82. LUST, Frühling 05
 
Erfahrungen mit dem Internet
Chat-Lines, Porno-Sides, Kontakt-Pages usw. Was kann man hier erwarten? Welche Vorsicht muss man walten lassen?
 
Auf meinem ehemaligen Arbeitsplatz im Ausbildungsbereich saß ich als Deutsch- und WiSo-Mann eine Zeitlang mit Komputer-Ausbildern in einem Büro, und die meinten zum Beispiel, dass meine Marotte, in Nachschlagewerken nachzuschlagen, veraltet sei. Schneller finde man das im Internet. Stimmt das? Ich finde gute Definitionen mit dem Anspruch auf Glaubwürdigkeit immer noch besser in Nachschlagewerken als im Internet, zumal man die Seriosität der Quellen im Internet nicht immer belegen kann. Aber wenn ich etwas suche finde ich es auch dort recht häufig. Das Internet bietet eine großartige Möglichkeit, denn wenn ich die “Adressen” kenne, kann ich auf die Seiten von sehr vielen AnbieterInnen kommen. Die Suchmaschinen lassen mich “Surfen”, also im Internet herumsuchen. Aber warum gibt nur derart gehäuft diese Sexseiten im Internet?

Nun bin ich zu Hause und meine ganze “Arbeitszeit” gehört dem, was früher nur mein Hobby war: meinem Zeitungsprojekt. Als ich ein Motiv für das Titelbild der 80. LUST zum Thema “Homosexualität bei den Tieren” brauchte, suchte unter den Bildern mithilfe vieler Suchmaschinen. Schließlich entschloss ich mich, die beiden fickenden Pferde vom Plattencover der Punk-Platte “Geile Tiere” aus dem Coverbild auszuschneiden und, etwas verändert, in der Titelkollage zu verwenden. Aber wie kann die Homosexualität dargestellt werden? Indem sich das gefickte Pferd als geil gewordener Hengst zeigt, dem nämlich diese Situation deutlich sichtbar erregt. Also benötigte ich für meine Kollage einen anmontierbaren Pferde-Penis.

Das in die Suchmaschine eingegebene Suchwort Pferdepenis erwies sich als wirkungslos, denn ich las da: “Ich habe einen Penis wie ein Pferd” oder “Mann mit Pferdepenis sucht geile Stute” oder ähnlich. Natürlich habe ich erst mal nachgesehen, aus rein anatomischer Neugier selbstverständlich, was diese Seiten (Sides) zu bieten hatten. Meist kam dann irgendeine Zahlungsaufforderung, monatlich “nur” 25 $ oder so. Das war es mir dann doch nicht wert. Nun ja, ich fand dann doch noch etwas Ausschneidbares im Zusammenhang mit Gestüten und Pferdezucht, das ich der Stute vom Plattencover anhängen konnte. Man hat ja auch nicht jahrelang Zeit, um etwas wirklich Authentisches zu finden.
 
Internet an sich
Man könnte annehmen, dass das Internet nur erfunden wurde, um Angebote zu Präsentieren, die ihre Nutzer (User) auf Grund ihres sexuellen Unbefriedigtseins finden. Wer eine Homepage hat und dort auch etwas sexuelles verlinkt oder einstellt, wer dann auch die technische Möglichkeit hat, nazuschauen, welche Seiten am häufigsten aufgerufen werden, wird verstehen, was ich meine. Die Sexseiten machen sicherlich 50% aller Seiten aus, wenn nicht mehr. Selbstverständlich ist Dir, liebe(r) LeserIn, dies so noch nicht aufgefallen, da Du Dich für andere Seiten interessierst. Natürlich kommt es darauf an, was man sucht und welche Begriffe man in die Suchmaschinen einträgt.

Das Gute im Internet ist, dass relativ unzensiert die Leute das ins Netz hineinstellen, was sie wirklich zeigen wollen, und sich das ansehen, was sie wirklich sehen wollen. Natürlich kommt dann der wirtschaftliche Faktor dazu, und hier gibt es raffinierte BetrügerInnen, die sich sehr viele Tricks ausgedacht haben, um an unser Geld zu kommen. Das beginnt schon mit dem Zugang zum Internet. Die AnbieterInnen des Zugangs halten ganz schön die Hand auf. Nun gut, sie bieten ja auch was, aber kein richtiges Produkt, sondern lauter virtuelle Produkte, und zwar die vieler anderen AnbieterInnen. Man kann das im Internet vorgefundene leider nicht anfassen oder spüren, man kann es nur virtuell wahrnehmen.

Doch finden wir hier die Verlinkung der Lesben- und Schwulenverbände, der einzelnen Lesben- und Schwulengruppen, der Diskotheken, Saunen und Lokale. Wir haben versucht, die gesamte deutschsprachige Szene, die es gibt, zum Beispiel in unserer eigenen LUST-Homepage aufzuführen. Unter http://www.lust-zeitschrift.de findet Ihr den Link “Szene”, und dort eben die Szene.
 
Medienverbund ist das Zeichen der Zeit. Zeitungen, Zeitschriften und Bücher erklären uns, was es im Internet so alles gibt und wo wir es finden können. Und im Internet finden wir, welche Zeitschriften, Zeitungen und Bücher es gibt. Ein wichtiges Nachschlagewerk unserer Szene mit Internetadressen ist das G@Y-NET-LIFE von Markus Westenberg, erschienen im Himmelstürmer Verlag Hamburg. Dieses Buch (ISBN 3-934825-19-2) hat Zigtausende von Adressen auf nahezu 1.000 Seiten, nach verschiedenen Gesichtspunkten sortiert, aufgelistet. Preis 17,50 Euro. Da Internetadressen schnell wechseln können, müssen jährlich erneuerte Bände herauskommen. Der Verlag hat aber für die Betreiber und Nutzer des Internets noch weitere Angebote im Sortiment. “Unternehmen Multimedia” heißt ein Rechtsratgeber von Dr. Thomas Wülfing (Hrsg.), in dem Gesetze und Urteile, das Internet betreffen aufgeführt sind. Leider muss man sich ja mit solchen Sachen auch beschäftigen. (ISBN 3-9806249-4-3) Schließlich gibt es auch noch vom Verlag Bruno Gmünder aus der Spartakus-Reihe ein Bändchen mit dem Titel International Web Guide (ISBN 3-86187-279-X).

Und wenn Ihr in der Szene surft, denn diese Gruppen und Betriebe haben wieder andere verlinkt, stolpert ihr immer wieder über Sex.
Nun ist es ja nicht so, dass man von Sexseiten immer nur belästigt wird, dass man die erotischen Bilder immer nur vermeiden möchte. Manchmal sucht man sie ja geradezu. Denn Sexualität hat ja in unserem Leben einen sehr hohen Stellenwert, auch wenn sich das manche Menschen nicht immer eingestehen wollen. Offensichtlich sind die Menschen häufiger nach Sex auf der Suche als sie selber wissen, denn in der Werbung, in den gern gehörten Musikstücken, in den Filmen und Serien, überall sind die Menschen mit den SängerInnen und SchauspielerInnen zusammen auf Sexsuche, und sie merken es gar nicht. So lassen sich Modeartikel und Kosmetik-Artikel verkaufen. Darauf angesprochen werden viele erwidern, dass sie sich selber gut fühlen, wenn sie so gekleidet sind oder so geschminkt, es gehe ihnen gar nicht um die erotische Wirkung.

Wir sehen also, beim Sex gibt es die offenen und unzweideutigen Darstellungen, die gelten als unmoralisch und pornografisch. Dann gibt es ein dezent inszeniertes erotisches Spannungsverhältnis, das aber nicht zugegeben wird. Im Internet gibt es gerade wegen der Anonymität oft das ehrliche und Direkte. Schauen wir also mal so rein, ins Internet, was man alles finden kann.
 
1. Pics
Pics sind schlicht Bilder. Was man früher im wesentlichen nur in ganz bestimmten Heften fand, die nur in speziellen Läden verkauft wurden, das gibt es nun auch im Internet. Es gibt kostenlose und gebührenpflichtige Bilderangebote. Hier gibt es Pics, wo man so ziemlich alles zu sehen bekommt. Bilder von nackten Menschen in aufreizenden Positionen, Bilder auf denen diese Personen mit anderen Frauen, Männern, Jugendlichen oder gar Tieren zu sehen sind. Was jeweils anzuschauen erlaubt oder verboten ist, weiß der einzelne Betrachter sicherlich nicht. Ich surfe nun seit vielen Jahren auch hier, bin aber nie über sogenannte Kinderpornos gestolpert. Das liegt sicherlich daran, dass diese Bilder aus sehr guten Gründen verboten sind und deshalb wohl so getarnt sind, dass normale Surfer nicht so einfach über sie stolpern.

Wenn man erotische Sides mit Pics oder Movies findet, dann sollte man sehr vorsichtig sein. Viren und Dialer, die uns unbemerkt das Geld vom Konto holen, denn die Telecom kassiert letztlich ab, landen unbemerkt auf unserem Rechner. Also ist es unabdingbar einen Virenscanner auf den Rchner zu haben und ich empfehle noch einen Firewall, der ungewünschte Zugriffe von außen abwehren kann. Was die Ähnlichkeit mit dem Leben betrifft, finden wir Bilder, Wackelbilder und kurze Filme vor.
 
1.1. Die erotischen Pics
Fotos sind ja unnatürliche Ausschnitte aus Bewegungen. Die Bewegungen sind in einem Zustand eingefroren bzw. erstarrt. Und das hat mich anfänglich auch irritiert. Nicht bei sogenannten Face-Pics, also Gesichts-Fotos, da ist man das eingefrorene Grinsen schon gewöhnt. Es irritierte mich, dass alle Männer, die dort abgebildet waren, einen dauerhaften Ständer präsentieren. Wenn ich so etwas in Natur zu sehen bekomme, dann in meinem Schlafzimmer und in einer Situation, wo man dieses Ding auch streicheln, anfassen, küssen usw. kann. Und mir geschieht in einer solchen Situation ähnlich Angenehmes. Und das ist ja aussichtslos, dass bei diesem angenehmen Anblick der Bilder so etwas Angenehmes fühlbar ist. Aber das ist ja grundsätzlich bei Pornos so.

Sie sind Anregungen zur Masturbation, ein Ersatz, und wenn Ihr mich fragt, ein schlechter Ersatz. Schlecht deshalb, weil hier erotische Leitbilder jenseits des Sex-Alltages gezeigt werden. Und die Gefühle, die man sich beim Betrachten der Bilder selber beibringt, hätte man doch lieber im Zusammenhang mit dem einen oder anderen Partner erlebt.

Hier im Internet gibt es alles für alle Spezialbedürfnisse. Menschen jeden Alters in allen denkbaren Positionen sind hier zu sehen. Wie beim Gähnen, wo man unwillkürlich mitgähnen muss, ist das beim Betrachten der Erektionen. Vorsicht, diese Bilder sind zwar preiswerter als die betreffenden Heftchen, aber die Gefahr besteht, dass sie viel teurer werden können, ich erinnere an die Dialer.
 
1.2. Die Wackel-Pics
Die meisten Bilder im Internet im jpg-Format zu sehen. Es gibt aber auch andere Formate. Und das gif-Format ermöglicht es, dass man mehrere Bilder, wie in einem kleinen Film, in eine Kette hintereinander verknüpfen kann, und sie laufen dann auch wie in einem Film hintereinander ab und beginnen wieder von vorne, es sind dies also kreisende Bewegungen. Zwei Männer (oder Frauen oder gemischte Paare) geben sich einen Kuss, das geht in 4 bis 5 Bilder, die immer wieder ablaufen, also geben sie sich einen Kuss nach dem anderen und hören nicht mehr auf, so lange man diese Bilder sieht. Manchmal gibt es gif-Bilderfolgen aus 20 oder 30 Bilder, manchmal reichen 2 bis 3 Bilder. Zum Beispiel gegenseitiges Masturbieren kann so mit wenigen Bildern endlos gestaltet werden. Besonders irritieren ist es, wenn der pulsierende Samenerguss stundenlang aus dem Penis pulst. Der arme Mensch, dem so etwas geschehen würde, müsste ja schon nach wenigen Minuten völlig am Ende sein. Sind diese Wackel-Bilder glaubhafter als die stehenden Bilder? Vielleicht schon. Aber je besser sie sind um so schlechter ist es. Die Gefühle am Körper, die sich durch das Anfassen und Anschmiegen ergeben, das warme feuchte Gefühl des Mundes, das alles tritt hier nicht ein. Nun gut, diese Art von Sex ist so safe, safer geht es gar nicht mehr.
 
1.3. Die Moovies
Das sind etwas längere Filme, die auf bestimmten Pages in kleinen Stücken kostenlos angeboten werden. Will man den ganzen Film und noch andere haben, dann muss man zahlen. Diese Filme sind im anderen Format statt gif, man benötigt für sie andere Abspielprogramme.

Eigentlich ist ja der Platz vor dem Rechner ein äußerst unerotischer Ort. Wenn wir in den 60er Jahren über die befreiende Wirkung des Orgasmus sprachen, muss ich diesen Satz etwas ändern, ich würde über die befreiende Wirkung des zwischenmenschlichen Orgasmus sprechen. Das gute zufriedenstellende Gefühl dann, wenn sich die immer größere sexuelle Anspannung in einer befriedigenden Entladung ergießt, kann ja nicht voll wirksam werden, da die Realität schon während des Orgasmus ins Bewusstsein zurückkommt. Und Realität ist ja, dass kein Mensch dieses Erlebnis mit uns teilt. Im Gegenteil, ich befürchte, dass der Mangel an einem solchen Menschen besonders stark empfunden wird. Und die visuelle Ausrichtung des Sexuellen könnte uns zunehmend davon abhalten, einen Menschen zu finden, der uns visuell anzieht und mit dem sich sexuell Angenehmes erleben lässt. Die Hersteller dieser Movies schließen ja Menschen aus, die nicht bestimmten körperlichen Leitbildern entsprechen.
 
2. Dating
Naja, das sind die unterschiedlichsten Formen von Kontaktanzeigen. Und in vielen Anbietern, von der Zeitung bis hin zu unterschiedlichen nur im Internet erscheinenden Seiten, mal kostenlos und mal kostenpflichtig kann man sie finden. Wo es viele Anzeigen gibt, sind dort die größten Chancen? Nun gut, beim Lesen der Anzeigen hat man scheinbar eine größere Auswahl. Wenn nicht so viele Anzeigen vorhanden sind, dann werden die Vorhandenen mehr beachtet. Aber steht denn da drin, was wir zu finden hoffen?Sind wir doch mal ehrlich. Was schreiben wir da rein? Der Text besteht ja im Grunde aus mindestens zwei bereichen: wer wir sind beziehungsweise was wir anzubieten haben und was wir suchen.

Die Texte der Anzeigen zum ersten Beriech ähneln sich immer etwas, weil jeder möglichst vorteilhaft erscheinen möchte. Ja weiß man denn, was vorteilhaft erscheint? Nun gut, wir sind vielleicht besser als die Heten darin, zu erspüren, was gewünscht wird. Aber ist das für uns zufriedenstellend? Wir wissen doch, klappern gehört zum Handwerk, also müssen wir auch mit irgendetwas klappern. Ein Irrtum ist es, an alles zu denken und einen langen Text zu schreiben, denn der wird erst gar nicht gelesen. LeserInnen der Anzeigen haben ja den Eindruck, dass ihnen etwas bzw. jemand entgeht, wenn sie sich zu lange mit einer Anzeige aufhalten.

Aber, können wir dort eingeben, dass wir sehr freundlich sind, dass wir interessant kommunizieren können? Eigenlob stinkt und ob ein Partner es ebenso empfindet, ist nicht klar, selbst wenn man das nur bezüglich Sex ausdrücken will. Wie kann men zum Beispiel angeben, dass man auch gerne auf die Bedürfnisse des Gegenübers eingehen will? Man kann angeben, dass man auf 69 steht. Aber wie man dann wirklich mit dem Partner umgeht, das kann man nicht reinschreiben.

Der Vorteil im Internet ist, dass ich auf eine Anzeige direkt zum Beispiel per E-Mail reagieren kann. Man kann hier in der Antwort auch auf eine Homepage verweisen, in der man sich selber vorstellt. Das finde ich schon recht interessant. Der Vorteil im Print-Medium ist, dass ich diese Anzeige, die mir zusagt, anstreichen und doch öfter mal anschauen kann. Oft gibt es in Printmedien und in virtuellen Medien Anzeigen mit Fotos. Anzeigen sind wie Angebote in einem Wahrenhaus, ihre wahre Funktionalität zeigt sich aber erst, wenn man das Gerät zu Hause hat. Dann sieht alles etwas anders aus. Noch etwas: je mehr die Kontaktanzeigen säuberlich geordnet und getrennt werden, um so unwahrscheinlicher ist es, jemanden zu finden.

Oft sind die Anbieter der Kontaktanzeigen-Seiten im Internet die gleichen, die auch Chat-Lines anbieten. Das eigentliche Problem besteht aber in folgendem. Wenn man sich als Mitglied einschrieben muss, oft auch Geld bezahlen, dann existiert ein Unterschied zwischen innen und außen. Man will aber doch auch die Neugierigen kennen lernen, die sich scheu unter den Schwulen umschauen wollen und nicht nur die Platzhirsche, die sich hier seit Jahren suchend einrichten. Da wären offen erreichbare Kontaktanzeigenmärkte, die etwas unverbindlicher sind, sympathischer. Dies trifft auch für die Chat-Lines zu. Aber gerade in den offenen Räumen gibt es viele, die sich um die Moral sorgen und darum, was andere denken könnten. Da hat sich etwas geändert. man ist überall (Doppel-)moralischer. Daher also wird man ständig reglementiert, wenn jemand ein etwas offeneres Wort gebraucht.
 
3. Chat
Hier kann man mit eingetippten Texten miteinander kommunizieren, chatten genannt. Und da das Eintippen schnell gehen soll, kommt es hier nicht auf Rechtschreibung an. Es gibt auch noch eine Reihe von Buchstabenfolgen, die sich als Anglismen erweisen. Sie dienen der Abkürzung.

Dass man alle Kniffe erlernt, die der jeweilige Chat-Anbieter in die Chat-Einrichtung eingebaut hat, bedeutet, diese Chat-Side oft und intensiv zu benutzen. Aber das hier gelernte hilft in der nächsten Chat-Side nicht so recht weiter. Die unterschiedlichen Anbieter versuchen natürlich, die Chat-BesucherInnen an ihr Angebot zu binden. Daher kommen die kostenpflichtigen Bestandteile erst später zum Tragen, nämlich wenn man hier schon einige Freunde gefunden hat, die man immer wieder sprechen möchte.

Die Chatter geben sich einen Nick-Name, einige Wenige gehen auch mit ihrem eigenen Namen ins Chat, doch das ist selten. Der Nickname sollte der Orientierung der anderen Chatter dienen. Wenn ich als junger Schwuler ältere Schwule suche, will ich unter den Nick-Names nicht erst 50 Stück ausprobieren. Umgekehrt trifft das natürlich auch zu. Vorausgesetzt natürlich, man nutzt die Chat-Einsichtung zur Kontaktsuche, das scheinen aber die meisten User zu tun.

Die meisten Chat-Einrichtungen geben noch die Möglichkeit, dass die Teilnehmer ein Profil erstellen können, das andere TeilnehmerInnen öffnen können. Oft können auch Bilder eingefügt werden, und wenn die Bilder überprüft werden, bevor sie im Profil landen, kann man davon ausgehen, dass ganz bestimmte Körperteile hier vom Betreiber nicht so gerne gesehen werden.

Als es im Yahoo-Messager noch die Gay-Lounge gab, tummelten sich hier auch drei Sorten von Frauen. Die einen waren Prostituierte oder Ähnliches, die auf allen Seiten in großer Anzahl zu finden sind und kostenpflichtige Seiten statt Profile anbieten. Die anderen sind Schwulenmuttis, die sich gerne in die Kontaktgespräche der Männer einmischen und moralisierende Kommentare abgeben. Die dritte Sorte sind Lesben, die von den Lesbenseiten geflohen sind, weil sich auf diesen große Gruppen von Männer tummeln, oft mit weiblichen Nick-Name, um mit diesen angeblich “von Frau zu Frau” zu kommunizieren.

As all dem ergibt sich, dass man sich nicht darauf verlassen kann, wen man als Chat-PartnerIn kennen lernt. Und daher muss man absolut vorsichtig sein, wenn man sich mit einer/einem Chat-PartnerIn real verabredet.

Die Firewoll-Einrichtungen, die man gegen Dialer auf den Rechner holt, können oftmals den Kontakt zu den Chat-Lines einschränken. Das ist das zweite Risiko.

Es gibt auf vielen Chat-Siedes Dauer-User, die sich hier für sie selbst sehr angenehme Kommunikations-Netzwerke eingerichtet haben. Es gibt auch große Chatter-Treffen, die von den Dauerkunden selber organisiert werden. Das Chat bietet nämlich, gerade wegen der Anonymität, auch die Möglichkeit, viel ehrlicher und offener von seinen eigenen Bedürfnissen zu texten, als dies in realer zwischenmenschlicher Kommunikation aufgrund vielfältiger Rücksichtsnamen möglich ist.

Es kommt auf das Chat-Angebot an, welche Möglichkeiten der Kommunikation entstehen können. Einige ermöglichen, dass auch mündlich miteinander kommuniziert werden kann, sofern man ein Mikro und Lautsprecher am Rechner angeschlossen hat. Es gibt auch bei vielen die Möglichkeit, dass man die Camera öffnen kann oder auf die Camera der anderen zugreifen kann. Aus den unterschiedlichen techn. Einrichtungen ergeben sich auch unterschiedliche Kommunikationsformen.
 
3.1. T6-Chat
Die Zahl 6 steht für Sex, das T steht unter dem Begriff Telefon für mündliche Kommunikation, auch über den Rechner. Geile Telefonate also im Anschluss an ein Chat oder parallel zum Chat, eben gemäß der Möglichkeiten der jeweiligen Einrichtungen. Die Telefonate können im positiven Sinne ein weiterer Eingangskanal für die Kontakt- bzw. Beziehungssuche sein, denn die gehörte Stimme, die Wortwahl, das verbale Kommunikationsverhalten können ja sympathisch oder asympathisch wirken. Schade ist, wenn diese Form der Kommunikation, oft auch Dirty Talking genannt, den Kontakt nicht einleitet sondern der eigentliche Kontakt ist. Aber das ist ins belieben der beteiligten gestellt.Besonders blöde ist es aber, wenn man dabei auf eine kostenpflichtige Seite gelockt wird. Deshalb ist es wichtig, dass man sich die Telefonnummern genau anschaut, sofern man aufgefordert wird, zurückzurufen. Wenn man selber die Nummer angibt, der Anruf aber nicht erfolgt, der Partner dann auch aus dem Chat verschwunden ist, dann kann man annehmen, dass es sich um solch einen Versuch handelt.
 
3.2. C6-Chat
Das C steht für Cyber, C6 ist als Cyber-Sex. da gab es einige findigen ErfinderInnen, die einen raffinierten unförmigen Gummianzug erfunden haben, mit Vakuum-Pumpe und einführbaren Geräten. Den Anzug ziehen sich die treuen Liebespaar an, die aus irgendeinem Grund getrennt sind, und dann haben sie über ihren und dem Rechner des Partners miteinander Sex, denn die Geräte werden dann Komputergesteuert miteinander so ausgelöst, dass z.B. der Ehemann in die dazu vorgesehen Gummiröhre bumst und sich etwas mechanisch entsprechend seiner Bewegungen im Gummianzug in die Vagina der Ehefrau schiebt. Das Ding ist offensichtlich nur einmal gebaut worden und auch in einer Fernsehshow unter Gelächter des Publikums vorgestellt worden. Ich nehme an, dass es einfach zu teuer ist, um ein Verkaufsschlager werden zu können. Da ist Fremdgehen einfach preiswerter.

Heutzutage wird aber im Chat mit C6 meisten der Dirty-Talk in schriftlicher Form in einer Chat-Line gemeint. Also, ich kann mir nicht helfen, wenn es um Selbstbefriedigung geht und man sich schriftlich dabei gegenseitig anfeuert, muss man ständig lesen und schreiben. So ist zumindest für mich der Versuch der Selbstbefriedigung doch recht unergiebig.
 
3.3. Cam6-Chat
Entweder beide oder einer hat eine Cam an, die zumeist auf sein bestes erigiertes Teil gerichtet ist, wenn es um 6 (Sex) geht. Also, wenn man sich tatsächlich darauf einlässt, die besagte cam auf besagtest Teil zu richten, ist die Lage hinter dem Rechner besonders unangenehm. Man muss dem Zuschauer bzw. den Zuschauern was zu bieten haben, also mit einer Erektion unterhaltend rumwedeln. Dann muss man die ganzen sich öffnenden Anfragen wieder wegklicken, ob sie auch auf die cam dürfen. Dann muss man die Gesprächsversuche zurückweisen, die alle anfeuernd oder mit Wünschen auf sich aufmerksam machen möchten, was man nun tun soll, und schließlich muss man ja noch das bedienen, was den Leuten an ihrem Rechner die Show angenehm macht.

Wenn man auf einer Chat-Line ist, wo die Möglichkeit mit der cam existiert, und wenn man mitteilt, dass man selber seine cam nicht anmachen möchte, wird man erleben, dass sich die angeblich tollsten Traummänner sofort verabreden möchten. Nur möchten sie vorher kurz sehen, was man anzubieten hat. Leider habe man selber gerade keine cam. Das bedeutet, der Gesprächspartner ist ein anderer, als er sich vorgestellt hat, und will nur einen billigen Porno sehen. Oder er hat eine und will, dass man zusieht, und schon ist man gerade dort, wo man nun nicht hin wollte. Man bekommt so sehr schnell den Eindruck, dass sich die Leute gar nicht treffen wollen, um eine genussvolle Sexualität zu erleben, sondern dass sie diese Szenen anstatt Sex wollen, zwar safe aber sehr gefühllos, letztlich jeder nur auf sich selber bezogen.
 
3.4. Dating-Chat
Absprachen, persönliche Treffen, durch die Chat-Line angebahnt. Dazu nutze ich auch die Chat-Lines gerne, als Ergänzung vom Ausgehen und den Kontaktanzeigen in den Print-Medien. Die anfängliche Anonymität bietet die Möglichkeit, ziemlich unverblümt über alle Sehnsüchte und Vorlieben zu texten. Man muss aber Sicherheiten einrichten, wenn man sich treffen möchte. Jemanden sofort zu sich nach Hause einzuladen, ist besonders dann heikel, wenn man alleine lebt, denn es gibt natürlich Menschen, die unsere Sehnsucht wirtschaftlich oder anders ausnutzen wollen. Zu den natürlichen Todesarten älterer Schwuler gehöre, von jungen Besuchern ermordet zu werden, stand vor Jahren in einem Berliner Szene-Blatt.

Wenn es sich andererseits um einen ernsten Kontaktversuch handelt, wird man den potenziellen Partner durch zu viele Sicherheitsvorkehrungen beleidigen. Dies ist aber das Selbe wie auf dem anonymen Strichermarkt. In Parks und auf Klappen ist in diesem Zusammenhang ebensoviel Sicherheit notwendig. Warum nicht zumindest das erste Treffen an einem öffentlichen Ort? Das hat den Vorteil, dass man sich auch wieder zurückziehen kann, wenn der Mensch sich als anders erweist, als er vorher den Anschein erweckte. Im Kneipentreff ist das Anmachen nicht ganz so gefährlich, weil man sich dort gegenseitig etwas kennt und die Anonymität nicht so groß ist.
 
4. Also dann
Ich habe schon einige schöne Erlebnisse mit Männern aus dem Chat gehabt, in einigen Fällen entstanden auch häufigere Treffen. Oft waren es aber auch Faker. Chat-Datings sind also eine weitere Möglichkeit, sich gegenseitig kennen zu lernen, um etwas mehr Zwischenmenschlichkeit beziehungsweise Mitmenschlichkeit, zumindest aber Sex miteinander erleben zu können. (js)
 
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