- 80. LUST, Herbst 04
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- Wahlen und Manipulation
Wenn sich nur noch 50 % der WählerInnen
von unseren PolitikerInnen angesprochen fühlen,
wieso sitzen diese dann auf 100 % der Abgeordnetenstühle?
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- Die Wahlen sind für dieses Jahr weitgehend
vorbei. Besonders die SPD, die doch alle Wünsche der UnternehmerInnenverbände
und der CDU/CSU sowie der FDP erfüllt hat, wurde von den
WählerInnen dafür abgestraft, während die Union
ein Bundesland nach dem anderen übernahm. Es war nicht so,
dass die Union mehr Stimmen bekam, aber prozentual stieg ihr
Stimmenanteil an, weil die Wahlbeteiligung besonders der SPD-WählerInnen
rapide zurückging. Erst als Schröder die Union und
die PDS in einen Topf warf, die Union auch als Verweigerin der
Reformen, die sie im Bunderat verlangte, bekam die Union den
Zorn der Leute auch etwas mehr zu spüren, die aufgrund der
Reformen sozial abgestuft wurden.
In den zynischen Medien der strahlenden Wohlstandswelt, in der
Versager und Looser der Lächerlichkeit
preisgegeben werden, finden sich immer mehr Menschen unter gerade
diesen Loosern wieder. Und wer wurde verantwortlich gemacht?
Natürlich wir, die wir jahrelang
über unsere Verhältnisse gelebt hätten.
Und an den schlechten Wahlergebnissen ist Oskar Lafontaine schuld
und die PDS. Und die beiden sind natürlich auch an den Nazi-Stimmengewinnen
schuld. Und so stellt sich Frau Merkel hin und sagt, 30 % hätten
Protest gewählt, - also PDS und die Nazis - soll das heißen.
Besonders in Sachsen sind aber seit Jahren ganze Regionen von
den Nazis stückweise als ihre Bastionen übernommen
worden, und nun fahren sie ihre Ernte ein. Das ist kein Protestwahlverhalten
mehr, das ist eine echte Bedrohung.
Und wenn Merkel von 30 % Protest spricht, dann unterschlägt
sie, dass über 40 % der Wahlberechtigten gar nicht mehr
zur Wahl gehen, weil sie sich durch das Wählen nichts mehr
versprechen.
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- Unser Wahlsystem
Wie die wahren Zahlen aussehen, das kommt dann in den offiziellen
Rechnungen gar nicht mehr zum Vor-schein, weil wir überwiegend
nur Prozentzahlen und keine realen Zahlen zu sehen bekommen.
Denn in den Zahlen kann man besser die realen Verluste an realen
Stimmen erkennen. Und was die Prozentzahlen betrifft, so werden
dann die abgegebenen Stimmen einfach als 100 % umgelogen, so
dass die NichtwählerInnen in den Pro-zentaufteilungen der
Sitze nicht berücksichtigt zu werden brauchen.
Dann wird, wie im Saarland, gesagt, die CDU konnte eine absolute
Mehrheit erzielen. Stimmt das?
In Wirklichkeit ist die Union nur noch von ca. 25 % der Wahlberechtigten
gewählt worden. Diese Abgeordneten vertreten gar nicht mehr
das Volk. Das Wahlvolk hat sich von ihnen abgewandt.
Warum soll ich Leute wählen, die sich selber wirtschaftlich
sanieren und die den Klassenkampf von oben gegen uns führen?
Viele Wahlberechtigten sind nicht mehr bereit, dafür dann
überhaupt noch zur Wahl zu gehen, zumal ja auch die Parolen
im Wahlkampf immer austauschbarer sind. Wie kann man da Unterschiede
erkennen? Und wenn die Wahl herum ist, fühlen sich alle
Politiker für ihre Politik bestätigt.
Und sie rechnen ihre Ergebnisse schön, währen die Medienvertreter
sie darin unterstützen. In den Medien werden eine Woche
lang die seltsamen Interpretationen der Schönrechner und
Manipulierer gebetsmühlenartig heruntergebetet, so dass
man es gar nicht mehr sehen und hören will. Das ist dann
unsere Wahlverdrossenheit unsere politische Müdigkeit.
Die Wahlkampfkostenerstattung wird aber nicht von den real abgegebenen
Stimmen errechnet (wie auch die Abgeordnetensitze nicht) sondern
da wird dann wieder zur Zahl der Wahlberechtigten gegriffen,
als hätten diese alle wirklich gewählt. Das bringt
mehr Geld aus dem Steuertopf. Also schauen wir mal, wie viele
Abgeordneten wirklich in den Parlamenten sitzen würden,
wenn nur die wirklich Gewählten einziehen könnten.
Und schauen wir mal, wieviel Prozente der Wahlberechtigten die
einzelnen Parteien wirklich erhalten haben.
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- Unser System
Natürlich muss es ja Leute geben, die die Regierungsarbeiten
machen, die so anfallen. Und da sie das im Auftrag von uns Wahlberechtigten
tun, ist auch klar, dass nur die in die Parlamente einziehen
können, die uns auch überzeugen konnten, dass sie in
unserem Sinne ihre Arbeit machen. So müsste es sein.
Wenn die Wahlenthaltung ihre Plätze kosten würde, dann
würde das ein viel größeres Bemühen der
Abgeordneten erzeugen, für uns da zu sein. Unterm Strich
wären es aber deutlich weniger Abgeordnete, die ihre opulenten
Bezüge aus den Steuergeldern bekämen, und bei der gegenwärtigen
Staatsverschuldung muss ja, wie uns die Abgeordneten erklären,
überall eifrig eingespart werden.
Wieviel Abgeordnete benötigt eine Bevölkerung? In den
unterschiedlichen Landtagen wird das Volk durch unterschiedlich
viele Abgeordnete vertreten. Vielleicht kann man sich ja irgendwann
einmal einigen, dass je 100.000 Wahlberechtigten ein Abgeordneter
gewählt werden könnte. In unserem Fall haben wir uns
an die Anzahl der Abgeordneten in den gegenwärtigen Landtagen
orientiert.
Ein Abgeordneter könnte einziehen, wenn er (aufgerundet,
da sind wir großzügig) so viele Stimmen erhalten könnte,
dass entweder er oder seine Partei (die ihn aufgerstellt hat)
durch die WählerInnen wirklich gewählt wurde.
Wahlenthaltung ist ja auch eine qualifizierte Willensäußerung,
und Wahlenthaltungen würde einfach die Abgeordnetensitze
einschränken. Ungültiges Wählen ist ebenso eine
Willenäußerung, nämlich dass man von den hier
angebotenen Abgeordneten niemanden wählen möchte, im
Prinzip aber gerne jemanden wählen würde. Wenn also
ungültig gewählt wird, dann kostet das auch Abgeordnetenplätze.
Auf diese Weise, denken wir, könnte das Interesse an der
Demokratie, der Volksherrschaft also, auch bei den Politikern
wieder etwas verstärkt werden. Vielleicht käme es auch
zu einer besseren Kommunikation zwischen denen, die sich zur
Wahl stellen, und denen, die sie vielleicht wählen würden.
Aber schauen wir mal in die drei Landtage und sehen wir, was
passieren könnte.
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- Saarland
Im vergangenen und im neugewählten Landtag sitzen 51 Abgeordnete.
Ministerpräsident Müller
hat
25,7 % der Stimmen der Wahlberechtigten erhalten.
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- Da ein Prozent der Wahlberechtigten 8.228
Stimmen ergeben, kann keine andere Prozentzahl ausgewiesen werden,
alles andere ist Manipulation. Bei 51 Abgeordneten ist die Zahl
der Wahlberechtigten, die auf einen Abgeordneten fallen, 16.134.
Das bedeutet, dass seine Partei über 13 Sitze verfügen
könnte. Mehr ist nicht drin. Da aber die anderen Parteien
auch sehr wenig Sitze erworben hätten, könnte er sicherlich
trotzdem regieren, aber wohl wissend, und die Öffentlichkeit
weiß es auch, dass nur 1/4 der Wahlbevölkerung ihn
gewählt hat.

Infolgedessen müsste er sicherlich bei vielen wichtigen
anstehenden Fragen die Bevölkerung befragen, da er ja aufgrund
der wenigen Stimmen überhaupt nicht die Legitimation hat,
über den Kopf der gesamten Bevölkerung hinweg zu entscheiden,
die ja sicherlich gute Gründe hatte, seine Partei nicht
mit mehr Stimmen zu wählen.
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- Sachsen
Herr Milbrad, der einerseits gegen die Beschlüsse in Berlin
demonstriert, die er andererseits im Bundesrat selber beschlossen
hat, verfügt nach unserer Rechnung nun nur noch über
24 % der Stimmen der Wahlbevölkerung, das reicht nicht mehr
zur Regierungsbildung, weil die anderen zusammen über mehr
Stimmen verfügen.
- Bei der opulenten Ausstattung von 120 Abgeordneten
kann er nämlich nur noch über 29 Abgeordnete verfügen,
denn für einen der Abgeordneten sind immerhin noch 29.937
Stimmen der Wahlberechtigten nötig. Er müsste sich
schon etwas einfallen lassen, um beim nächsten Mal mehr
Stimmen zu erhalten, vielleicht bekämen aber auch andere
eine Chance. Die FDP-Abgeordneten reichen auch bei unserem System
nicht aus.

Dass es in Sachsen der Nazipartei NPD gelungen ist, nahezu so
viele Stimmen wie die SPD zu erhalten, ist deshalb katastrophal,
weil unser Wahlsystem ja sehr trickreich aufgebaut ist und die
auf diese Weise zustande gekommenen Mehrheiten dann tatsächlich
eine Macht gegen das Volk ausüben können, ohne dass
das Volk dann die Möglichkeit hat, sich legal zu wehren.
Die gewählte Regierung verfügt dann über den staatlichen
Machapparat und kann ihn nach Gutdünken nutzen. Erst bei
den nächsten Wahl, wenn sie dann noch stattfindet, könnte
eine Änderung erzielt werden.
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- Brandenburg
Es ist schon witzig, wie sich Schönborn in der Wahlnacht
herauszureden versuchte, warum seine Partei nun nur noch an der
3. Stelle steht. An seiner Politik liegt es jedenfalls nicht.
Vor vier Wochen habe es noch so ausgesehen, sagte er in den Medien,
dass die Union die stärkste Partei wäre. Und dann erklärte
er, dass die böse PDS wieder Schuld daran gewesen sei, dass
die CDU verloren habe und nun auf Platz 3 steht.

Propaganda für die Wahl einer Partei scheint allen Parteien
wichtiger zu sein als irgendwelche Wahrheiten oder Tatsachen
und als das Gemeinwesen überhaupt, denn viele Abgeordneten
tun nach den Wahlen so, als ob sie wirklich nun über das
Volk gestellt wären.
- Wahlkampf
Also im Wahlkampf scheint es nur darum zu gehen, die Bevölkerung
zu verblöden und dann lachend die Ernte einzufahren.
Bei diesen Wahlen kann man das besonders gut an der FDP sehen.
Diese Partei der Besserverdienenden fordert seit Jahren den stärksten
Abbau der Sozialsysteme und hofft auf eine wirtschaftliche Kälte,
die beispiellos ist. Liberalismus bedeutet ja auch, dass jeder
zu sehen hat, wo er bleibt. Aber dass arme Menschen dann nicht
so viele Möglichkeiten haben wie reiche, wird einfach ignoriert,
denn sie sind ja selbst schuld, sie haben nicht genug geleistet.
Das klingt dann
so, als ob Lohnarbeit
und Geldscheffeln gleichwertige Leistungen seien.
Das kann Herr Westerwelle natürlich nicht den WählerInnen
so offen erklären, dass er Politik für eine kleine
Minderheit macht, die noch besser verdienen könnte, wenn
alle Gelder in ihre Taschen statt zum Teil in Sozialsysteme fließen
würden. Herz statt Hartz war der Wahlkampfslogan
dieser Partei. Hartz IV baut wohl die Sozialsysteme
nicht weit genug ab, denn alles soll privatisiert werden. Aber
die Alternative dieser Partei ist nicht Mitmenschlichkeit, nicht
Herz.
Wie gesagt, es kommt ja nur darauf an, dass bei geschicktem Rechnen
und später durch geschicktes Taktieren die eigenen Leute
in Schlüsselpositionen kommen. Was dann später alles
für Herzlosigkeiten geschehen, dafür hat man ja seine
bezahlten Medienleute, die dann die entsprechenden Nebelkerzen
werfen und wild mit den Fingern auf die zeigen, die gegen den
Sozialabbau und ihre absehbare Verarmung protestieren, denn die
seien am kommenden Elend schuld. Und damit die Leute nicht immer
rebellischer werden, damit sie nicht zunehmend mehr durchschauen,
was sich im Lande und auch sonst auf der Welt abspielt, ist man
schon dabei, die NPD hochzupäppeln, die man deshalb auch
nicht verbieten durfte, sie wird ja im Sinne der hohen Geldherren
vielleicht noch gebraucht.
Und die Journalisten, die sich wie kleine Diktatoren aufspielen,
wissen schon, wofür sie bezahlt werden. Da die Medien der
Wirtschaft gehören, werden die uns schon alles gut erklären.
(js)
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