- 77. LUST, Winter 03/04
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- Vom Weißen Kreuz zur
homosexuellen Emanzipation
- von Arno Huth
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- Für den Abend war ein Vortrag
über Homosexualität: Veränderung ist möglich
in meiner Kleinstadt Mosbach angekündigt. Veranstalter:
die Evangelische Stadtmission. Die Referentin, Jahrgang
1963, ist Dipl.-Sozialarbeiterin mit einer Zusatzausbildung in
Systematischer Familientherapie. Als Internet-Tipp war
unter anderem www.weisses-kreuz.de angegeben. Ich ging also hin,
um einzugreifen und zu widersprechen.
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- Der für mehr als 70 Leute bestuhlte
Saal der Gemeinde war immerhin mindestens halb belegt, auch ein
paar jüngere Leute waren da. Außer mir waren anscheinend
keine Andersgesinnte zugegen. Die Referentin, die zudem noch
Theologie studiert hatte, wirkte zunächst sympathisch, bemühte
sich um einen wissenschaftlichen Stil, berichtete aus der eigenen
Praxis und der ihrer Kollegen und gab vor, Lesben und Schwule
(im Vortrag bezog sie sich hauptsächlich auf letztere) verstehen
und ihnen helfen zu wollen.
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- Viele hatten sich schon an sie gewandt, weil
sie unter ihrer Homosexualität litten und sie überwinden
wollten. Erfahrungen aus ihrer Praxis zeigten: Veränderung
sei möglich. Meine Zwischenfragen allerdings wurden an das
Ende des Vortrags verwiesen. Nachdem ich so über eine Stunde
geduldig zuhören musste, folgten nun vom Veranstalter noch
Buchtipps zum Thema und zu Sex vor der Ehe?.
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- Vor dem Vaterunser-Geraune wurde
ein gebetsähnlicher Text vorgelesen: Sex sei weder Dämon
noch Anbetung und dergleichen, wobei ich den Eindruck hatte,
es ging hier mehr um eine demonstrative Selbstverständigung
der anwesenden Christen als Unverklemmte und reinen, guten Sex
Praktizierende. Damit sollte die Veranstaltung beendet sein,
und ich war immer noch nicht zu Wort gekommen. Also stand ich
auf, um die schlechte Harmonie laut zu stören und hinzuweisen
auf Widersprüche, Homophobie und den schlechten Stil, Nachfragen
und einer Diskussion auszuweichen.
Die Referentin mit dem eben noch wissenschaftlichen Anspruch
erklärte sich nicht zu einer Kontroverse bereit, man wollte
mir kein Forum gönnen, bestenfalls ein direktes Gespräch
mit der Referentin oder in kleiner Runde, was für mich jedoch
nicht in Frage kam es sollte wohl ein Gespräch zwischen
einer Therapeutin und einem pathologischen Homosexuellen werden.
So stritt ich noch eine Weile ergebnislos, ohne dass wirklich
auf meine Argumente
eingegangen wurde.
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- Was die Bibel über Homosexualität
sagt
Im Widerspruch zu ihrem wissenschaftlichen Anspruch verzichtete
die Referentin nicht auf ein moralinsaures Fundament, christliche
Homophobie und Ehe-Ideologie: In der Bibel gäbe es keine
Stelle, die sich positiv auf Homosexualität bezieht.
Sie gilt als Zeichen der Sündhaftigkeit des Menschen und
sei Götzendienst. Die Bibel drückt offen
ihren Ekel vor den Homosexuellen aus: Homosexualität sei
widernatürlich, ein Gräuel und eine Blutschuld,
die mit dem Tod bestraft werden musste (3. Mose 18.22 und 20.13).
Als weiteres Argument gegen Homosexualität führte die
Referentin die heterosexuelle Ehe an, die sie als Ikone,
also Abbild Gottes, bezeichnete. Gott sei transsexuell,
gemeint war geschlechterübergreifend. Während sie so
die Ehe verherrlichte, implizierte dies, dass der einzelne Mensch
defizitär sei bzw. die homosexuelle Beziehung dieses Defizit
nicht füllen und von daher Homosexualität nicht befriedigend
gelebt werden könne.
Auf eine andere Gedankenspielerei ob sich im Homosexuellen,
Bisexuellen oder im Androgynen/Transgender möglicherweise
mehr von der Transsexualität eines hypothetischen Gottes
spiegelt als im Heterosexuellen kam die Referentin nicht.
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- Wenn sich Christen als defizitäre heterosexuelle
Männer und Frauen begreifen, die zu ihrer Vollständigkeit
das andere Geschlecht brauchen, so ist das ihr Problem. Dass
sie meinen, ihre beschränkten homophoben Lebensvorstellungen,
ihre heterosexistische Ehe-Ideologie jedoch verallgemeinern zu
müssen, kann sich schwerwiegend auf Emanzipation und Coming-out
von Schwulen und Lesben auswirken, insbesondere wenn diese in
einem christlichen Umfeld erzogen und sozialisiert wurden, wofür
die Praxis der Referentin steht.
Im Gegensatz zu beschränkter heterosexistischer Ehe-Ideologie
findet sich eine interessante und offene Betrachtung zu Komplementarität
der Geschlechter in dem Buch Ich bin Du. Auf dem Weg in
die androgyne Gesellschaft von Elisabeth Badinter.
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- Nebenbei: manche schwule Christen beziehen
sich auf die homoerotische Freundschaft zwischen dem Hirtenjungen
David und dem Prinzen Jonathan: Leid ist mir um dich, mein
Bruder Jonathan, du warst mir sehr lieb. Wunderbarer war mir
deine Liebe als die Liebe von Frauen. (2. Samuel 1.26).
Hier wird Männerliebe aufgrund einer Gegenseitigkeit als
gut empfunden und nicht anhand einer abstrakten Moral bewertet.
Hingegen drücken die späteren Ehen von David eher das
zweckdienliche Einheiraten in reiche Familien und dadurch Zugewinn
an Einfluss und Besitz aus.
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- Dass es bei einvernehmlicher (Homo-)Sexualität
keine Geschädigten (außer einem imaginären Gott)
gibt, hinderte die Referentin nicht daran, gemäß der
Bibel praktizierte Homosexualität als Sünde zu diffamieren.
Verantwortung bestimmt sich ihr zufolge nicht durch die Art und
Weise (z.B. einvernehmlich oder gewalttätig) bzw. die Folgen
menschlichen Tuns, sondern wird durch einen willkürlichen,
rachsüchtigen und griesgrämigen Gott moralistisch definiert.
Der Mensch habe die Freiheit, zwischen Sünde
und Gottes Willen zu entscheiden. (Eine hervorragende Kritik
von Christentum und Religion hat Karlheinz Deschner in seinem
Buch Der Gefälschte Glaube geliefert.
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- Was christliche Fundamentalisten über
Schwule und Homosexualität wissen
Homosexualität ist unnatürlich. So plump sagte es die
Referentin jedoch nicht, im Gegenteil verwies sie auf die Wissenschaft
es gibt keine ernsthaften Beweise für Homosexualität
verursachende Gene, Hormone etc. und auf den LSVD, der
dazu riet, das Argument des Schwulen-Gens nicht mehr zu gebrauchen.
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- Ob Homosexualität natürlich ist
oder nicht, sollte eigentlich keine Rolle spielen: menschliches
Leben beruht größtenteils auf sozialen und materiellen
Techniken, auf Überwindung von Naturhaftigkeit und ist unnatürlich.
Sexualität und Lust sind wichtige Bestandteile unseres Lebens
und unserer Natur. Ob ihre hetero-, homo- oder sonstige sexuelle
Ausrichtung von der Natur oder sozial/kulturell bestimmt sind,
sind für ihr freies, einvernehmliches Ausleben unerheblich.
Störend wirken hier vielmehr gesellschaftliche Umstände
und Ideologien von genormtem Leben, Religion usw. Die Referentin
hatte aber andere Hintergedanken: Wenn Homosexualität unnatürlich
ist die Zuhörer dachten sicherlich unnormal,
abartig , ist sie auch therapierbar.
Schwule sind eklige und perverse Schweine. Obwohl die Referentin
dies niemals so ausgedrückt hätte, verstanden die Zuhörer
es so: das Kopfschütteln einiger drückte Verständnislosigkeit
und Angewidertsein aus. Die Referentin zitierte nämlich
wissenschaftliche Untersuchungen, wonach Schwule andere Beziehungsmodelle
mit vielen Seitensprüngen lebten und wie viel Prozent Sex
im Park, in Saunen, wie viele Sexualpartner usw. gehabt haben.
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- Homosexualität sei eine Störung
der Geschlechtsidentität, also eine behandlungsbedürftige
Krankheit, deren Ursache die Referentin in der kindlichen Entwicklung
sieht. Das Kind unterscheidet die ersten zwei Jahre nicht zwischen
männlich und weiblich, erst später lernt es die Geschlechter
zu differenzieren und eine Geschlechtsidentität aufzubauen.
Aufgabe der Eltern sei es, das Kind bei der Herausbildung seiner
jeweiligen Geschlechtsidentität zu unterstützen, ansonsten
könne es zu einer Störung dieser kommen und die Ursache
für Homosexualität sein.
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- Dies kann insbesondere sein, wenn die Mutter
den Jungen zu sehr an sich bindet, oder der Vater keine Identifikation
bietet. Deshalb hätten Schwule oft ein negatives oder vielmehr
sogar ein gleichgültiges Verhältnis zu ihren Vätern.
Verstärkend wirke sich aus, wenn der Junge mangels Anregung
(zum Beispiel durch Nicht-Gelingen von Beziehungen in der Gruppe
der Gleichgeschlechtlichen) etc. in der weiteren Entwicklung
keine Maskulinität entwickeln würde. Überhaupt
fiel das Wort maskulin oder männlich mehrmals bei der Referentin.
Nach Markus Hoffmann vom Weißen Kreuz (Quelle: Internet
s.o.) versucht der Homosexuelle mittels seiner Sexualität
seine Identität als Mann zu reparieren. Deshalb begehre
er genau das, was er als Defizit bei sich empfinde. Hoffmann
nennt dies auch Wunsch nach Vertrauen in die eigene genitale
Vollwertigkeit: Den hegen Menschen, die Zweifel daran haben,
ob sie geschlechtlich funktionieren, ihr Geschlechtsteil die
richtige Größe hat und vieles andere mehr.
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- Das homosexuelle Interesse richtet sich bei
ihnen hauptsächlich auf Personen, die nach ihrer Meinung
diese geschlechtliche Vollwertigkeit besitzen. Da Schwule
dies untereinander bei sich aber nicht finden würden, seien
auch keine zufriedenstellenden Beziehungen (illusionäre
Sexualität) möglich. Ein homosexuell empfindender
Mensch sehne sich nach einer Stimme, die ihm zuverlässig
darüber Auskunft gibt, wer er ist. ... Wenn es daher gelänge,
diese selbstbewusste Stimme als beständige Kraft und als
inneres Wissen in ihm aufzubauen, dann könnte er das homosexuelle
Verhalten lassen. Damit sei bereits das Ziel des Veränderungsprozesses
umrissen ...
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- Mythos Mann
Die Referentin und das Weiße Kreuz vertreten damit klassische
zwangsheterosexuelle Ideologie. (Als Gegenbild verweise ich auf
feministische Studien und das Buch Mythos Mann von
David D. Gilmore.) Die Referentin propagierte die Förderung
einer männlichen Identität, die Erziehung von Jungen
zu Männern statt zu Menschen oder wenigstens zu Sanftmut
und Friedfertigkeit gemäß eines christlichen Leitbildes.
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- Angesichts von Jahrhunderte langer Männergewalt,
-herrschaft und -dominanz solch problematische Begriffe wie maskulin
etc. nicht einmal zu definieren und hinterfragen, sondern ausschließlich
positiv Bezug darauf zu nehmen und damit Homosexuelle als gestört
in ihrer Geschlechtsidentität herabzusetzen, ist beleidigend
und kurzsichtig. Vielmehr haben Homosexuelle gerade aufgrund
von Maskulinität Heterosexueller, die sich als
Homophobie, Männlichkeitsgebaren und -gewalt äußern
kann, viele Probleme.
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- Sich raufende Jungen beschimpfen sich gerne
gegenseitig als Schwule Sau, feminine Jungen werden
gehänselt, andersartige verachtet, ausgegrenzt und verspottet.
So verhalten sich sich normal entwickelnde Jungen,
wie sie sich die Referentin und das Weiße Kreuz anscheinend
wünschen. Angesichts sexistischer Verhältnisse und
wenn Homosexuelle dann noch in einem christlich-fundamentalistischen
Umfeld mitsozialisiert wurden, ist es nicht verwunderlich, wenn
sie Schwierigkeiten haben sollten, ein Selbstbewusstsein zu entwickeln
und ihr Coming-Out als Schwule zu wagen. Nicht der Homosexuelle
ist dann aber gestört, sondern das sexistische Umfeld, in
dem er aufwuchs.
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- Wer sich unkritisch auf genormte und festgelegte
Geschlechterrollen, auf Männlichkeit bezieht, nimmt damit
Homophobie, Gewaltbereitschaft, Männergewalt, Dominanzverhalten,
Frauenunterdrückung und Männerherrschaft bei gleichzeitiger
Unterdrückung eigener Bedürfnisse von Jungen und Männern
(Zähne zusammenbeißen, ein Indianer kennt keinen Schmerz)
in Kauf.
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- Männlichkeit muss von Jungen in meist
auch schmerzhaften Prozessen und Prüfungen errungen werden
Mittel dazu sind drohende und reale (im Falle des Versagens)
Sanktionen des Ausgegrenztwerdens, des Absprechens des Mannseins,
des Ausgelacht- und Verachtetwerdens usw. Solche sozialen Mechanismen
werden jedoch nur wenn sie ausufern als pathologisch angesehen.
Feministinnen benennen das manchmal deutlicher: Männlichkeit
und Weiblichkeit sind Geschlechtskrankheiten.
- Die Praxis der Referentin, das Weiße
Kreuz und die böse Wissenschaft.
Die Referentin berichtete, dass sich Schwule und Lesben bei ihr
und ihren Kollegen melden, weil sie unter ihren homosexuellen
Gefühlen leiden würden und diese überwinden wollten.
Das Leben in der Szene sei oberflächlich, bindungslos und
unbefriedigend.
Viele ihrer Patienten stammten aus dem kirchlichen bzw. christlichen
Bereich. Nicht hinterfragt wurde von ihr, dass dort deren sexuelle
Empfindungen oft besonders harten Konflikten mit der christlichen
Moral ausgeliefert sind und sie keine Bestätigung ihrer
sexuellen Identität und ihrer Persönlichkeit erhalten,
sondern gerade hier wohl Schuld- und Schamgefühle entwickeln.
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- Um diesen Konflikt aufzulösen, wenden
sie sich nicht etwa der Kirche oder ihrer christlichen Gemeinschaft
ab und streiten für ihre Persönlichkeit, sondern geben
diese sogar noch preis, wenn sie nach Überwindung ihres
homosexuellen Begehrens in Enthaltsamkeit oder Heterosexualität
streben.
Dabei ist die Referentin überzeugt: Homosexuelle können
ihre angeblich negativen Erfahrungen im Kindesalter reflektieren
und überarbeiten ... Und auf einmal würden sich
auch sexuelle Empfindungen ändern! Welche Selbstqual
dies jedoch bedeuten kann, beschrieb sogar Gerhard Naujokat vom
Weißen Kreuz 1976 als ein Heilungsprozess, der ununterbrochen
u.U. ein Leben anhält!
Jederzeit könne die alte Begierde wieder durchbrechen. Naujokat
empfiehlt eine restlose zeitliche, körperliche und
geistige Auslastung. und fordert letztendlich lebenslangen
Sadomasochismus und Selbstunterdrückung als Heilung: Diese
Darbringung des persönlichen und privaten Seins ohne Wehleidigkeit
und Schonung bis hin zu tatsächlicher körperlicher
und geistiger Erschöpfung um einer großen Aufgabe
willen wird Wegbereiter der Überwindung sein. (zitiert
nach HuK: evangelikal und homosexuell).
Markus Hoffmann hat dazu einen Therapie-Prozess in
acht Schritten beschrieben: Therapie soll dysfunktionale
Denkmuster abbauen und ein Beziehungsverhalten anbahnen, das
geeignet ist, den Zuspruch Gottes auch in der Beziehung zu Menschen
zu erleben. Unterstützt werde die Therapie durch Seelsorge,
wo er sich von Gott sagen lässt, wer er ist.
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- Es gehe darum, Homosexualität vom bisher
ungestillten Bedürfnis (das sich in ihr ausdrückt)
zu trennen und dieses zu erkennen, eine männliche Identität
und ein (entsexualisiertes) Körpergefühl zu entwickeln,
sich mit dem Vater zu versöhnen und asexuelle Freundschaften
am besten in christlichen Männergruppen aufzubauen.
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- Dadurch würde auch eine neue Lebensqualität
(die homosexuellen Gefühle nehmen ab) entstehen.
Letztlich läuft es jedoch auf eine Verdrängung und
Unterdrückung der Homosexualität hinaus, die mann mit
zusammengebissenen Zähnen und zusammengekniffenen Arschbacken
abwehren muss, was selbst Hoffmann eingesteht: Wir dürfen
uns nicht vorstellen, dass ein homosexuell empfindender Mensch
auf einmal genauso empfindet wie ein heterosexueller. ... Ich
erkläre ihm auch, dass Homosexualität etwas ist, das
sich wieder verstärken kann, wenn er aufhört, achtsam
mit seinem Bedürfnis umzugehen und seine lebensverändernde
Praxis vernachlässigt.
Sicherlich können sich Verletzungen, die Homosexuelle in
ihrer Sexualisation bzw. Sozialisation erlebten,
möglicherweise in Identitätsunsicherheiten niederschlagen.
Das Tückische, Hinterlistige an den Therapievorschlägen
des Weißen Kreuzes besteht jedoch darin, Minderwertigkeitsgefühle
bzw. Identitätsprobleme dadurch zu lösen, nicht indem
ein Gefühl des Menschseins vermittelt wird oder indem gesellschaftlich
patriarchale, homophobe Zustände, die in die Sozialisation
störend hineinwirken, bekämpft werden, sondern indem
die Vermittlung von Körpergefühl gekoppelt wird mit
Enthomosexualisierung und starker Männlichkeit.
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- Die Ursache für mangelndes Selbstbewusstsein,
gesellschaftlicher Zwangsheterosexismus, wird zur Therapie erklärt.
(Andere Ansätze zwecks Vermittlung von Selbstbewusstsein
und Körpergefühl bei Bejahung der eigenen Homosexualität
wird in Büchern zum Coming-Out beschrieben, aber auch von
Martin Siems in seinem älteren Buch Coming-Out.)
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- Die Referentin griff Schwule und Lesben nicht
direkt an wohl auch angesichts anderer gesellschaftlicher
Mehrheiten, weil es nicht mehr zeitgemäß ist und auch
der Wissenschaft nicht entspricht , sondern argumentierte
eher subtil. Die Unterdrückung homosexuellen Begehrens geschieht
heute nicht mehr mittels kalter Duschen, stereotaktischer Operationsschnitte
im Gehirn, Entmannungen, offener Gehirnwäsche und anderen
Folterarten, sondern mit hinterlistigen Angeboten therapeutischer
Nächstenliebe und einer angeblich objektiven, entwicklungspsychologisch
fundierten Wissenschaft.
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- Die Referentin beklagte, dass Homosexualität
aus der Liste der Krankheiten/Störungen gestrichen wurde
und deshalb kein Fall mehr zur Therapie für den Psychiater
bzw. Psychologen sei. So stießen überwindungswillige
Homosexuelle bei Therapeuten auf Ignoranz, weil es heute nicht
mehr political correct sei, und Therapeuten, die an der
Überwindung von Homosexualität arbeiteten, Konsequenzen
drohten. Kein Thema war für die Referentin eine Entschuldigung
für die Verbrechensgeschichte des Christen- und Kirchentums
unter anderem an Schwulen und Lesben und für die fatalen
Auswirkungen christlicher Ideologie. Schließlich war ihr
Thema ja auch nicht Homophobie: Veränderung ist möglich.
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- Homophobie in Geschichte und Gegenwart
und die Folgen auf unsere Lebensweisen
Völlig ignorant war die Referentin bezüglich der Tatsache,
dass Schwule und Lesben es trotz Öffnung der Gesellschaft
immer noch schwer haben könnten, nicht weil sie gestört
sind sondern angesichts allgemeiner Kommerzialisierung
von Lebensweisen, Vereinzelung und Unverbindlichkeit (dies ist
kein Plädoyer für die Homo-Ehe), während Heterosexuelle
auf eingefahrene Wege des Heiratens, Kinderkriegens und -aufziehens
zurückgreifen können.
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- Hinzu können für Schwule und Lesben
Schwierigkeiten kommen, ihre Identität gegenüber Eltern/Familie,
Klassenkameraden, bei der Arbeit, Freunden, in der Öffentlichkeit
und Alltag, Kirche usw. zu behaupten. Indirekt wirkt hier die
Jahrhunderte lange Geschichte der Verfolgung von Homosexuellen
nach, so dass Schwule und Lesben
heute immer noch nach erfüllenden Lebensweisen gesucht werden
muss. Diese Suche wird heute durch neue Normierung von Lebensweisen
(z.B. Homo-Ehe) und allgemeine Phänomene des Konkurrenz-Kapitalismus
erschwert: Kommerzialisierung, Jugend- und Schönheitsfetisch,
Ausgrenzung schwuler Minderheiten, Vereinzelung, Unverbindlichkeit,
Mobbing in der Szene usw. Anstatt nun aber auf die Schreie von
Schwulenfeinden zu hören und sich diesen indirekt durch
anständige homosexuelle Beziehungen wie z.B.
die Homo-Ehe unterzuordnen und Homosexualität zu normieren,
gilt es, sich weiterhin konsequent gegen Zwangsheterosexualität
und genormte Lebensweisen zu wehren und selbstbestimmte Lebensweisen
und Vielfalt jenseits von Kommerz, Ausgrenzung und Unverbindlichkeit
zu erproben.
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- Und die evangelische Amtskirche?
Mancher wird einwenden, dass die Positionen von evangelikalen
fundamentalistischen Sekten minoritär und nicht für
die der Breite der evangelischen Kirche maßgebend seien.
Hören wir dazu Wolfgang Huber, bislang Bischof von Berlin-Brandenburg
und seit Anfang November 2003 Ratsvorsitzender der Evangelischen
Kirche in Deutschland in seiner Predigt zum Tag der deutschen
Einheit:
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- Huber warb dafür, dass die eigene
Seele sich öffnet und etwas von der Liebe und Güte
zurückströmen lässt, die wir empfangen,
z.B. durch Einschnitte beim Abbau des Sozialstaates.
Er wandte sich gegen die Haltung des wehleidigen Maulens
und miesepetrigen Kleinmuts, und wer sich gegen Einschnitte
wehre, versündige sich an späteren Generationen.
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- Wohl auch im Zusammenhang mit der Rentendiskussion
streute er eine Prise christlich-homophoben Fundamentalismus:
Als normal gelte, dass Menschen auf das Miteinander von
Mann und Frau angelegt sind. Dieses Miteinander schließe
ein, dass Kinder heranwachsen. Was hingegen gleichgeschlechtliche
Lebenspartnerschaften angeht, ist Huber dagegen, alles
zu egalisieren. Nebenbei ist er als christlicher Verantwortungspazifist
im Zweifelsfall auch noch für den Einsatz von Militärgewalt
und von deutschen Soldaten (zitiert nach Jungle World,
12.11.2003).
Christliche Homophobie mag altmodisch sein, trotzdem hat christlicher
Fundamentalismus noch ausreichend Spielraum, so ist zum Beispiel
das Weiße Kreuz dem Diakonischen Werk angeschlossen und
gilt damit als gemeinnützig. Gerade in Zeiten, wo wieder
sogenannte Werte und ein Ruck durch Deutschland gefordert
werden, könnte christliche Ideologie zum Kitt für eine
reaktionären Politik und Sozialabbau werden.
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- Und selbst wenn Christen unter sich bleiben,
so erziehen sie doch auch Kinder bzw. nehmen Einfluss auf Kinder,
die sich nicht unbedingt gegen die zwangsheterosexuellen Zumutungen
ihrer Eltern wehren können. Können diese Leute ihre
Kinder nach einem solchen Vortrag überhaupt noch unvoreingenommen
und unverkrampft erziehen?
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- Dies ist von meiner Seite kein Plädoyer
für ein Entzug des Sorgerechts, wie ein Diskutant mir beinahe
unterstellen wollte, aber ein Plädoyer für den Schutz
vor zwangsheterosexuellen Zumutungen und elterlicher Gewalt.
Zu dessen Durchsetzung befürworte ich Aufklärung von
Kindern und Jugendlichen über ihre Rechte, Weglaufhäuser
und Anlaufstellen für Kinder und Jugendliche sowie notfalls
ihre selbstbestimmte Trennung von ihren Eltern.
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- Schlussbemerkung
In seiner spannenden Autobiografie als Revolutionär Vom
Weißen Kreuz zur Roten Fahne (ohne homosexuelle Thematik)
beschreibt Max Hoelz unter anderem, wie er vom Christ zum freiheitlichen,
revolutionären Rätekommunisten wird. Insofern stimme
ich dem Ja der Referentin auf die Frage Ist
Veränderung möglich? zu: christlicher Fundamentalismus
kann überwunden werden. (ah)
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