82. LUST, Frühling 05
 
Nazis und ihre HelferInnen
Über Gedenkveranstaltungen und den Kampf gegen Nazis
Der Auftritt der Nazi-Partei NPD im sächsischen Landtag und der Versuch der Nazis, die Bombardierung Dresdens im Nazi-Sinne zu funktionalisieren, der Angriff Stoibers auf die SPD vor der Landtagswahl in Schleswig-Holstein, sie sei wegen der angeblich von ihr verschuldeten Arbeitslosigkeit deshalb schuld am Anwachsen der NPD-Stimmen, das alles hat zu neuen Diskussionen geführt.

Warum sei die SPD an der Arbeitslosigkeit schuldig? Weil sie nicht noch weiteren Lohnabbau, Abbau der Arbeitnehmerrechte, Erhöhung der Arbeitszeit usw. vornimmt? Denn so etwas könnte die Union mit der FDP im Sinne der Unternehmerverbände noch besser?

Wird durch Stoiber die NPD wissentlich hochgeredet und als Partei zur Bestrafung der SPD wegen der Arbeitslosigkeit angeboten? Denn wäre sie auch in Schleswig-Holstein in den Landtag gekommen, hätten rotgrün aufgrund der Verteilung der Abgeordneten-Sitze und trotz Unterstützung durch den SSW nicht weiter regieren können. Aber schwarzgelb auch nicht. Es wäre zu einer unionsgeführen großen Koalition gekommen. Sind die Konservativen zur Erringung der Macht bereit, mit der NPD drohend rumzufuchteln, statt auf die angebliche „Gemeinsamkeit der Demokraten“ zu setzen?

Nun ist es nicht dasselbe, 1. wenn es Nazis gibt und 2. wenn es eine NPD gibt. In einer Parlamentspartei, die nicht verboten wurde, organisierte Nazis, haben einfach bessere Möglichkeiten, die Nazi-Infrastruktur im Lande auszubauen. Und es macht einen Unterschied, 3. dass es eine NPD gibt oder 4. dass sie in Parlamenten sitzt. Denn in Landtagen sitzend kann diese Partei Plätze in den Ausschüssen verlangen und über die „Wahlkampfkostenerstattung“ hinaus weitere Gelder einstreichen, um damit die Nazi-Infrastruktur weiter auszubauen. Auch ohne Regierungsbeteiligung bekommen im Landtag vertretene Parteien in Fraktionsstärkee Schlüsselpositionen zugewiesen. Jürgen Gansel, der Redner der NPD zum Thema, ist stellvertretender Vorsitzender des Landes-Ausschusses für Hochschulen, Kultur und Medien.

„Die rechts schaffende Mitte“ war der Slogan des 27. Open-Ohr-Festivals zu Pfingsten im Jahre 2001 in Mainz. In vielfältigen Arbeitsgruppen wurde belegt, wie aus der „politischen Mitte“ für billige Werbeeffekte Slogans benutzt wurden, die auch von Nazis benutzt werden.

Und es ist wahr, innerhalb der Bevölkerung ist die Verhetzung mit Nazi-Gedankengut viel breiter, als die Demoskopen zugeben, denn die Wahlergebnisse sind kein wirkliches Spiegelbild der Verbreitung von Ideologien in der Bevölkerung.

Dass aus den unterschiedlichen rechten Stammtischparolen kein geschlossenes rechtes Weltbild entsteht, scheint unsere führende politische Klasse nicht garantieren zu können oder wollen. Und wie das bei den NPD-Mitgliedern und den meisten ihrer Wähler ist wohl von einem geschlossenen rechten Weltbild auszugehen.
„Streit ums Geschichtsbild“ heißt ein Buch von Reinhard Kühnl (Hrsg.), in dem der sogenannte Historiker-Streit dokumentiert ist. Es erschien 1987 bei Pahl-Rugenstein. Argumenten von Historikern aus der sogenannten politischen Mitte, die das Geschichtsbild der Nazi-Herrschaft relativieren wollten, wurde hier widersprochen. Heutzutage häufen sich überall in einem derartigen Ausmaß die Relativierungsver-suche, dass niemand mehr in der Lage ist, all diesen Dingen nachzugehen. Man gewöhnt sich zunehmend daran.

Und ein realistisches Geschichtsbild, Aufklärung, wird das irgendwo in Deutschland, zum Beispiel in der Schule erfolgreich geleistet? Wir Deutsche seien für die Verbrechen des sogenannten Dritten Reiches verantwortlich und hätten deshalb auch heute noch Grund zur Scham, sei das Leitmotiv der Nazi-Kritik gewesen, schreibt Reinhard Kühnl im o.a. Buch auf S. 275, und er habe Zweifel, ob das der geschichtlichen Realität angemessen sei und ob das ausreiche, um der ideologischen Offensive der Rechten wirksam zu begegnen.

Zwar war ein großer Teil der Bevölkerung zumindest durch Duldung beteiligt, aber die Formulierung „wir Deutsche“ oder „die Deutschen“ unterstelle eine Gemeinsamkeit der Interessenslage. Man müsse aber zwischen Hauptverantwortlichen, Mitläufern, Ängstlichen, Gegnern und den unterschiedlichen Wiederstandeskämpfern unterscheiden. Kühnl schreibt: „Ich wage sogar zu behaupten, dass der Ruf nach einem `Schlussstrich´ unter die Vergangenheit um so leichter durchsetzbar ist, je besser es der Rechten gelingt, in der Bevölkerung die Meinung zu verbreiten, es gehe um einen Schuldvorwurf gegen `die Deutschen´.” (S. 276) So leiste die These der Kollektivschuld den Rechten Vorschub.

Die von rechts immer wieder erhobene Forderung, endlich einen Schlussstricht zu ziehen, ist absurd und gefährlich. Unter was soll ein Schlussstrich gezogen werden? Es wird mit riesigen Geldsummen argumentiert. Wissen diese Kritikerdenn wirklich, wer wann und warum Geldzahlungen leistet? „Die anderen Länder haben ihren Nationalstolz“, höre ich, „sie haben auch rechte Parteien, ohne dass dort so ein Tara drum gemacht wird“, und „wir dürfen auf unser Vaterland nicht stolz sein“. Dazu der Schlussstrich? Damit man „unbelastete“ rechte Parteien in Deutschland wählen kann, die dann ihrerseits die Bombadierung einer Stadt durch den Kriegsgegner mit dem Massenmord des Staates und eines großen Teils der Bevölkerung an einer Bevölkerungsgruppe, den Juden, gleichsetzen kann?

Die anderen „dürfen“ stolz sein? Mit diesem Stolz wird in allen Staaten von Vielem abgelenkt, was man sich als demokratischer Bürger genauer anschauen müsste. Und nationale Gedenktage sind auch kein Geschenk und etwas „Heiliges“, es kommt darauf an, was mit diesem Gedenken so alles mit transportiert wird.
Ich meine dazu, es kommt statt irgendwelcher Zeremonien oder Gedenktagen für jeden von uns darauf an, an jedem Platz, wo es uns möglich ist beim Kampf um die Köpfe dazu beizutragen, dass die politische Rechte erst in den Köpfen der Menschen und dann auch im politischen Leben keine Chance mehr bekommen.
Die Opposition zündelt auch in der sogenannten Visa-Affäre mmit rechtsradikalen Sprüchen. Der auf diese Weise geführte Wahlkampf hilft tatsächlich den Nazis, dadurch Land zu gewinnen. (js)
 
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