- 78. LUST, Frühling 04
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- Sex bei Homosexuellen?
Die nette Lesbe von nebenan geht mit ihrer
festen Partnerin aus, die beiden sind immer so harmonisch anzuschauen.
Wären die anderen Menschen noch weiterhin so nett zu ihnen,
wenn sie wüssten, wie lesbische Sexualität aussieht?
Und der nette junge schwule Mann, fänden ihn alle weiterhin
nett, wenn sie wüssten, was er in der schwulen Sauna und
immer mal nachts im Park macht? Über die heterosexualisierten
Homosexuellen.
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- 1. Das Selbstverständliche
Dass sowohl Lesben als auch Schwule untereinander
Sex haben, gilt als selbstverständlich. Aber was wir da
so machen, das wird in den meisten Exponaten der Heten-Literatur,
in den Dialogen der Heten-Jugendcliquen als eklig und abscheulich
dargestellt. Aggressive Witze bauen Mythen auf, bei denen die
Lesben eben ohne Schwanz (also Mann) nicht auskämen und
die Schwulen schlürfen gierig das Badewasser jedes Heten,
dem sie sich selbstaufopfernd unterwerfen wollen. So etwas wird
jedoch uns gegenüber nicht vertreten sondern in bestimmten
pflüsternden oder lachenden Kreisen höchstens dann
ausgesprochen, wenn keine Gefahr besteht, dass man sich dafür
rechtfertigen muss.
Den Hetenfrauen begegnen Lesben ja in der Rolle einer Frau, die
sie möglicherweise sexuelle begehrenswert empfindet. Und
dies hat zwei Auswirkungen: es schmeichelt der Eitelkeit und
es kompromittiert gegenüber dem heterosexuellen Umfeld.
Das könnte das ständig gepflegte und unter Beweis gestellte
Frauenbild infrage stellen. Also sind klare distanzierende Äußerungen,
und zwar vor aller Öffentlichkeit, zum Selbstschutz und
zur Imagepflege von Vorteil.
Dem Hetenmann begegnen Schwule in der Rolle eines Mannes, der
ihn möglicherweise sexuelle begehrenswert empfindet. Und
dies hat zwei Auswirkungen: es schmeichelt der Eitelkeit und
es kompromittiert gegenüber dem heterosexuellen Umfeld.
Das könnte das ständig gepflegte und unter Beweis gestellte
Männerbild infrage stellen. Also sind klare distanzierende
Äußerungen, und zwar vor aller Öffentlichkeit,
zum Selbstschutz und zur Imagepflege von Vorteil.
Gegen die in einem gewissen Rahmen geschlechtslos auftretenden
Lesben und Schwule hat man deshalb in der Regel nichts, weil
der Umgang mit ihnen nicht bei möglichen Zuschauern zu kompromittierenden
Gedanken führen könnte. Die Gefahr geht also von der
Angst der Heten aus, für lesbisch oder schwul gehalten zu
werden.
Wenn wir für sie ansonsten nützlich sind, werden wir
Heten finden, die einen fairen Umgang mit uns Pflegen, und weil
wir immer mit Schlimmen Verhaltensweisen rechnen müssen,
glauben wir schon bei einem normalen Ungang, dass man uns besonders
mag.
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- 2. Aber die mögen uns doch
Auf meine These, dass man zwar uns aber nicht unsere Sexualität
mag, erhielt ich zur Antwort, dass man die Erfahrung von großer
Neugier und großem Interesse auch an unseren sexuellen
Gepflogenheiten habe. Sogar Lesben wären auf schwule Sexpraktiken
neugierig und schwule Pornos würden von Frauen gerne gesehen.
Sie seien deshalb lustvoller, weil die dort Handelnden eben einfach
lustvoller bei der Sache seien. Das bei Bruno Gmünder erschienene
Buch Die Freuden der Schwulen wurde ständig
von heterosexuellen Interessierten an unserem Infostand durchblättert.
Kommt diese Neugier aus einem positiven Interesse oder will man
in seinen negativen Urteilen bestätigt werden? Was die angebliche
Vorliebe an Gay-Pornos bei Frauen betrifft: Ob sich hier so manche
Hetenfrau in die Szene hineinwünscht? Ich meine, es könnte
schon sein.
Ich kann mich an eine Szene erinnern, als zwei Lederlesben in
einem Lederlokal in einem Darkroom vor einem schwulen Porno saßen
und sich dort lautstark ekelten. Sie hinderten die sich nun zurückziehenden
schwulen Männer nicht nur am Filmgenuss sondern an Verrichtungen,
die nicht für irgendeine Öffentlichkeit Außenstehender
bestimmt sind.
Sind eigentlich Schwule an Lesbensex interessiert? Eigentlich
wohl weniger. Und es sind eher die Hetenmänner, die lesbischen
Sex sehen wollen, weil sie sich in die Szenen hineinwünschen.
Das alles hat aber gar nichts mit dem Thema zu tun, über
das ich hier schreibe. Und ob so manche Hetenmänner sich
doch mal einen schwulen Porno anschauen und warum, das ist eine
andere Geschichte. Ich schreibe hier über die Wirkung in
der Öffentlichkeit, der Öffentlichkeit in der Schule
oder am Arbeitsplatz oder in einem Verein oder einer Clique.
- Und was dort gilt ist bei den meisten der
Menschen dort auch moralisch verinnerlicht. Die realistischen
Praktiken zwischen unseren Leuten, lustvoll ausgelebt, unterliegen
nämlich auch der moralischen Kritik an den genannten öffentlich
Orten (der Öffentlichkeit in der Schule oder am Arbeitsplatz
oder in einem Verein oder einer Clique), wenn sie von Heten betrieben
werden. Es scheint so, dass die Sprachreglungen über Sexuelles
als moralischer Standart gelten, die Frauen dann zum Ausdruck
bringen, wenn sie nicht in der öffentlichen Achtung gegenüber
ihren Mitmenschen Schaden nehmen wollen. Anders ausgedrückt:
was von heterosexuellen Frauen an Moral erwartet wird und von
ihnen auch in der Öffentlichkeit vertreten wird, das gilt
als moralisch akzeptabel.
Wenn das, was Heten von uns sehen oder hören, jemanden von
ihnen erotisch berührt, dann nehmen sie in der Regel diese
Erfahrung nicht freudig als Vermehrung ihrer Möglichkeiten
auf, sondern es ärgern sich die Heten über sich selbst
und mögen gerade uns deswegen nun überhaupt nicht.
Unsere Sexualität mögen sie eigentlich nicht. Sie haben
Angst, vielleicht auch Abscheu davor. Jeder weiß, dass
Männerrunden bisweilen recht zotig und sexuell deftig (und
dabei oftmals Frauenverachtend) sind. Und gerade hier wäre
offen ausgesprochene Homosexualität dann absolut unakzeptiert
und würde zu großen Konflikten führen, die sehr
nachhaltig wären. Man könnte sich hier wohl nie mehr
sehen lassen. Wer das nicht glaubt sollte vielleicht einmal in
einer sexualisierenden Männerrunde den bekannten Satz sagen:
Mir ist so warm, ich hab Sperma im Darm. Na? Welche
Reaktion erwartet ihr? Und Männerrunden gibt es jeden Alters.
Und wie würde es einer Lesbe in einem Damenkränzchen
ergehen, wenn sie mal nicht mit roten Ohren über die vermutete
Sexualität von Herrn und Frau Maier sprechen würde,
sondern über die eigene Sexualität mit einer anderen
Frau, zum Beispiel über den Zungenschlag beim Stimulieren
der Klitoris ihrer Freundin?
Tiefes Schweigen und nach einiger Zeit zögerliches leises
Sprechen über ganz andere Themen, das wäre wohl noch
das Mildeste. Das Klima gegenüber dem offenherzigen schwulen
Mann oder der offenherzigen Lesbe würde möglicherweise
auch vorwurfsvoll bis aggressiv.
Man würde uns vorwerfen, dass unsere Äußerung
geschmacklos gewesen sei, weil ihnen gar nicht bewusst ist, dass
sie vorher auch sexualisierte Äußerungen von sich
gegeben haben. Wir wollten nur provozieren, sagen sie, und ihnen
ist gar nicht klar, wie Lesben und Schwule empfinden, wenn wir
ständig heterosexuelle Anzüglichkeiten und Anspielungen
hören. Und dann, uns stören solche hetero-sexualisierten
Reden in den Damenkränzchen und den Männerrunden gar
nicht. Es hat zwar nur in Grenzbereichen etwas mit uns zu tun,
doch leben wir eben in einer hetero-sexualierten Welt, daran
haben wir uns gewöhnt. Die Empfindlichkeit vieler Heten
gegenüber homo-sexualisierten Äußerungen rührt
aus der hetero-sexistischen Verunsicherung und Schwäche,
ihren eigenen Leitbildern gegenüber. Und so verlangen sie
von uns, dass wir ihre Probleme, die sie mit uns haben, voraussehen
und dass wir taktvoll alles umgehen, was sie in irgendeiner Form
in ihrer heterosexuellen Verletzlichkeit berühren könnte.
Man habe ja nichts gegen uns, wenn wir uns anständig verhalten,
und man müsse doch wissen, wo man Grenzen anerkennen müsste.
-
- 3. Wir und die nicht zugegebenen aber
überall sanktionierten Tabugrenzen der Gesellschaft
In unseren eigenen Reihen werden offenherzige Lesben und Schwule
seltsamerweise auch entweder nach der heterosexuellen Doppelmoral
be- und verurteilt, oder (weniger häufig) aus der Sicht
einer lächerlich anmutender Gegen-Diskriminierngen.
Sexismus ist eine Sichtweise, die das vorgefundene klassische
Geschlechtsrollenmodell biologisch rechtfertigt. Der Mann ist
stärker, daher zum Kampf geeignet, die Frau ist schutzbedürftig,
daher für Familienarbeit geeignet. Der Mann hat seinen kühlen
Kopf, daher für die Wirtschaft geeignet, die Frau hat ihre
Intuition, daher für Beziehungspflege geeignet, und diese
Rollenaufteilung sei also angeboren. Der Hetero(a)sexismus geht
nun davon aus, dass der Mensch nur in seiner Ergänzung zwischen
Mann und Frau (in ihren jeweiligen Rollen) ein richtiges anerkanntes
und respektables Wesen sei. Dabei wird natürlich auch festgelegt,
wie Mann und Frau zu sein haben. Den Lesben fehlt also der Mann
um ein richtiges akzeptables Wesen zu sein, den Schwulen die
Frau.
-
- Daher versuchen sie, diesen Verlust auszugleichen.
Und so glauben Hetrosexisten, dass schwule Männer keine
richtigen Männer seien, und Lesben seien keine
richtigen Frauen, da ihnen die Bestätigung und
Stabilisierung durch das jeweilige Gegengeschlecht fehlen. Das
glauben natürlich auch oftmals Lesben und Schwule, denn
wenn frau/mann an sich bemerkt, dass frau/mann offensichtlich
homosexuell ist, weiß frau/mann noch nicht genau, welche
Konsequenzen das hat und welche vielen Bereiche des Lebens frau/mann
nun zu überdenken hat.
Viele aber überdenken gar nichts und denken, es sei damit
getan, nur eben nach Partnern oder Partnerinnen des gleichen
Geschlechts zu suchen wie vorher nach dem Gegengeschlecht und
damit schluss. Das erweist sich aber dann im täglichen Leben
als ein großer Irrtum. Und so sind sie irritiert über
einen Mann, der sich anders verhält, als Mann
sich (als Ergänzung einer weiblichen Frau) zu verhalten
hat oder eine Frau, die sich anders verhält, als Frau
sich als Ergänzung eines männlichen Mannes zu verhalten
hat. Viele von ihnen meinen, dass sie sich wegen Menschen unserer
Szene schämen müssen, die abweichend gegenüber
den sich ergänzenden Heten-Rollenbildern sind, statt das
normative Frauenbild und Männerbild in Frage zu stellen,
das ja für uns nicht zutreffen muss, da wir nicht das Gegengeschlecht
suchen.
Beginnen wir mit dem sexistischen (genauer: hetero- oder hetera-sexistischen)
Blick von Frauen und Männern unserer Szene auf uns (im Kapitel
3.1), um uns dann dem Gegensexismus in unseren zuzuwenden (im
Kapitel 3.2), der auch sexistisch ist, nur alles umdreht. Ziel
ist uns natürlich an Anti-Sexismus und damit auch ein Anti-hetero-Sexismus.
(zur genaueren Beschreibung des Hetro- und Hetera-Sexismus lese
bitte den Artikel Sexismus und Hetero(a)sexismus in der
36. LUST)
-
- 3.1 Die Tabugrenzen der heterosexuellen
Welt in unsrer Szene, die heterosexualisierten homosexuellen
Menschen
An unseren Treffpunkten werden wir weit häufiger als bei
dem oben beschriebenen Erscheinungsformen von solchen Verhaltenseisen
belästigt, die der heterosexuellen Doppelmoral entsprechen.
Das ist indes gar nicht verwunderlich, werden wir doch rundum
von ihr umgeben. Das Coming-out ist ein längerer Prozess
und Rückschläge sind an der Tagesordnung. Andererseits
ist es aber auch ärgerlich, wenn Lesben und Schwule, die
in ihrem Coming-out schon etwas weiter gekommen sind, sich ständig
mit Problemen auseinander zu setzen haben, die ihnen von Lesben
und Schwulen gemacht werden.
Der Hintergrund dieser moralisierenden ZuchmeisterInnen ist ihre
Angst, vor den Normen und Urteilen der offiziellen und auch heterosexuellen
Welt nicht bestehen zu können. Das hat mann doch im Freundeskreis
immer am lautesten über scheinbare Schwule gehetzt, und
nun ist mann selber tatsächlich einer. Und hat frau nicht
immer darauf geachtet, dass anderen Frauen klar ist, wie sehr
sie sich von Lesben unterscheidet, doch nun hat frau sich selber
als Lesbe erkannt. Da ist es dann doch nicht unwichtig, wie mann/frau
sich in der Szene verhält, denn die bisherigen Normen und
Urteile hat mann/frau ja noch immer vollkommen verinnerlicht.
Viele finden es anfänglich schlecht, abweichend von eigenen
Lebensplanungen und Wertmaßstäben, dass sie sich als
Lesben/Schwule wiederfinden. Und ängstlich schauen sie sich
in der Szene um, damit sie ja nicht mit denen in einen Topf geworfen
werden, über die sie noch vor Tagen öffentlich so gelacht
haben. Und so überschütten sie alle Lesben und Schwule
mit Vorwürfen, die nicht dem Vollendeten Bild von moralischen
Heten entsprechen. Und das sind meistens die, die einen einigermaßen
Gangbaren Weg für sich in ihrer speziellen Lage gefunden
haben.
Da beschwert sich eine junge lesbische Frau am Infostand der
ROSA LÜSTE über die Motive auf den frechen Buttons,
da diese angeblich Heten diskriminieren würden, denn sie
hält wohl Homosexualität immer noch für eine Eigenschaft,
deren frau sich zu entschuldigen hat. Eine ältere lesbische
Frau in einem Gay-Buchladen nimmt die LUST in die Hand und meint
zu den dort vorgestellten Frauenfotos aus Mein heimliches
Auge aus dem Verlag Claudia Gehrke, dass solche Bilder
aus dem Verkehr gezogen gehören. Das sind aber Bilder von
Frauen über Frauen für Frauen, erklärten wir.
Egal meinte sie. Die dargestellte sexuelle Lust ist offensichtlich
schlecht, vielleicht auch peinlich, auch für eine Lesbe
und wenn es sich um die Lust zwischen Frauen handelt. Weil sich
Frauen prostituieren, wenn sie Lust empfinden, erkennen lassen,
und erleben? Sind lustvolle Frauen Schlampen, weil sie auf andere
Frauen ansteckend wirken?
Da meint eine verständnisvolle heterosexuelle
Frau bei einem der Runden Tische, die schon wieder aus der Mode
gekommen sind, dass sie mehr Verständnis für homosexuelle
Menschen entwickeln könnte, wenn sich Homosexuelle bei den
CSD-Umzügen normaler verhalten würden. Unser Einwand
war, was denn Normalität anderes als Anpassung sei, dass
Normalität doch ein seltsamer Maßstab für uns
sei, wenn man uns verstehen wolle. Man habe uns so zu verstehen
und akzeptieren, wie wir nun mal seien und uns wohlfühlen
würden. Das führte zu ihrem Unverständnis. Und
ein anwesender schwulen Mann, der Mitglied in einer konservativen
Partei ist, meinte, man müsse schließlich nicht von
einem CSD-Wagen heruntermastubieren. Auf diese krasse Weise und
mit solchen seltsamen phantasievollen Unterstellungen glaubte
er also, (s)eine konservative Moral verteidigen zu müssen.
Solche ZuchmeisterInnen in unseren eigenen Reihen helfen überhaupt
nicht, Lesben und Schwule zu ermutigen, einen eigenen Weg für
sich zu entwickeln, der nicht von irgendwelchen Tugendwächtern
vorgezeichnet ist.
Beim Frankfurter CSD wurden wir wegen des frechen Buttons von
einer Hetenfrau und dann auch ihrem Hetenpartner angegriffen,
Heterosexuell? Nein Danke. Das sei Diskriminierung.
Sie sei Mitglied im LSVD und setze sich für die Homo-Ehe
ein und habe es nicht verdient, derart diskriminiert zu werden.
Sie und ihr Partner verlangten ultimativ, den Button zu entfernen,
denn beim CSD ginge es ja darum, dass Schwule toleriert werden.
Warum empfindet sie sich hier eigentlich diskriminiert? Sie und
ihre Lebensart wird eigentlich nur vom Buttonträger abgelehnt,
was doch sein Recht ist. Sie will also von Schwulen (und sicher
auch von Lesben) geliebt werden, weil sie für die Homo-Ehe
eintritt? Und wir haben gefälligst ihr dankbar zu sein,
nach ihren Regeln zu leben, um toleriert zu werden?
-
- Und wenn eine lesbische Frau zu einem aufdringlichen
Mann einfach sagen will, dass sie heterosexuelle Angebote dankend
ablehnt ..., hat sie denn kein Recht, "nein Danke!"
zu sagen? Der Button wird zumeist von lesbischen Frauen gekauft.
Klar, jeder Mann lernt von kleinauf, das Sex mit Frauen schön
ist. Und hat ein schwuler Mann nicht das Recht, gegenüber
einer Frau "nein Danke!" zu sagen?
Hallo Hetenmann, wenn Du uns humorvoll fragst, wer in unserer
Beziehung Mann und wer Frau sei, dann gehst Du davon aus, dass
das Muster einer Heterobeziehung eine Beziehung per se ist, und
dass das traditionelle Geschlechtsrollenverhalten zwischen Mann
und Frau in einer heterosexuellen auf Ehe ausgerichtete Beziehung
das Frauenverhalten per se und das Männerverhalten per se
sei. Und du, lesbische Frau oder schwuler Mann, wenn du ebenfalls
solche Fragen stellt, dann merkst du anscheinend nicht, wie hetig
du urteilst.
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- 3.2. Homosexueller Gegen-(Hetero-)Sexismus
Da so manche Frau unserer Szene von einer lesbischen Identität
ausgeht, die sich von Hetenfrauen teilweise, von schwulen Männern
aber erheblich unterscheidet (weil diese eben auch nur Männer
sind), erleben Lesben in eigenen Reihen oftmals doch recht bizarre
Verhaltensweisen durch solche gegen-sexistische Lesben. Es gibt
aber auch eine lesbische Identität, die ihre Kraft aus sich
selbst heraus bezieht und es nicht nötig hat, durch das
Aufbauen willkürlicher Feindbilder die Lücke in der
eigenen Selbstachtung zu schließen. Gegen-Sexismus ist
eben auch sexistisch, und deshalb benötigen wir eher einen
Anti-Sexismus statt eines Gegen-Sexismus.
Frauen haben oft vor ihrem Coming-out Heten-Beziehungen. So manchen
lesbische Frau hat auch schon eine Heten-Ehe hinter sich und
einige haben auch ein oder mehrere Kind(er). Sie müssen
nun in der Szene erleben, dass sie bisweilen deswegen schlecht
angesehen werden, geschnitten werden, ausgegrenzt werden. Man
wirft ihnen vor, nicht ganz lesbisch zu sein. Dabei
tut frau so, als gebe es eine reine Lehre mit reinen Menschen,
die sich in ihrem Verhalten, ihren Sehnsüchten und ihrer
Identität klar abgrenzen lassen. Es ist aber so, dass sich
jeder Mensch auch von seiner Identität her in einem ständigen
Entwicklungsprozess befindet. Niemand wird, so wie er derzeit
ist, ohne Entwicklungsprozesse geboren.
Wenn nun eine Lesbe noch in einer lesbisch-schwulen WG wohnt,
in der ja auch schwule Männer sind, dann ist sie völlig
undiskutabel und bei diesen Frauen auszugrenzen. Wenn sie auch
zwischenmenschliche (also keine sexuellen) Freundschaften auch
mit Männern unterhält, ist das aus der Sicht der Frauen
mit den schnellen Urteilen noch schlimmer. Ganz unten durch ist
sie, wenn sie bisexuelle Sexbeziehungen pflegt.
Diese Frauen, die hier solche schnellen und harten Urteile über
andere Frauen fällen, merken nicht, dass sie sich gar nicht
von der Rolle gelöst haben, die in der patriarchalischen
Gesellschaft für Frauen vorgesehen ist: die Rolle der Moralwächterin.
(Siehe Die Frauenmoral in der 59. LUST Seite XXff).
Gleichzeitig kommt hier ein Gegen-Sexismus zum Tragen, in dem,
ohne die tatsächlichen Gegebenheiten zu berücksichtigen,
ganzen Gruppen von Menschen bestimmte Rollen und Funktionen festgeschrieben
werden, wie das die SexistInnen eben auch machen.
Was ist denn los mit diesen Moralwächterinnen mit ihrem
schnellen Urteil über andere? Um was geht es ihnen denn
wirklich? Geht es ihnen wirklich um das Lebensglück ihrer
lesbischen Mitschwestern? Oder wollen sie sich durch die harten
Trennungslinien vielleicht eine Gruppe von Menschen herausschälen,
die von ihnen gleichgeschaltet werden soll? Und welchem Zweck
soll das dienen? Sie bringen eigentlich nur Leid und Ärger
in unsere Szene und tragen zum schwierigen Weg der lesbischen
Emanzipation nichts bei.
Es gibt da so manchen Mann in unserer Szene, der die schwulen
Männer als eine eigenständige geschlossene Gruppe ansieht,
die sich von den Hetenmännern unterscheidet, denen die lesbischen
Frauen noch fremder sind, weil sie ja letztlich auch Frauen sind.
Und so wirkt er in seinen Diskussionsbeiträgen in diesem
Sinne auf andere Schwule ein.
Nahliegender Weise sind Frauen für viele von ihnen völlig
uninteressant, und weil sexuell, deshalb auch zwischenmenschlich.
Mann hört in so manchem schwulen Lokal Sprüche über
die Fische, also die Frauen, weil sie angeblich nach
Fisch riechen, die doch aus unseren Lokalen wegbleiben
sollen. Bisexuelle Männer sind ihnen nicht angenehm, und
so mancher von ihnen äußert, dass er einen Schwanz
nicht anfassen würde, der schon mal in einem Fisch gesteckt
habe.
Nun ist es aber so, dass ein sexualisierter Schwanz in unserer
Szene eine viel größere Überzeugungskraft hat
als solche seltsamen Argumente von solchen Männern, die
hier eine reine Lehre verbreiten wollen, und daher wird eine
solche Moralisierung in dieser Form in unserer Szene höchstens
von (meist jungen) Führern noch jüngerer Schwuler benutzt,
um diese bei ihrer Stange zu halten. Denn sie haben übersehen,
dass Männer für moralische Appelle letztlich doch nicht
so gut ansprechbar sind (es sei denn, es sind Frauen anwesend),
sie haben doch die Moral auf die Frauen übertragen. (Siehe
Die Männermoral in der 60. LUST S. 18 ff) Männer,
die gegen-heterosexistisch argumentieren, haben aber in unserer
Szene kaum Einfluss. Ihr Einfluss ist also deutlich geringer
als sie selbst gerne meinen.
-
- 4. Das eigene Leben selbst erfahren
Es ist nicht von der Hand zu weisen, dass die von vielen Frauen
als normal angesehene typische Weiblichkeit nach dem Gegenüber
der Männlichkeit verlangt. Und es verletzt manche dieser
Frauen auch, wenn ein schwuler Mann zu ihnen meint, sie würden
sich doch recht tuntig verhalten. Dennoch ist es so, denn ein
Verhalten, welches das Gegengeschlecht nicht zeigen könnte,
ohne lächerlich zu wirken, ist eigentlich generell lächerlich.
Es ist nicht von der Hand zu weisen, dass die von vielen Männern
als normal angesehene typische Männlichkeit nach dem Gegenüber
der Weiblichkeit verlangt. Und es verletzt manche dieser Männer
auch, wenn ein schwuler Mann zu ihnen meint, sie würden
sich doch wie ein Neandertaler verhalten. Dennoch ist es so,
denn ein Verhalten, welches das Gegengeschlecht nicht zeigen
könnte, ohne lächerlich zu wirken, ist eigentlich generell
lächerlich.
Die Geschlechtertrennung in zwei Stereotypen hat natürlich
ihre Funktion. Mit jedem dieser Stereotypen sind Stärken
und Schwächen verbunden. Und die Stärken sind dort
wirksam, wo sie auch wirksame sein sollen. Männlichkeit
ist für den Lebenskampf nach außen zuständig,
gegenüber Rivalen, dem Konkurrenten und dem Feind im Krieg.
Weiblichkeit ist für den Lebenskampf im Inneren zuständig,
für die Familienarbeiten, die Nachwuchspflege, dem Absichern
der inneren Struktur einer Beziehung. Aber diese Auflistung ist
auch stereotyp und nicht gradlinig richtig.
Der Mensch kennt viele Facetten des menschlichen Seins, die sich
nicht in diese Rollenbilder integrieren lassen, ohne verfälscht
zu werden. Und doch steht hinter den unterschiedlichen Facetten
menschlicher Rollenvielfalt ein reichhaltiger Erlebensschatz.
Es ist ein langer schmerzhafter Prozess, bis ein Kind mit Penis
endlich zu einem männlichen Wesen geworden ist. Diese Dressur
hat etwas mit Schmerz aushalten, Gefühle unterdrücken,
Härte gegen sich und andere zu tun.
Es ist ein langer brüskierender Prozess, bis ein Kind mit
Vagina endlich zu einem weiblichen Wesen geworden ist. Diese
Dressur hat etwas mit dem Sich-Zurücknehmen zu tun, eher
dem Gefühl vertrauen, zu tun. Spontan handeln statt überlegt
handeln.
Und sind wir so, wir Männer und Frauen? Sicher, wenn wir
uns an die Rollenvorgaben halten. Und solche Rollenvorgaben werden
auch sanktioniert. Wer da aus der Rolle fällt oder aus der
Rolle tanzt, der bekommt die Verachtung der Abgepassten zu spüren.
Und wir? Was sollen wir nun tun? Wir sollten vor allem die überall
gezogenen Norm-Grenzen des Verhaltens in Frage stellen und die
Normbrecher eher unterstützen statt mit den Normwächtern
auf sie einzuschlagen. Das ist nämlich nicht einfach, in
einer normierten Welt, kleine bescheidene Ausbrüche zu ertrotzen.
Und die Normwächter, die stark erscheinen, weil sie die
ganze Gesellschaft im Rücken zu haben scheinen, sind eigentlich
kleine Wesen, die sich am vermeintlichen Stärkeren orientieren,
weil sie eben selbst nichts Eigenes drin haben. Die brauchen
nun wirklich unsere Unterstützung nicht, werden sie doch
schon von der Bildzeitung, der CSU, dem Papst und der LSU sowie
dem LSVD unterstützt. (js)
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