76. LUST, Hebst 03
Oh Mann, Hamburg
Über rechte Umgangsformen in einer rechten Koalition
 
Dass da etwas in der anbenteuerlichen Hamburger Koalition los war, erfuhr ich, aus einer aufgeregten E-Mail-Presseerklärung der peinlichen „Lesben und Schwule in der Union“ LSU. Aber erst einmal eins nach dem anderen.
Hamburgs Regierung (denn Hamburg ist ja auch ein Bundesland) hat ja schon immer Koalitionen mit recht seltsamen Parteien gepflegt. Immerhin habe ich nicht vergessen, dass die Hamburger SPD lieber mit einer obskuren STATT-Partei koalierte als mit den damaligen Grünen. Dies nur wegen der ständigen Kommentare, dass das alles keine „hanseatische“ Politik sei.

Ole von Beust hat also den Spitzenmann seines Koalitionapartners, den Richter Gnadenlos also, zu einem Zeitpunkt davon gejagt, als es ihm passend erschien. Denn bei der Bundestagswahl ist der „Rechtstaatliche Offensive“ von Ronald Barnabas Schill nicht der erhoffte Zulauf zugute gekommen, der auch in Berlin eine solche Koalition ermöglicht hätte wie in Hamburg zwischen CDU, FDP und eben der sogenannten Schill-Partei.

Eigentlich könnte man ja schulternzuckend diese Ereignisse im Ordner „politische Lehren“ abheften, in der Rubrik: „Rechte unter sich“. Doch gibts da ein paar Begleitumstände, die auch für uns nicht ganz unwichtig sind.
Also nun die besagte Presseerklärung der LSU:
 
Lesben und Schwule in der Union (LSU)
PRESSEMITTEILUNG vom 19. August 2003
Harte Zeiten für Erpresser
LSU: v. Beust handelte richtig und entschlossen
Der Verband der Lesben und Schwulen in der Union (LSU) begrüßt die Entlassung des Hamburger Innensenators Schill. Der Erste Bürgermeister Ole von Beust (CDU) hatte den umstrittenen Politiker gefeuert, nachdem dieser gedroht hatte, ein angebliches Verhältnis zwischen von Beust und Justizsenator Kusch (CDU) öffentlich zu machen.
“Es ist ermutigend, wenn solche Methoden zum Karriererisiko für den Erpresser selbst werden und nicht mehr für den Erpressten“, sagte der LSU-Bundesvorsitzende Rolf Ohler. „Geoutet hat sich Herr Schill selbst, und zwar als mieser Charakter.“ Es sei abstoßend, die vermeintliche omosexualität eines Anderen als politische Waffe verwenden zu wollen. Ole von Beust habe richtig und entschlossen gehandelt.
Der LSU-Chef wandte sich generell gegen so genannte Zwangs-Outings. Wie weit ein Prominenter sein Privatleben für die Öffentlichkeit öffne, sei allein seine Sache. „Politiker schulden den Bürgern eine vernünftige und anständige Politik, aber keinen Einblick ins Schlafzimmer“, betonte Ohler. Dies gelte für Hetero- und Homosexuelle gleichermaßen. Die LSU hoffe nun, dass die Koalition in Hamburg ihre erfolgreiche Arbeit auch ohne die „Skandal-Nudel“ Schill fortsetzen könne.
Also, nicht die bescheuerte Koalition ist zu verurteilen, für die sich ein schwuler Politiker hergab, wohl wissend, wie man rechts mit dem Thema Homosexualität umgeht (vor solchen Erfahrungen ist man ja in der CDU auch nicht sicher), sondern Parteifreund Ole wird dafür gelobt, dass er sich nicht erpressen lasse.
Am gleichen Tag kam dann auch die Mail der Schwusos, also der Lesben und Schwulen in der SPD:
 
Hamburger Affäre
Presse-Mitteilung 19.8.2003
Zwangsouting lohnt sich nicht !
Mit Genugtuung hat der Bundesvorstand der Lesben und Schwulen in der SPD (Schwusos) auf den nicht geglückten offenbaren Erpessungsversuch von Hamburgs Ex-Innensenator Schill reagiert. Schill hatte versucht, mit der Drohung die Homosexualtität des Ersten Hamburger Bürgermeisters Ole von Beust und dessen angeblicher Beziehung zu Justizsenator kusch öffentlich zu machen, seinen unter Druck geratenen Staatsrat Wellinghausen zu retten.
Dazu erklärt der Bundesvorsitzende der Lesben und Schwulen in der SPD (Schwusos) Michael Engelmann: „Was wir in Hamburg z.Z. erleben, ist eine Schlammschlacht übelster Sorte. Ex-Senator Schill hat sich zum wiederholten Male disqualifiziert. Sein Rauswurf durch Ole von Beust war konsequent und notwendig, auch wenn er viel zu spät kommt. Es ist ein ermutigendes und
wichtiges Signal, dass sich homosexuelle Politiker nicht erpressen lassen durch ein angedrohtes Zwangsouting. Schill hat sich in dem Punkt völlig verrechnet. Auch wenn Herr von Beust zum politischem Mitbewerber gehört, zollen wir ihm trotzdem Respekt für sein Verhalten in dieser für ihn sicherlich nicht einfachen Situation. Dieser Fall beweist: Zwangsouting lohnt sich nicht !“
Michael Engelmann MdBB
Bundesvorsitzender der SCHWUSOS

Das ist aber eine schwache Erklärung des politischen Konkurrenten. Wo bleibt da die Kritik an einer Verbrüderung mit noch weiter rechts, nur um an die macht zu kommen, wenn man doch weiß, dass die Szene weiter rechts für Lesben und Schwule bedeutet? (Und nicht nur für Lesben und Schwule).

Der Vollständikeit halber nun noch die Presseerklärung der Grünen:
19.08.03
Zur Entlassung des Hamburger Innensenators Ronald Schill erklärt Farid Müller, offen schwuler Abgeordneter der Hamburger Bürgerschaft und Sprecher der Bundesarbeitsgemeinschaft Schwulenpolitik von Bündnis 90/DIE GRÜNEN:
“Es ist erschütternd, dass im 21. Jahrhundert Homosexualität immer noch ein Erpressungsgrund ist. Im wesentlichen hat dies die CDU als große Volkspartei zu verantworten, in deren Augen Homosexualität immer noch ein Makel darstellt.
Die Tatsache dass der Erste Bürgermeister ein Opfer dieser Politik seiner eigenen Partei zu werden droht, ist tragisch zu nennen.
Es ist jetzt an Ole von Beust zu beweisen, dass die von Ex-Senator Schill gemachten Vorwürfe, Kusch sei als Lebenspartner durch die Ernennung zum Senator begünstigt worden, gegenstandslos sind.
Ich erwarte zum Wohle der Freien und Hansestadt Hamburg und der lesbischen und schwulen Mitbürgerinnen und Mitbürger eine rasche und rückhaltlose Aufklärung.“
Und dann kam noch ne Meldung von den GRÜNEN einen Tag später: Nein, falsch, das ist ja gar keine Meldung der Grünen sondern des LSVD. Wie konnte ich das nur verwechseln?
20. August 2003

LSVD fordert Promi Coming out als Reaktion auf Hamburger Affäre Philipp Braun, Sprecher des Lesben- und Schwulenverbandes in Deutschland (LSVD), erklärt:
Der Lesben- und Schwulenverband fordert Politiker und Politikerinnen auf, ihre Homosexualität selbst öffentlich zu machen. Die Hamburger Affäre zeigt, nur Offenheit schützt vor Denunziantentum. Es gibt keinen Grund, sich seiner Homosexualität zu schämen. Im Gegenteil: Wir demonstrieren aufrecht und stolz, dass wir als Lesben und Schwule um unseren gleichberechtigten Platz in dieser Gesellschaft kämpfen. Freilich, dazu gehört auch eine gehörige Portion Mut. Aber es lohnt sich! Denn die Angst vor Erpressung und Denunziation hat ein Ende.
LSVD Pressestelle

Tja, also auch ein Bisschen Blala, aber man hat sich gemeldet und so demonstriert, dass man sich auf Augenhöhe mit den großen und kleinen Parteien fühlt. Für mich bleibt eines unklar: wie kann ein homosexueller Mann eigentlch bei der CDU sein, wenn man doch weiß, was sich alles die DCU schon gegen uns geleistet hat?
 
Wöäre da nicht wenigstens eine Distanzierung und eine Entschuldigung fällig, bevor man seineKraft in den Dienst einer solche Partei stellt? Und dann: qwie kann man sich als Schwuler eigentlich mit noch weiter rechts stehenden Kräften verbünden, wenn man doch weiß, was „rechts“ für uns bedeuten kann? Man bracht nur die BILD-Schlagzeile zu lesen: „Dreckige HOMO-Erpressung“. Wenn der BILD-Lesre nicht weiter liest müsste er sich hier fragen: Wen haben denn die dreckigen Homos nun erpresst? Und das Bild von Schill mit herpes auf der Lippe sagt noch: das ist ein solcher dreckiger Homo.
Schill kassiert nach seinem Abgang aus dem Amt. Und was? 175? Zufälle gibts. Beim Lesen des Artikels bemerkt man dann allerdings, dass die ganz schön rechnen mussten, um auf die 175 000 zu kommen. Also ganz und gar kein Zufall.
 
Und der 175er ist ja ein Mann, das schmierige Bild von einem Mann, das die Medien unter der CDU-Herrschaft in der Adenauer-Zeit von homosexuellen Männern zeichneten, als die Union den von den Nazis verschärften § 175 StGB weiter gelten ließ. das hatte zur Folge, dass 50.000 Prozesse gegen schwule Männer geführt wurden, mehr als in der Nazi-Zeit, und das bedeutete allemal dwen Verlust der bürgerlichen Existenz, oft auch der Freiheit und bei so manchen Männern, die das nicht aushalten konnten, den Tod aus eigener Hand. Darüber wird heute immer noch süffisant geredet. Und die Union hat sich nicht nur davon nicht distanziert, sondern in Wahlkämpfen z.B. in Berlin kam es zu verschiedenen angeblichen ver-Sprechern gegen Wowereit.

Und bei der blöden Frage, ob Schwule die besseren Politiker seien, wird auch der Bürgermeister von Paris vorgeführt. Doch keine Rede davon, dass er einen Anschlag von einem rechten Schwulenhasser überlebt hat.

Nein, möchte ich hier beantworten, Schwule sind wirklich nicht die besseren Politiker. Unter uns gibt es ganauso viele Arschlöcher wie unter den Heten, vielleicht sogar mehr. Das Versteckspiel, das ewige Heimlichtun und dann die Ausreden, es handele sich um, Privates muss doch Folgen haben. Und das bei einer Partei, die schon immer im Verein mit ganz bestimmten Medien mit Vorliebe Privates bentzt und benutzte, um ihre politischen Gegner anzugreifen.

Wenn man sich umsieht, findet man in der Parteienlandschaft eigentlich nichts Gutes. Aber man immer noch etwas Schlechteres finden und noch etwas Niveauloseres. (js)
 
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