nur eine andere Organisationsform politischer Entscheidungen notwendig, sondern eben auch eine andere Verteilung der erarbeiteten materiellen Werte. Aber das ist ja alles noch weiter entfernt als die verlogenen Medien, die Unterhaltung statt Aufklärung bieten und die trickreiche Rhetorik der PoliterInnen mit uns. (js)
 
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