- 81. LUST, Winter 04/05
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- Islam und Homosexualität
Islamische Menschen liegen mit uns im Bett, während Homosexualität
in islamischen Ländern oftmals mit dem Tode bestraft wird.
In Berlin musste das Regenbogencafe aus einem Stadtteil wegziehen,
weil jugendliche Moslems von schätzungsweise zwischen 13
und 17 Jahren dieses Café und die Gäste ständig
überfallen und verprügelt haben. Sind das Anzeichen
für islamisch befreite Zonen, wie das von der
Bahamas-Redaktion behauptet wird, in Anlehnung an die national
befreiten Zonen durch Neo-Nazis in einigen Regionen der
Ex-DDR, wo sich auch keine andersartigen Menschen zeigen dürfen?
Ein brisantes und schwieriges Thema.
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- In unserem Artikel geht es eigentlich um
2 Themen, nämlich 1. Um die Formen ausgelebter Homosexualität
und 2. um den Islam als Ideologie politischer Interessen.
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- 1. Unterschiedliche Formen ausgelebter
Homosexualität
Im ganzen Mittelmeerraum gibt es (auch wen dies im nichtmuslimischen
Teil zunehmend von Gebräuchen verdrängt wird, die aus
Nord- und Mitteleuropa und den USA stammen), zwischen Männern
homosexuelle Handlungen, die nicht mit einer schwulen Identität
zusammenhängen. Es gibt hier wohl auch homosexuelle Handlungen
zwischen Frauen, die nichts mit einer lesbischen Identität
zu tun haben, aber das ist selten möglich, weil die Frau
hier weniger individuellen Spielraum hat, im Grunde auf die Rolle
der Familienfrau reduziert sind.
Sowohl im Mittelmeerraum wie in den kulturell von diesem beeinflussten
Teilen der Welt finden wir also ursprünglich eine andere
Form des Umgangs mit Sexualität bzw. Homosexualität
vor. In der arabischen Sprache gibt es gar kein Wort für
Homosexualität, abgesehen von modernen Kunstschöpfungen,
aber Homosexualität hat es natürlich im arabischen
Raum (wie überall) immer gegeben, denn sie gehört einfach
zur menschlichen Spezies und nicht nur zu ihr. Das war in den
Kulturen des Mittelmeerraumes ursprünglich wohl nicht bemerkenswert,
weil aktive homosexuelle Handlungen usw. nichts mit der gesellschaftlich
strukturierten Ehe-Ordnung zu tun haben bzw. hatten.
Gerade die sexuelle Unterdrückung der Frau, auch dass z.B.
im islamischen Teil dieser Region die Frauen verschleiert sind,
Jünglinge dagegen nicht, führte dazu, dass in diesem
mediterranischen Machismo ein Mann Sex mit allen Nichtmännern
hat: also Frauen, Jünglinge, Transen, passive Schwule usw.,
wobei der Macho nichts Anrüchiges macht. Ehrenrührig
ist dies nur für die angeblich nichtmännlichen Männer.
Professor Dieter Haller (Heidelberg) schreibt in dem Buch Transvestitismus
und Bisexualität im Mittelmeerraum: männliche Homosexualität
in einer machistischen Gesellschaft, in: Sie und Er - Frauenmacht
und Männerherrschaft, Materialienband zur Ausstellung im
Rautenstrauch-Joest-Museum, 25.11.1997-08.03.1998, Band II: 173-177
Folgendes: Der Mittelmeerraum ist seit langer Zeit bevorzugte
Projektionsfläche für die gleichgeschlechtliche Sehnsucht
von Männern aus dem Norden Europas.
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- Der Mythos des homoerotischen Mittelmeerraumes
trug wesentlich zur Wahrnehmung nicht nur der Antike, sondern
- durch namhafte Persönlichkeiten der Geisteswelt wie Leonardo
da Vinci oder Michelangelo - auch der Renaissance bei. Zwischen
1750 und 1950 war der Mittelmeerraum zentrales Thema im Werk
homosexueller Literaten, Musiker, bildende Künstler und
Intellektuelle des Nordens: Johann Joachim Winckelmann, John
Addington Symmonds, Oscar Wilde, E. M. Forster, August von Platen,
Wilhelm von Gloeden, Lord Byron oder Thomas Mann, André
Gide, Paul und Jane Bowles, Christopher Isherwood. Dieser speist
sich jedoch nicht nur aus den Tradition des Humanismus, sondern
auch aus der Gleichsetzung von Homosexualität mit nichtchristlichen,
v. a. moslemischen Traditionen. Der Islam galt als Projektionsfläche
des Eigenen und daher als den leiblichen Genüssen auch der
gleichgeschlechtlichen Art nicht abgeneigt. Dabei bedient der
Mittelmeerraum sowohl romantische wie auch homophobe Projektionen.
Er schreibt unter dem Titel Homosexualität in Islam
und Christentum in Andalusien weiter: Die Härte
und Rigidität, mit der in Spanien Inquisition und Staat
gegen die Sodomie handelten, erklärt sich aus der Jahrhunderte
langen Situation des Bürgerkriegs des christlichen Nordens
gegen Al-Andalus, den islamischen Süden. Die Reconquista
(Wiedereroberung) der einstmals westgotischen Gebiete der Halbinsel
war ein Kampf gegen die islamische Religion und ein Kampf für
das Christentum im Zeichen des Schwertes. Rassismus gegen Juden
und Moslems wurde mit dem Hinweis auf deren liederlichen
Lebenswandel unterstrichen. So wurde die Ausweisung der
Juden im Jahre 1492 explizit damit begründet, dass Sodomie
von den Juden komme.
In der arabischen Sprache gibt es, abgesehen von modernen
Kunstschöpfungen, keine Entsprechung für die
Termini Homosexualität und Homosexueller.
In seiner Vorlesung zu mann-männlicher Sexualität/Erotik
in der islamischen Gesellschaft behauptet Schmitt, die
Klassifikationsachsen bezüglich sexueller Identität
verliefen nicht - wie im Christentum - über das Geschlecht
des Sexualobjekts, sondern über die Rolle, die im Akt eingenommen
wird. Als penetrierbar gelten Frauen, Wahnsinnige, Kinder, Sklaven,
Nichtmuslime, kurz: jeder Mensch, der nicht in die Kategorie
des moslemischen Mannes fällt. Zwischen der Trennung in
penetrierte Homosexuelle und penetrierende Männer, die in
einigen islamischen Ländern festgestellt werden kann, und
den gegenwärtigen folk-Konzeptionen in Andalusien wie auch
etwa in Griechenland lässt sich keine zeitliche Verbindung
feststellen. Nicht nur die homosexuellen Romantiker des Nordens,
auch Mittelmeerethnologen sowie Informanten sahen und sehen in
heutigen kulturellen Praktiken survivals etwa aus der Zeit der
islamischen Zeit oder gar der Antike.
Über das Vorkommen der Mediterranen Homossexualität
schriebt Haller: Kultur- und Sozialanthropologische Forschungen
zu männlicher gleichgeschlechtlicher Sexualität im
Mittelmeerraum haben erstaunliche Unterschiede zur mitteleuropäischen
Konzeption aufgezeigt. So wird Sexualität zwischen zwei
Angehörigen des biologisch männlichen Geschlechtes
(sex) in Andalusien, dem ländlichen Griechenland, dem südlichen
Italien, Marokko und der Türkei auf andere Art und Weise
strukturiert als etwa in Nord- und Mitteleuropa.
Vor allem zwei Phänomene tragen zu dieser Unterschiedlichkeit
bei: erstens, die Häufigkeit des Transvestitismus (cross-dressing).
Zweitens die Verbreitung des Mythos vom gleichgeschlechtlicher
Sexualität und Erotik potentiell nicht abgeneigten (und
damit zumindest bisexuellen) Mann ländlicher Gegenden aber
auch einzelner Städte. Allerdings gibt es keine einheitliche
Konzeption der Homosexualität im Mittelmeerraum, sie ist
durch die Gleichzeitigkeit einer Vielfalt kultureller Praktiken
und Diskurse gekennzeichnet; neben dem traditionellen Konzept
der Homosexualität koexistieren heute in den EG-Mittelmeeranrainern
Spanien, Italien und Griechenland - intensiv kommerzialisierte
homosexuelle Subkulturen, wie auch Identitätskonzepte.
Die traditionelle Konzeption in Andalusien der Homosexualität
besteht aus zwei Vorstellungskomplexen: einmal die Geburt, ein
andermal der Erwerb. Homosexualität, die durch Geburt verursacht
wurde, wird als unabänderliches Merkmal gewertet. Ist sie
jedoch erworben, dann gilt sie als veränderbar und somit
als verhinderbar. Träger der angeborenen Homosexualität
werden maricones de nacimiento genannt. Im Fall der erworbenen
Homosexualität spricht man von Homosexuellen aus Lasterhaftigheit,
von maricones de vicio. Sowohl der maricón de vicio als
auch der maricón de nacimiento gilt als Träger einer
homosexuellen Identität, ist also Homosexueller.
Während der maricón de nacimiento diese Identität
aber schon seit seiner Geburt besitzt, wurde sie vom maricón
de vicio erst im Laufe seines Lebens erworben.
In Mitteleuropa wie in den USA und den von diesen Gebieten kulturell
beeinflussten Regionen der Welt einschließlich der großen
Städte im Mittelmeerraum ist es hingegen üblich, zwischen
normalen Männern und Frauen einerseits zu unterscheiden,
die angeblich nie sexuelle Lust am gleichen Geschlecht haben,
und homosexuelle Menschen andererseits, die keine Lust am Gegengeschlecht
empfinden.
Dies alles zeigt, dass die menschliche Sexualität von ihrer
Möglichkeit her Homosexualität einschließt. Das
Verbot von Homosexualität erzeugt eine Minderheit von Menschen,
die mit diesem Verbot nicht leben können, weil ihnen dies
alle sexuelle Lebensfreude nehmen würde. Sexualität
ist nämlich ein Triebkraft für Handlungen. Niemand
hat es sich ausgesucht, heterosexuell oder homosexuell zu sein,
er nimmt an sich wahr, was er nun mal ist. Wenn ein Mensch an
sich wahrnimmt, homosexuelle Lust zu haben, möchte er dies
in Übereinstimmung mit der Gesellschaft meist unterdrücken.
In ihrer Ausformung beziehungsweise Ausprägung ist Sexualität
ein kulturelles beziehungsweise gesellschaftliches Produkt. Am
Umgang mit Homosexualität, die keinen weiteren Sinn als
schiere Lust hat, lässt sich die Toleranz bzw. Akzeptanz
der jeweiligen Gesellschaft erkennen. Die Religionen und ihre
Organisationen jedoch, die besonders auch von der Kontrolle der
Sexualität leben, denn mit nichts anderem lassen sich besser
Schuldgefühle erzeugen, bemühen sich, die Gesetze des
Staates zugunsten ihres Kontrollwunsches zu beeinflussen, wodurch
ihre Machtbasis in der Gesellschaft verbreitert wird.
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- 2. Religionen allgemein
Die heutigen großen Religionen sind von ihrem Ursprung
her die ideologische Rechtfertigung ihrer Obrigkeiten. Die Obrigkeit
war entweder selber Gott, später dann, in der Monarchie
von Gott (oder seinem Stellvertreter) eingesetzt. Sie sind auch
ideologische Wegbereiter anderer Obrigkeiten im Kampf der Religionen
gewesen. Europa war lange Zeit Spielball von Religionskriegen,
hinter denen Machtansprüche von Obrigkeiten standen. Hinter
Religionen stehen auch kulturelle Ansprüche an die Gläubigen,
und so haben Religionen auch kulturelle und gesellschaftspolitische
Besonderheiten der Menschen auf dem jeweiligen historischen Entwicklungsstand
in sich aufgenommen wie auch den damaligen naturwissenschaftlichen
Kenntnisstand.
Auch der römische Imperator Cäsar erklärte sich
selber zum Gott, später dann, nach dem Verkünden des
Christentums zur Staatsreligion des römischen Reiches durch
Konstantin in Byzanz war der römische Kaiser der Stellvertreter
Gottes auf Erden. Später wurden Kaiser und Könige dann
durch den Patriarchen in Konstantinopel (ehemals Byzanz) eingesetzt,
beziehungsweise durch den Bischof in Rom, der sich nun auch Pontifex
Maximus nannte, also ein Gegenpapst war, der einen Gegenkaiser
einsetzte, die Trennung zwischen Ostrom und Westrom war vollzogen.
Der Norden Europas und Mitteleuropa wurden durch das weströmische
Christentum christianisiert.
Die älteste der aus dem Orient stammenden und noch existierenden
Religionen, die in Europa nennenswerten Einfluss bekamen, ist
das Judentum, das vom Auserwählten Volk und dem Staat Gottes
(dem Staat Israel) ausgeht.
Aus dem Judentum entwickelte sich das Christentum, erst als jüdische
soziale und nationale Bewegung gegen Rom, schließlich in
Verbindung mit dem staatlichen Machtanspruch der römischen
Imperiums als Staatsreligion. In der Realität gingen christliche
Herrscher, ideologisch ermutigt durch den christlichen Missionsbefehl,
ziemlich brutal mit Anhängern anderer Religionen um, und
so verbreitete sich das Christentums in Zusammenarbeit mit Rom,
später mit den europäischen Kolonialherren in vielen
Regionen der Erde.
Aus dem frühen Christentum entstand ca. 500 Jahre später
der Islam mit seinem Anspruch, alle Menschen der Erde zu Muslime
zu machen. Der Islam war den Zuständen der Stattstaaten
und der Nomadenvölker auf der heutigen arabischen Halbinsel
angepasster als das oströmische Christentum. Der Islam selber
ist auch in eine ganze Reihe von Richtungen aufgespalten, je
nach Interessenslage der Herrscher, die ihn als Herrschaftsideologie
nutzten und die kulturellen Besonderheiten der Regionen. Auch
die islamischen Monarchen sind entweder von Gott eingesetzt oder,
wie der König von Marokko, direkter Nachkomme von Mohammed.
Aus dem römischen Christentum entwickelte sich auch der
Protestantismus. Der ist einerseits moderner und an die Besonderheiten
in Mittel- und Nordeuropa angepasster, aber auch den Interessen
des damals aufkommenden Bürgertums zugänglicher als
der Katholizismus, der eher der Monarchie entsprach. In seinem
Schoß entstanden auch die evangelikalen Fundamentalisten,
die 2004 in den USA die Präsidentschaftswahlen majorisieren
konnten.
Unbedeutend in Europa ist der Hinduismus, der derzeit eine nationalistische
Ausrichtung in Indien entwickelt. Eine wichtige Abspaltung vom
Hinduismus ist der Buddhismus, der sich auch mehrfach spaltete,
nämlich in eine eher philosophische Betrachtungsweise, die
keinen Glaubenszwang ausübt und andererseits in das Gottkönigstum
des lhamaitischen Buddhismus um den Dalai-Lhama, der sich mit
altem Schamanenglaube ergänzte.
Es ist schon bizarr, dass es derart viele Menschen gibt, die
Fragestellung der Gegenwart und der Zukunft mit Erklärungsversuchen
der Vergangenheit beantworten wollen. Einer Vergangenheit, als
man hinter jedem naturwissenschaftlichen Zusammenhang unerklärliche
und wunderhafte Kräfte am Werke sah. Immerhin den Religionsführern
nutzte dies und den Obrigkeiten, in deren Sold sie standen.
Die vielen Religionskriege in Europa fanden erst ein Ende, nachdem
Staat und Religion getrennt wurden. Diese Errungenschaft, die
in ihren Anfängen im preußischen Königreich,
vollständig aber in der französischen Revolution erreicht
wurde, indem Adel und Klerus gestürzt und individuelle bürgerliche
Freiheiten, einschließlich der Religions- und der Meinungsfreiheit
entstanden, diese menschliche Errungenschaft ist absolut verteidigungswert.
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- 3. Der Islam, die Rolle der Frau, die
Menschenrechte, die Homosexualität
In islamischen Staaten, in denen die Religionsführer das
Land regieren oder mitregieren, gibt es noch keine Trennung zwischen
Religion und Staat. Und dort sind Frauen Menschen zweiter Klasse
und werden auch ständig wie Menschen zweiter Klasse behandelt,
auch wenn einige Frauen dies auch noch vertreten, weil sie es
nicht anders kennen. Es sind dies auch extrem patriarchalische
Staaten, denn die Männer sonnen sich in der Situation, dass
sie sich von Halbsklavinnen nach ihrem Gusto bedienen lassen.
Und diese für sie so angenehme Lage wollen sie sich auch
nicht nehmen lassen.
Sind das nun Verhaltensweisen aus Ländern, die, historisch
gesehen, noch nicht im Zustand der Gleichstellung der Frau angekommen
sind und behaupten die Männer einfach nur frech, die Unterdrückung
der Frau stehe so im Koran? Im 47. Spiegel (15.11.04) wird berichtet,
wie auch in Deutschland in türkischen Familien zur Zeit
Frauen behandelt werden. Hier wird auch der Koran zitiert: Die
rechtschaffenen Frauen sind gehorsam, und wenn ihr fürchtet,
dass sich Frauen auflehnen, dann ermahnt sie, meidet ihr Ehebett
und schlagt sie., Sure 4, Vers 34.
Also steht die Unterdrückung der Frau im Koran? Ja, die
steht da drin. Und wenn ich im Sprachunterricht muslimische Schüler
hatte, stellte sich heraus, dass sie die Suren des Korans kaum
kannten. Sie hatten sich eher auf die Verkündung in der
Moschee verlassen. Einen Luther, der gegen den Willen des Klerus
die Bibel zum nachschauen für das Volk durchsetzte, hatte
der Islam nicht. Aber die Unterdrückung der Frau steht nicht
nur im Koran, sie steht auch in der Bibel. Und das waren eben
die Zustände und Auffassungen in der Gesellschaft, als mächtige
Männer entschieden, diese Texte so schreiben zu lassen.
Dass das Weib in der Gemeinde zu schweigen habe, das sei nur
eine marginale Stelle der Bibel, sagen uns heute die Theologen.
Dass die Frau dem Manne untertan zu sein hat, sagen das die islamischen
Prediger ihrer Gemeinde? Es ist mir fremd, dass in der Moschee
nur Männer der Predigt lauschen, Frauen lauschen hinter
einem Vorhang oder in einem anderen Raum. Das war früher
allerdings in christlichen Kirchen auch so, und im mittelalterlichen
Christentum durften Frauen überhaupt nicht in die Kirche,
da die Menstruation der Beweis ihrer Unreinheit sei.
Auf der Frankfurter Buchmesse war auch der Verlag Der Islam
aus Frankfurt. Er bietet u.a. das Buch Islam und Menschenrechte
an. Ich lese die Werbung: In diesem Buch vergleicht der
Autor die Charta der Allgemeinen Menschenrechte Paragraph für
Paragraph mit den entsprechenden Aussagen des Heiligen Korans
und zeigt, wie der Islam die Armen und Unterdrückten emanzipierte
und der Welt schon vor 1.400 Jahren die grundlegenden Vorschriften
für den Respekt und den Wert aller Menschen ungeachtet ihrer
gesellschaftlichen Schicht, Herkunft, Hautfarbe oder ihres Glaubens
gab.
Soll ich hier verarscht werden? Ich schlage den Koran auf und
lese in der 5. Sure Vers 52: O Gläubige, nehmt weder
Juden noch Christen zu Freunden, denn sie sind nur einer des
anderen Freund. Wer von euch sie zu Freunden nimmt, der ist einer
von ihnen. Ein ungerechtes Volk leitet Allah nicht. Wie
war das, ungeachtet ihres Glaubens? Vom gleichen
Verlag lese ich in einer Schrift von Hadayatullah Hübsch
die Schrift Rechte und Pflichten der Frauen im Islam.
Sie beginnt: Der Islam lehrt die absolute Gleichwertigkeit
von Mann und Frau. Keiner ist nur wegen seiner Zugehörigkeit
zu einem bestimmten Geschlecht besser als jemand vom anderen
Geschlecht ... Über so viel Dreistigkeit kann man
sich nur wundern, eingedenk der Sure 4, Vers 34. Gut, die Auffassung
von der Liberalität des Islams gehört also auch in
der Bereich der Religionsverkündung, an die wir glauben
sollen.
Wenn nun aber jemand weder Jude noch Christ ist, sondern überhaupt
nicht glaubt, dass es irgendein Überwesen gibt, der ist
für den Islam ein Ungläubiger. Was sieht
der Koran für ihn vor? Bekämpft diejenigen der
Schriftbesitzer (Muslime, Juden und Christen), welche nicht an
Allah und den Jüngsten Tag glauben und die das nicht verbieten,
was Allah und sein Gesandter verboten haben, und sich nicht zur
wahren Religion bekennen, so lange, bis sie ihren Tribut in Demut
entrichten. Sure 9, Vers 29. Während des Djihad sollen
den Ungläubigen der Kopf, die Hände und die Füße
abgehackt werden.
Der Koran, in dem ich ausführlich gelesen habe, kommt mir
(als Ungläubigen) so vor, als versuche ein Nomadenführer
sein Volk zusammenzuhalten, das sich im Krieg mit Nachbarn befindet
und das ständig im Kampf ist, das aber auch durch die Verführung
anderer Auffassungen (Juden und Christen, Götzendiener,
Ungläubige) ihm immer wieder entgleitet. Im Inneren versucht
er so das Gefühl herzustellen, dass die friedliche Gemeinschaft
von vielen Feinden rundum bedroht ist. Ich stelle fest, dass
hier ständig von Kampf und der Unterwerfung (unter Allah)
die Rede ist. Gleichzeitig erlebt man im Gespräch ständig
Muslime, die den friedlichen Charakter des Islam beteuern.
Nun kann man ebenso wie in der Bibel auch im Koran nicht nur
nach Stellen suchen, die den Umgang mit Andersgläubigen
betreffen, sondern in denen es um Homoerotik (nicht um eine homosexuelle
Identität) geht.
So lesen wir über die Belohnungen im Paradies in der Sure
52, Vers 23 bis 15: Dort geben wir ihnen was sie wünschen:
Obst und Fleisch im Überfluss. Sie reichen dort einander
den Becher, in welchem weder Anreiz zu leichtfertigem Wort noch
zur Sünde ist. Ein Kreis von Jünglingen eigenen Blutes,
so schön wie Perlen, in ihren Muscheln verborgen, wird ihnen
aufwarten. Auch anderes gibt es im Jenseits, Sure 56, Vers
16 bis 18: Sie werden auf Kissen ruhen, welche mit Gold
und edlen Steinen geschmückt sind, sie lehnen einander gegenüber.
Jünglinge in ewiger Jugendblüte werden, um ihnen aufzuwarten,
sie mit Bechern, Kelchen und Schalen voll fließenden Weines
umkreisen, der den Kopf nicht schmerzen und den Verstand nicht
trüben wird, und mit Früchten, von welchen sie nur
wählen, und mit Fleisch und Geflügel, wie sie es nur
wünschen können. Also geht es nicht nur um die
begehrenswerten Jünglinge, wie sie beschrieben sind, sondern
auch um Wein. So was, Wein im Paradies laut Koran. Und in der
76. Sure Vers 20 bis 21 heißt es: Zu ihrer Aufwartung
gehen ewig blühende Jünglinge um sie herum; wenn du
sie siehst, hältst du sie für verstreute Perlen, und
wo du hinsiehst, erblickst Du Wonne und ein großes Reich.
Würde dies heute und in Mitteleuropa geschrieben, müsste
man urteilen: dies ist schmachtender Männerblick auf geile
junge Männer.
Aber wir wissen ja, dass homosexuelle Handlungen, die selbstverständlich
auch einhergehen mit dem Verlangen danach, im ganzen Mittelmeerraum
einschließlich dem islamischen Teil, eben durchaus üblich
waren und wohl noch sind, ohne die Trennung zwischen heterosexuellen
Unschwulen und homosexuellen Schwulen. Die sogenannten Stellen
hat Andreas Ismail Mohr im Koran entdeckt, veröffentlicht
im Buch Homosexualität und Islam, erschienen
2003 im Männerschwarm-Skriptverlag. Hier erfahren wir auch,
dass in zahllosen islamischen nach-koranischen Schriften, zum
Beispiel die Hadit-Sammlung, harte Strafen für homosexuelle
Handlungen verhängt werden. Wie im Christentum scheint es
also um die Auslegung zu gehen, und wie im Christentum ist die
Auslegung von gesellschaftspolitischen und machtpolitischen Tagesereignissen
abhängig.
Ob sich eher liberale Auffassungen in den Religionen durchsetzen
oder eher fundamentalistische, hängt wohl damit zusammen,
in wieweit die Religion Machthabern oder solchen Menschen dienen
soll, die selbst Machthaber werden wollen. Gegenwärtig erleben
wir die fundamentalistische Funktionalisierung des gesamten Islams.
Es geht um den Dschihad, den Krieg zur Ausbreitung des Islams,
der entweder aus Rache oder weil der Islam angegriffen worden
ist, ausgerufen werden kann. Und dies lässt sich ja bei
Bedarf immer so interpretieren. Wir sollten auch nicht vergessen,
dass europäische sowie amerikanische Imperialisten in den
islamischen Regionen der Welt koloniale und halbkoloniale Regimes
errichteten und noch errichten. Heutzutage wird dies Globalisierung
genannt, durch die sich die islamische Oberschicht gefährdet
sieht.
In dem Buch Terror und Liberalismus von Paul Berham,
erschienen in der Bundeszentrale für politische Bildung,
erfahren wir über die Quellen des neuen Dschihadismus: Die
ideologischen Grundlagen der Gründer waren ihre philosophische
Studien in den Jahren nach dem ersten Weltkrieg in Europa. Diese
Studien galten Fichte und den deutschen Romantikern den
Philosophen der nationalen Bestimmung, der Rasse und der Integrität
nationaler Kulturen. Die ideologischen Wegbereiter der deutschen
Nationalisten sind also die geistigen Urheber einer neuen islamischen
Bewegung, die vom Pan-Islamismus träumt, alle islamische
Staaten in einem großen islamischen Reich. Um dieses große
Reich zu erreichen, muss der Dschihad geführt werden, der
heilige Krieg aus politisch-religiösen Gründen.
Die 1928 in Kairo gegründeten Moslem-Brüder,
eine Kaderschmiede, aus denen Fundamentalisten aus verschiedenen
islamischen Ländern sich ideologisch aufrüsteten, u.a.
auch führende Köpfe der Barth-Partei (nationaler arabischer
Sozialismus), schöpfen also aus dieser deutschen Quelle.
Für sie ist der Islam das nationale ideologische Bindeglied,
über die unterschiedlichen gesellschaftlichen Bedingungen
hinweg unter denen Muslime leben.
Sowohl Sunniten als auch Schiiten paktierten mit oder kämpften
gegen die Sowjetunion, Letzteres teilweise bezahlt von amerikanischen
Dollars, paktierten mit oder kämpften gegen die USA. Monarchische
Kräfte, sozialistische Kräfte, allen scheint es nun
wohl auch um den islamischen Nationalismus zu gehen, Islam als
nationale Identität.
Die Moslem-Brüder sind nun eine Organisation geworden, die
Einfluss auf das Denken moslemischer Menschen nimmt. Im Internet
wurden sie befragt, wie ihre Haltung zur Homosexualität
sei. Aus ihrer Antwort:
Es gibt fünf Stellen im Koran, die sich auf schwules und
lesbisches Verhalten beziehen. Manche befassen sich offensichtlich
mit femininen Männern und maskulinen Frauen.
Die zwei wichtigsten Verweise auf homosexuelles Verhalten im
Koran ist einmal die 7. Sure, Vers 80-81:
80 Und (wir haben) den Lot (als unseren Boten gesandt).
(Damals) als er zu seinen Leuten sagte: Wollt ihr denn
etwas Abscheuliches begehen, wie es noch keiner von den Menschen
in aller Welt vor euch begangen hat? 81 Ihr gebt euch in (eurer)
Sinnenlust wahrhaftig mit Männern ab, statt mit Frauen.
Nein, ihr seid ein Volk, das nicht maßhält.
Und zum anderen die Sure 26, Vers 165[-166]: 165 Wollt
ihr euch denn mit Menschen männlichen Geschlechts abgeben
166 und (darüber) vernachlässigen, was euer Herr euch
in euren Gattinnen (als Ehepartner) geschaffen hat? Nein, ihr
seid verbrecherische Leute.(1)
Beide Verweise beziehen sich auf schwule und nicht auf lesbische
Sexualität, da diese im Koran nicht erwähnt wird. Lut
wird in den hebräischen Schriften als Lot bezeichnet.
Diese Passage ist ein offensichtlicher Verweis auf die Ereignisse
bei Sodom und Gomorrah. ... Es gibt den Konsens unter islamischen
Gelehrten, dass alle Menschen von Natur aus heterosexuell sind.
-
- Homosexualität wird von den Gelehrten
als sündhaft und als perverse Abweichung von der Norm angesehen.
Alle islamischen Denkschulen sowie die islamische Rechtswissenschaft
betrachten den schwulen Akt als ungesetzlich.
Nur in Bezug auf die Bestrafung unterscheiden sie sich. Manche
halten eine physische Strafe nicht für gerechtfertigt. Andere
erachten eine ernsthafte Bestrafung für notwendig, während
es einige wiederum für nötig halten, dass mindestens
vier erwachsene Männer als Zeugen auftreten müssen,
bevor jemand der Homosexualität beschuldigt werden kann.
Ansonsten wird von den Muslimbrüdern in Deutschland behauptet,
dass der Mensch heterosexuell sei und für darüber hinausgehende
Neigungen wie Homosexualität sei ein Mensch selber verantwortlich.
Auch ein Alkoholiker könne von diesem Verlangen nach Alkohol
lassen, indem er sich an den Koran halte. Also: homosexuelle
Menschen sollen auf Sex verzichten, heißt dies. Das erinnert
aber sehr an die Verlautbarungen des Heiligen Stuhls in Rom.
Der neue islamische Fundamentalismus scheint in der Lage zu sein,
im unterschiedlichen Gewande, ob unter den Gewändern der
saudi-Wahabiten oder anderen Kräften, auch unter schon integrierten
moslemischen Menschen in Mitteleuropa besonders unter den Jugendlichen
Anhänger zu finden. Mit neuen Moscheen werden in Europa
lebende Muslime beglückt, von Saudi-Arabien gebaut und finanziert,
mitsamt der mitgesandten wahabitischen Priesterschaft. Der Wahabismus
ist auch der wirtschaftliche und ideologische Hintergrund der
Al Quaida.
Teilweise gelingt das Beleben fundamentalistischer Auslegungen
deshalb, weil unsere Gesellschaft auch kaum Anstalten machte,
islamische Menschen, die seit drei bis vier Generationen bei
uns leben, bei uns zu integrieren. So entwickelten diese Jugendlichen
einen trotzigen Stolz gegen unsere Art zu leben, obwohl oft schon
ihre Eltern eher integriert leben, eine Hinwendung zum Fundamentalismus.
Dies hat deutlich Ähnlichkeit mit anderen Jugendlichen,
die sich in unserer Gesellschaft auch als chancenlos ansehen,
die deutschnationalistischen Jugendlichen in den neuen Bundesländern.
Auch sie wenden sich einer menschenverachtenden Ideologie zu,
die ihnen das Gefühl gibt, etwas Besseres zu sein.
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- 4. Der Islam bei uns
Etwa 3,2 bis 3,5 Millionen Menschen leben in Deutschland, die
Anhänger des islamischen Glaubens sind. 2,3 Millionen von
ihnen sind türkischer Herkunft, die größte Gruppe
also, von denen 600.000 einen deutschen Pass haben. In dem o.a.
Artikel im 47. SPIEGEL 2004 wird berichtet, dass doch recht viele
junge Männer türkischer Herkunft mit in der Türkei
lebenden Frauen von ihren Eltern verheiratet werden, im Jahr
2003 waren es 10.003 Frauen, und einige in Deutschland lebende
junge Frauen mit in der Türkei lebenden Männern, im
Jahr 2003 waren es 7.769. Dies geschieht oft gegen den Willen
der in Deutschland lebenden Frauen.
-
- Und die aus der Türkei stammenden nachgezogenen
Ehefrauen sind den türkischen Männern in Deutschland
aus unserer Sicht Halbsklavinnen, dürfen oft die Wohnung
in Deutschland nicht verlassen, sprechen auch gar nicht deutsch.
Ihre Lage ist (zur Freude ihrer Pascha-Männer) eher erbärmlich.
Glaubt man dem Artikel, gibt es dort auch häufig Gewalt
gegen Frauen. Diese türkischen Männer fühlen sich
den deutschen Männern überlegen, weil die Deutschen
sich ja deren Frauen gegenüber nicht als Männer erweisen
würden.
Nun muss ich aber eine Erklärung einschieben, bevor ich
über Vorfälle berichte und ihre Bedeutung untersuche,
die für unser Verständnis von Belang ist:
In jeder Gesellschaft gibt es einen Teil der Bevölkerung,
der sowohl wirtschaftlich als auch von seinem Lebenssicht her
außerhalb des normalen gesellschaftlichen Lebens stehen.
Es sind dies sehr Arme, teilweise auch Obdachlose, also die soziale
Schicht, die Marx bei seiner Analyse der sozialen Klassen als
Lumpenproletariat bezeichnete, die Schicht, die noch
unter der Arbeiterklasse steht. Hier werden ständig Gewalttätigkeiten
und kleinkriminelle Strukturen geboren. In manchen Zeiten gelingt
es, diese Schicht strukturell zu integrieren, in anderen Zeiten
wird sie größer und größer, je mehr Menschen
aus der wirtschaftlich integrierten Gesellschaft gedrängt
werden. Sowohl Arbeitnehmer als auch kleine Gewerbetreibende
sind immer in der Gefahr, in diese Schicht abgedrängt zu
werden.
In Deutschland gibt es Armut, und zu den ärmeren Schichten
der Bevölkerung gehören besonders viele Menschen, die
von der Wirtschaft ins Land geholt wurden, um die Löhne
der Arbeitnehmer zu drücken. In dieser sozialen Schicht
befinden sich unverhältnismäßig viele Immigranten,
also Menschen die aus Osteuropa oder aus dem Südosten bei
uns eingewandert sind.
Das Lumpenproletariat ist gekennzeichnet durch einen deutlich
schwächen Bildungsstand als der Restbevölkerung, deutlich
größere Bereitschaft, andere arme Leute für die
Schuldigen an der eigenen Misere anzusehen, deutlich höhere
Ansprechbarkeit für autoritäre Ideologien und Religionsauslegungen,
denn diese Anschauungen können ihnen als Rechtfertigung
dienen, sich gegen die Gesellschaft zu wenden, aus der sie verdrängt
sind.
Parallelgesellschaften sind solche Teile der Gesellschaft, die
nicht von der Gesellschaft integriert sind. Ist die Lesben- und
Schwulenszene einen Parallelgesellschaft? Nein, denn sie bildet
kein geschlossenes System, sondern ist in den Nischen eingerichtet,
die unsere Gesellschaft für homosexuelle Menschen übrig
hat. Man nennt dies Subkultur, also eine Unterkultur der bestehenden
Kultur.
Eine Parallelgesellschaft ist keine Unterkultur, sondern eine
andere, vielleicht gar eine Gegenkultur. Sie läuft in verschiedenen
Fragen auch gar nicht Parallel zur dominierenden Kultur, was
der Name nahelegen würde.
Alexander Zinn vom LSVD schreibt unter dem Titel Class
of Cultures das Kapitel Das Scheitern des Multikulturalismus
in Muslime unter dem Regenbogen, erschienen im Querverlag
in Berlin:
- Auch wenn Multikulturalismus für
Konservative bis heute ein Reizwort geblieben ist, verbindet
sich mit ihm eine erstaunliche Erfolgsgeschichte über die
Parteigrenzen hinweg. Was der linke Traum war, die internationale
Durchdringung der deutschen Kultur, galt Anhängerinnen einer
deutschen Leitkultur als wahrer Albtraum. Einige Konservative
erkannten doch, dass das multikulturelle Konzept durchaus mit
dem konservativen Glauben an die kulturelle Differenz vereinbar
ist. So auch die Berliner Ausländerbeauftragte Barbara John
(CDU), die schon in den achtziger Jahren eine entsprechende Politik
betrieb. Gefördert wurden von ihr weniger Projekte, die
sich um Integration bemühten. Unterstützt wurden vor
allem die religiösen Vereine und Moscheevereine,
ohne dass dabei die Frage gestellt wurde, inwieweit solche
Vereine Integrationsarbeit leisten (Ghadban 2003). Selbst
zur Zusammenarbeit mit Milli Görus, einer islamistischen
Organisation, die vom Verfassungsschutz beobachtet wird, war
John bereit (Ceyhun 3001). Diese zweifelhafte Politik führte
dazu, dass die Sozialarbeit unter Ausländern, wie
zum Beispiel Beratung, Frauen- und Jugendarbeit, sich in die
Moscheenvereine verlagerte (Ghadban 2003). Durch die wachsende
Stärke religiöser Vereine wurden konservative Tendenzen
in den Migrantencommunitys gestärkt und in den Familien
die traditionelle Erziehung begünstigt (Ghadban 2003).
Letztlich unterstützte die Berliner Auslandbeauftragte damit
eine Abkapselung der MigrantInnen gegenüber der Mehrheitsgesellschaft.
Kaum anders tickten die Uhren derweil im grünalternativ
regierten Kreuzberg. Hier wurde die Förderung muttersprachlicher
Angebote zum Dogma. ... (a.a.O. S. 228).
-
- Der Autor beschreibt dann weiter, dass über
die Hälfte der türkischen Eltern mit ihren Kindern
ausschließlich türkisch sprechen. Er erklärt,
dass durch die Neigung, nur islamische Ehefrauen zu heiraten,
viele junge Türken ihre Frauen aus der Türkei nachholen.
Sechzig Prozent der Kinder haben bei der Einschulung mangelnde
deutsche Sprachkenntnisse und in Klassen mit über 80% ImmigantInnenkinder
können sie das auch nicht ausgleichen. 34% die TürkInnen
zwischen 18 und 30 Jahren haben keine Berufsausbildung, über
50% der in Berlin lebenden TürkInnen unter 35 sind arbeitslos,
finden nur in der Parallelgesellschaft Arbeit.
Die Homophobie unter türkisch- und iranischstämmigen
Jugendlichen in Deutschland hat etwas mit dem Wertekonflikt zwischen
Herkunfts- und Aufnahmegesellschaft zu tun, die sie nicht lösen
können. Auch unter deutschstämmigen Unterschichts-Jugendlichen
und den MigrantInnen aus anderen Ländern ist die Homophobie
verbreitet. Der Unterschied bei den türkisch- und arabischstämmigen
Jugendlichen ist, dass sie ihre Homophobie meist mit dem Hinweis
auf ihre Religion zu rechtfertigen suchen. Sie stoßen in
ihrem sozialen Umfeld auch nicht auf Widerspruch.
In den türkisch- und arabischstämmigen Familien wird
nicht über Sexualität geredet. So wird die dort auftauchende
Homosexualität als nichtexistent verhandelt: das gibt es
bei uns nicht, das ist verboten. Homosexuelle werden als dekadenter
Auswuchs der westlichen Kultur wahrgenommen. Als Ursachen werden
von Alexander Zinn genannt: Die ländlich-bäuerliche
Herkunft in der Sexualität und Homosexualität als Diskurs-Themen
nicht bekannt sind, die autoritär-patriarchalischen Strukturen
vieler Einwanderer, in der homosexuelles Verhalten als passiver
Analverkehr assoziiert wird, was als weiblich die
Mannes- und Familienehre verletzt, und die islamische Interpretation
von Homosexualität als Sünde, die je nach Auslegung
von Koran und Hadithen ggf. mit dem Tode zu bestrafen ist. Bestätigung
dafür finden sie in den Koranschulen.
Umarmungen und ein Abschiedskuss zwischen Männern sind nun
in bestimmten Regionen Berlins gefährlichgeworden, und viele
Schwule in Berlin trauen sich nicht mehr, Hand in Hand zu gehen
und Ähnliches. Das Widersinnige ist, dass solche Verhaltensweisen
in orientalischen Ländern durchaus üblich sind, da
es dort zwischen Männern weniger Körperscheu gibt als
zwischen Mitteleuropäern. Die homophoben Jugendlichen erfüllen
somit Normen, die aus der deutschen Gesellschaft stammen, die
sie ablehnen.
2003 kam es zu einem Übergriff auf den CSD in Berlin. Ziel
des Angrifft war der Wagen von GLADT, eine Gruppe türkeistämmiger
Schwuler und Lesben. Sie fühlten sich von Schwulen und Lesben
aus der eigenen Community ganz besonders provoziert.
Es gab auch zahlreiche Übergriffe auf schwule Lokale, und
auf das Cafe PositHiv der Aidshilfe, das offensichtlich monatelang
derart attackiert wurde, dass man sich entschloss, in einen anderen
Stadtteil umzuziehen. Alexander Zinn schreibt hier:
Polizei, Jugendarbeit und Politik versagten in diesem Fall
komplett. Statt den Opfern ihre uneingeschränkte Solidarität
zu demonstrieren, wurden diesen von Quartiermanagern´
angehalten, sich auf den Kiez einzulassen und mit den Angreifern
auseinander zu setzen. Obgleich die Betreiber des Café
nicht als Plattform politischer und gesellschaftlicher
Auseinandersetzung verstehen´, zeigten sie guten Willen:
bei einem Straßenfest verteilten sie Bonbons als
diese alle waren, wurden sie bespuckt, geschlagen und aus schwule
Sau´ beschimpft. Die Eltern standen lachend dabei. Quartiermanagerin
Gisela Gut kommentierte den Wegzug inzwischen so: Das Café
PositHiv kann sich offensichtlich gegen diese Jugendlichen nicht
mehr behaupten. Außerdem treffen hier zwei schwierige Gruppen
aufeinander (...) Ein Problem besteht auch darin, dass das Café
PositiHiv nicht immer kontinuierlich mit uns im Gespräch
geblieben ist.´ Solche Sichtweisen sind symptomatisch:
Nur allzu oft wird bei homophoben Hass-Delikten bagatellisiert
und nicht klar zwischen Tätern und Opfern unterschieden.
Unterschwellig wird den Opfern damit eine Mitschuld unterstellt.
Der gescheiterte Sozialarbeiter kann so natürlich sein Gewissen
beruhigen. Gesellschaftspolitisch ist eine solche Konfliktbewältigung´,
die letztlich das recht des Stärkeren akzeptiert, allerdings
verheerend. (S. 243)
-
- 5. Homosexuelle Muslime in Deutschland
Diese Entwicklung ist auch für lesbische und schwule Muslime
in Deutschland verheerend. Sie haben weder in ihrer Herkunftskultur,
in den Gruppen altersgleichen Jugendlichen und in Ihrer Religion
Hilfe, noch in der Mehrheitsgesellschaft in Deutschland, in altersgleichen
deutschen Jugendgruppen usw. im o.a. Buch wird von psychischen
Problemen berichtet. Und so ist es angesichts der zwischenmenschlichen
Kälte in der deutschen Gay-Szene gut, dass es Selbstorganisationen
von immigrierten Lesben und Schwulen gibt, die allerdings mit
dem Engagement einzelner Personen stehen und fallen.

Im Großen und Ganzen werden jugendliche Muslime durch ihr
familiäres und religiöses Umfeld in einem Zustand des
Selbstzweifels und der Schuldgefühle gehalten.
So gibt es in den unten angegebenen Büchern Hinweise, dass
sich homosexuelle Muslime in Europa den Koran vornehmen und,
im Gegensatz zur fundamentalistischen Auslegungen des Korans
um eine liberalere Auslegung bemühen. Ich stimme aber einigen
islamischen Autoren zu, dass durch eine Art Menschenrechtsrevolution
in einigen islamischen Kernländern die Macht der politischen
Fundamentalisten über den Koran zurückgedrängt
werden kann.
Die Menschenrechte, sind eine universelle menschliche Errungenschaft,
sie sind absolut verteidigungswert, auch wenn man sie zu ihrer
Verwirklichung gegen Religionen und Kirchen wie gegen unterschiedliche
Diktaturen zu verteidigen hat, auch wenn sie immer wieder mal
zur Rechtfertigung von Kriegen benutzt wurden.
Was das Akzeptieren der Menschenrechte ganz allgemein betrifft,
sieht es nicht nur in den islamischen Staaten eher trübe
aus, aber eben ganz besonders in diesen. In der Israel-freundlichen
oppositionellen ägyptischen Wochenzeitung al-Usbua
erschien ein Bericht über einen Resolutionsentwurf des Europäischen
Parlaments, in dem Ägypten wegen wiederholter Strafverfahren
gegen Homosexuelle kritisiert wird. So wird diese Frage auch
zum Politikum zwischen Staaten.
In dem Resolutionsentwurf, der am 03. Juli 2002 in das Parlament
eingebracht wurde, wird auf das Assoziationsabkommen zwischen
Ägypten und der EU hingewiesen, welches die Gewährleistung
von Menschenrechten und Demokratie einfordere.
Europa kam durch die Entmachtung der vorherrschenden Religion
durch einen weltlichen Staat und der Toleranz der individuellen
Entscheidung für oder gegen eine Religion zum Religionsfrieden.
Was jemand glaubt, ist seine Privatsache, und wie ein Mensch
sein Leben einrichtet, ist auch weitgehend seine Privatsache.
Die Trennung zwischen Kirche und Staat ist zwar noch nicht ganz
und gar erreicht, aber sie gehört zu den Grundlagen der
individuellen Freiheit. Hinzu gehört aber auch das Recht,
Religionen kritisieren zu dürfen, ohne das man gleich ermordet
wird, wie es dem Filmemacher van Goch erging. Wir erinnern uns,
dass der Schriftsteller Salman Rushdi von islamischen Mördern
weltweit verfolgt wurde. Der Mordaufruf von Ayatollah Komehni
erinnert an das christliche Mittelalter, als der Papst über
Luther die Bann-Bulle ausrief und ihn für Vogelfrei erklärte.
Das war vor der politischen Entmachtung der Kirche durch den
Staat. Dieser Sturz von Adel und Klerus ist nicht reibungslos
geschehen, und die Kirche hat sich mit all ihren Möglichkeiten
dagegen gewehrt, an politischen Einfluss zu verlieren.
Es scheint so zu sein, dass die individuellen Freiheiten besonders
gegen Religionsführer immer wieder zu erkämpfen sind.
Nur unter den Bedingungen der individuellen Freiheit können
Lesben und Schwule einigermaßen unbehelligt leben. Da gibts
überall, bei uns und in anderen Ländern, sehr viel
zu tun.
-
- 6. Parallelgesellschaft, Integration oder
Assimilation?
Dass sogenannte Parallelgesellschaften unerträglich sind,
braucht hier sicherlich nicht näher betont zu werden. Assimilation
ist das Verschwinden der Minderheit in der Mehrheit, das kann
bis zum Eindeutschen der Namen gehen. Änderung der Religion,
der Speisen usw. Ich glaube, der Assimilationseffekt kommt sicher
über einen längeren Zeitraum mit der Änderung
der gesamten Bevölkerung dann von alleine, wie das bei den
Hugenotten im preußischen Königreich und den Polen
im Ruhrgebiet war. Die Hugenotten kamen ab 1685 nach der Aufhebung
des Ediktes von Nantes nach Brandenburg, Nordhessen und in viele
Regionen Preußens, was den preußischen König
dazu brachte, festzustellen, dass in seinem Lande jeder nach
seiner Fasson selig werden könne. Der Integrationsprozess,
der in einen Assimilierungsprozess über ging, dauerte formal
bis 1807, als Napoleon im besiegten Preußen alle staatsbürgerlichen
Sonderbestimmungen für die Hugenotten abschaffte. Es war
auch nur noch eine Traditionspflege ohne eine französische
Subkultur.
Die Integration der Polen im Ruhrgebiet ging rascher vonstatten,
was wohl damit zu tun hat, dass die eingewanderten Hugenotten
in erster Linie unabhängige Handwerker waren, die eingewanderten
Polen jedoch unselbständige Grubenarbeiter. Aber die in
die Assimilation übergehende Integration aus dem Ausland
stammender Minderheiten führte eben auch dazu, dass sich
bei den üblichen gesellschaftlichen Wandlungen die Gesamtbevölkerung
von diesen Minderheiten modifiziert wurde. Die weltweit zu verzeichnende
zunehmende politische Radikalisierung der islamischen Bevölkerungen
muss aber in Rechnung gestellt werden, wenn über Integration
und Assimilation spekuliert wird.
Aber Integration in die Rechtsordnung, das Rechtsverständnis
und vor allem die Sprache kann verlangt werden, weil dies den
Integrierten, den Einheimischen und der gesamten Gesellschaft
nutzt. Sie sind dann ein Teil unserer Gesellschaft, der auf seine
Art lebt, denn wir Lesben und Schwule wollen ja auch auf unsere
Art leben.
Das wichtigste ist, dass jeder Mensch die individuelle Entscheidung
jedes Menschen in Fragen Lebensstil, Religion, sexuelle Präferenzen,
Beziehungsentscheidung zu achten hat. (js)
-
- Literatur:
Djihad und Judenhass, über den neuen antijüdischen Krieg von
Matthias Küntzel, erschienen bei Ca ira-verlag, Freiburg.
Matthias Küntzel weist nach, dass der Antisemitismus nicht
nur eine Beigabe zum modernen Djihadismus darstellt, sondern
deren Kern ausmacht. Im Zentrum steht die 1928 in Ägypten
gegründete Organisation der Muslimbrüder,
die im Kontext der Weltwirtschaftskrise die Idee des Djihad neu
entdeckt und die wichtigsten gegenwärtigen Djihad-Bewegungen
al-Quaida und Hamas maßgeblich inspiriert
hat. 180 Seiten, 13,50 Euro, 3-924627-006-1
-
- Homosexualität und Islam, Koran Islamische Länder Situation
in Deutschland von Michael Bochow, Rainer Marbach (Hg.), erschienen
im MännerschwarmSkript Verlag Hamburg
im
Zusammenarbeit mit dem Waldschlösschen. Junge Männer
türkisch/kurdischer Herkunft werden in Deutschland nach
wie vor als fremdländisch angesehen, kennen aber die Türkei
oft nur noch als Urlaubsland. In dieser Situation bleiben ihnen
als Wege vor allem Überanpassung, die Überbetonung
der nationalen Herkunft ... Aber wo bleiben in diesem Spannungsfeld
schwule Jugendliche und Männer aus muslimischen Migrantenfamilien?
Das Buch gibt einen Überblick über die Lage in einen
Überblick über die Lage in einigen Kernländern
des Islam, einen Einblick in die Arbeit schwullesbischer MigrantInnengruppen
aus der Türkei und eröffnet einen schwulen Blick auf
den Koran. 160 Seiten, 14 Euro, ISBN 393556243
-
- Muslime unter dem Regenbogen, Homosexualität Migration und Islam, LSVD
Berlin Brandenburg e.V. (Hg.), erschienen im Querverlag Berlin.
Islam und Homosexualität das scheint nicht zusammenzupassen.
Und tatsächlich: Von
islamischen
Geistlichen wird Homosexualität als Sünde von
Sodom verurteilt. In den meisten islamischen Ländern
werden Lesben und Schwule verfolgt. 272 Seiten, 14,90 Euro, ISBN
3-89656-098-0
-
- Terror und Liberalismus von Paul Bermann, erschienen in der Bundeszentrale
für politische Bildung. In diesem Buch erfahren wir über
die Quellen des neuen Dschihadismus: Die Grundlagen der Gründer
waren philosophische Studien in den Jahren nach dem ersten Weltkrig
in Europa. Diese Studien galten Fichte und den deutschen Romantikern
den Philosophen der nationalen Bestimmung, der Rasse und
der Integrität nationaler Kulturen. Am Anfang steht
die Frage: was treibt den islamischen Terror an? Im Zentrum steht
eine These. Sie sagt, Islamismus und totalitäres Denken
haben im Kern etwas Gemeinsam: Beide vollziehen den Aufstand
gegen die liberale Moderne, gegen den permanenten Wandel, gegen
Vielfalt und Kommerz. Beide sehnen sich nach der großen
Einheit, der alles beherrschenden Ordnung. ... eva, 266
Seiten, 22,90 Euro, 3-434-50579-2
-
- Der Koran, das heilige Buch des
Islam Herausgegeben 1959 vom
Goldman Verlag München. Eine authentische deutsche Übersetzung
des Korans mit einer Einführung und Erläuterungen.
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