73. LUST, Winter 02/03
 
Die Gefahr des Terrorismus
Zur Frage der religiösen Fundamentalisten und der Gefahren, die sich für uns daraus ergeben können.

Die BesucherInnen der uralten Synagoge auf der Insel Djerba sind offensichtlich ganz bewusst ausgesucht worden, um, wie ein Sprecher der islamischen Fundamentalisten in den Medien mitteilte, Deutschland eine Lehre zu erteilen. Und wenn diese Lehre nicht ausreiche, müsse man zu anderen Mitteln greifen. Ähnlich verhalte es sich bei dem Anschlag auf den französischen Tanker. Und nun wird der Anschlag auf der Insel Bali im gleichen Sinne diskutiert.
 
Terroristen sind Menschen, die für ein religiöses oder politisches Ziel wahllos Menschen als Geisel nehmen oder grausam ermorden, die zufällig anwesend sind. Die Taten sind für die Täter durch ihre religiösen oder politischen Ziele gerechtfertigt, die Menschenopfer sind ihnen dabei ohne Belang.

Terror ist in seiner ursprünglichen Bedeutung das gewaltsame und rücksichtslose Vorgehen der tyrannischen Obrigkeit gegen die Bevölkerung, bei der jegliche Humanität außer Acht gelassen wird. Aus der Sicht einer solchen Obrigkeit sind alle Maßnahmen, ein solches Unterdrückungsregime zu stürzen, terroristische Angriffe gegen die Obrigkeit, denn der Tyrannenmord gilt nach unserem Selbstverständnis als legitim, was Tyrannen als Tyrannei oder Terror empfinden. Man will Tyrannen eben nicht in Ruhe die Bevölkerung tyrannisieren lassen.

Heutzutage nehmen Terroristen die zufälligen BesucherInnen eines patriotischen russischen Musicals als Geisel und beginnen, sie zu ermorden, um die politische Erpressung wirkungsvoll zu machen. Terroristische Frauen laufen als lebende Bomben zwischen den Theater-BesucherInnen herum. Und ein zum Islam übergetretener US-Amerikaner mit seinem Sohn maßen sich an, aus dem Hinterhalt wahllos Menschen zu ermorden, was für sie offensichtlich durch ihre Ziele, die uns noch unbekannt sind, gerechtfertigt ist.

Der Terrorismus scheint ansteckend zu sein, er scheint sich ständig zu verbreiten, und durchgeknallte Hasserfüllte scheinen auf solche Beispiel nur zu warten, um endlich ihre menschlichen Masken fallen zu lassen, der Unmensch wird sichtbar, das Monster. Vorbei scheint eine humane Ethik zu sein. Beginnt der Terrorismus die Köpfe von Menschen hasserfüllt zu vernebeln, kommt vieles zutage, was man bisher nicht für möglich gehalten hat.

Bei Terrorismus geht es um eine Methode, eigene Ziele durchzusetzen, und das können persönliche, wirtschaftliche, religiöse oder politische Ziele sein. Es soll das Gefühl entstehen, dass jeder zum Opfer werden kann, so lange irgend jemand sich noch gegen diese Ziele wehrt. Die in Angst und Panik versetzten Menschen sollen dann ihrerseits den gleichen Druck ausüben, damit man sie dann endlich in Ruhe lasse, wenn den Forderungen nachgegeben wurde. Dies könnte sich aber schon bald als tragischer Trugschluss erweisen.

Wer sich in die Abhängigkeit solcher Menschen begibt, die derart menschenverachtend handeln, dessen Ziele können auch nicht viel besser sein. Terroristen und solche, die Terrorismus rechtfertigen oder billigend in Kauf nehmen, sind Regelverletzer ohne menschliches Mitgefühl und sie werden sich später nicht durch Regeln davon abhalten lassen, ihre Willkür an den Menschen auszuleben.

Religiös motivierte Terroristen haben oftmals das Ziel eines Gottesstaates, also eine Gesellschaft unter der Kontrolle eines Kirchenapparates oder eines religiösen Regimes von Revolutionswächtern oder der Inquisition. Andersgläubige oder religionsfreie Menschen, die also nicht von einer Kirche gelenkt werden, sind dann immer in Gefahr.
 
Genaugenommen ist der Gottesstaat oder die politische Macht religiöser Führer ein Eingeständnis, dass die Handelnden selbst nicht glauben, dass ihr Gott allmächtig ist. Würden sie glauben, dass er allmächtig ist, bräuchten sie nicht zu seiner Unterstützung eine Diktatur grausam handelnder Menschen. In seiner Auswirkung lässt sich ein Kirchenstaat jedweder Religion mit einem faschistischen Staat vergleichen.

Was Gottesstaaten und religionspolitischer Terror bedeuten, das wissen wir aus Aufzeichnungen über das Mittelalter in Europa durch christlichen Terror, über sogenannte Hexenverbrennungen, über Kreuzzüge, heute noch über die Zustände in Nordirland. Wir wissen es aus Reiseberichten von Sven Hedin im Tibet des damaligen Dalai-Lhama, über prügelnde Mönchspolizisten, den Reichtum der herrschenden klerikalen Großgrundbesitzer, die schreckliche Armut der Bevölkerung usw.
 
Und wir wissen es nicht zuletzt über die Zustände in Afghanistan oder Iran. Gremlitza meint in der Zeitschrift KONKRET, die christliche und die islamische Religion seien die widerwärtigsten der Religionen.

Vielleicht haben wir ja verlernt, christliche Anmaßungen zu erkennen, dass uns dies weniger auffällt als die Anmaßung der Muslime. Auch der Umstand, dass die meisten christlich geprägten Staaten unterdessen weltlich regiert werden, lässt das Christentum sanfter erscheinen.
 
Anders ist scheint es mit dem Islam zu sein. Es wird zwischen den Fundamentalisten und den gemäßigten Muslimen unterschieden. Ich glaube aber, dass die gemäßigten Muslimen nicht stabil antiterroristisch sind, denn sie sind durchlässig für die fundamentalistische Propaganda.
 
Und durch die zunehmende Verarmung und Arbeitslosigkeit sowie durch die immer schlechtere Bildung in vielen muslimisch geprägten Ländern und auch in den muslimischen Bevölkerungsschichten auch in den industriellen Staaten ist deren Radikalisierung durch Fundamentalisten wahrscheinlich nur eine Frage der Zeit.
 
Die gemäßigten Islamisten müssten sich eindeutig und grundlegend von den Inhalten und Methoden der Islamisten distanzieren, um glaubwürdig erscheinen zu können, und sie müssten die Fundamentalisten in den eigenen Reihen isolieren und zurückdrängen, um glaubwürdig zu sein.

Wenn eine iranische Delegation z.B. nach Frankreich kommt, dann verlangt sie, dass sich die Gastgeber in ihrem eigenen Land an die Gebräuche des Iran halten. Diese Arroganz und gleichzeitige Demütigung der Gastgeber begründen sie offensichtlich nur damit, dass sie behaupten, sie glauben daran, dass dies eben allen Menschen von dem Gott vorgeschrieben wird, den sie repräsentieren. U
 
nd so dürfen, wie man erfährt, bei den internationalen Verhandlungen keine Frauen anwesend sein. Und in einem Land wie Frankreich darf kein Wein auf den Tischen der Bankette stehen. Diese letzte Missachtung der französischen Kultur ist freilich nichts gegenüber der Unverschämtheit, verhandelnde Personen nach biologischen Gesichtspunkten auszuwählen, ihnen aufgrund ihres Geschlechtes Verhaltensweisen aufzudiktieren.
 
Nun gut, der Gastgeber zeigt seine Aufmerksamkeit gegenüber dem Gast, in dem er ein paar Schritte auf ihn zugeht. Aber auf die Diskriminierung der Frau einzugehen, dass ist eigentlich kein Aufeinanderzugehen, dass ist demütigend, auch für die Männer.

Religionsfreiheit bedeutet, dass der Staat das Recht garantiert, sich für eine Religion der eigenen Wahl oder keine Religion freiwillig entscheiden zu können. Dies gehört zu den hart erworbenen Menschenrechten, zu den Grundfreiheiten des zivilisierten Menschen, und hinter diesen erwobenen Stand dürfen wir nicht mehr zurückfallen.
 
Ob man religiöse Gebote einhält, entscheidet jeder selbst für sich, und er hat sich nur gegenüber seinem jeweiligen Überwesen dafür zu rechtfertigen und nicht gegenüber irgendwelchen Menschen, die ihre eigenen Interessen hinter religiösen und daher scheinbar unanfechtbaren Thesen verbergen.
 
Es hat niemand das Recht, anderen Menschen religiöse oder moralische Vorschriften zu machen. Religionsführer dürfen heutzutage in den säkularen (weltlichen) Staaten nicht mehr die Möglichkeit haben, die politische Macht über ein Land zu bekommen, weil dies immer mindestens für andersgläubige oder religionsfreie Menschen Unterdrückung bedeutet, also immer undemokratisch ist, immer die Selbstbestimmungsrechte des Individuums missachtet. Die staatliche Ordnung, die die Religionsfreiheit garantiert, steht über der jeweils freiwilligen eingegangenen religiösen Ordnung.

Ein Gottesstaat ist per se schon Tyrannei. Für oder gegen eine Religion oder gar keine muss sich jeder Mensch ohne Druck oder Zwang frei entscheiden können, wie man sie eben für sich benötigt. Alles andere ist Vergewaltigung. Aber über dieses Thema haben wir uns schon geäußert. Hinzu kommt nun noch der Terrorismus diverser Gotteskrieger, die frech behaupten, dass die Ermordeten notwendige Opfer seien und ohnehin Ketzer gewesen seien, sonst hätte Gott ihre Ermordung nicht zugelassen. Das spricht doch schon für sich selbst.

Die zunehmende wirtschaftliche Not in großen Teilen der Erde für immer größere Schichten der Bevölkerung macht diese anfällig für eine Demagogie, die ihnen Wohlstand verspricht, schon irdischen Wohlstand oder im Jenseits als Belohnung, denn das haben alle heutige Heilslehren als Kern.
 
Die eigentliche ideologische Führung stammt allerdings aus den höchsten Kreisen der Gesellschaft, lenkt den Zorn der kleinen Leute in für sie ungefährliche und sogar nutzbringende Wege, und den wichtigsten Teil der Ausführung haben zuverlässige gebildete Söhne (und Töchter) vornehmer Familien in Arbeit. Die Täter vom 11. September 2001 waren nämlich nicht aus den untersten sozialen Schichten der ärmsten Länder, sondern aus den weltliche und westlich gebildeten Kreisen des reichsten Land der Region, aus Saudi Arabien.

Der Hintergrund, warum die wirtschaftlichen und herrschenden Eliten aus manchen Ländern zum Mittel des Terrorismus greifen und dies religiös begründen, hat etwas mit der wirtschaftlichen Globalisierung zu tun, hat etwas mit der Bedrohung ihrer alten feudalen Machtbasis zu tun. Globalisierung ist nicht nur die wirtschaftliche Verflechtung, an der die Oberschichten dieser Länder partizipieren (profitierend teilnehmen), sondern mit der profitablen Technik kommen die Techniker.
 
Mit den Technikern kommt die Ausbildung und mit ihr eine an sachlich-weltlichen Maßstäben orientierte Bildung. Und daher ist es kein Zufall, dass die Machthaber ihre Bevölkerung in religiöse Raserei bringen wollen, denn damit versuchen sie, die Bildung der Bevölkerung zurückzudrehen. Als gutes Beispiel davon kann das Afghanistan der Taliban dienen, die Fernsehen und Musik sowie weltliche Bildung verboten, Frauen aus dem Berufsleben verbannten und Männer für den Rückschritt in ihrer Entwicklung mit weiblichen Halbsklavinnen dafür belohnten.
 
Die Globalisierung bedroht die Macht der Kriegsherren, die ihre Provinzen noch immer mittelalterlich regieren, die deshalb auf die Taliban setzten, dann mit den USA zusammen die Taliban stürzten, um auf dem richtigen Pferd zu sitzen, und nun dafür sorgen, dass die Regierung in Kabul nur Macht über Kabul hat und nicht weiterkommt. Viele Anschläge stammen von den lokalen Kriegsherren, die sich ihre feudalen Strukturen nicht nehmen lassen wollen.

Religion ist nicht die einzige Ideologie, die Motivation für die Unterstützung oder Durchführung von Terrorismus sein kann. Nationalistische oder rassistische Terroristen, die zum Beispiel die Unterdrückung einer nationalen Gruppe oder Minderheit nutzen, um für ihre eigene politische Macht zu kämpfen, besiegen Bevölkerungen, sind in der Lage, Kinder, Frauen und Männer zu ermorden, weil diese angeblich mit der falschen Haarfarbe, Augen- oder Hautfarbe geboren wurden und weil die eine Sorte Mensch besser sei als die andere, woraus sie unterschiedliche Rechte ableiten. So gelingt es den Herrschenden, arme Schichten der Bevölkerung gegen andere Arme aufzubringen, statt gegen sie selbst.

Völkermord und Terror kann natürlich nicht wirklich dazu führen, dass irgendeine Unterdrückung aufhört und dass die armen Menschen nicht mehr von reichen Menschen ausgebeutet werden. Vielleicht führt er für eine Zeitlang dazu, dass die eine Unterdrückung der einen Bevölkerung durch eine Unterdrückung der anderen Bevölkerung abgelöst wird. Aber auch die eigene Bevölkerungsgruppe wird unterdrückt, denn die Tatsache, dass jemand einer Bevölkerungsgruppe angehört, macht ihn logischerweise doch nicht zum Unmenschen und Feind. Für den Rassisten ist das aber nicht so.
 
Dass die Biologie als Argument für Vor- und Nachteile in der Gesellschaft herhalten muss, ist nicht zufällig, denn es ist die Rechtfertigung des Erbadels für sein angebliches Recht auf Ausbeutung. Faschismus ist ursprünglich der Schulterschluss zwischen Adel und Lumpenproletariat, also den Leuten, die nicht einmal die Möglichkeit haben, sich als Arbeitnehmer (Proleten) ausbeuten zu lassen.
 
Faschismus bekommt seine Chance als tragende Ideologie dann, wenn nennenswerte bürgerliche Kräfte auf ihn setzen, sich davon etwas versprechen. Auch hier wird mit Sozialneid operiert. Der Sozialhilfeempfänger, der nicht bereit ist, sich zu jeden Preis zu verkaufen, gilt als ein schlimmerer Verbrecher als jemand, der in Saus und Braus lebt, auf Kosten von Leuten, die ihr Leben lang schuften und nie auf einen grünen Zweig kommen.

Religiös und nationalistische verblendete Menschen lassen sich von ihren politischen und religiösen Führern sehr leicht in den Wahnsinn des Terrorismus treiben. Wir müssen vorsichtig sein, denn er steckt an. Wir müssen uns wohl darauf einstellen, dass unsere ”Heile Welt” nicht so sicher ist, wie viele Menschen gerne glauben. Und nicht nur in fernen Urlaubsländern sind wir bedroht, es wird uns auch zunehmend in Europa einholen. (js)
 
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