77. LUST, Winter 03/04
 
Ist Martin Hohmann ein Antisemit und Heterosexist?
Von Michael Hespen

Am 3. Oktober 2003, dem Jahrestag der Einverleibung der DDR durch den westdeutschen Imperialismus, hält der CDU-Bundestagsabgeordnete Martin Hohmann eine Rede vor CDU-Publikum in seinem Fuldaer Wahlkreis.
 
Der Inhalt der Hohmann-Rede vom 3. Oktober 2003
Er hetzt gegen “gnadenlose Ausnutzung des deutschen Sozial- und Rechtsstaates”, gegen Zwangarbeiterentschädigung, fordert Entschädigung für zu Recht inhaftierte deutsche Kriegsverbrecher, beklagt die angebliche Zurücksetzung von Deutschen gegenüber Ausländern, er setzt rechts und links gleich, er leugnet die Mitverantwortung des deutschen Volkes für die Naziverbrechen.
 
Hohmann greift die französische Revolution als dunkle Seite der französischen Geschichte an, desgleichen die deutsche Jugend- und Studentenbewegung von 1968, zitiert zustimmend den amerikanischen Großkapitalisten und Antisemiten Henry Ford über die Juden als Revolutionsmacher und kommt dann zum Kernpunkt:
Er verleumdet den Kommunismus als verbrecherisch und dichtet den Juden – frei nach J. Goebbels – die Hauptrolle in der kommunistischen Bewegung an.
 
Das ist die unverbrämte Neuauflage der Nazitheorie von der jüdisch-bolschewistischen Weltverschwörung! Hier ist das Original: „Juden waren es, die den Marxismus erfanden, Juden sind es, die mit ihm die Welt zu revolutionieren versuchen“ (Reichspropagandaminister Joseph Goebbels, September 1941). Dazu eine Zahl: 1917 waren von 23.600 Mitgliedern der Kommunistischen Partei Russlands (Bolschewiki) nur 964 jüdischer Herkunft (Spiegel 45/2003, S. 42).
 
Hohmann versteigt sich zu der unerhörten Lüge: “Daher könnte man Juden mit einiger Berechtigung als Tätervolk bezeichnen”. Er setzt also die nazifaschistischen Verbrecher mit ihren jüdischen Opfern gleich. Außerdem bezeichnet Hohmann Atheisten (Kommunisten sind in aller Regel Atheisten) als Juden, folgt also der Rassekonzeption der Nazifaschisten.

“Wir hatten etwa 120 Zuhörer, und die haben die Rede mit einem Zwischenapplaus und mit einem kräftigen Applaus am Ende aufgenommen... Ich glaube, es denkt ein recht großer Prozentsatz der Fraktion ähnlich wie ich” Hohmann im Interview mit Frontal 21 am 01.11.2003.
 
“Etwa 120 Menschen saßen nun im alten Bürgerhaus, wohin die Gemeinde zum Tag der Deutschen Einheit geladen hatte. Als Hohmann seine Suada, mehrfach unterbrochen von Zwischenapplaus, beendet hatte, gab es reichlich Beifall. Maria Schultheis, die CDU-Bürgermeisterin, ging in der ersten Reihe mit gutem Beispiel voran. Keiner der Zuhörer wagte ein Wort der Kritik.
 
Franz Rupprecht etwa, Vorsitzender des Fuldaer Kreistages, “musste gleich weg“. Der Genosse Helmut Müller, SPD-Ortsvereinsvorsitzender, bekam zwar während der Rede “ein immer mulmigeres Gefühl im Magen“, dann aber wollte er “nix wie heim“. Gesagt hat er nichts, da sei er wohl ein bisschen feige gewesen, räumt Müller im Nachhinein ein. “Es waren ja überwiegend Anhänger von Hohmann anwesend. Heben Sie mal als Einziger die Hand. Da wird man später doch schief angeschaut im Dorf.“ (Stern online, 11.11.2003)
 
Was dann geschah
“Keiner protestierte gegen die antisemitische Tirade, dreieinhalb Wochen lang stand das Redemanuskript auf der Homepage der CDU Neuhof. Erst als... der Hessische Rundfunk über den Vortrag berichtete, setzte die Empörung ein.” (Spiegel 45/2003, S. 40)
03.11.2003 Vorstandssitzung der CDU. Friedrich Merz über Hohmann: “Ein Rechtsradikaler. Hohmann wird als Berichterstatter im Innenausschuss des Bundestages für die Zwangsarbeiterentschädigung (ausgerechnet, Verf.) entsorgt und soll als ordentliches Mitglied des Ausschusses für Umwelt, Naturschutz und Reaktorsicherheit weiter machen. Damit soll es sein Bewenden haben. Die CDU hofft, die Geschichte aussitzen zu können.“
 
04.11.03: Kriegsminister Struck entlässt den Chef des Kommandos Spezialkräfte, General Günzel, weil letzterer Hohmann schriftlich zu seiner Rede gratuliert hatte. Struck tut das, um die CDU vorzuführen und um die Armee aus der Antisemitismusdebatte herauszuhalten.
 
04.11.03: Früherer Oberstleutnant Helmut Prieß, Sprecher des Darmstädter Signals, eines „Arbeitskreises kritischer Soldaten“ sagt zum Thema Günzel: “Der Anteil derer in der Bundeswehr, bei denen es eine latente geistige Hinwendung zum Rechtsradikalismus gibt, ist nicht unerheblich. Das gilt auch für die höheren Dienstgrade.”
 
07.11.03: Wolfgang Huber, Ratsvorsitzender EKD, und Simon Stein, israelischer Botschafter, sprechen sich gegen den Verbleib Hohmanns in der CDU-Bundestagsfraktion aus.
 
09.11.03: Roland “Pinocchio” Koch, Holocaust-Verharmloser (“Stern vor der Brust”), wird für seine Verteidigung des Hohmannschen Verbleibens in der CDU in der Frankfurter Synagoge ausgebuht, ein Teil der Besucher verlässt die Gedenkveranstaltung aus Protest gegen Koch.
 
Bis zum 10.11.03 ist die CDU-Position: Hohmann soll erst bei der nächsten antisemitischen Äußerung aus der Fraktion ausgeschlossen werden, als ob man einem Mörder sagte: Wenn Du noch einmal mordest, dann verurteilen wir Dich.
 
10.11.03: CDU-Vorstandssitzung, jetzt soll Hohmann aus Fraktion und Partei ausgeschlossen werden.
 
11.11.03: Der Arbeitskreis Konservativer Christen, Holocaust-Verniedlicher und Hohmann-Freund, (siehe weiter unten) geht vom Netz.
 
12.11.03: Norbert Geis: “Ich halte die Entscheidung für einen menschlichen Fehler.”
 
12.11.03: Hohmann entschuldigt sich bei der Fraktion und hält am Inhalt seiner Rede fest.
14.11.03: Die CDU-Bundestragsfraktion beschließt Hohmanns Ausschluß. Von 243 Abgeordneten stimmen 195 dafür, 28 dagegen, 16 enthalten sich, und vier stimmen ungültig. Hohmanns hessischer Landesverband will ein Parteiausschlussverfahren einleiten.
 
Wer ist Martin Hohmann?
Die Internetseite des Deutschen Bundestages sagt: “Geboren am 4. Februar 1948 in Fulda; römisch-katholisch; verheiratet, drei Kinder. 1967 Abitur an humanistischem Gymnasium. 1969 bis 1976 Studium der Rechtswissenschaften in Frankfurt am Main, 1976 Erstes Staatsexamen, Rechtsreferendar, 1979 Zweites Staatsexamen.
 
Zwei Jahre Wehrdienst, z. Zt. Major d. Res., 1980 bis 1984 Jurist im Bundeskriminalamt, zuletzt Kriminaloberrat in der Abteilung Terrorismus; 1984 bis 1998 hauptamtlicher Bürgermeister in Neuhof. Seit 1994 Mitglied im Rechts- und Verfassungsausschuss des Deutschen Städte- und Gemeindebundes. Seit 1980 Mitglied der CDU, seit 1990 Kreisvorstandsmitglied der CDU Fulda, seit 1998 Delegierter zu Landes- und Bundesparteitagen der CDU. Mitglied des Bundestages seit 1998 ”
 
Weitere Tiefpunkte der Hohmann-Karriere:
1995 stellt sich Hohmann klar in die Tradition des kaiserlichen Heeres und der Hitlerwehrmacht ”Wir brauchen heute Entschiedenheit, Zähigkeit und Opferbereitschaft. Wir haben hierbei unsere Weltkriegsteilnehmer als große unerreichte Vorbilder” (Spiegel 47/03,S.46)
 
1997 lobt die ”Junge Freiheit” (eine ultrarechte Wochenzeitung) Herrn Hohmann als ”begeisterten Soldaten und schneidigen Fallschirmjäger”.
 
Am 3. Oktober 1997 werden bei einer Einheitsfeier in Neuhaus, wo Hohmann Bürgermeister war, alle drei Strophen der deutschen Nationalhymne (“Deutschland über alles in der Welt”) als Liedtext gedruckt und verteilt. Hohmann dazu: “Man muss auch die Freiheit haben, die Gefühle eines echten Patrioten zur Geltung kommen zu lassen, dem sein Vaterland das Wichtigste ist.”(Spiegel Online, 31.10.2003)
 
1998 hetzt er offen zum Krieg mindestens gegen das polnische, tschechische und russische Volk: “Das Unrecht der Vertreibung ruft nach Vergeltung.” (Spiegel 47/03, S. 46)
 
Ebenfalls 1998 äußert er Verständnis für den Holocaust: “Hitler begann die Judenvernichtung im dritten Kriegsjahr. Damals beklagte fast jede deutsche Familie schon ein oder mehrere Opfer, seien es gefallene Angehörige, seien es Tote durch Bombenangriffe der Alliierten.” (Spiegel 47/03, S. 46)
 
Zum Holocaust-Mahnmal in Berlin am 25.06.1999 im Bundestag sagt er: “Nicht wenige empfinden das geplante Mahnmal als ein Kainsmal, als Ausdruck der Selbstächtung.... Das Mahnmal (wäre) auch monumentaler Ausdruck der Unfähigkeit, uns selbst zu verzeihen.” Kriegsverbrecher und ihre Nachfolger verzeihen sich jetzt also selbst.
“Das Mitglied des Verteidigungsausschusses des Deutschen Bundestages Martin Hohmann, MdB (CDU), brachte zum Jahreswechsel 2001/02 ins Gespräch, dass bei künftig wieder stattfindender Beteiligung deutscher Soldaten an Kampfeinsätzen auch wieder eine Tapferkeitsauszeichnung gebraucht würde; kein anderes Zeichen als das Eiserne Kreuz käme dafür in Frage.” (www.jungekonservative.de)
 
Im Jahr 2001 hetzt Hohmann: ”Wenn wir ausländischen Zwangsarbeitern, die unter dem NS-Regime gelitten haben, Entschädigungen zahlen, dann sollten wir auch deutsche Zwangsarbeiter, die unter dem Stalin-System gelitten haben, in gleicher Weise zu berücksichtigen versuchen.” (Spiegel 46,2003, S.35). Unter diesen angeblichen deutschen Zwangsarbeitern sind wohl zu Recht inhaftierte Kriegsverbrecher und Nazifaschisten zu verstehen.
 
Am 12.7.2001 beschwert sich Karl Brozik, der deutsche Repräsentant der Jewish Claims Conference, in einem Brief an Friedrich Merz, damals Fraktionsvorsitzender der CDU, über Hohmanns “antisemitische Stereotypen” und kennzeichnet Hohmanns Haltung als “offene Einladung an Rechtsradikale”. (Berliner Zeitung, 08.03.2003) Friedrich Merz sieht keinen Grund zum Handeln.

“So verglich er (Hohmann, Verf.) vor etwa 2 Jahren die Anschläge vom 11. September in den USA indirekt mit der Bombardierung Berlins im 2. Weltkrieg” (FT Deutschland,11.11.03)
 
Hohmann war also von Anfang an ein Antisemit und Deutschnationaler, und jede/r konnte es wissen. Die “Überraschung” der CDU war reinste Heuchelei. Ausgeschlossen wurde er aus der CDU-Fraktion einzig und allein aus taktischen Überlegungen heraus.
 
Man möchtze im Moment noch nicht die ganze Katze aus dem Sack lassen. Bezeichnend ist auch, dass die Inhalte der Hohmannschen Hetze in der Berichterstattung so gut wie nicht vorkamen, sondern dass versucht wurde, die ganze Angelegenheit auf die Ebene eines geistig verwirrten Einzeltäters zu schieben. Der eine offen, die andere verdeckt: so teilen sich die politischen Vertreter des deutschen Imperialismus die Arbeit.
 
Martin Hohmann zum Thema: Lesben und Schwule
“Schwule" seien für “das größte Problem der deutschen Gesellschaft” verantwortlich, den Bevölkerungsrückgang, das “von Menschen verursachte Siechtum”... (Stern Online)
 
“Überdies gilt der papsttreue Katholik und Anhänger des vor drei Jahren verstorbenen konservativen Bischofs Johannes Dyba als ausgemachter Schwulenfeind.... Mit “Empörung und Entsetzen” reagiert er im Juli 2002 auf die weitgehende Gleichstellung von homosexuellen Lebenspartnerschaften zur Ehe durch einen Entscheid des Bundesverfassungsgerichts. Sprachlich näherte sich Hohmann dabei amerikanischen Fernsehpredigern an, wenn er lamentierte, nun sei “der einzelne Christ” und ein “mutiges Bekenntnis zur naturgesetzlichen Lebensordnung und zu Gottes Wort“ gefordert. (Spiegel Online, 31.10.2003)
 
“Der Fuldaer CDU-Bundestagsabgeordnete Martin Hohmann hat die Rolle der Homosexuellen-Lobby in Deutschland heftig kritisiert. Der bekennende Familienvater und Christ katholischer Prägung bezeichnete den in Berlin jährlich stattfindenden, von Homosexuellen-Verbänden getragenen “Christopher-Street-Day” als “Totentanz der ausgehenden Überfluß- und Spaßgesellschaft der Bundesrepublik”. Jeder verantwortungsvolle Politiker müsse junge Menschen vor dem Leitbild der Homosexualität, welches von solchen Veranstaltungen ausginge, warnen und die Jugendlichen auf ihre Verantwortung für die Generationenfolge hinweisen.
 
Dem gesellschaftlichen Phänomen Homosexualität gegenüber sei falsche, feige Toleranz oder Akzeptanz nicht angebracht. Dem stünde “demographische Vernunft” ebenso entgegen wie die Warnrufe des heiligen Apostels Paulus. “Das Menschenbild der Bibel ruft Homosexuelle zur Umkehr. Wir sollten froh sein, dass Adam nicht schwul und Eva nicht lesbisch war”, so Hohmann.” (Junge Freiheit vom 11.7.2003)
 
Am 08.09.2002 erklärt Hohmann in einer Pressemitteilung zum Adoptionsrecht für Homosexuelle: “Zweifellos steht nämlich die Tolerierung und aktive Propagierung der Homosexualität in kausalem Zusammenhang mit dem größten Problem der deutschen Gesellschaft, ihrem Bevölkerungsrückgang.” (www.süddeutsche.de vom 31.10.2003)
 
Zum Tode des Fuldaer Hetzbischofs Dyba schreibt er: ”Die atemberaubende Karriere der Homosexualität vom Straftatbestand zum Gegenstand staatlicher Fürsorge mit faktischer Gleichstellung zur Ehe in nur 30 Jahren verschlägt manchem die Sprache und den Mut zum Widerspruch. Wenn Dyba sie als sittlich verwerflich, als Sünde und gegen das Gesetz der Natur brandmarkte, blieb er schlicht der kirchlichen Lehre treu. Zugleich bewegte ihn die Sorge, ob unsere Gesellschaft nicht durch Minderheitenkult, zunehmenden Individualismus, Ansteigen der “unfruchtbaren Lebensverhältnisse zu einer Ansammlung “alternder Egoisten” verkommen.” (Junge Freiheit vom 28.07.2000)
 
Einige Gesinnungsfreunde Hohmanns
Hohmann über seine Unterstützer: “Es gab auch viele positive Reaktionen von Parteifreunden auch aus dem Bundestag, die mir gesagt haben: “Du hast nichts Falsches gesagt, bleibe bei Deiner Richtung! ... es denkt ein recht großer Prozentsatz der Fraktion ähnlich wie ich.” (Interview mit Frontal 21 Anfang November)
 
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