- 77. LUST, Winter 03/04
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- Gaypride 2004 in Belgrad
- Die Nachricht von der 1.Gaypride in Belgrad
im Jahr 2001 mag vielen noch in Erinnerung sein, anderen wurde
sie zum ersten Mal bewusst als Vedrana Velickovic von Gayten
(LGBT-Gruppe in Belgrad) Anfang des Jahres den Film über
die Pride in verschiedenen Städten Deutschlands zeigte.
100 Personen versuchten 2001 auf dem Platz der Republik eine
Gaypride zu zelebrieren, wurden daran jedoch von ca. 1000 Hooligans
und Mitgliedern der faschistoiden Gruppe Obraz (Ehre)
gehindert. Sobald die TeilnehmerInnen der Pride den Platz betreten
wollten stürzten sich die Hooligans und ihre MitstreiterInnen
auf sie und schlugen sie brutal zusammen.
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- Die Polizei, die schon zu Zeiten Milosevics
nicht gerade auf Seiten von Oppositionellen und Minderheiten
stand, reagierte nur sehr zögerlich, einen tatsächlichen
Schutz bat sie den TeilnehmerInnen der Pride nicht, z.T verweigerte
sie ihnen gar die Hilfe. Der damalige Präsident Kostunica
bezog auch auf Nachfrage bei einem Treffen in den USA zu dem
Vorfall keine Stellung, da es seiner Ansicht nach wichtigeres
gebe.
Im Vorfeld der Gaypride wurde zwar teilweise mit Gegenwehr von
rechten Gruppierungen gerechnet, jedoch nicht in dieser massiven
Form. Außerdem bestand die Hoffnung, dass sich die gesellschaftliche
Situation für Schwule und Lesben nach dem Sturz Milosevics
im Oktober 2000 geändert habe. Die Ereignisse waren Zeugnis
genug, dass dies nicht der Fall war. Fortan wurden lesbisch-schwule
AktivistInnen in der Öffentlichkeit wieder vorsichtiger.
Die lesbische Gruppe Labris zum Beispiel änderte
ihr Klingelschild in einen belanglosen Nachnamen um, weil das
Schild mehrmals angebrannt wurde und auch die Nachbarn im Haus
schon Sorge um ihre eigenen Wohnungen hatten. Auch die Adressen
sämtlicher anderer lesbisch-schwuler Gruppen und Projekte
sind geheim.
Erst eine Flut von Protestbriefen an jugoslawische Botschaften
in verschiedenen Ländern im Jahre 2001 hatte zur Folge,
dass der jugoslawische Innenminister den OrganisatorInnen der
Gaypride sein Bedauern mitteilte, wenn auch nicht ohne zu erwähnen,
dass die Polizei gegen die Hooligans machtlos war. Das zu glauben
fällt schwer, wenn man im Oktober 2003 beobachtet, wie viele
tausende PolizistInnen sich auf eben jenem Platz der Republik
versammeln, um gegen die Verurteilung von General Sreten Lukic
in Den Haag zu protestieren.
Die Situation hat sich in den letzten zwei Jahren nicht bedeutend
geändert, die gesellschaftliche und politische Lage ist
zur Zeit desolat. Seit der Ermordung des Premierministers Zoran
Djindjic im März 2003 ist die Regierung schwächer geworden
und die Regierung seit Mitte November aufgelöst. Aufgrund
der gescheiterten Präsidentschaftswahlen vom 16. November-
wegen zu geringer Wahlbeteiligung - gibt es auch keinen Präsidenten
Serbiens mehr, da sich der alte Präsident im Januar 2003
freiwillig dem Haager Tribunal stellte. Somit ist der alles entscheidende
Tag der 28. Dezember, der Tag der Parlamentswahlen für Serbien.
Trotz alledem versucht ein Bündnis von jungen Lesben und
Schwulen für das Jahr 2004 erneut eine Gaypride zu organisieren.
Auch wenn die homophobe Gegenwehr vermutlich nicht geringer sein
wird, halten sie es für wichtig und sinnvoll ein weiteres
Mal auf die Straße zu gehen und Präsenz zu zeigen,
denn sie gehen davon aus, dass der richtige Moment für eine
ungestörte Gaypride nicht von allein kommen wird.
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- Als Vorbild gilt die Gaypride 2002 und 2003
in Zagreb, die mit Hilfe des Einsatzes von privaten Sicherheitsdiensten
und kroatischer Polizei ohne größere Zwischenfälle
durchgeführt werden konnten. In der Organisation der Belgrad
Gaypride 2004 wird nun auch eine andere Strategie angewandt als
2001: Die Vorbereitungen beginnen früher. Es wurden bereits
Gespräche mit Polizei und Regierung aufgenommen. Als Bedingung
dafür musste sich das Bündnis jedoch als steuerzahlende
NGO registrieren lassen.
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- Von Seiten des Bündnisses wird außerdem
auf massive internationale Präsenz und Aufmerksamkeit gesetzt,
da dies eine Chance ist, Druck auf die Regierung auszuüben,
dahingehend, dass sie für den Schutz der Gaypride sorgen
muss. Auch das Interesse internationaler Medien soll geweckt
werden, um über diese Öffentlichkeit einen gewissen
Schutz zu bieten. Erschwert wird die Arbeit des Bündnisses
jedoch auch von Gruppen, von denen man es nicht erwartet hätte.
Die Sozialdemokratische Partei (SDU), die als einzige Partei
in ihrem Programm für die Rechte von Schwulen und Lesben
eintritt, kündigte dem Bündnis kürzlich die Raumnutzung
für ihre wöchentlichen Vorbereitungs-Treffen auf.
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- Der Präsident der SDU -Zarko Korac-
fürchtet um seinen Ruf und Posten als Vize-Premier Serbiens
und möchte nicht mit dem Gaypride Bündnis in Verbindung
gebracht werden. Die SDU war schon einmal Angriffsziel als der
Arbeitskreis Queeria LGBT der sozialdemokratischen Jugend eine
Medienkampagne zur Homoehe gestartet hatte. Im März 2001
stürmten Skinheads die Büroräume der SDU, demolierten
Scheiben und Einrichtung und schlugen ein Mitglied des Arbeitskreises
zusammen.
Eine breite internationale Beteiligung an der Belgrad Gaypride
2004 ist sehr wichtig, um dazu beizutragen die Gaypride zu ermöglichen.
Darüberhinaus wird eine große Summe an Geld benötigt,
die die OrganisatorInnen nicht alleine aufbringen können.
Alleine für den privaten Sicherheitsdienst werden 40.000
Euro benötigt. Geldspenden sowie die internationale Mobilisierung
und Präsenz bei der Gaypride 2004 sind eine wichtige Unterstützung
im Kampf gegen Homophobie und Zwangsheterosexualität. Autorinnen:
Katinka Zeuner und Claudia Lichnofsky, Belgrad. Website: www.belgradepride.org
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