80. LUST, Herbst 04
 
Homosexualität ist ein Menschenrecht und
Homophobie ist keine Folklore
In Deutschland lässt man es nicht zu, dass zur Ermordung oder Diskriminierung irgendeiner Menschengruppe mit vermeintlich gleichen Eigenschaften aufgerufen wird. So ist nicht erlaubt, zur Ermordung und Verfolgung von Christen, Moslems oder Juden wegen ihrer Religion aufzurufen.
 
Dass man nicht dazu aufrufen darf, homosexuelle Menschen zu ermorden, scheint indes noch nicht überall im Lande bekannt zu sein. Doch Deutschland hat den Aufruf des linken brasilianischen Präsidenten Lula da Silva unterstützt, von der UNO-Menschenrechtskommission die Aufnahme von “sexueller Orientierung” in die Liste der Menschenrechte zu beschließen.
 
Zwar hat Lula den Antrag dann später zurückgezogen, weil er aufgrund des innerbrasilianischen Druckes, besonders der katholischen Kirche und der USA-Connektion dazu genötigt wurde.
Doch der Antrag ist gestellt worden und es gibt andererseits Unterstützerstaaten, so dass es weiter verfolgt wird. Die Gegner des Antrages sind die islamischen Staaten und der Vatikan sowie die Staaten, auf die der Vatikan großen Einfluss hat, und zwar hauptsächlich über die konservativen Parteien. Eine Mehrheit für diesen Antrag ist sehr fraglich, die einstimmige Annahme erscheint mir sehr unwahrscheinlich. Und nach der Bundestagswahl wird ja Deutschland von der Union regiert und nicht mehr zu den Unterstützerstaaten gehören. Und dabei ist es sehr bedauerlich, dass dieser so sehr belehrende Antrag noch nicht angenommen konnte, da u.a. die staatliche Verfolgung homosexueller Handlungen, zumeist der schwulen, noch zahlreich üblich ist.

In 83 Staaten der Erde maßen sich die Regierungen an, mittels der Staatsgewalt und der Gesetzhebung männliche homosexuelle Handlungen zu verfolgen, in 44 dieser Staaten darüber hinaus auch weibliche homosexuelle Handlungen. Die “Strafen” gehen von Hinrichtungen, wobei die Steinigung eine besonders grausame Form dieser Hinrichtung darstellt, über Gefängnis- und Zuchthausstrafen von 20 oder 15 Jahren usw. Was die strafrechtliche Verfolgung für eine Ermutigung der “normalen” Bevölkerung darstellt, lässt sich zum Beispiel an dem malerischen Karibik-Inselstaat Jamaika erkennen. Hier wird „nur” die männliche Homosexualität betraft, und zwar mit bis zu 10 Jahren Haft.

Rastafari-Stars und die Schwulen
Auf Festivals, auch auf lesbisch-schwulen, wird gerne der Reggae-Musik gelauscht, wobei man die Texte nicht so recht versteht. “Schieß einem Schwulen in den Kopf, richtige Jungs unterstützen keine Schwulen”, singt zum Beispiel der Reggae-Star Buju Banton in “Boom bye bye”. Der jamaikanische Dancehall-Reggae-Star ruft in diesem Lied aus dem Jahr 1992 offen dazu auf, Schwule durch Kopfschuss, Säureattentat oder Brandanschlag zu ermorden. Es ist schon lange bekannt, dass die Dancehall-Reggae-Stars gegen Schwule und gelegentlich auch gegen Lesben hetzen. In Deutschland wurde dieser unangenehme Beigeschmack weithin einfach ignoriert oder als Teil der jamaikanischen Macho-Kultur grinsend hingenommen. Und die Musik sei ja so doll, deshalb möge man auf sie auch nicht verzichten.

Homosexualitätshass ist in Jamaika kulturell verankert. Einerseits durch die wörtliche Auslegung des Alten Testaments und andererseits der Auffassung, Homosexualität sei eine Erfindung der kolonialen Unterdrücker.

Für Künstler wie Beenie Man oder die Boygroup T.O.K. ist es Ausdruck religiöser Rechtschaffenheit, Schwule zu attackieren und zu ihrer Ermordung aufzurufen. “Batty Boys” oder “Chi Chi Man” werden Schwule auf Jamaika genannt. Dies alles als eine folkloristische Eigenart einfach zu entschuldigen ist nicht hinnehmbar.

Die staatlichen Organe sind recht zögerlich, wenn es darum geht, die Mörder von homosexuellen Männern zu verfolgen. Als der Gründer der jamai-kanischen Schwulenorganisation J-Flag, Brian Williamson, mit 17 Messerstichen ermordet wurde, wurde dies als ein normaler Raubmord klassifiziert. Aber wenn der Rastamann Buju Banton von seiner Europatournee nach Jamaika zurückkommt, wird er von der dortigen Polizei erwartet, weil er an einem Überfall beteiligt gewesen sein soll, bei dem zwei schwule Männer krankenhausreif geschlagen worden sind.
Amnesty International hatte kurz vor der Ermordung des Jamaikanischen Bewegungsgründers William-son die extrem homofeindlichen Gesetze angeprangert
 
Der LSVD hat nun bei unterschiedlichen Konzertagenturen verlangt, dass die Konzerte mit Buju Banton abgesagt werden sollen oder dass zumindest das Lied “Boom bye bye” nicht von ihm gesungen werden soll. Hier singt er: „Schieß einem Schwulen in den Kopf“ und fordert auf, Homosexuelle durch Kopfschuss, Säureattentat oder Brandanschlag zu ermorden.
 
Wahrheitswidrig behauptete der Sänger nun, das beanstandete Lied sei von ihm seit Jahren nicht mehr vorgetragen worden, und auf die neuaufgelegten CDs habe er keinen Einfluss. Er behauptete auch, wohl um dem Konzertverbot zu entgehen, seine Einnahmen würden der jamaikanischen Schwulenbewegung gespendet, was diese jedoch entrüstet zurückwies. Selbst wenn das stimmen würde, würde sie kein Geld von ihm annehmen. In einem Interview beklagte er, dass er sich von Schwulenverbänden verfolgt fühle. Eine ganze Reihe seiner Konzerte sind nun von den Veranstalter-Innen abgesagt worden.
 
Nicht nur das Christentum und der Islam scharen ihre Schäfchen dadurch um sich, dass sie sich als Kerkermeister der menschlichen Sexualität aufspielen, denn das ist Masche der Religionen an sich. Und so darf es nicht verwundern, dass auch im budhistischen Nepal offen auftretende Schwule unter Druck geraten. Uns erreichten Informationen über den folgenden Vorgang:
 
Nepal und die Blue Diamond Society
39 Mitglieder der Blue Diamond Sociaty sind am 9. August verhaftet worden. Männliche Homosexualität ist in Nepal von Gesetz her illegal.

Schnell haben sich international eine ganze Reihe von Verbänden mit Protestschreiben an die nepalesische Regierung gewandt, auch über diplomatische Kreise gab es Protest. Solche internationale Aufmerksamkeit hat die Wirkung, dass die Schwulen- und Lesbenhasser bei ihren Willkürhandlungen den Eindruck haben, dass sie sich dafür vielleicht einmal rechtfertigen müssen.

Uns erreichte nun eine Mail, dass die 39 Gefangenen gegen Zahlung von 1.000 Nrs für jeden von ihnen wieder freigelassen wurden, insgesamt also für 39.000 Nrs, was ungefähr 350 US-$ entspricht. Dieses Geld konnte die Blue Diamond Society aufbringen. Der Verband dankt allen lokalen Organisationen, Regierungen, Personen und Freunden, Medien usw. für die Solidarität in dieser schwierigen Zeit. Aber lasen wir dei Blue Diamond Sociaty selber sprechen:

Ihr Lieben,
Wir freuen uns, Euch mitteilen zu können, dass alle 39 Mitglieder der Blue Diamond Society, die am 9. August verhaftet wurden, gegen eine Kaution von 1.000 Nrs pro Gefangener freigelassen wurden. Die Homosexuellenorganisation Bue Diamond Society zahlte die Kaution in Höhe von 39.000 Nrs (530 US $). Bis zur Prozesserföffnung müssen sich die Angeklagten regelmäßig beim Magistrat melden.
Wir finden kaum Worte, um all den internationalen und regionalen Organisationen, Einzelpersonen, Freunde, Regierungen, Medien und Verwandten für ihre Solidarität und Unterstützung in schwierigen Zeiten zu danken. Dies soll nur eine kurze Nachricht sein, um all den Freunden auf der ganzen Welt die gute Nachricht zu übermitteln. Vielen Dank.
Mit solidarischen Grüßen
Sunil B. Pant, Blue Diamond Society
 
Kurzer Bericht über die letzten 13 Tage:
Nach Angabe der Inhaftierten wurden sie alle unter dem Vorwand mitgenommen, zur Identifizierung eines Mannes benötigt zu werden, der unter dem Verdacht eines Gewaltverbrechens festgenommen wurde. Einige von ihnen tanzten in der Babylon Disco, die meisten waren auf dem Weg zur Disco. Die Polizisten kannten sie schon und sie gingen mit ihnen, weil sie freundlich angesprochen wurden und man ihnen versicherte, es würde nicht länger als zwei Stunden dauern. Danach brachte man sie alle in einen Raum, der nicht einmal groß genug war, für fünf Personen und sagte ihnen, nach ihrer Aussage würden sie freigelassen.
 
Eigentlich waren die Insassen darauf vorbereitet, sich in der Disco zu vergnügen. Als einer der Leute zur Toilette musste, öffenten sie die Tür nicht. Als er dann zu schimpfen anfing, schlugen sie ihn solange, bis der Stock durchbrach. Daraufhin bekam er Fieber und Schüttelfrost, aber man verweigerte ihm einen Arzt oder Medizin. Drei Polizisten fragte er und jedes Mal sagten sie, das machen wir später und lachten. Die Blue Diamond Society beschaffte ihm die Medizin, nachdem sie informiert wurden.
 
Auch Amber Majhi wurden von drei Polizisten zusammengeschlagen, nachdem er dagegen protestiert hatte, dass ein Journalist in der Zelle filmt. Die Polizei setzte die Inhaftierten den Medien aus, obwohl viele sich zu Hause noch nicht geoutet hatten und große Probleme bekommen werden.
 
Es gab ständigen Verbalterror durch die Polizei, sie beschimpften die Leute und sagten, sie würden sie erschießen, wenn sie sich dagegen wehren würden, unschuldig eingesperrt zu sein. Sie sagten auch, man sollte Säure über das Gesicht der Schwulen gießen, sie verdienten es nicht zu leben. Sie führten die Inhaftierten sogar anderen Leuten vor. Man lachte sie aus und sie würden für etwas bestraft, was sie nicht getan hatten. Man jagte ihnen Angst ein, dass man sie mehr als sechs Monate dabehalten würde. Jeder empfand es als sehr inhuman von der Polizei, die Leute ohne Grund einzusperren und noch nicht einmal eine Erklärung abzugeben.
 
Während der Inhaftierung wurden viele dazu gewzungen, Sachen zu unterschreiben, die sie nicht lesen konnten, da sich viele Analphabeten unter ihnen befanden. Andere, die lesen konnten, mussten Erklärungen unterschreiben, die sie nicht lesen durften. Keiner weiß, was er unterschrieben hat.
 
Was unsere Pflicht ist
Übergriffe durch Gesetze oder durch aufgehetzte Mitmenschen auf homosexuelle Menschen müssen überall als Menschenrechtsverletzungen angesehen werden. es ist absolut wichtig, dass solche oder ähnliche Menschenrechtsvertletzungen gerade von unserer Szene aufgegriffen werden, breut publiziert werden, villeicht Unterschriftenaktionen durchgeführt werden usw. Überall, auch in den muslimischen Staaten kann man Übergriffe auf uns nicht dulden. (js)
 
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