- 83. LUST, Sommer 05 (Juni/Juli/August)
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- Rede der Gruppe ROSA LÜSTE
vor dem türkischen Konsulat in Mainz am 7.6. um 11,30 Uhr
- Mehmet Tarhan verweigert den Kriegsdienst
und die Männerrolle!
- Mehmet Tarhan ist in Militärhaft, wegen
Ungehorsam vor versammelter Mannschaft, wie die offizielle,
die militärjuristische Begründung nach Artikel 88 des
Türkischen Strafgesetzbuches heißt.

Er musste vor versammelter Mannschaft die Befehle verweigern,
weil er trotz seines Menschenrechtes auf Kriegsdienstverweigerung,
das die Türkei nicht anerkennt, am 8. April dieses Jahres
verhaftet wurde und vor versammelter Mannschaft einen Marschbefehl
unterschreiben sollte. Dies verweigerte er, weil er ein Kriegsdienstverweigerer
ist. Seine Verweigerung hatte er schon im Jahre 2001 öffentlich
erklärt.
Im Militärgefängnis in Sivas ist er Morddrohungen,
Misshandlungen und Erpressungen von Mithäftlingen ausgesetzt,
angestiftet und gedeckt vom Wachpersonal. Er wurde ausgeraubt,
brutal misshandelt und mit Morddrohungen erpresst, nicht nur
weil er den Militärdienst verweigert, sondern weil er lange
Haare trägt und weil er offen schwul ist.
Er könnte, wie er es nennt, durch einen faulen Kompromiss
entlassen werden und dem nächsten Prozess entgehen, wenn
er einen entsprechenden Antrag stellen würde, dass er krank
sei, nämlich an der Krankheit Homosexualität leiden
würde, wie es immer noch in der Türkei gesehen wird.
Das kommt für ihn natürlich nicht in Frage.
Dieses Militärdenken kennen wir auch aus Deutschland, aus
der Zeit, als sogenannte feminine Homosexuelle nicht zur Bundeswehr
sollten, nämlich weil sie die Ordnung in dieser männerbündlerischen
Sozialgruppierung gefährden würden. Männer mit
einer sogenannten Leistungsfunktionsstörung brauchten also
nicht zum Militär und sollten es auch nicht, aber dieses
staatliche Urteil der Leistungsfunktionsstörungen war für
die Betroffenen gefährlich, wenn sie sich um eine Arbeitsstelle
besonders im öffentlichen Dienst bewerben wollten.
Und die männlichen Monster, die eine solche Leistungsfunktionsstörung
nicht haben, glauben nun, das Recht zu haben, aggressiv zu der
anderen Sorte von Männern zu sein, die eben nicht nur den
Militärdienst, sondern auch das lächerliche Männerbild
verweigern, das einzig dazu existiert, um zu dienen: dem Staat,
der Wirtschaft und allen, die so gerne zu ihren eigenen Nutzen
einen oder mehrere Helden an ihren Zügeln führen
wollen.
Da fragt man sich doch, was heldenhaft daran ist, wenn man die
Erwartungen erfüllt, statt, wie Mehmet Tarhan, sich auf
mehrfache Weise verweigert. Die Verweigerung löst Hass bei
dem Produkt dieser Dressur aus, das richtiger Mann
genannt wird. Und es löst Hass bei denen aus, die sich solcher
Helden so gerne zum eigenen Vorteil bedienen.
Gerade diese Helden-Männer-Rolle macht den Mann zu einem
brauchbaren Erfüllungsgehilfen für den Nutzen anderer,
für den er sogar sein Leben einzusetzen beziehungsweise
gegebenenfalls aufzugeben hat. Diese Helden-Männer fühlen
sich sogar großartig dabei und sind gerade darin so lächerlich,
als nützliche Idioten.
Menschen halten andere Menschen wie Nutzvieh in einem Stall zu
ihrem Vorteil. Und dieser Stall wird Staat genannt, oder, wie
vielfach übersehen wird, auch Wirtschaft. Und außerhalb
des Dienstes für Wirtschaftsprofiteure und Staat finden
wir ähnliche kleinere Ställe vor, die es in unserer
Freizeitwelt schon gibt oder die wir selber einrichten, weil
wir es nicht besser verstehen, in unserer Freizeit, in der Familie
zum Beispiel, wo alle Personen ihre Rolle zu erfüllen haben,
für sogenannte höhere Ziele, die wiederum ihre Bedeutung
in den Bedürfnissen von Wirtschaft und Staat haben.
Zurück zu den männerbündlerischen Sozialgruppierungen:
Militär, Polizei, Fußballverein, die Straßengangs
und andere derartigen Freundescliquen. Der Soziologe Schelsky
meinte, dass für solche Einrichtungen die heterosexuelle
frauenverachtende Zote als Stabilisierungsfaktor diene, sowie
das Verachten aller als feminin gedeuteten Erscheinungsformen
bei Männern. Erotik oder Sensibilität zwischen Männern
sei gerade dieser Erziehung abträglich, zu der dort das
männliche Wesen Mensch gemacht wird, zum Helden-Mann, dem
Unempfindlichkeit eine Ehre ist.
Überall dort, wo Männer zusammen sind, findet auch
mannmännliche Sexualität statt. Aber das darf nicht
offen auftreten, schon gar nicht beim Militär. Und gegen
dieses Tabu verstößt Mehmet Tarhan zusätzlich.
Die Gruppe ROSA LÜSTE schließt sich nicht nur aus
den oben genannten Gründen der Forderung von Connection
e.V., der Deutschen Friedensgesellschaft Vereinigte KriegdienstgegnerInnen
Landsverbände Hessen und Rheinland-Pfalz (DFG-VK) und der
Initiative kurdischer und türkischer KriegsgegnerInnen (KTSKI)
an:
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- - Sofortige Freilassung von Mehmet Tarhan
- Schärfste Verurteilungen der Einberufung und Festnahme
sowie der Misshandlungen und Morddrohungen im Gefängnis
- Unverzügliche und uneingeschränkte Anerkennung des
Menschenrechtes auf Kriegsdienstverweigerung durch die Türkei
- Beendigung der Kriminalisierung von Kriegsdienstverweigerern,
Antimilitarist-Innen und Deserteuren.
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- Wir fügen aber aus den oben genannten
Gründen noch eine Forderung hinzu:
- Sofortige Beendigung der Diskriminierung, der Terrorisierung
und Krimi-nalisierung von Menschen, die ihr Menschenrecht wahrnehmen,
sich der vorgeschriebenen Geschlechtsrolle und der vorgeschriebenen
sexuellen Objektwahl zu entziehen und die andere Formen des Geschlechtsrollenverhaltens
sowie eine andere Ausrichtung der sexuellen Objektwahl bevorzugen.
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- ROSA LÜSTE
(politische Lesben- und Schwulengruppe
im Rhein-Main-Gebiet),
Postfach 5404 in 65044 Wiesbaden,
Tel. u. Fax.: 0611/377765,
http://www.rosalueste.de,
- gruppe@rosalueste.de
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